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Bundesblatt 109. Jahrgang

Bern, den 4. April 1957

Band I

Erscheint wöchentlich. Preis 3O Franken im Jahr, 16 Franken im Halbjahr zuzüglich ' Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: 50 Kappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpfli & Cie. in Bern

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren betreffend die Einführung der Invalidenversicherung (Vom 22. März 1957)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen zu dem Volksbegehren vom I.Februar 1955 für die Einführung der Invalidenversicherung Bericht und Antrag zu unterbreiten.

I.

1. Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz hat am I.Februar 1955 ein Volksbegehren für die Einführung der Invalidenversicherung eingereicht, das wie folgt lautet: «Die unterzeichneten stimmberechtigten Schweizerbürger stellen auf dem Wege der Volksinitiative gemäss Artikel 121 der Bundesverfassung das Begehren, es sei die Bundesverfassung wie folgt abzuändern: Artikel 34quater, Absatz l, 2.Satzteil, der Bundesverfassung, der lautet: ,,... er ist befugt, auf einen späteren Zeitpunkt auch die Invalidenversicherung einzuführen", wird aufgehoben und durch den folgenden Absatz 1bis ersetzt: ,,Der Bund errichtet auf dem Wege der Gesetzgebung die Invalidenversicherung, die die Eingliederung der erwerbs- und teilerwerbsfähigen Invaliden ins Erwerbsleben fördert, die sämtlichen Invaliden die notwendigen Prothesen und anderen Hilfsmittel verschafft und die den nicht- oder teilerwerbsfähigen Invaliden durch Renten den Lebensunterhalt sichert."

Artikel 34quater der Bundesverfassung wird durch folgende Übergangsbestimmung ergänzt : Bundesblatt. 109. Jahrg. Bd. I.

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978 ,,Vom Zeitpunkt der Annahme dieses Verfassungsartikels an bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung werden jährlich aus Bundesmitteln die notwendigen Summen zur Verfügung gestellt, um die Wiedereingliederung körperlich und geistig Behinderter ins Erwerbsleben durch entsprechende Massnahmen zu fördern, um allen bedürftigen Invaliden die notwendigen Prothesen und andere Hilfsmittel zu verschaffen und den bedürftigen, nicht- oder teilerwerbsfähigen Invaliden eine den Lebensunterhalt sichernde Übergangsrente auszurichten."

Das Nähere wird durch einen dem fakultativen Referendum unterstellten Beschluss der Bundesversammlung geregelt.

Der deutsche Urtext ist der für das Zustandekommen des Volksbegehrens massgebende Text.» Die Initiative enthält eine Kückzugsklausel.

Am 8. März 1955 übermittelten wir Ihnen das Volksbegehren mit dem üblichen Bericht und der Feststellung, dass es von 101 933 gültigen Unterschriften unterstützt wird und daher zustandegekommen ist. Der Ständerat hat von diesem Bericht am 18.März, der Nationalrat am 25.März 1955 Kenntnis genommen; gleichzeitig wurden wir eingeladen, über die Sache selbst Bericht zu erstatten.

2. Am 24. März 1955 hat die Partei der Arbeit der Schweiz der Bundeskanzlei eine Anzahl Unterschriften zu einem Volksbegehren in gleicher Sache eingereicht. Laut unserm Bericht vom 27.April 1955 ist auch dieses Volksbegehren zustandegekommen, und zwar mit 54 073 Unterschriften. Die Bäte haben von diesem Volksbegehren im Laufe der Junisession 1955 Kenntnis genommen.

3. Artikel 15 des Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892/5. Oktober 1950 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Bevision der Bundesverfassung bestimmt, dass bei Einreichung mehrerer Initiativbegehren in bezug auf die nämliche Verfassungsmaterie zunächst das ersteingereichte Begehren durch die Bundesversammlung zu behandeln und zur Volksabstimmung zu bringen ist. Zu dem Volksbegehren der Partei der Arbeit braucht daher bis auf weiteres nicht Stellung genommen zu werden. Es wird darauf zurückzukommen sein, sobald das zuerst eingereichte Volksbegehren zur Abstimmung gebracht oder zurückgezogen sein wird.

