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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren gegen den Missbrauch wirtschaftlicher Macht (Vom 8. Februar 1957)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren !

Wir beehren uns, Ihnen den Bericht zum Volksbegehren gegen den Missbrauch wirtschaftlicher Macht vorzulegen.

Das Volksbegehren, das von einem Initiativkomitee am 3.Februar 1955 mit 60 357 gültigen Unterschriften der Bundeskanzlei eingereicht wurde, hat folgenden Wortlaut: «Die unterzeichneten stimmberechtigten Schweizerbürger verlangen auf dem Wege der Volksinitiative, dass in die Bundesverfassung ein Artikel 33 bis aufgenommen wird, welcher lautet :

Art. 33 bis BV Der Bürger wird geschützt gegen die Beeinträchtigung seiner Schutz des Freiheit in Handel und Gewerbe durch den Missbrauch privatwirtBürgers schaftlicher Macht.

2 Rechtswidrig sind alle Handlungen und Vereinbarungen von Gegen überFirmen, Verbänden oder Einzelpersonen, die darauf gerichtet sind, vor Zwang den wirtschaftlichen Wettbewerb einzuschränken, Monopole oder monopolähnliche Stellungen zu schaffen oder die Konsumenten zu übervorteilen.

3 Abreden der Arbeitnehmer unter sich oder mit den Arbeit- Ausnahmen gebern zum Schütze des Lohnes und der Arbeitsbedingungen fallen nicht unter diese Bestimmungen.

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strafen

Andere volkswirtschaftlich oder sozial gerechtfertigte Ausnahmen können durch Bundesgesetze bewilligt werden, die fakultativ der Volksabstimmung unterliegen.

B Die Folgen der Zuwiderhandlung gegen Absatz 2 bestimmt die Bundesgesetzgebung.

Übergangsbestimmung Dieser Verfassungsartikel tritt zwei Jahre nach seiner Annahme durch Volk und Stände in Kraft.

Solange ein Gesetz gemäss Absatz 5 nicht erlassen ist, finden ohne weiteres die zivil- und strafrechtlichen Sanktionen Anwendung, welche die Bundesgesetzgebung gegen den unlauteren Wettbewerb vorsieht.»

Die Initiative enthält ferner eine Eückzugsklausel.

Der Ständerat hat am 18.März und der Nationalrat am 25. März 1955 von unserem Bericht über das Zustandekommen der Initiative (B311955,1, 865 ff.)

Kenntnis genommen; der Bundesrat wurde eingeladen, in der Sache selbst Bericht und Antrag einzureichen.

I. Bisherige Bestrebungen für ein Kartellgeset s 1. Das Volksbegehren will die Freiheit in Handel und Gewerbe gegen die Beeinträchtigung durch private Wettbewerbsbeschränkungen schützen; es richtet sich deshalb gegen Kartelle und andere private Machtstellungen. Nach einer gelegentlich vertretenen Auffassung wäre dieser Schutz bereits durch den verfassungsmässigen Grundsatz der Handels- und Gewerbefroiheit (Art.31 der Bundesverfassung) gewährleistet. Gemäss der bis ins letzte Jahrhundert zurückreichenden, konstanten Praxis des Bundesrates und der Gerichte bezieht sich indessen die verfassungsmässige Garantie der Handels- und Gf'werbefreiheit nur auf das Verhältnis des Bürgers zum Staat, nicht aber der Bürger unter sich. Das bedeutet, dass der Einzelne wohl gegenüber Eingriffen des Staates den verfassungsrechtlichen Schutz anrufen kann, nicht aber gegenüber Einwirkungen Privater. So kann aus der Garantie der Handels- und Gewerbefreiheit nicht die Unzulässigkeit von Kartellen oder Boykotten gefolgert werden. Historisch erklärt sich diese Praxis daraus, dass die freiheitliche Wirtschaftsordnung aus dem Kampf gegen Staatseingriffe und staatlich geschützte Privilegien erwachsen ist.

Die Entwicklung der privaten Organisationen hat allerdings g'ezeigt, dass auch die Privaten selber die Freiheit beschränken können, wogegen aber unter Berufung auf Artikel 31 der Bundesverfassung nicht aufzukommen ist.

Dagegen unterstehen die Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen den allgemeinen privatrechtlichen Normen. Im Falle einer Klage urteilt daher der Zivilrichter über die privatrechtliche Zulässigkeit eines Kartells oder eines

349 Boykottes. Im Verlaufe von 60 Jahren hatte das Bundesgericht eine Reihe von Streitfällen - namentlich in bezug auf Boykotte - zu entscheiden. Es hat dabei die Zulässigkeit privater Wettbewerbsbeschränkungen grundsätzlich bejaht, aber gleichzeitig der Einflussnahme auf Aussenseiter gewisse Schranken gesetzt, ohne den Boykott schlechthin als widerrechtlich zu erklären.

2. Seit den zwanziger Jahren wurden verschiedene parlamentarische Vorstösse unternommen, die auf ein behördliches Einschreiten gegen die Kartelle abzielten, in der Meinung, dass die Praxis der Zivilgerichte keine genügende Handhabe gegen Missbräuche biete (Motion Grimm 1924; Interpellationen Brügger, Grimm und Schmid-Euedin 1926; Postulat Schmidlin 1930; Interpellation Schmid-Oberentfelden 1931 ; Motion Feldmann 1936).

In der Botschaft vom 10. September 1937 über eine Partialrevision der Wirtschaftsartikel der Bundesverfassung (BB11937, II, 889) vertrat der Bundesrat die Auffassung, es sei verfrüht, sich über die nähere Ausgestaltung einer künftigen Kartellgesetzgebung aussprechen zu wollen. Er fügte aber bei, «dass es sich nicht etwa um eine Verhinderung oder Bekämpfung des Kartellwesens an sich handeln kann, sondern lediglich um eine Kontrolle der Kartelle, insbesondere um die Einführung einer gewissen Publizitätspflicht und um-die Bekämpfung vorkommender Missbräuche und Auswüchse. Da zweifelhaft sein kann, ob die geltende Bundesverfassung für eine derartige Gesetzgebung eine genügende Grundlage bietet, erscheint es nach unserem Dafürhalten als angezeigt, bei Anlass der jetzigen Partialrevision diese Unsicherheit zu beseitigen und dem Bund gemäss unserem Vorschlage die erforderliche Kompetenz einzuräumen, wodurch der Entscheidung der Frage nicht vorgegriffen werden soll, ob ein besonderes Kartellgesetz notwendig wird und wie es auszugestalten ist». Der Bundesrat schlug daher vor, der Bund solle auch «über Kartelle und ähnliche Organisationen» Vorschriften aufstellen dürfen. Sowohl in der von den Bäten 1939 verabschiedeten Vorlage wie in der endgültigen Passung der Wirtschaftsartikel, die 1947 in die Verfassung eingegangen ist, lautet die Bestimmung dahin, der Bund könne Vorschriften erlassen «gegen volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen von Kartellen und ähnlichen Organisationen» (Bundesverfassung Art.31Ws,
Abs.3, lit.d). Damit war die verfassungsmässige Grundlage für ein Kartellgesetz gelegt, mit dem zwar nicht die Kartelle als solche verboten werden dürfen, aber Missbräuche bekämpft werden können.

3. Nach Annahme der Wirtschaftsartikel folgten neue Vorstösse, die den Erlass eines Ausführungsgesetzes zum Gegenstand hatten (Motionen Grimm, Sappeur und Vincent 1947; Postulat Herzog 1949; Motion A. Borei 1952; Motion Spühler 1955). Wir haben uns jeweils bereit erklärt, die Frage zu prüfen, ob ein Gesetz erlassen werden solle, doch mussten wir stets betonen, dass vorerst die volkswirtschaftlichen Aspekte des Kartellwesens näher abzuklären seien.

Die Eidgenössische Preisbildungskommission, die seit 1936 eine Kartellenquete durchführt, wurde 1950 beauftragt, einen zusammenfassenden Bericht über das Kartellproblem vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus zu erstatten. Dieser Bericht wird demnächst .erscheinen. Damit ist der Zeitpunkt gekommen, um

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an die Frage eines Gesetzes heranzutreten. Das vorliegende Volksbegehren hat aber zur Folge, dass sich Behörden und Öffentlichkeit zunächst wieder mit der verfassungsrechtlichen Seite befassen müssen.

II. Inhalt der Initiative 1. Die Bedeutung der Initiative, die namentlich in Kroisen des Landesrings der Unabhängigen Zustimmung gefunden hat, erhellt aus dem Vergleich mit der bereits bestehenden Verfassungsbestimmung. Diese ermächtigt den Bund, Vorschriften zu erlassen «gegen volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen von Kartellen und ähnlichen Organisationen». Während sie also lediglich eine Bekämpfung schädlicher Auswirkungen gestattet, will die Initiative ein grundsätzliches Verbot von Wettbewerbsbeschränkungen statuieren, von dem immerhin Ausnahmen zulässig wären.

Die geltende Verfassungsbestimmung hat nur «Kartelle und ähnliche Organisationen); zum Gegenstand. Demgegenüber richtet sich die Initiative ganz allgemein gegen den «Missbrauch privatwirtschaftlicher Ma.cht». Inhaber dieser Macht können nach Absatz 2 des vorgeschlagenen Artikels SS1318 sowohl Firmen wie Verbände oder Einzelpersonen sein. Eine einzelne Unternehmung, die über eine wirtschaftliche Machtstellung verfügt, könnte also von dieser Bestimmung ebenfalls erfasst werden. Was die Verbände betrifft, so sind darunter vermutlich nicht nur die Berufsverbände zu verstehen, sondern auch Vereinigungen und Gesellschaftsverhältnisse, die ausschhesslich die Beschränkung des Wettbewerbes zum Z wecke haben ; für solche Zusammenschlüsse ist die Bezeichnung «Verbände» allerdings nicht gebräuchlich.

2. Während Absatz l des Initiativtextes lediglich in proklamatorischer Weise den Grundgedanken des Begehrens zum Ausdruck bringt, enthält Absatz 2 die zentrale Bestimmung der Initiative. Hier werden die unstatthaften Vorkehren aufgezählt, nämlich die «Handlungen und Vereinbarungen, die darauf gerichtet sind, den wirtschaftlichen Wettbewerb einzuschränken, Monopole oder monopolähnliche Stellungen zu schaffen oder die Konsumenten zu übervorteilen».

