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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Flüchtlingspolitik der Schweiz seit 1933 bis zur Gegenwart (Vom 13. September 1957)

' Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

Im Jahre 1954 wurden durch die Vereinigten Staaten von Nordamerika, Grossbritannien und Frankreich Akten der deutschen auswärtigen Politik der Vorkriegszeit publiziert. Darunter befanden sich auch Dokumente über Verhandlungen schweizerischer und deutscher Stellen über die Einreise von Juden in die Schweiz. In Presseäusserungen wurde darauf die Behauptung aufgestellt, die besondere Kennzeichnung der Judenpässe durch das nationalsozialistische Dritte Eeich im Jahre 1988 sei auf eine Anregung des damaligen Chefs der Eidgenössischen Polizeiabteilung zurückzuführen. Herr Nationalrat Oprecht reichte am 8. Juni 1954 eine Interpellation ein, welche vom Bundesrat Auskunft verlangte, ob diese Behauptung zutreffe und ob der Bundesrat seinerzeit entsprechende Instruktionen erteilt habe. Ferner ersuchte er den Bundesrat, den eidgenössischen Eäten einen Bericht über die Flüchtlingspolitik des Bundes seit 1933 zu erstatten.

In der Sitzung des Nationalrates vom 16. Juni 1954 wurde die Interpellation begründet und vom Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartements beantwortet.

Er wies auf Grund der ihm vorgelegten Akten nach, dass die besondere Kennzeichnung der Judenpässe durch das nationalsozialistische Dritte Eeich nicht auf eine Anregung des damaligen Chefs der Polizeiabteilung zurückgeht. Der Bundesrat sei ferner über den Verlauf und das Ergebnis der Verhandlungen, die der Chef der Polizeiabteilung in Berlin zu führen hatte, einlässlich und vollständig orientiert worden. Er habe denn auch die am 4. Oktober 1938 in Berlin getroffene Vereinbarung genehmigt. Namens des Bundesrates erklärte sich der Chef des Justiz- und Polizeidepartements bereit, den eidgenössischen Eäten einen einlässlichen Bericht über die Handhabung des Asylrechts, d.h. über die Flüchtlingspolitik des Bundes zu erstatten.

659 In der Folge hat der Bundesrat beschlossen, Herrn Prof. Dr. C.Ludwig, alt Eegierungsrat des Kantons Basel-Stadt, mit der Ausarbeitung des Berichtes zu betrauen. Nachdem sich Herr Prof. Ludwig grundsätzlich zur Annahme des Mandates bereit erklärt hatte, erteilte der Bundesrat ani 23. Juli 1954 einen entsprechenden Auftrag. Gleichzeitig wurden die zuständigen Dienststellen des Bundes angewiesen, Herrn Prof. Ludwig alle Akten und Dokumente, die er für die Ausarbeitung seines Berichtes benötigte, zur Verfügung zu stellen.

Herr Prof. Ludwig hat das Manuskript seines Berichtes am 30. September 1955 abgeliefert. Der fast 400 Seiten umfassende Bericht rnusste zunächst übersetzt werden. Selbstverständlich wurde er auch Herrn alt Bundesrat von Steiger, dem Chef des Justiz- und Polizeidepartements während der Kriegszeit und Herrn Dr. Bothmund, dem damaligen Chef der Polizeiabteilung, zur Stellungnahme unterbreitet. :Da sich der Bundesrat ferner schon seit einiger Zeit mit dem schwierigen Problem der Aufnahme von Flüchtlingen in gespannten politischen Zeiten und bei Drohung kriegerischer Verwicklungen befasst hat, lag es nahe, dem Bericht des Herrn Prof. Ludwig eine Zusammenfassung der Bichtlinien, die der Bundesrat in der Asylpolitik in solchen Zeiten zu befolgen gedenkt, beizufügen. Die Ereignisse in Ungarn im Herbst 1956 haben schliesslich die Aktualität der Flüchtlingsfrage gezeigt, so dass sich der Bundesrat entschloss, den Bericht durch eine kurze zusammenfassende Darstellung über die jüngste Hilfsaktion zugunsten der ungarischen Flüchtlinge zu ergänzen. Damit kommt die Asylpolitik des Bundes bis in die jüngste Zeit zur Darstellung. Die Vorbereitung dieser weiteren Berichte und andere unvorhergesehene Umstände haben die Veröffentlichung des Berichtes des Herrn Prof. Ludwig verzögert. Es schien in der Tat angezeigt, Ihnen alle die Berichte gleichzeitig vorzulegen.

Wir haben somit die Ehre, Ihnen den Bericht des Herrn Prof. Ludwig in seiner Originalfassung mit den drei erwähnten weiteren Berichten1) zu unterbreiten mit dem Antrag, von den Berichten Kenntnis zu nehmen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, sehr geehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 13. September 1957.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Streuli 3285

Der Bundeskanzler : Ch. Oser

1 ) Die verschiedenen Dokumente sind in einem Bericht enthalten, der dieser Nummer des Bundesblattes beiliegt.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Flüchtlingspolitik der Schweiz seit 1933 bis zur Gegenwart (Vom 13. September 1957)

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Foglio federale

Jahr

1957

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

41

Cahier Numero Geschäftsnummer

7347

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

10.10.1957

Date Data Seite

658-659

Page Pagina Ref. No

10 039 960

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