Gemäss Artikel 8 des oben zitierten Bundesgesetzes haben die eidgenössischen Bäte, wenn das Partialrevisionsbegehren in der Form eines ausgearbeiteten
Entwurfes gestellt ist, nach Einreichung der Initiative innert drei Jahren darüber Beschluss zu fassen, ob sie dem Initiativentwurf, so wie derselbe lautet, zustimmen oder nicht. Artikel 9 des genannten Gesetzes bestimmt sodann: ,,Kommt ein übereinstimmender Beschluss beider Räte hinsichtlich ihrer Stellungnahme zu dem ausgearbeiteten Initiativentwurf innert gesetzlicher Frist nicht zustande, so wird der letztere ohne weiteres der Abstimmung des Volkes und der Stände unterbreitet.

Dasselbe ist der Fall, wenn die Bundesversammlung beschliesst, dem Entwurf zuzustimmen."

Im vorliegenden Fall müssen also die eidgenössischen Bäte spätestens bis zum I.Februar 1958 zu dem Volksbegehren Stellung nehmen.

979 IL . 1. Bereits in der Botschaft vom 21. Juni 1919 betreffend die Einführung des Gesetzgebungsrechtes über die Invaliditäts-, Alters- und Hinterlassenenversicherung haben wir die Wünschbarkeit der Einführung einer eidgenössischen Invalidenversicherung im Zusammenhang mit. der Einführung der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) bejaht. In der Folge hat das Schweizervolk am 6. Dezember 1925 einer Ergänzung der Bundesverfassung durch einen Artikel S^1131*61 zugestimmt, wonach der Bund auf dem Wege der Gesetzgebung die AHV einzurichten hat und befugt ist, auf einen späteren Zeitpunkt auch die Invalidenversicherung einzuführen. Wenn damals entgegen der ursprünglichen Absicht der AHV die Priorität über die Invalidenversicherung eingeräumt worden ist, so geschah dies nur deshalb, weil ein stufenweiser Ausbau der Sozialversicherung mehr Aussicht auf Erfolg versprach und die Verwirklichung der AHV schneller möglich erschien als jene der Invalidenversicherung mit ihren grösseren technischen Schwierigkeiten und ihren schwerer abzuschätzenden finanziellen Auswirkungen.

Heute, nachdem die AHV seit über 9 Jahren besteht und sich in jeder Beziehung bewährt und eingelebt hat, wird der Euf nach Verwirklichung der Invalidenversicherung immer stärker. Es vermag dies nicht zu verwundern, trifft doch die Invalidität den Einzelnen und seine Familie eher noch härter als das Alter, weil sie nicht, wie das Alter, jahrzehntelang vorausgesehen werden kann, sondern meist unerwartet eintritt, und dies oft in einem Zeitpunkt, da noch keine genügenden Reserven angesammelt werden konnten, ja im Gegenteil allfällig vorhandene Eeserven häufig durch die der Invalidität vorangegangene Krankheit aufgezehrt werden mussten. Invalidität ist ein hartes Schicksal.

2. Es ist allerdings nicht so, dass heute in der Schweiz nichts für die Invaliden getan wird. Wir erwähnen die Invalidenversicherung der obligatorischen, staatlichen Unfallversicherung und der Eidgenössischen Militärversicherung, die Invalidenpensionen vieler öffentlicher und privater Pensionskassen, die Invalidenversicherung des Kantons Glarus, die Invalidenfürsorge der Kantone Genf, Solothurn und Basel-Stadt sowie die Hilfe, die den Invaliden durch die Pro Infirmis, die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft zur Eingliederung Behinderter in die Volkswirtschaft, die
Arbeitsgemeinschaft Schweizerischer Kranken- und Invalidenselbsthilfeorganisationen und weiterer gemeinnütziger Institutionen zuteil wird.

3. Eine die Invaliden aller Altersstufen, alle Gebrechen und chronischen Leiden umfassende Hilfe, auf die der heute sich überall durchsetzenden Tendenz gemäss ein Bechtsanspruch besteht und die auch über die Gegenseitigkeitsverträge auf dem Gebiete der Sozialversicherung zu entsprechenden Gegenleistungen zugunsten der Schweizer im Ausland führen wird, kann jedoch nur eine eidgenössische Invalidenversicherung bringen.

Die Notwendigkeit der Einführung einer eidgenössischen Invalidenversicherung muss daher heute aus sozial- und staatspolitischen Gründen bejaht werden.

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III.

uater

1. Artikel 34<ï der Bundesverfassung lautet: «Der Bund wird auf dem Wege der Gesetzgebung die Alters- und die Hinterlassenenversicherung einrichten; er ist befugt, auf einen späteren Zeitpunkt auch die Invalidenversicherung einzuführen.

Er kann diese Versicherungszweige allgemein oder für einzelne Bevölkerungsklassen obligatorisch erklären.