Nach dieser Aufzählung handelt es sich um drei Tatbestände. Entscheidend ist allerdings das Verbot jeder Wettbewerbsbeschränkung, woraus sich das Verbot, Monopole zu schaffen, auch ohne besondere Erwähnung ergäbe.

Als Wettbewerbsbeschränkungen sind namentlich Abreden zwischen mehreren
Unternehmern und Verbandsbeschlüsse aufzufassen, welche die Produktion, den Absatz oder die Preise regeln. Dazu gehören unter anderem Verbandstarife, aber auch Verpflichtungen von Detaillisten gegenüber den Lieferanten, die Ware zu einem bestimmten Preis zu verkaufen. Nach dem Wortlaut der Initiative wäre es nicht ausgeschlossen, sogar vertragliche Konkurrenzverbote, beispielsweise im Zusammenhang mit einer Geschäftsabtretung, als Wettbewerbsbeschränkung aufzufassen.

Der zweite Tatbestand betrifft die Errichtung von Monopolen. Da der Initiativtext nur davon spricht, es dürften keine Monopole oder monopolähnlichen

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Stellungen «geschaffen werden», könnte man zunächst vermuten, es sei lediglich die Schaffung neuer Monopole rechtswidrig. Aber auch die Ausnützung einer bestehenden Monopolstellung bildet eine Wettbewerbsbeschränkung und wäre deshalb unstatthaft.

Der dritte Tatbestand, die Übervorteilung der Konsumenten, ist in seiner rechtlichen Bedeutung ziemlich unklar. Soll damit allgemein ein Konsumentenschutz angestrebt werden, etwa mit gewerbepolizeilichen Vorschriften (wofür übrigens Artikel Sl^18, Absatz 2, der Verfassung bereits ausreichen würde) oder mit einer staatlichen Preiskontrolle ? Oder soll damit nur hervorgehoben werden, dass die Beschränkung des Wettbewerbes zu einer Übervorteilung des Konsumenten führen kann ? Vermutlich trifft das letztere zu, ohne dass aber der Text hierüber Auskunft gäbe.

8. Die Initiative erklärt solche Handlungen oder Vereinbarungen als rechtswidrig, die auf eine Wettbewerbsbeschränkung «gerichtet» sind. Vermutlich soll damit gesagt sein, dass die Wettbewerbsbeschränkung das Ziel der Handlungen und Vereinbarungen sein müsse, damit diese .als rechtswidrig gelten. Das natürliche Monopol, das sich ohne Zutun der Beteiligten ergibt (z.B. wenn in einem abgelegenen Dorf e eine einzige Bäckerei besteht), soll offenbar nicht erfasst werden. Andernfalls hätte man statt der Worte «darauf gerichtet» den Ausdruck «geeignet» verwenden müssen.

Die meisten Vorkehren, die eine Wettbewerbsbeschränkung bewirken, werden eigens zu diesem Zweck getroffen. Stellt ein Verband einen Preistarif auf, so ist dieser Beschluss der Natur der Sache nach auf eine Wettbewerbsbeschränkung gerichtet. Indem der Verband einheitliche Preise durchsetzen will, strebt er faktisch eine Wettbewerbsbeschränkung an, auch wenn dies den Verbandsorganen oder den einzelnen Mitgliedern nicht bewusst sein sollte.

Hinsichtlich der Monopole und monopolähnlichen Stellungen einzelner Unternehmungen kann es sich anders verhalten. Dass eine Unternehmung im Wege des Wettbewerbes möglichst viele Konkurrenten aus dem Felde schlagen möchte, ist eine natürliche Begleiterscheinung der Konkurrenz, die an sich kein Monopolstreben begründet. Ferner kann allein aus dem Umstand, dass es in verschiedenen Branchen nur wenige Unternehmungen gibt, nicht geschlossen werden, das Bemühen der bestehenden Unternehmungen sei auf eine monopolähnliche
Stellung «gerichtet». Es müsste daher in jedem Fall einzeln untersucht werden, inwiefern dies zutreffe.

4. Vom Verbot der Wettbewerbsbeschränkung wird in Absatz 3 des Volksbegehrens eine Ausnahme gemacht für Abreden der Arbeitnehmer unter sich oder mit den Arbeitgebern zum Schütze des Lohnes und der Arbeitsbedingungen. Es handelt sich um eine echte Ausnahme, da auch solche Abreden den Wettbewerb beschränken, indem sie die Festsetzung der Löhne dem Spiel von Angebot und Nachfrage entziehen und damit die Wettbewerbsbedingungen der Unternehmer hinsichtlich eines wichtigen Kostenfaktors, der Löhne, vereinheitlichen.

Auf Grund der Ausnahmebestimmung sind namentlich Gesamtarbeitsverträge als Abreden zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern weiterhin zulässig.

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Das würde aber nur für Bestimmungen gelten, die den Schutz des Lohnes und der Arbeitsbedingungen betreffen. Wie im einzelnen die Grenze zwischen zulässigen und unzulässigen Bestimmungen zu ziehen wäre, lässt sich nicht leicht beantworten. Möglicherweise wären z.B. auch Abmachungen unstatthaft, die Ungelernte und Frauen von bestimmten Verrichtungen ausschliessen.

Des weitern stellt sich die Frage, was unter den ebenfalls zulässigen «Abreden der Arbeitnehmer unter sich» zu verstehen sei. Vermutlich will die Initiative, wenn sie «Abreden der Arbeitnehmer unter sich» erwähnt, den Streik vom Verbot ausnehmen. Im grundlegenden Absatz 2 werden aber neber. «Vereinbarungen» auch «Handlungen» als rechtswidrig erklärt. Wohl beruht der Streik auf einer Abrede, aber er erschöpft sich nicht darin und könnte nach der Terminologie der Initiative auch als eine «Handlung» aufgefasst werden. Da Absatz 8 «Hanlungen» nicht vom Verbot ausnimmt, wäre der Streik bei dieser Auslegung verboten. Dies dürfte zwar nicht der Absicht der Initianten entsprechen, doch muss auf diese Auslegungsmöglichkeit immerhin aufmerksam gemacht .werden.

Die Aussperrung der Arbeitnehmer durch die Arbeitgeber, das Gegenstück des Streiks, wäre unzulässig, da Vorkehren einzelner Arbeitgeber oder Abreden zwischen mehreren Arbeitgebern nicht unter die Ausnahme vom Verbot fallen.

5. Gemäss Absatz 4 der Initiative können andere volkswirtschaf tlich oder sozial gerechtfertigte Ausnahmen vom Verbot derWettbewerbsb eschränkung durch Bundesgesetze bewilligt werden. Diese Ausnahmen sollen also zum Unterschied von den Gesamtarbeitsverträgen nicht in der Verfassung «elber umschrieben werden, sondern der Gesetzgeber hätte zu entscheiden, ob und welche Ausnahmen er gewähren will. Würde von dieser Ausnahmebefugnis ein weitgehender Gebrauch gemacht, so wäre das Ergebnis vielleicht ähnlich jenem eines Kartellgesetzes gestützt auf die bestehende Kompetenzbestimmung (Art.31bls der Bundesverfassung).

6. Der geltende Verfassungsartikel für den Erlass eines Kartellgesetzes ist eine echte verfassungsrechtliche Bestimmung, indem er eine Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers begründet und diese nur in allgemeine]- Weise umgrenzt.

Bei der Initiative ist zumindest fraglich, ob sie als blosso Kompetenznorm gemeint sei. In Absatz 2 werden Wettbewerbsbeschränkungen als
«rechtswidrig» erklärt, und nach Artikel 5 hat die Bundesgesetzgebung einsig die «Folgen der Zuwiderhandlung gegen Absatz 2» zu bestimmen; das legt die Vermutung nahe, dass abgesehen von den Ausnahmen gemäss Absatz 4 die materielle Eegelung durch die Verfassung bereits abschliessend getroffen sein soll. Selbst die Rechtsfolgen sind schon weitgehend festgelegt; aus der Widerrechtlichkeit der Wettbewerbsbeschränkungen folgt, dass die Zivilklage gegeben ist. Ausserdem beschränkt sich das Marginale von Absatz 5 auf das Wort «Strafen». Offenbar soll neben der Zivilklage nur eine strafrechtliche Sanktion statthaft sein, während verwaltungsrechtliche Massnahinen ausgeschlossen wären, '.'n diese Richtung weist auch der zweite Teil der Übergangsbestimmung, wonach ohne weiteres die zivil- und strafrechtlichen Sanktionen des Bundesgesetzes über den unlauteren

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Wettbewerb Anwendung finden, solange ein besonderes Bundesgesetz gemäss Absatz 5 noch nicht erlassen ist.

Unter diesen Umständen liegt die Annahme nahe, die Initiative sei ihrem Wesen nach eine Ergänzung der Zivil- und Strafrechts-Kompetenz des Bundes gemäss Artikel 64 und 64bls der Bundesverfassung und enthalte zudem -jedenfalls hinsichtlich des grundsätzlichen Kartellverbotes - bereits den wesentlichen Teil der gesetzlichen Ordnung. Die geltende Kompetenznorm für die Kartellgesetzgebung (Art.31bls) beschränkt demgegenüber den Gesetzgeber nicht in der Wahl der Mittel und Hesse insbesondere auch verwaltungsrechtliche Massnahmen zu ; sie geht insofern weiter als die Initiative.

Die Initiative sieht nicht ausdrücklich vor, dass die bereits bestehende Vorschrift in Artikel 31bls, Absatz 3, litera d, der Bundesverfassung aufgehoben werde. Würde die Initiative angenommen, so stünden in der Verfassung zwei verschiedene Kartellbestimmungen, von denen die eine ein Kartellverbot statuieren, die andere dagegen bloss Vorschriften gegen Missbräuche ermöglichen würde. Die Initiative stellt nicht klar, wie sich die beiden Bestimmungen rechtlich zueinander verhalten. Auch die nicht recht verständliche systematische Stellung der vorgeschlagenen Bestimmung - sie soll als Artikel 33bls zwischen den Kompetenzen betreffend die wissenschaftlichen Berufsarten und die Fabrikgesetzgebung eingeschoben werden - liefert dafür keine Anhaltspunkte.

7. Gemäss der Übergangsbestimmung in Absatz 5 würde der neue Verfassungsartikel zwei Jahre nach der Annahme durch Volk und Stände in Kraft treten. Dadurch soll offenbar den beteiligten Privaten ermöglicht werden, selber die bestehenden Wettbewerbsbeschränkungen aufzuheben. Ferner wären bis zum Erlass eines Gesetzes die zivil- und strafrechtlichen Sanktionen des Bundesgesetzes vom 30. September 1943 über den unlauteren Wettbewerb anwendbar.

Es wäre deshalb bis zum Inkrafttreten eines besonderen Gesetzes die Zivilklage auf Feststellung derWiderrechtlichkeit, auf Unterlassung, Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes sowie auf Schadenersatz und Genugtuung gegeben. Eine Bestrafung würde nur auf Antrag hin erfolgen, da auch die Widerhandlungen gegen das Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb Antragsdelikte sind; die Strafe ist Gefängnis oder Busse (Bundesgesetz über den unlauteren
Wettbewerb, Artikel 2 und 13).

lu. Wettbewerbsbeschränkungen in der schweizerischen Wirtschaft 1. Da die Initiative mit Ausnahme von Vorkehren zugunsten der Arbeitnehmer grundsätzlich alle Wettbewerbsbeschränkungen verbieten will, ist es angezeigt, zunächst die Tragweite des Begriffs der Wettbewerbsbeschränkung abzuklären. Unter diesen Begriff fallen in erster Linie sämtliche Abreden zwischen selbständigen Unternehmungen der gleichen oder ähnlicher Branchen zum Zwecke der Konkurrenzbegrenzung, ebenso Verbandsbeschlüsse, soweit sie eine Beeinflussung des Marktes anstreben; es genügt auch eine unverbindliche Abrede (Gentlemen's Agreement). Dass die Einhaltung der Abrede durch Sanktionen gesichert sei, ist nicht erforderlich. Alle diese Abreden und Beschlüsse be-

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zeichnet die Wissenschaft als Kartelle. Darunter sind nicht etwa nur massive und missbräuchliche Beschränkungen der wirtschaftlichen Freiheit zu verstehen.

Auch massvolle Verständigungen zwischen Unternehmern, sofern sie die Produktion, den Absatz oder die Preise regeln, gelten als Kartelle ; so stellen beispielsweise die Verbandstarife der Schuhmacher- und Coiffeurmsister ebenfalls Kartelle dar. Eine Monopol- oder Ausbeutungsabsicht ist nicht vorausgesetzt ; das Kartell kann unter Umständen sogar der Eationalisierung dienen. Massgebend ist das Bestreben, den Wettbewerb irgendwie zu beschrär..ken, ohne dass sich daraus Mißstände zu ergeben brauchen. Allerdings wird in der öffentlichen Diskussion nicht immer dieser weitgefasste Kartellbegriff zugrundegelegt ; doch besteht kein Anlass, Abreden über Wettbewerbsbeschränkungen - im Gegensatz zum Sprachgebrauch der Wissenschaft - nur dann als Kartelle zu bezeichnen, wenn sie zu einem Monopol führen und nachteilige Wirkungen äussern. Wir werden daher in der Folge den Ausdruck «Kartell» für jede Konkurrenzbeschränkung zwischen Unternehmern gleicher oder ähnlicher Branchen verwenden.

In diesem Zusammenhang sei noch bemerkt, dass bei zahlreichen Unternehmern die irrige Auffassung besteht, ihre Abreden und Vorkehren, die auf eine Angleichung der Preise und Lieferungsbedingungen abzielen, hätten mit Wettbewerbsbeschränkungen nichts zu tun. Eichtigerweise mussi man aber jede Abrede oder Vorkehr, die darauf ausgeht, eine Abweichung vom freien Spiel von Angebot und Nachfrage herbeizuführen, als Wettbewerbsbeschränkung auffassen.

Als Wettbewerbsbeschränkung, die nach der Initiative ebenfalls unzulässig wäre, ist sodann die Preisbindung zweiter Hand zu betrachten, wie sie für Markenartikel allgemein üblich ist, beispielsweise für Lebensmittel, Waschmittel, Medikamente, Uhren, Radioapparate oder Photoartikel. Dem Detaillisten wird vom Fabrikanten oder Grossisten der Detailpreis durch Auidruck auf der Pakkung vorgeschrieben, oder die Preisbindung wird durch Reversverpflichtung gesichert.

Inwiefern die Einflussnahme von Einkaufsgenossenschaften auf die angeschlossenen Detaillisten oder von Genossenschaftsverbä:aden auf die angeschlossenen Verbrauchergenossenschaften eine Wettbewerbsbeschränkung darstellt, wäre im Einzelfall auf Grund der konkreten Umstände zu
entscheiden.

Dabei käme es wohl besonders darauf an, ob die Detaillisten oder Verbrauchergenossenschaften verpflichtet sind, die Waren von der Einkaufsgenossenschaft oder vom Verband zu beziehen.

Der Begriff der Wettbewerbsbeschränkung ist derart weit und dehnbar, dass nicht zum vornherein eine zuverlässige Abgrenzung der vom Verbot erfassten Tatbestände möglich ist. Bei unserer Darstellung der Wettbewerbsbeschränkungen handelt es sich deshalb nicht um eine absshliessende Aufzählung. Nach dem Wortlaut der Initiative könnten darunter vielleicht sogar vertragliche Konkurrenzklauseln verstanden werden, wie sie im Geschäftsverkehr üblich sind, so z.B. bei der Alleinvertretung einer Firma. Diese Fälle berühren aber die Wettbewerbsfreiheit nicht, welche die Initiative gewährleisten will.

355 2. Um die Wettbewerbsbeschränkungen besser durchsetzen zu können, ·werden oftmals Sanktionen vorgesehen, sei es durch Konventionalstrafen gegenüber Kartellmitgliedern oder durch Zwangsmassnahmen gegenüber Aussen seitern (Boykott oder Sperre). Namentlich kann die Aussenseiterkonkurrenz herabgemindert oder ausgeschlossen werden, wenn auf Grund von Abmachungen zwischen Lieferanten und Abnehmern Aussenseiter nicht beliefert werden oder nicht in den Genuss derselben Vergünstigungen gelangen wie die Kartellmitglieder. Solche vertikale Bindungen haben eine ziemlich weite Verbreitung gefunden. Sofern alle Lieferanten beteiligt sind und die Abmachung lückenlos eingehalten wird, kommt es infolge der Ausschaltung der Aussenseiter zu einer Schliessung des Marktes, d.h. zu einem kollektiven Monopol der Beteiligten.

Gleiches gilt für Abmachungen zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften, wonach beispielsweise nur sogenannt Vertragstreue Arbeiter beschäftigt werden dürfen und nur bei Vertragstreuen Arbeitgebern gearbeitet werden darf. Eine ähnliche Wirkung hat aber auch eine bloss horizontale Kartellverpflichtung zwischen den Unternehmern derselben Produktions- oder Handelsstufe, sofern alle massgebenden Unternehmungen mitmachen. Dies setzt allerdings voraus, dass die Zahl der in Betracht fallenden Unternehmungen gering ist. Endlich bestehen auch hochorganisierte Kartelle, welche die Produktion und den Absatz regeln und zum Teil sogar den Verkauf besorgen (sog. Syndikate).

Für die Wirksamkeit eines Kartells ist nicht bloss dessen äussere Gestalt massgebend. Es kommt in hohem Grade darauf an, wie gross der Anteil der angeschlossenen Unternehmer und ihres Umsatzes, gemessen an der gesamten Branche, ist und wie weit die Abreden auch tatsächlich eingehalten werden.

Die schweizerische Verbands- und Kartellorganisation ist im allgemeinen nicht lückenlos, und vielfach besteht auch keine straffe Kartelldisziplin.

3. Wettbewerbsbeschränkungen sind in den meisten Erwerbszweigen anzutreffen. Es würde zu weit führen, in diesem Bericht sämtliche vorkommenden Fälle aufzuzählen. Die nachstehenden Ausführungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Immerhin erscheint es angezeigt, anhand einiger Hinweise die Bedeutung der Wettbewerbsbeschränkungen für die schweizerische Wirtschaft zu illustrieren.

Unter den
überaus zahlreichen landwirtschaftlichen Organisationen finden sich auch solche, die Kartellcharakter aufweisen, doch bewirkt in der Landwirtschaft namentlich der staatliche Schutz eine sehr effektive Wettbewerbsbeschränkung. So ist die Wirkung des Zentralverbandes schweizerischer Milchproduzenten, dem die meisten Milchproduzenten angeschlossen sind und der mit rund 184 000 Mitgliedern das grösste aller schweizerischen Kartelle darstellt, weitgehend auf den Umstand zurückzuführen, dass diese Organisation im Eahmen des Landwirtschaftsgesetzes und des Milchbeschlusses zur Erfüllung wichtiger öffentlich-rechtlicher Aufgaben herangezogen wird und zu diesem Zwecke auch mit gewissen Befugnissen ausgestattet worden ist.

In der Industrie ist die Kartelldichte beträchtlich. Teils bestehen hochorganisierte Kartelle, welche zur Stützung von Preisabreden die Produktion

356 kontingentieren, die Aufträge auf die einzelnen Unternehmungen verteilen oder das Absatzgebiet aufteilen (z.B. das Zementkartell). Teils werden auch nur die Preise und Konditionen geregelt. Die entsprechenden Abmachungen sind zuweilen den Aussenstehenden nicht bekannt. In Branchen, die nur wenige massgebende Unternehmungen zählen, können Abreden vollkommen formlos, z.B.

bei Anlass einer geselligen Zusammenkunft (sog. Frühstückskartelle) getroffen werden. Bei einer kleinen Zahl von Unternehmern kann zudem eine Abrede leichter durchgesetzt werden.