Die Durchführung erfolgt unter Mitwirkung der Kantone; es können öffentliche und private Versicherungskassen beigezogen werden.

Die beiden ersten Versicherungszweige sind gleichzeitig einzuführen.

Die finanziellen Leistungen des Bundes und der Kantone dürfen sich zusammen auf nicht mehr als die Hälfte des Gesamtbedarfes der Versicherung belaufen.

Vom 1. Januar 1926 an leistet der Bund einen Beitrag in der Höhe der gesamten Einnahmen aus der fiskalischen Belastung des Tabaks an die Alters- und Hinterlassenenversicherung.

Der Anteil des Bundes an den Beineinnahmen a,us einer künftigen Belastung gebrannter Wasser wird für die Alters- und Hinterlassenenversicherung verwendet.» Aus diesem Text ergibt sich zunächst, dass die Invalidenversicherung; nachdem die AHV auf den I.Januar 1948 eingeführt worden ist, nunmehr jederzeit verwirklicht werden kann.

Es ergibt sich im weiteren, dass nur ganz wenige zwingende Bestimmungen hinsichtlich der Ausgestaltung der Invalidenversicherung bestehen. Als zwingende Vorschriften für die Invalidenversicherung sind lediglich zu betrachten, dass a. die Durchführung unter Mitwirkung der Kantone zu erfolgen hat; b. die finanziellen Leistungen des Bundes und der Kantone sich zusammen auf nicht mehr als die Hälfte des Gesamtbedarfes der Versicherung belaufen dürfen ; c. die Einnahmen aus der fiskalischen Belastung des Tabaks und der Anteil des Bundes aus der fiskalischen Belastung gebrannter Wasser nicht für die Finanzierung der Invalidenversicherung herangezogen werden dürfen.

Im übrigen ist der Gesetzgeber in der Ausgestaltung der Invalidenversicherung frei.

2. Der Vergleich des geltenden Artikels 84iuater mit dem Abänderungsvorschlag gemäss Volksbegehren ergibt in der Hauptsache folgende Unterschiede: a. Nach dem geltenden Verfassungsartikel ist der Bund lediglich befugt, die Invalidenversicherung einzuführen, währenddem nach dem Text des Volksbegehrens der Bund zur Errichtung der Invalidenversicherung "verpflichtet wird.
b. Der Text des Volksbegehrens für die Abänderung von Artikel 34Quater; Absatz l, enthält eine im geltenden Text nicht vorhandene Bestimmung, wonach die Invalidenversicherung die Eingliederung der erwerbs- und teilerwerbsfähigen Invaliden ins Erwerbsleben fördert, sämtlichen Invaliden

981 die notwendigen Prothesen und andere Hilfsmittel verschafft und den nicht- oder teilerwerbsfähigen Invaliden durch Eenten den Lebensunterhalt sichert.

c. Das Volksbegehren, nicht aber der geltende Verfassungstext, verlangt eine bis zur Einführung der Invalidenversicherung geltende Übergangsordnung, gemäss welcher jährlich aus Bundesmitteln die notwendigen Summen zur Verfügung gestellt werden, um die Eingliederung körperlich und geistig Behinderter ins Erwerbsleben durch entsprechende Massnahmen zii fördern, um allen bedürftigen Invaliden die notwendigen Prothesen und andere Hilfsmittel zu verschaffen und den bedürftigen nicht- oder teilerwerbsfähigen Invaliden eine den Lebensunterhalt sichernde Übergangsrente auszurichten.

ad a. Nachdem, wie unter Ziffer IV ausgeführt wird, ohnehin die Absicht besteht, baldmöglichst von der bestehenden Verfassungskompetenz Gebrauch zu machen, kommt diesem Unterschied keine praktische Bedeutung zu.

ad b. Es wird heute allgemein anerkannt, dass eine sozialpolitisch wertvolle Invalidenversicherung nicht nur die Gewährung von Geldleistungen vorsehen muss, sondern auch Massnahmen für die Eingliederung ins Erwerbsleben sowie die Beschaffung der notwendigen Prothesen und anderer Hilfsmittel, wie dies das Volksbegehren verlangt. Des weitern wird eine sozial fortschrittliche Invalidenversicherung auch Massnahmen zur Besserung oder wenigstens Stabilisierung des Gesundheitszustandes vorsehen müssen, soweit solche für die Eingliederung Invalider ins Erwerbsleben notwendig sind. Bestimmt können derartige Massnahmen aber auch auf Grund des geltenden Verfassungstextes gesetzlich verankert werden. Das ergibt sich bereits aus den Materialien zum Verfassungstext. So wird z. B." in der bereits erwähnten Botschaft vom 21. Juni 1919 (BEI 1919, IV, 129) ausgeführt: «Neben oder am Platze der Barleistung wird die Versicherung auch Naturalleistungen, wie die Unterbringung in Altersheimen, Invalidenheimen, sowie die Vermittlung der Unterkunft bei geeigneten Privatpersonen und dergleichen gewähren.

ImPernern wird sie sich nicht nur mit der Ersetzung, sondern auch mit derBeseitigung des eingetretenen und insbesondere mit der Verhütung des drohenden Schadens befassen.»

Abgesehen davon führt auch folgende Überlegung dazu, die geltende Verfassungsgrundlage als durchaus ausreichend für die gesetzliche Verankerung von Massnahmen medizinischer oder beruflicher Art zur Eingliederung von Invaliden ins Erwerbsleben zu betrachten: alle diese Massnahmen bezwecken die Verhinderung der Invalidität bzw. die Beseitigung einer bereits bestehenden Invalidität und führen somit, soweit sie von Erfolg gekrönt sind, zu einer wesentlichen finanziellen Entlastung der Invalidenversicherung, indem dann von der Gewährung von Invalidenrenten abgesehen oder die Zahlung von Invalidenrenten eingestellt werden kann. Die Invalidenversicherung wird nun aber zweifellos alle Massnahmen ergreifen dürfen, die zu ihrer finanziellen Entlastung beitragen.

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Aus diesen Gründen bedarf die Einführung von Massnahmen medizinischer oder beruflicher Art zur Eingliederung von Invaliden ins Erwerbsleben keineswegs einer breiteren Verfassungsgrundlage, wie dies das Volksbegehren vorsieht. Im Gegenteil erlaubt die geltende, dem Gesetzgeber fast völlig freie Hand lassende Verfassungsgrundlage eher weitergehende Massnahmen als der zwar die Eingliederung ins Erwerbsleben, nicht aber medizinische Massnahmen vorsehende Text des Volksbegehrens.

Dass es auf Grund von Artikel 34<ïuater der Bundesverfassung möglich wäre, den Lebensunterhalt sichernde Eenten zu gewähren, steht ausser jedem Zweifel. Wieweit dies aber finanziell möglich sein wird, wird bei Ausarbeitung des Gesetzes zu prüfen sein. Es wäre daher nicht wünschbar, in der Verfassung die Ausrichtung von «den Lebensunterhalt sichernden Kenten» vorzuschreiben.

ad c.

Eine Übergangsordnung wäre überflüssig, denn das auszuarbeitende Bundesgesetz wird voraussichtlich ungefähr in dem Zeitpunkt in Kraft treten können, in welchem eine dem fakultativen Eeferendum unterstehende Übergangsordnung eingeführt werden könnte. Es besteht daher keinerlei Notwendigkeit, in der Verfassung die Möglichkeit einer Übergangsordnung vorzusehen, sofern die geltende Verfassungsb'estimmung im übrigen als genügende Grundlage für die Invalidenversicherung betrachtet wird und der Wille besteht, gestützt darauf einen Gesetzesentwurf auszuarbeiten.

3. Auf Grund des geltenden Artikels 34luater der Bundesverfassung kann durch Bundesgesetz eine allen sozialpolitischen Erfordernissen entsprechende Invalidenversicherung eingeführt werden. Die Ergänzung der Verfassung ist deshalb unnötig und, sofern sie den Gesetzgeber in seiner Bewegungsfreiheit einschränkt, wie dies beim. Volksbegehren der Fall ist, auch unerwünscht. Ferner ist die der Versicherung vorausgehende Schaffung einer Übergangsordnung mit Fürsorgecharakter nicht zu begrüssen.

Wir kommen deshalb, gestützt auf die vorstehenden Ausführungen, zum Schluss, das Volksbegehren sei abzulehnen. Auch ein Gegenentwurf ist nicht notwendig, da der geltende Verfassungstext für die Einführung der Invalidenversicherung genügt.

IV.

Wir haben bereits unter Ziffer II darauf hingewiesen, dass die Notwendigkeit der Einführung der Invalidenversicherung bejaht werden muss. Wir haben deshalb am 12. Juli 1955 das Departement des Innern beauftragt, einen Gesetzesentwurf über die Invalidenversicherung vorzubereiten und hiefür eine Expertenkommission einzusetzen.