Aus dem Gebiet der Lebensmittelindustrie erwähnen wir als Beispiele die Abmachungen in der Käsefabrikation, der Fettindustrie, der Müllerei, der Teigwarenindustrie und der Schokoladefabrikation. Aus der Getränkeindustrie sei das Brauerkartell genannt. Ferner sind die. gesamte Tabakindustrie und auchder Tabakhandel straff organisiert. Die Textilindustrie weist ebenfalls zahlreiche wettbewerbsbeschränkende Abmachungen auf, z.B. in der Stickerei, der Zwirnerei und in der Textilveredlung, aber auch im Textilexporth.andel. In der Industrie der Steine und Erden bestehen, ausser dem Zementkartell, Kartelle unter anderem für Zementröhren, Ziegel und Backsteine. Die Metallindustrie kennt ebenfalls Wettbewerbsbeschränkungen, handle es sich um Giessereien, Walzwerke, Aluminiumwerke oder andere Fabrikationszweige. In der Maschinenindustrie sind bei den Grossunternehmungen des allgemeinen Maschinenbaues kaum eigentliche Kartelle feststellbar, was abgesehen vom scharfen Preiskampf im Exportgeschäft darauf zurückzuführen sein dürfte, dass sich zwischen diesen Unternehmungen von selber eine gewisse Arbeitsteilung und allgemein eine gegenseitige Anpassung ergibt. Ähnliche Verhältnisse bestehen in der chemischen Industrie. Andere Zweige der Maschinenindustrie kennen dagegen regelrechte Kartelle. Sehr intensiv ist die Konkurrenzbeschränkung in der Uhrenindustrie, nicht zuletzt dank staatlichem Schutz.

Auch im Handwerk ist die Kartellbildung sehr weit gediehen. Unter vielen seien nur das Baugewerbe, die Baunebengewerbe, das graphische Gewerbe, die Metzger, Bäcker, Wirte und Coiffeure erwähnt^ Teils handelt es sich um Abreden, die lediglich die Berufsleute einer Ortschaft oder Region unter sich treffen, teils um Regelungen für einen ganzen Landesteil oder die gesamte
Schweiz. Sobald eine grössere Zahl von Handwerkern beteiligt ist, hält es schwer, solche Abmachungen ohne besondere Vorkehren durchzusetzen. In verschiedenen Gewerbezweigen bestehen jedoch auf Grund von Abmachungen mit den Lieferanten wirkungsvolle vertikale Bindungen, die es ermöglichen, sogar den Zugang zum Beruf zu kontrollieren und zu beschränken (z. B. in den Installationsberufen).

Ferner trägt in verschiedenen Berufen die Mitarbeit der Gewerkschaften zur Wirksamkeit der Abmachungen bei, indem sie sich in den. Gesamtarbeitsverträgen verpflichten, die wirtschaftlichen Bestrebungen der Arbeitgeber zu unterstützen. Wir erwähnen weiter die Verpflichtung von Handwerkern, bei öffentlichen Vergebungen ihren Offerten gemeinsam errechnete Preise oder Tarifansätze zugrundezulegen.

357 Die gesamte übrige Wirtschaft weist ebenfalls zahlreiche Kartelle auf, handle es sich um die Hôtellerie, den Verkehr, den Handel, den Buch- und Zeitungsverlag, die Banken oder Versicherungen. Im Grosshandel bestehen zum Teil starke vertikale Bindungen zwischen Grossisten und ihren Lieferanten oder Abnehmern (z.B. im Grosshandel der sanitären Branche, im Handel mit Baumaterialien, Kohlen, Eisenwaren, Leder, Papier, Garn und Geweben). Zum Teil kommen auch Abmachungen mit ausländischen Lieferanten vor ; bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, dass verschiedene Wettbewerbsbeschränkungen sowohl in der Industrie als im Handel durch Marktorganisationen auf internationaler Ebene bewirkt werden. Im Detailhandel ist die Kartellbildung im allgemeinen geringer als in anderen Wirtschaftszweigen; doch sind die Preise vielfach durch Bindungen zweiter Hand festgelegt, was im Effekt auf dasselbe hinauskommt. Die Banken haben eine Reihe von Abmachungen über Konditionen und Zinse getroffen; hervorzuheben sind namentlich die Vereinbarungen zur Abwehr gegen einen wirtschaftlich unerwünschten Zinszerfall sowie das Gentlemen's Agreement über die Baufinanzierung.

Selbst in den liberalen Berufen sind Wettbewerbsbeschränkungen nicht unbekannt. So stellen die Honorarordnungen des Schweizerischen Ingenieurund Architekten-Vereins Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne der Initiative dar.

Alle diese Abmachungen und Beschlüsse wären nach der Initiative verboten, sofern nicht eine gesetzliche Ausnahme statuiert würde. Jegliche Verständigung zwischen mehreren Unternehmern über die Beachtung von Preisansätzen oder Lieferungsbedingungen wäre rechtswidrig. Diese radikale Wirkung ist aus dem notwendigerweise abstrakten Initiativtext nicht für jedermann ersichtlich, weshalb sie hier mit aller Deutlichkeit festgehalten sei.

Die Initiative verbietet ausserdem den Privaten, Monopole und monopolähnliche Stellungen zu schaffen, womit vor allem Machtstellungen von Unternehmungen gemeint sein dürften, die nicht auf eine Kartellabrede zurückgehen.

Eigentliche Monopole einzelner Unternehmungen sind in der Schweiz kaum anzutreffen. Nicht zuletzt wird dies durch die Einfuhr ausländischer Konkurrenzprodukte verhindert. Hingegen bestehen sogenannte Oligopole, die dadurch gekennzeichnet sind, dass mehrere massgebende Unternehmungen auf Grund ihrer
faktischen Macht am Markt die Möglichkeit haben, auch ohne Abrede die Preise ungefähr gleich hoch anzusetzen; es seien nur die Benzin-Importeure angeführt. Kap'italmässige Verflechtungen zwischen mehreren Unternehmungen (Trusts, Konzerne) sind je nach den Umständen als monopolähnliche Gebilde anzusehen. Die begriffliche Umschreibung der Trusts und Konzerne ist noch uneinheitlich. Die Kapitalverflechtung wird als Trust zu gelten haben, wenn sie zu einer Zusammenfassung mehrerer Unternehmungen unter zentraler Leitung führt, allenfalls mit marktbeherrschender Stellung, während der Konzern keine völlige Einheit der untereinander verbundenen Unternehmungen schafft.

Die kapitalmässigen Bindungen sind am stärksten ausgeprägt in der chemischen Bundesblatt. 109. Jahrg. Bd. L

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358 Industrie, der Metall- und Maschinenindustrie, der Elektrisiitätswirtschaft und der Textilindustrie.

4. Die Initiative würde an staatlichen oder durch den Staat ermöglichten Monopolen nichts ändern, da sie nur private Machtstellung3n im Auge hat. In ganz allgemeiner Weise ist festzuhalten, dass der Wettbewerb auch bei Annahme der Initiative nicht voll gewährleistet wäre. Wesentliche machtmässige Einflüsse blieben bestehen. So verschafft unter Umständen die Kapitalkraft einer grossen Unternehmung allein schon einen Vorsprung gegenüber kleineren Unternehmungen, was bereits eine Konkurrenzungleichheit darstellt. Niemand wird aber auf den Gedanken verfallen, deshalb die grossen Unternehmungen aufzulösen. Anderseits zeigt dieses Beispiel, dass von der Initiative namentlich die kleineren Unternehmungen betroffen würden, die, wenn sie a.uf den Markt Einfluss nehmen wollen, dies nur über eine Kartellabrede erreichen, während grosse Unternehmungen vom Verbot der Wettbewerbsbeschränkungen und Monopole, so wie es die Initiative formuliert, erheblich weniger zu befürchten hätten. Abgesehen von der Betriebsgrösse würden überdies die staatlichen und vom Staat irgendwie beeinflussten Betriebe eine Sonderstellung einnehmen.

IV. Wirtschaftliche Bedeutung der Wettbewerbsbeschränkungen 1. Wenn die Initiative einen von allen Machteinflüssen völlig freien Wettbewerb anstrebt, so folgt sie damit sogenannt neoliberalen Gedankengängen.

Das wirtschaftliche Geschehen soll nicht durch kollektive Gebilde oder übermächtige Unternehmungen bestimmt werden, sondern ausschliesslich dem Spiel von Angebot und Nachfrage unterliegen. Ohne Zweifel ist dies das Idealbild einer Marktwirtschaft, und der wirtschaftliche Aufschwung der westlichen Industriestaaten war nur dank dem trotz allen Abschwächungen stets wirksamen marktwirtschaftlichen Ordnungsprinzip möglich. Die Wettbewerbsbeschränkungen ihrerseits stellen aber keine willkürliche Störung der freien Wirtschaft dar, sondern haben sich aus deren Gegebenheiten heraus allmählich und organisch entwickelt.

Vor dem Bau eines dichten Eisenbahnnetzes und vor de]' Motorisierung des Strassenverkehrs verschaffte der Entfernungsschutz manchem Unternehmer ein natürliches Monopol. Im Laufe der Zeit sind nicht nur diese Monopole weggefallen, sondern darüber hinaus hat sich die Konkurrenz
ganz allgemein verschärft. In diesem Zusammenhang ist namentlich die technische Entwicklung zu erwähnen, die ständige Änderungen der Produktion und Anpassungen am Markte erheischt. Ganz besonders hat die erhebliche Zunahme des investierten fixen Kapitals die Unternehmer genötigt, ihre Anlagen auch bei ungünstiger Preislage voll auszunützen, um Kapitalverluste zu vermeiden. Dieser Sachverhalt hat wesentlich zur Konkurrenzverschärfung beigetragen. Dabei ist zu bemerken, dass der Bedarf an Fixkapital heute sogar bei mittleren und kleineren Unternehmungen oft verhältnismässig gross ist.

Den Momenten, die die Konkurrenz verschärfen, wirken auf der andern Seite konkurrenzdämpfende Kräfte in Form von Wettbewerbsbeschränkungen

359 entgegen. So gesehen, ist die allseitige Kartellbildung nichts anderes als eine Eeaktion auf die Konkurrenzverschärfung ; sie ist mit anderen Worten durch die wirtschaftliche Entwicklung hervorgerufen worden.

Bezeichnenderweise fallen denn auch die Anfänge der Kartellbildung mit der Zeit des Überganges von der ersten, stürmischen Industrialisierungsepoche zum inneren Ausbau und zur Konsolidierung der neuzeitlichen Wirtschaft zusammen. Es besteht kein Zweifel, dass die Kartellbewegung durch die krisenhafte Erschütterung, die in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts einsetzte, starken Auftrieb erfahren hat. Manche Wettbewerbsbeschränkungen scheinen in der Tat ihr Entstehen einer Notlage zu verdanken, weshalb zuweilen die Kartelle als «Kinder der Not» bezeichnet werden. Auch wenn diese Behauptung nicht allgemeine Gültigkeit beanspruchen darf, so steckt darin doch ein wahrer Kern.

Darüber hinaus macht sich in der modernen Wirtschaft ganz allgemein das Bedürfnis nach vermehrter Organisation geltend, und die Wettbewerbsbeschränkungen müssen ihrerseits auch in diesem weiteren Eahmen gewürdigt werden.

Es ist nicht von ungefähr, dass in den letzten Jahrzehnten die Organisation der einzelnen Unternehmung einerseits und das Verbandswesen anderseits grosse Portschritte gemacht haben. Dies rührt von den hohen Ansprüchen her, denen Produktion und Güterverteilung heute genügen müssen.

Der Arbeitnehmer erhebt das Begehren auf Sicherung des Arbeitsplatzes und des Lohnes. Sein verständlicher Wunsch nach Sicherheit veranlasst den Unternehmer zu organisatorischen, planenden Vorkehren auf lange Sicht und legt ihm eine möglichst kontinuierliche Gestaltung der Produktion und der Preise nahe. Der Arbeitnehmer kann daher durchaus an einer die Preise stabilisierenden Beschränkung des Wettbewerbes interessiert sein.

Der Unternehmer seinerseits ist bestrebt, durch Eationalisierung die Kosten zu senken und kostspielige Anlagen möglichst gut auszunützen. Es darf gesagt werden, dass manche Kartelle neben der Preissicherung auch solchen Zwecken dienen, indem sie beispielsweise auf eine Normierung und Typisierung hinarbeiten oder den Erfahrungsaustausch pflegen. Namentlich aber ist vom Standpunkt des Unternehmers aus das bedeutende Ausmass des Fixkapitals und die daraus resultierende Konkurrenzverschärfung ein
massgebender Grund für Wettbewerbsbeschränkungen .

2. Für den Kleinunternehmer - den Gewerbetreibenden und Kleinindustriellen - ist der Zusammenschluss in Kartellen eher noch wichtiger als für grössere Unternehmungen. Im Gewerbe haben sich noch mehr als in der Industrie die Kartelle im Eahmen der Berufsverbände entwickelt. Diese Verbände befassen sich mit der beruflichen Ausbildung, der Förderung der Buchführung und Kalkulation und mit manchen anderen Fragen. Von der Förderung einer angemessenen Preisberechnung zum Kartell ist aber nur ein kleiner Schritt. Weil blosse Empfehlungen über die Art und Weise einer angemessenen Kalkulation bei einer grossen Zahl von Gewerbetreibenden nicht viel Erfolg haben, werden Preistarife festgesetzt. Es ist eine Tatsache, dass gerade im Gewerbe, soweit nicht

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wirksame Abreden bestehen, die Tendenz zu scharfer Preiskonkurrenz besteht, die freilich in einer Hochkonjunktur weniger bemerkbar, aber doch latent vorhanden ist. Da ira allgemeinen der Gewerbetreibende die Kalkulation und überhaupt die kaufmännische Seite der Betriebsführung weniger beherrscht als der industrielle Unternehmer, kommt es leicht zu unüberlegter Preisunterbietung; wo zahlreiche Gewerbetreibende untereinander in Konkurrenz stehen, neigen sie oft zu ganz erheblichen Preiskonzessionen, um sich Auftrage zu verschaffen.

Wir verweisen auf die Berichte der Preisbildungskomniissior. über die Verhältnisse im Coiffeurgewerbe, die in dieser Hinsicht heute noch grundsätzliche Gültigkeit haben1). Ferner sei der Bericht der Preisbildungskommission über die Konkurrenzverhältnisse im Baugewerbe erwähnt, der die besondern Verhältnisse baugewerblicher Berufe dartut 2).

3. Man würde den geschichtlichen Tatsachen nicht gerecht, wollte man behaupten, dass die Marktwirtschaft jemals in reiner Form verwirklicht gewesen sei. Nach dem marktwirtschaftlichen Modell würde sich der Konkurrenzkampf nur unter ungefähr gleich starken Unternehmern abspielen, ohne dass er durch die Übermacht einer einzelnen Unternehmung oder eines kollektiven Gebildes beeinträchtigt würde. In Tat und Wahrheit haben sich die Vorkämpfer der Gewerbefreiheit den Wettbewerb als eine harte, unerbittliche Auseinandersetzung vorgestellt, die nicht nur zwischen wirtschaftlich etwa gleich starken Unternehmern, sondern auch zwischen Kleinen und Grossen, zwischen Schwachen und Mächtigen ausgetragen wird. Zudem kamen von jeher Abmachungen zwischen Fabrikanten oder Kaufleuten zwecks Marktbeeinflussung zustande.

Sie waren, soviel bekannt ist, weniger zahlreich als heute1, aber nicht etwa harmloser.

Diese Hinweise zeigen, dass eine Marktwirtschaft, die von keinerlei wettbewerbsfremden Momenten beeinflusst würde, ein Postulat darstellt, das überhaupt noch nie verwirklicht worden ist.

, ' 4. Bereits aus den angeführten Gründen erscheint ein Kartellverbot fragwürdig. Es bleibt aber zu prüfen, ob nicht die Nachteile der Wettbewerbsbeschränkungen die Voi teile eindeutig überwiegen, was ein grundsätzliches Verbot dennoch rechtfertigen könnte. An den Wettbewerbsbeschränkungen wird im wesentlichen gerügt, dass sie die Freiheit der Unternehmer beschneiden,
zu einer Überhöhung der Preise führen, insbesondere die Preise auf die schwächsten am Kartell beteiligten Unternehmer ausrichten und die Anpassung an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse verzögern.

Diese Gefahren sind nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Aber es handelt sich, jedenfalls was die Preise und die Anpassung unveränderte Verhältnisse betrifft, mehr um Möglichkeiten, deren Verwirklichung von verschie1 ) Über die Lage des schweizerischen Coiffeurgewerbes (Veröffentlichung Nr. 20 der Preisbildungskommission, 1938), S. 59. Die gegenwärtigen Konkurrenzverhältnisse im Coiffeurgewerbe («Volkswirtschaft» 1945, S. 42 ff.), S. 49, 57.

2 ) Die Konkurrenzverhältnisse im Baugewerbe un ter Berücksichtigung der öffentlichen Submission (Veröffentlichung Nr. 30 der Preisbildungskommission, 1953), S.9ff.

361 denen, durchaus nicht allgemein gegebenen Umständen abhängt. Je nach der wirtschaftlichen Lage einer Branche und nach der Zahl der Aussenseiter sind die Auswirkungen der Kartelle höchst unterschiedlich. Sodann ist von Bedeutung, ob der Staat direkt oder indirekt die Kartellbildung begünstigt.

Die Beschränkung der wirtschaftlichen Freiheit ist allerdings eine Tatsache, die bei jeder Wettbewerbsbeschränkung mehr oder minder gegeben ist.

Soweit sich aber die Unternehmer freiwillig die Beschränkung auferlegen, ist dagegen nicht viel einzuwenden. Das Bundesgericht führte schon vor 50 Jahren zu dieser Frage aus: «Der einzelne gibt danach freilich bei einem derartigen Zusammenschluss ein Stück seiner Freiheit und Selbständigkeit auf, aber nur, um in der Stärkung der Allgemeinheit der Berufsgenossen auch seine eigene Stärkung zu finden» (BGE 33II116). Wohl aber kann die Beschränkung problematisch werden, wenn sie durch Einsatz kollektiver Macht (z.B. Boykott) erzwungen wird. Durch solche rein private Vorkehren wird letzten Endes die staatliche Zuständigkeitsordnung in Frage gestellt, die allein über die Anwendung kollektiver Macht befinden sollte und es Privaten nicht gestatten kann, von diesen Mitteln beliebigen Gebrauch zu machen. Auch wenn mit der herrschenden Meinung davon auszugehen ist, dass das verfassungsmässige In divi dualrecht der Handels- und Gewerbefreiheit das Verhältnis der Bürger unter sich nicht berührt, so versteht sich trotzdem die Zulässigkeit privater Machtanwendung nicht von selbst. Vielmehr ist sie auch nach geltendem schweizerischem Becht nur im Bahmen der vom Zivilrecht gezogenen Schranken statthaft. Die Gerichtspraxis hat daher dem Boykott Grenzen gesetzt. Wie man aber den Boykott auch immer bewerten mag, so ist jedenfalls kein Kartellverbot nötig, um ihn auszuschliessen oder stärker als bisher zu beschränken.

5. Der Vorwurf der Preisüberhöhung ist wohl das gewichtigste Argument, das für ein Kartellverbot vorgebracht wird. Indessen darf man sich nicht vorstellen, die Kartelle hätten es in der Hand, die Preise nach ihrem Belieben anzusetzen. Die Gefahr von Preisüberforderungen ist am grössten, wenn eine Marktschliessung gelingt, so dass sämtliche Aussenseiter ausgeschaltet werden.

Aber selbst dann sind Momente wirksam, die einer schrankenlosen Preissteigerung entgegenarbeiten. Die
freie Wirtschaft entwickelt aus sich selber Kräfte der Selbstkorrektur, die ausserordentlich wirkungsvoll sind. So gelingt es nicht häufig, eine Preisabrede lückenlos durchzusetzen. Wenn Aussenseiter zu billigeren Preisen anbieten, ist die Versuchung für die Kartellmitglieder gross, ebenfalls die Preisordnung zu durchbrechen. Im Falle wirklich überhöhter Preise könnte ein leistungsfähiger Unternehmer unter Umständen ein Interesse haben, durch billigeres Angebot seinen Umsatz zu steigern. Ferner muss auf die Konkurrenz durch sogenannte Substitutionsgüter Bücksicht genommen werden, d.h. von Gütern, die an Stelle der vom Kartell erfassten Güter verwendet werden können. Als Beispiele substituierbarer Güter seien Kohle und Heizöl genannt. Soweit es sich nicht um Güter des Zwangsbedarfes handelt, kaïin der Konsument einer Preisüberhöhung auch durch Verlagerung des Konsums auf andersartige Güter ausweichen.