Inzwischen hat die Expertenkommission ihre Arbeiten am 30. November 1956 abgeschlossen und uns einen einlässlichen Bericht unterbreitet1). Wir *) Bericht der Eidgenössischen Expertenkommission für die Einführung der Invalidenversicherung vom 80. November 1956. Bern 1957.

983 sind der Auffassung, dass dieser Bericht eine geeignete Grundlage für die Ausarbeitung eines Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung darstellt. Im Interesse einer umfassenden Bekanntmachung und allseitigen Abklärung der mit der Einführung der Invalidenversicherung verbundenen mannigfachen Probleme werden wir den Expertenbericht den Mitgliedern der eidgenössischen Eäte zur Kenntnisnahme sowie den Kantonen, den politischen Parteien, den Spitzenverbänden der Wirtschaft, den Organisationen der Invalidenfürsorge und weiteren Interessenten zur Vernehmlassung zustellen. Wir rechnen damit, dass das Resultat der Umfrage bis im Sommer dieses Jahres vorliegen wird, so dass es uns möglich sein sollte, bis zum Jahresende 1957 einen Gesetzesentwurf samt Botschaft über die Einführung der Invalidenversicherung den eidgenössischen Eäten zu unterbreiten. Damit ist wohl auch den Intentionen des Volksbegehrens Eechnung getragen. Es dürfte zu erwarten sein, dass das Volksbegehren, · das die Eückzugsklausel enthält, nach Erscheinen des Gesetzesentwurfes zurückgezogen werden wird.

Gestützt auf vorstehende Ausführungen haben wir die Ehre, Ihnen zu beantragen, das Volksbegehren für die Einführung der Invalidenversicherung vom I.Februar 1955 sei dem Volk und den Ständen ohne Gegenentwurf zur Abstimmung vorzulegen und es sei seine Ablehnung zu empfehlen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 22.März 1957.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Streuli Der Bundeskanzler: Ch.Oser

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(Entwurf)

Bundesbeschluss über

das Volksbegehren für die Einführung der Invalidenversicherung

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in das Volksbegehren vom I.Februar 1955 für die Einführung der Invalidenversicherung und in einen Bericht des Bundesrates vom 22. März 1957, gestützt auf Artikel 121 ff. der Bundesverfassung und Antike! 8 ff. des Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892/5.Oktober 1950 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Eevision der Bundesverfassung, beschliesst:

Art. l Das Volksbegehren für die Einführung der Invalidenversicherung wird dem Volk und den Ständen zur Abstimmung unterbreitet.

Das Volksbegehren lautet wie folgt : «Die unterzeichneten stimmberechtigten Schweizerbürger stellen auf dem Wege der Volksinitiative gemäss Artikel 121 der'Bundesverfassung das Begehren, es sei die Bundesverfassung wie folgt abzuändern: Artikel S^"*1*61, Absatz l, 2.Satzteil, der Bundesverfassung, der lautet: ,, . . . er ist befugt, auf einen späteren Zeitpunkt auch die Invalidenversicherung einzuführen", wird aufgehoben und durch den folgenden Absatz lbls ersetzt: ,,Der Bund errichtet auf dem Wege der Gesetzgebung die Invalidenversicherung, die die Eingliederung der erwerbs- und teilerwerbsfähigen Invaliden ins Erwerbsleben fördert, die sämtlichen Invaliden die notwendigen Prothesen und anderen Hilfsmittel verschafft und die den nicht- oder teilerwerbsfähigen Invaliden durch Eenten den Lebensunterhalt sichert."

Artikel S^TM*61 der Bundesverfassung wird durch folgende Übergangsbestimmung ergänzt :

985 ,,Vom Zeitpunkt der Annahme dieses Verfassungsartikels an und bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung werden jährlich aus Bundesmitteln die notwendigen Summen zur Verfügung gestellt, um die Wiedereingliederung körperlich und geistig Behinderter ins Erwerbsleben durch entsprechende Massnahmen zu fördern, um allen bedürftigen Invaliden die notwendigen Prothesen und andere Hilfsmittel zu verschaffen und den bedürftigen nicht- oder teilerwerbsfähigen Invaliden eine den Lebensunterhalt sichernde Übergangsrente auszurichten."

Das Nähere wird durch einen dem fakultativen Eeferendum unterstellten Beschluss der Bundesversammlung geregelt.»

Art. 2 Dem Volk und den Ständen wird die Verwerfung des Volksbegehrens beantragt.

Art. 3 Der Bundesrat wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren betreffend die Einführung der Invalidenversicherung (Vom 22. März 1957)

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04.04.1957

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