362 Der Kartellpreis ist nicht immer eine starre, unabänderliche Grosse, sondern in vielen Fällen lediglich eine Eichtlinie, etwa in dem Sinne, dass man einen bestimmten Preis «eigentlich haben sollte». Wo er ferner nicht für ein fertiges Produkt zum vorneherein in Franken und Eappen festgelegt ist, sondern vom Unternehmer anhand von Tarifansätzen in jedem einzelnen l'ali selber errechnet werden muss, ergeben sich erfahrungsgemäss zwischen mehreren Unternehmern beträchtliche Unterschiede, weil nämlich jeder Unternehmer den Tarif gernäss den Eigenheiten seines Betriebes und der Einschätzung der Msirktsituation handhabt. Es bedarf straff organisierter Kartelle, wie sie beispielsweise im graphischen Gewerbe anzutreffen sind, um dieser Form der Umgehung zu begegnen.

Würde jeder Unternehmer seine Leistung unter Berücksichtigung der Marktverhältnisse individuell kalkulieren, so ergäbe sich kaum je ein vollkommen einheitlicher Preis. Der Leistungsfähigere würde billiger anbeten als der Unternehmer mit schwacher Leistung. Dem Kartell wohnt die Tendenz inné, auch auf die leistungsschwachen Betriebe Rücksicht zu nehmen, was zu einer Preisüberhöhung zugunsten der leistungsfähigeren Betriebe führen kann. Man wird aber von einem einheitlichen Preis nicht unbedingt auf eine Bevorzugung schwächerer Betriebe schliessen dürfen. Das ist am Beispiel von Gewerbe zweigen ersichtlich, in denen kleinere und grössere Unternehmungen in Konkurrenz stehen; die Leistungsfähigkeit nimmt durchaus nicht immer mit steigender Grosse der Unternehmung zu. Die Kostenvorteile der grossen Unternehmung, die sich vor allem aus dem Einkauf im grossen sowie aus der weitgetrieb 3nen Arbeitsteilung und Mechanisierung ergeben, können unter anderem wieder durch höhere Organisationskosten und vermehrtes Kapitalrisiko aufgewogen werden. Was die Industrie betrifft, so haben verschiedentlich Kartelle sogar auf eine bessere Leistungsfähigkeit schwacher Unternehmungen hingewirkt.

Die Wettbewerbsbeschränkung kann die Anpassung an veränderte Verhältnisse verlangsamen, namentlich in bezug auf die Preise. Ob und wie weit im einzelnen eine Verzögerung erfolgt, wird wiederum davon abhängen, inwiefern in- und ausserhalb des Kartells Konkurrenzkräfte wirksam werden. Die Preisgestaltung wird übrigens auch in Berufen mit Preisabreden von Faktoren beeinflusst,
die nicht auf die Kartellbildung zurückgehen. So haben die schweizerischen Unternehmer auf die Preise ausländischer Rohstoffe und Produkte keinen Einfluss. Des weitern sind die viel diskutierten Preise für einheimische Agrarprodukte, die zweifellos für die Lebenshaltung grosse Bedeutung haben, vorwiegend das Ergebnis des staatlichen Schutzes.

Neben der Preiskonkurrenz ist die Qualitätskonkurrenz gebührend zu beachten. Zwar setzen manche Abreden die Qualität der Leistung in gewissem Masse fest, aber im grossen und ganzen spielt sich in unserer Wirtschaft ein intensiver Wettbewerb mittels Steigerung der Leistung ab. Trotz dem Bestehen von Kartellen macht sich somit der Einfluss des Marktes gebend.

Mit Argumenten allgemeiner Natur über die Vor- und Nachteile von Wettbewerbsbeschränkungen ist noch nichts ausgesagt über die konkreten Auswirkungen auf die schweizerische Wirtschaft. Es ist kaum möglich, hierüber

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genauere Angaben zu machen. Denn es lägst sich nicht beurteilen, wie sich die Wirtschaft ohne solche Beschränkungen entwickelt hätte. Es ist durchaus möglich, dass Unternehmungen eines Wirtschaftszweiges, in dem private Abmachungen bestehen, unter Umständen nur einen massigen Ertrag aufweisen; das kann aber nicht ohne weiteres dahin ausgelegt werden, die privaten Abreden zeitigten keine Nachteile. Möglicherweise wären nämlich ohne Wettbewerbsbeschränkungen dank regerem Wettbewerb die Produktivität grösser und die Preise entsprechend niedriger. Über blosse Vermutungen gelangt man aber nicht hinaus, weil die Auswirkungen von Änderungen in der Wirtschaftsverfassung sehr schwer vorauszusehen sind.

6. Wie schon angedeutet wurde, sind es nicht allein die von der Initiative erfassten privaten Vorkehren, welche Wettbewerbsbeschränkungen zur Folge haben.

Naturgemäss gibt es hinsichtlich der Leistungen, an denen der Staat oder öffentliche Anstalten ein Monopol haben, überhaupt keinen Wettbewerb (z.B.

Post-, Telephon- und Telegraphenverkehr, Elektrizitäts-, Gas- und Wasserversorgung). Ferner haben staatliche Tarife eine Angleichung der Preise zur Folge. Unter anderem bestehen Tarife für öffentliche Transportanstalten, gewerbsmässige Stellenvermittler, Anwälte und weitere Berufe. Auch die staatlich genehmigten Tarifabmachungen zwischen den Krankenkassen einerseits und den Ärzten und Apothekern anderseits sind in diesem Zusammenhang zu erwähnen, ebenso die einer strengen staatlichen Kontrolle unterliegenden Tarife der Privatversicherung.

Ausserdem bewirken staatliche Schutzmassnahmen eine Preisstützung, wie das Beispiel der Landwirtschaft zeigt. Mitunter erhöhen sie auch den Wirkungsgrad bereits vorhandener Kartelle, so in der Milchproduktion, dem Grosshandel mit Käse, der Müllerei, der Tabakwirtschaft, der Uhrenindustrie und in der Film Wirtschaft. Die Verordnung vom 30. Dezember 1947 über die fiskalische Belastung des Tabaks schreibt den Aufdruck des Kleinhandelspreises auf die Packungen vor und erklärt den aufgedruckten Preis für die Abgabe an den Verbraucher im Kleinhandel als verbindlich (Art. 87 und 94).

Kartellfördernd wirken auch Hemmungen und Beschränkungen der Einund Ausfuhr, wie hohe Zölle, Ein- und Ausfuhrverbote und Kontingente. Ausserdem hat die Zulassungskontrolle für ausländische Arbeitskräfte
eine Konkurrenzbeschränkung am Arbeitsmarkt zur Folge.

Die staatliche Begünstigung ist vielfach beabsichtigt, kann aber auch nur die ungewollte Folge einer bestimmten Eegelung sein. Soweit sie beabsichtigt ist, stellt sich die Frage, w.elche Konsequenzen der Staat aus einem grundsätzlichen Kartellverbot zu ziehen hätte. Soll er für die betreffenden Branchen den staatlichen Schutz verstärken, um den Wegfall der privaten Abrede auszugleichen, oder soll eine Ausnahme vom allgemeinen Kartellverbot vorgesehen werden, wodurch die Diskrepanz zu nicht geschützten Branchen noch vergrössert würde, oder soll der staatliche Schutz lediglich im heutigen Ausmass belassen oder gar abgebaut werden? Wie dem auch sei, die Initiative hätte jedenfalls für das

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schweizerische Wirtschaftsrecht auch in dieser Hinsicht schwerwiegende Folgen, da in irgendeiner Form zunächst ein Widerstreit zwischen Kartellverbot und staatlichen Schutzbestimmungen eintreten würde.

V. Beurteilung der Initiative 1. Der Initiative liegt eine Konzeption zugrunde, die einer aus der Wirtschaft selbst hervorgegangenen Entwicklung der Marktverhiiltnisse und einer mehr als ein halbes Jahrhundert geübten Rechtspraxis zuwiderläuft. Das allein schon muss Bedenken erwecken. Eine Ordnung, die lange Zoit bestanden und sich eingelebt hat, kann nicht einfach mit einem Federstrich beseitigt werden; andernfalls wären schwerwiegende Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft und alle Volkskreise zu gewärtigen.

Soweit es aber darum geht, schädliche Auswirkungen zu bekämpfen, reicht die geltende Kompetenznorm in Artikel 31bls der Bundesverfassung aus. Nachdem 1947, also vor verhältnismässig kurzer Zeit erst, die verfassungsmässige Grundlage für eine Kartellgesetzgebung geschaffen wurde, ist es gegeben, zunächst einmal von dieser Bestimmung Gebrauch zu machen. Ohne zwingende Gründe sollte nicht schon heute die Verfassung neuerdings revidiert werden.

Freilich wird eingewendet werden, .die Initiative lasse einen weiten Baum für Ausnahmen vom Verbot der Wettbewerbsbeschränkungen und würde daher nicht unbedingt die einschneidenden Wirkungen haben, die man ihr zuschreibe.

Wenn dem so wäre, bestünde erst recht kein Grund, der Initiative zuzustimmen, da dann der Unterschied zu Artikel 31bls der Bundesverfassung nicht mehr grundsätzlicher Natur wäre und es ebensogut bei der geltenden Bestimmung sein Bewenden haben könnte.

2. Auch aus wirtschaftspolitischen Gründen ist die Initiative abzulehnen; wir verweisen auf die Ausführungen im vorangehenden Absclinitt. Die Kartellbildung ist ein wesentliches Ordnungselement der modernen Wirtschaft, auch wenn sie wie andere Einrichtungen neben Vorteilen auch Nachteile auf weist.

Dass in einzelnen Fällen die Nachteile grösser sind, rechtfertigt noch kein allgemeines Kartellverbot. Zur Bekämpfung von Missbräuchen genügt ein Gesetz auf Grund der heutigen Verfassungsbestimmung.

Im übrigen darf nicht für unliebsame wirtschaftliche Erscheinungen zum vorneherein die Verbandsmacht verantwortlich erklärt werde:!. So ist der inflatorische Preisanstieg nicht das Werk der
Verbände, sondern durch die Konjunkturlage bedingt. Verschiedene Verbände haben sogar versucht, dieser Entwicklung entgegenzutreten; es sei an die oben bereits erwä'anten Abmachungen der Banken über die Gewährung von Baukrediten erinnert (die, nebenbei bemerkt, ein Beispiel für gesamtwirtschaftlich erwünschte Wettbewerbsbeschränkungen bilden).

8. Die Initiative weist, abgesehen von den schon erwähnten Unklarheiten, einige schwerwiegende Mängel auf. Das Verbot der Wettbewerbsbeschränkungen würde vor allem Kartelle mit einer grossen Zahl von Beteiligten oder mit einer

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ausgebauten Organisation treffen, deren Bestehen nicht verborgen bliebe. Hingegen könnten formlose Verständigungen zwischen einer kleinen Zahl von Unternehmern verheimlicht werden. Auch besteht für Branchen mit einer kleinen Zahl von Unternehmungen eher die Möglichkeit kapitalmässiger Verflechtungen, ohne dass es immer möglich wäre, ein Monopolstreben nachzuweiseû ; auf diese Weise könnte das Verbot umgangen werden. Das Volksbegehren würde daher vor allem das Gewerbe und die Kleinindustrie treffen, während die grösseren Unternehmungen in Industrie und Handel eher Ausweichmöglichkeiten besässen. Dieses Ergebnis wäre unbillig und unverständlich.

Was die Eegelung der Arbeitsbedingungen betrifft, so ist den Initianten darin beizupflichten, dass der Gesamtarbeitsvertrag weiterhin statthaft bleiben muss. Wenn sie aber auf der andern Seite ein Verbot jeglicher andern Wettbewerbsbeschränkung statuieren wollen, so bringen sie lohnintensive Berufszweige in eine schwierige Situation. Die Unternehmerpreise wären völlig dem Konkurrenzdruck ausgesetzt, zum Unterschied vom Lohn, der ein wichtiges Kostenelement der Unternehmerpreise darstellt. Diese Tatsache würde wohl auf die Dauer nicht ohne Einfluss auf die Lohnpolitik bleiben.

Andere Ausnahmen vom Verbot der Wettbewerbsbeschränkung könnten gemäss Absatz 4 des Initiativtextes durch Bundesgesetz bewilligt werden, sofern sie volkswirtschaftlich oder sozial gerechtfertigt wären. Wenn die Initiative den Weg der Gesetzgebung vorschreibt, so fragt sich, ob damit in allgemeiner Weise gesagt sein soll, dass die Eegelung der Ausnahmen Sache der Bundesgesetzgebung sei, oder ob etwa jeder einzelne Fall einer zulässigen Wettbewerbsbeschränkung im Gesetz selbst genannt sein müsste. Der Initiativtext schafft hierüber keine Klarheit, doch ist wohl eher an generelle Ausnahmen gedacht.

Praktisch kämen auch nur generelle Ausnahmen in Betracht, da man nicht die zulässigen Beschränkungen konkret nennen könnte, schon deshalb nicht, weil sie wie alle wirtschaftlichen Erscheinungen einem steten Wandel unterliegen, den der Gesetzgeber nicht im einzelnen voraussehen kann.

Anderseits .würde es die grösste Mühe bereiten, die erlaubten Wettbewerbsbeschränkungen .zu umschreiben. Denn jede Ausnahme wäre ein Einbruch in das allgemeine Prinzip und müsste mit äusserster Sorgfalt geordnet
werden, damit sie nicht ein Präjudiz für weitere Ausnahmen bilden würde. Die Beratungen über das deutsche Kartellgesetz zeigen, dass eine solche Ausnahmeregelung schwer zu lösende Probleme stellt. Anders verhält es sich bei einem Kartellgesetz auf Grund der geltenden Verfassungsbestimmung in Artikel131Ws der Bundesverfassung. Es bietet weniger Schwierigkeiten, eindeutige Missbräuche zu erfassen, als Ausnahmen von einem allgemeinen Verbot vorzusehen. Solche Ausnahmen müssten zudem von den übrigen Wirtschaftskreisen als Privilegierung empfunden werden. Ebenso hält es viel leichter, Massnahmen allgemeiner Natur, wie z.B. ein Kartellregister, einzuführen, als eine gesetzliche Eegelung im Sinne der Initiative zu treffen.

Eine schwerwiegende Bechtsunsicherheit ergäbe sich bei Annahme der Initiative auch deshalb, weil der grundlegende Begriff der Wettbewerbsbe-

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schränkung sehr dehnbar ist. Der Auslegung wäre ein außerordentlich weiter Spielraum gelassen, was vor allem im Hinblick auf die Strafbarkeit von Widerhandlungen gegen das Verbot unerträglich wäre. Die Geschäftswelt muss genau wissen, welche Handlungen und Vereinbarungen im einzelnen strafbar sind.

Die in Artikel l des Schweizerischen Strafgesetzbuches festgehaltene rechtsstaatliche Maxime, dass nur strafbar ist, wer eine Tat begeht, die das Gesetz ausdrücklich mit Strafe bedroht, verlangt, dass die strafbare Tat eindeutig umschrieben sein muss. Dieser Anforderung wird die Initiative nicht gerecht.

4. Der Initiative wäre nur dann ein Gegenvorschlag gegenüberzustellen, wenn die geltende Bestimmung in Artikel 31bls der Bundesverfassung als ungenügend erachtet würde. Diese Bestimmung reicht jedoch für eine Missbrauchsgesetzgebung aus. Sie erwähnt neben den Kartellen auch «ähnliche Organisationen», worunter nach der Entstehungsgeschichte und dei:1 Zwecksetzung der Bestimmung wohl auch andere wirtschaftliche Machtstellungen (meist etwas ungenau als «Trusts» bezeichnet) zu verstehen sind, eine Auffassung, die von verschiedenen Autoren geteilt wird. Der Wortlaut der Verfassung bringt allerdings nicht klar zum Ausdruck, inwieweit ausser den Kartellen auch andere Machtstellungen erfasst werden können. Indessen braucht diese Frage nicht weiter verfolgt 'zu werden, da eine gesetzliche Regelung, die einschneidende Massnahmen bezüglich solcher Machtstellungen vorsehen würde, wie die Auflösung von Grossunternehmungen und Konzernen, für die Schweiz nicht in Betracht fällt. Was hingegen ihr Verhalten Dritten gegenüber betrifft (z.B. Boykott), so ist auf Grund von Artikel 64 der Bundesverfassung eine zivilrechtliche Ordnung möglich, die über die Schranken des Artikels 31bls hinausgehen und ohne Zweifel wirtschaftliche Machtstellungen jeder Art erfassen kann. Wir möchten daher von einem Gegenvorschlag auch in Form einer Verdeutlichung der geltenden Vorschrift absehen.

VI. Zur Kartellgesetzgebung 1. Auch wenn die Initiative unannehmbar ist, stellt sich die Frage, ob ein Kartellgesetz gestützt auf Artikel Blbis der Bundesverfassung zu erlassen sei.

Für die Prüfung dieser Frage waren Vorarbeiten im Gange, bevor die Initiative lanciert wurde. Wie schon eingangs bemerkt, ist die Eidgenössische Preisbildungskommission
mit der Ausarbeitung eines allgemeinen Kartellberichtes beauftragt worden, der sich über den Grad der Kartellierung, ihre Eolle im Rahmen · der schweizerischen Wirtschaft und ihre positiven und negativen Wirkungen äussern soll. Der Bericht, der im Laufe des Frühjahrs erscheinen wird, ist als Ausgangspunkt für die Diskussion um die Kartellgesetzgebung gedacht.

Es kann sich nicht darum handeln, schon in diesem Zusammenhang zum Erlass eines Kartellgesetzes im einzelnen Stellung zu nehmen. Anderseits wünschen sich Parlament und Stimmbürger vor dem Entscheid über die Initiative die in Betracht fallenden Möglichkeiten zu vergegenwärtigen. Wir halten dafür, dass in der einen oder anderen Form gesetzliche Bestimmungen aufgestellt werden sollen, weshalb, sobald der Bericht der Preisbildungskommission ver-

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öffentlicht ist, eine Expertenkommission eingesetzt werden soll, um Vorschläge für eine gesetzliche Eegelung auszuarbeiten. Aus zeitlichen Gründen ist es ausgeschlossen, noch vor der Behandlung der Initiative den Eäten einen Gesetzesentwurf vorzulegen. Gemäss Artikel 8 des Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892/ 5. Oktober 1950 soll ein Begehren auf Partialrevision der Bundesverfassung, das in der Form eines ausgearbeiteten Entwurfes gestellt wird, von den Eäten innert drei Jahren seit der Einreichung behandelt sein. Für die vorliegende Initiative läuft die Frist am S.Februar 1958 ab, so dass neben der Behandlung des Volksbegehrens für eine gründliche gesetzgeberische Arbeit die Zeit nicht ausreicht, zumal es sich um eine sehr schwierige Materie handelt und auch die Kantone und zuständigen Organisationen der Wirtschaft begrüsst werden müssen.

2. Für eine staatliche Eegelung fallen grundsätzlich zwei Möglichkeiten in Betracht : ein Verbot der Kartelle oder die Bekämpfung von Missbräuchen im Kartellwesen. Die Verbotsgesetzgebung geht auf ein grundsätzliches Kartellverbot, wie es die Initiative anstrebt, will aber gewisse Ausnahmen vom Verbot zulassen. Die Missbrauchsgesetzgebung dagegen lässt grundsätzlich die Kartelle zu, will aber deren Auswüchse bekämpfen. Was Artikel 31Ws, Absatz 3, litera d, der Bundesverfassung betrifft, so steht er nach dem Wortlaut («gegen volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen von Kartellen und ähnlichen Organisationen») eindeutig auf dem Boden der Missbrauchsbekämpfung. Dies ergibt sich zudem aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung. Sie bietet alle Handhaben, um wirtschaftlich oder sozial schädlichen Folgen entgegenzuwirken, nötigenfalls auch in Abweichung von der Handels- und Gewerbefreiheit. Die gesetzliche Eegelung gestützt auf Artikel 31Ms wäre öffentlich-rechtlicher Natur, indem eine Kartellaufsicht eingeführt würde und beispielsweise ein Kartellregister, amtliche Untersuchungen und die Genehmigung oder sogar das Verbot bestimmter Abreden vorgesehen werden könnten. Die Erfahrungen des Auslandes im Gebiet der Kartellgesetzgebung sind nicht derart, dass sie zu einer mit massiven Mitteln arbeitenden und mit grossem Aufwand verbundenen öffentlich-rechtlichen Missbrauchsgesetzgebung einladen. Aber bereits eine gemässigte Vorkehr, wie z.B. das Kartellregister,
das die Publizität der Kartelle bezweckt, kann der Vorbeugung gegen Missbräuche dienen. Welche Màssnahmen öffentlich-rechtlicher Natur für die Schweiz in Betracht fallen, wird bei der Vorbereitung eines Kartellgesetzes näher zu prüfen sein.

3. Artikel 81Ms ist jedoch nicht die einzige Verfassungsbestimmung, auf die Vorschriften über Kartelle gestützt werderi können. Abgesehen von den in dieser Hinsicht weniger wichtigen Bundeskompetenzen hinsichtlich der Brotgetreideordnung (Artikel 23Ms: Wahrung der Konsumenteninteressen) und der Nutzbarmachung der Wasserkräfte (Artikel 24Ws: Wahrung der öffentlichen Interessen), sind namentlich die Kompetenzen zur Gesetzgebung auf dem Gebiet des Zivil- und Strafrechtes (Artikel 64 und 64Ms) zu nennen. Im Eahmen des herkömmlichen Zivil- und Strafrechts sind Vorschriften möglich, die sich gegen gewisse nach allgemeiner Eechtsauffassung unzulässige Vorkehren der Kartelle richten. Namentlich handelt es sich dabei um den Schutz der Person-

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lichkeit im Kahmen des wirtschaftlichen Wettbewerbes (vgL Artikel .27 und 28 des Zivilgesetzbuches). Darauf beruht die Praxis der schweizerischen Gerichte in Kartell- und Boykottangelegenheiten, die gestützt auf allgemeine zivilrechtliche Normen schon ein halbes Jahrhundert vor dem Inkrafttreten von Artikel 31Ws der Bundesverfassung ihren Anfang genommen hat.

Es wäre denkbar, dass der Gesetzgeber im Sinne eines weiteren Ausbaues der Gerichtspraxis zivilrechtliche Vorschriften sowohl über das interne Verhältnis der Kartellmitglieder als insbesondere über die Vorkehren gegenüber Aussenseitern (Boykott) erlassen würde. Eine zivilrechtlicbe Eegelung könnte insofern weitergehen als Artikel Sl1"18, als sie nicht nur für Kartelle und ähnliche Organisationen, sondern auch für andere Wettbewerbsbeschränkungen Geltung haben könnte; ausserdem wäre für eine zivilrechi;liche Ordnung der Nachweis einer volkswirtschaftlich oder sozial schädlichen Auswirkung nicht erforderlich. Anderseits werden die zivilrechtlichen Bestimmungen nur wirksam, wenn ein Kartellmitglied oder ein Aussenseiter in seinen Eechten verletzt wird und Klage führt. Ob die Kartellgesetzgebung mehr öffentlich-rechtlicher oder mehr privatrechtlicher Natur sein soll, ist vorderhand noch eine offene Frage.

Jedenfalls wäre es möglich, dass sich ein Gesetz sowohl auf Artikel 31bls als auch auf Artikel 64 der Bundesverfassung stützen würde.

Der Gesetzgeber hätte sich auch damit auseinanderzusetzen, inwiefern durch die Verbandsschiedsgerichtsbarkeit die ordentliche Gerichtsbarkeit ausgeschaltet werden darf. Heute werden kartellinterne Streitigkeiten überwiegend durch Verbandsschiedsgerichte beurteilt, wobei die Überprüfung durch ein staatliches Gericht nur in sehr beschränktem Umfang möglich ist. Angesichts der Bedeutung, die solchen Streitigkeiten zukommen kann, wäre deshalb zu prüfen, ob nicht der Weiterzug von Schiedsgerichtsurteilen, an staatliche Gerichte ermöglicht werden sollte.

4. Geht man in Übereinstimmung mit dem Grundgedanken der Initiative davon aus, dass derWettbewerbsfreiheit vermehrt Baum geschafft werden müsse, so ist vor allem wichtig, dass die Unternehmer durch Wettbewerbsbeschränkungen nicht allzu starken und starren Bindungen unterworfen werden, die das Funktionieren der Marktwirtschaft in Frage stellen. Oft w:.rd dies
davon'abhangen, ob eine nennenswerte Aussenseiterkonkurrenz besteht. In diesem Falle werden die Kartellmitglieder von selber dafür sorgen, dass das Kartell nicht erstarrt, weil ihnen sonst die Konkurrenz der Aussenseiter ;;u gefährlich wird.

Es kommt dann zur Selbstkorrektur aus marktwirtschaftlichen Gründen. Diese wertvolle Korrekturmöglichkeit entfällt jedoch, wenn es dem Kartell durch einen Exklusiv-Vertrag gelingt, den Markt zu schliessen. Es geht aber nicht an, dass der Zugang zu einer wirtschaftlichen Tätigkeit vollständig der Kontrolle privater Zusammenschlüsse unterstellt ist. Der Staat sollte deshalb vor allem dafür sorgen, dass solche Bestrebungen eingeschränkt werdon, um die marktwirtschaftlichen Kräfte wieder zum Zuge kommen zu lassen. Irisbesondere ist zu prüfen, inwiefern die Anwendung kollektiver Macht (Boykott, Sperre) durch Private zulässig sein soll. Das Bundesgericht hat in dieser Hinsicht eine interes-

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sante Praxis entwickelt; sein letztes Urteil in einer Boykottsache (BGE 82 II 292) verdient ganz besondere Aufmerksamkeit. Wir glauben heute schon sagen zu dürfen, dass gerade in der Beschränkung des Gebrauchs kollektiver Machtmittel ein wichtiger Ansatzpunkt für eine künftige Kartellgesetzgebung gegeben ist. Von wissenschaftlicher Seite ist in den letzten Jahren ebenfalls grosses Gewicht auf eine Eegelung dieser Art gelegt worden. Sie hätte nicht nur den Vorteil der Einfachheit, sondern würde auch keines Verwaltungsapparates bedürfen. Sie läge in der Linie der schweizerischen Eechtstradition, wie sie sich in Gesetzgebung und Eechtsprechung herausgebildet hat.

Zusammenfassend halten wir fest, dass das Volksbegehren mit der Forderung eines grundsätzlichen Verbotes von Wettbewerbsbeschränkungen weit über das anzustrebende Ziel hinausschiesst und für die schweizerische Wirtschaft schwerwiegende Folgen haben müsste. Es erübrigt sich zudem, weil die Verfassung bereits eine Bestimmung enthält, die es erlaubt, schädliche Auswirkungen von Kartellen zu bekämpfen, und weil gestützt auf die Zivilrechtskompetenz des Bundes ebenfalls Vorschriften über Wettbewerbsbeschränkungen aufgestellt werden können. Daher bedarf es auch keines Gegenvorschlages zur Initiative.

Wir beantragen Ihnen daher, das Initiativbegehren ohne Gegenvorschlag abzulehnen, und fügen diesem Bericht einen entsprechenden Beschlussesentwurf bei.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 8. Februar 1957.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der V i z e p r ä s i d e n t : Holenstein Der Bundeskanzler: CluOser

370 (Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

das Volksbegehren gegen den Missbrauch wirtschaftlicher Macht

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der Schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Prüfung des Volksbegehrens vom S.Februar 1955 gegen den Missbrauch wirtschaftlicher Macht, nach Einsicht in einen Bericht des Bundesrates vom 8. Februar 1957, gestützt auf Artikel 121, Absatz 6, der Bundesverfassung und Artikel 8 ff.

des Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892/5. Oktober 1950 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend die Revision der Bundesverfassung, beschliesst : Art. l Das Volksbegehren vom S.Februar 1955 gegen den Missbrauch wirtschaftlicher Macht wird der Abstimmung des Volkes und der Stände unterbreitet.

Dieses Volksbegehren lautet wie folgt :

«Die unterzeichneten stimmberechtigten Schweizerb urger verlangen auf dem Wege der Volksinitiative, dass in die Bundesverfassur.g ein Artikel 83bls aufgenommen wird, welcher lautet: Art. 83W8 BV Schptz des Der Bürger wird geschützt gegen die Beeinträchtigung seiner urgerà Jäheit m Handel und Gewerbe durch den Missbrauch privatwirtschaftlicher Macht.

2 Gegen überRechtswidrig sind alle Handlungen und Vereinbarungen von VOTt Und zSg Firmen, Verbänden oder Einzelpersonen, die darauf gerichtet sind, den wirtschaftlichen Wettbewerb einzuschränken, Monopole oder monopolähnliche Stellungen zu schaffen oder die Konsumenten zu übervorteilen.

1

371 3

Abreden der Arbeitnehmer unter sich oder mit den Arbeit- Ausnahmen gebern zum Schütze des Lohnes und der Arbeitsbedingungen fallen nicht unter diese Bestimmungen.

4 Andere volkswirtschaftlich oder sozial gerechtfertigte Ausnahmen können durch Bundesgesetze bewilligt werden, die fakultativ der Volksabstimmung unterliegen.

5 Die Folgen der Zuwiderhandlung gegen Absatz 2 bestimmt die strafen Bundesgesetzgebung.

Übergangsbestimmung Dieser Verfassungsartikel tritt zwei Jahre nach seiner Annahme durch Volk und Stände in Kraft.

Solange ein Gesetz gemäss Absatz 5 nicht erlassen ist, finden ohne weiteres die zivil-und strafrechtlichen Sanktionen Anwendung, welche die Bundesgesetzgebung gegen den unlauteren Wettbewerb vorsieht.»

Art. 2 Dem Volk und den Ständen wird (lie Verwerfung des Volksbegehrens beantragt.

Art. 3 Der Bundesrat ist mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

304B

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren gegen den Missbrauch wirtschaftlicher Macht (Vom 8. Februar 1957)

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Foglio federale

Jahr

1957

Année Anno Band

1

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07

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7301

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14.02.1957

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347-371

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