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Bundesrathes an die gesezgebenden Räthe der Eidgenossenschaft, betreffend die Garantie der Staatsverfassung des Kantons.

St. fallen.

(Vom 10. Januar 1862.)

Tit..

Mit Schreiben vom 24. Dezember 186l haben Landammanu und kleiner Rath des Cantons St. fallen. um der Vorschrift von Art. 6 der Bundesverfassung zu genügen, die von einem Versassungsrathe am 11. Oktober 1861 erlassene neue Versassung uns übermaeht, damit wir dieselbe der Gewahrleistung der hohen Bundesversammlung unterstellen.

Rach dem beigedrukteu Publikationsbeschlusse der Regierung von St. Gal-

len, d. d. 22. November 1861 ist der Versassungsent.vurf am 17. R ov e m b e r 1861 den Bürgerversammlungen sammtlicher politischer Gemeinden zur Annahme vorgelegt und in dieser Volksabstimmung. woran 28,175 Bürger stch betheiligten, von 27,191 also von 13,103 .Stimmen über die absolute Mehrheit angenommen Borden.

Wir haben diese Verfassung geprüft und finden dieselbe in allen Punkten mit der Bundesverfassung im Einklange, so dass wir keinen Anstand nehmen, Jhnen deren Gewahrleistnng nach Art. 6 der Buudesverfassuug zu empfehlen. Wir finden uns lediglieh mit Bezug aus einige Artikel zu einigen Erläuterungen veranlasst.

Die erste derselben bezieht sieh aus Art. 6, Ziffer 2 und 3.

Während nämlich Art. 44 der Bundesverfassung nicht ohne Absieht die

freie Ausübung des Gottesdienstes den anerkannten christlichen Konfessionen im ganzen Umfange der Eidgenofsenschast gewährleistet, ohne den Begriff der anerkannten christlichen Konfessionen weiter zn desiniren, beschränkt Art. 6, Ziss. 2 der St. Galler Versassung diese Gewährleistung

aus die katholische und evangelice Kirche, uud fügt in Ziff. 3 bei:

,,Auch andern christlichen Konfessionen und andern Religionsgenossensehaf,,ten kann, innerhalb der Schranken der Sittlichkeit uud der staatlichen

180 ,,Orduuug, vom Grossen Rathe die freie Ausübung des Gottesdienstes ,,gestattet werden.^ Augenscheinlich ist diese Fassung etwas enger als diejenige der Bundesverfassung, sofern etwa unter den Worten .,katholische^ uud ,.eva..gelische^ird.e bloss die gewohnlich sogenannte römischkatholische uud die sogenannte evangelisch-resormirte Kirche verstanden werden wo.lteu. D.. wir indessen nicht annehmen kouuen, dass der Kanton St. Gallen in dieser neuen Verfassung, die gerade in diesem Art. 6 der Freiheit der Konfesstonen ausserordentlich grosse Zugeständnisse und Garautien bietet, irgendwie eine Beschrauknng des im Art. 44 der Bundesversassung niedergelegten Grnndsa^es beabsichtigt habe, oder dass er das im Streitsalle ^er Bundesversammlung Anstehende Entscheidungsrecht zu Gu..sten des Grossen Rathes habe beseitigen wollen, so glauben wir füglich .bei dieser erläuternden Bemerkung stehen bleiben zu können.

^.ie ^oeite Erläuterung betrifft Art. 10, lautend. ,,^ie Verfassung ^gewährleistet die Freiheit der Bresse. Gegen Missbrauch schilt das Ge..,sez.^ Art. 45 der Bundesverfassung sagt, dass die Kautoualgese^ebuug über den Missbrauch der Bresse der Genehmigung des Bundesrathes bedürfe. Somit ist etwas abweichend von.. gewohnlichen Sprachgebrauch..

unter dem Ausdruk .,Gefez^ in jenem Art. l0 das vom Bundesrathe genehmigte Gefez zu verstehen. ^a es sieh hier um einen wichtigen politischen Gr.mdsaz haudelt, so wollten wir nicht nuterlassen, aus die etwelche Unbestimmtheit jenes Ausdrukes hinzuweisen, wir sehen uns indessen zu keinem Antrage darüber veranlasse ^u einer gleichen Bemerkung veraulasst uns Lemma 2 des Art. 22, lautend. ..Beschränkungen (s^. der Gewerbsfreiheit), in so weit sie im ^Jnteresse der Gesammth..it und des einheimischen Gewerbssleisses erforder-

,.lich uud znläffig stnd, hat die Gesezgebnng anzusprechen.^ --- Wir

nehmen an, dass in den Worten ,.und z u l ä s s i g stnd^ indirekte der Vorbehalt der Bestimmungen der Bundesverfassung und Bundesgesezgebnng im weitesten Sinne angedeutet werden sollte, und in dieser Voraussetzung ..onueu wir auf weitere Reservationen verzichten, zu denen wir uns sonst durch die Dunkelheit der übrigen Worte im Jnteresse der Gewerbssreiheit veranlasst finden würden.

Jm Art. 34 sagt Leinma 3 : ,,^as Riederlassungsrecht der Schwei,^er richtet sich zunächst nach den Vorschriften des Bundes^, und Lemma .4 fährt dann fort: ,, W e i t e r erforderliche Bestimmungen trisft das Ge,,se^ .^e. Es ist wohl vou selbst klar, dass diese weitern Bestimmungen die Vorsehristen des Bundes nicht beeinträchtigen dürsen, und dass zu den ledern Vorschriften namentlich auch Art. 48 der Bundesverfassung mit.gehort, wonach die Schwei^erbürger den Bürgern des eigenen Kantons gleich zu halten sind. Wir glauben es indessen bei dieser erläuternden Bemerkung bewenden lassen ^u dürfen.

^u Art. 54 der Verfassung, welcher deu Regierungsrath verpflichtet, u n b e d i n g t alle Geseze und Beschlüsse des Grossen Rathes , so wie

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dessen besondere ^lustrage zu vollziehen , erlauben wir uns nur die Vemerkung, dass wohl als selbstverständlich vorausgeht werden darf, dass

jene unbedingte Voll^iehungspflicht des Regiernngsrathes nur so weit als

rechtlich vorhanden zu betrachten sein wird, als der grosse Rath in seiner verfassnng^mäss^en Stellung dekretirt hat, und es sich nicht um Renitenz gegen verfassungsmäßige Anordnungen der Buudesgewalt handelt.

Jndem wir Jhnen unter den vorbezeichneten .^oraussezungen die Versassung des Kantons .^t. fallen zu unbedingter Gewährleistung nach mitfolgendem Entwnrse empfehlen, ergreisen wir noch diesen ^..lnlass zur ernenerten Versicherung vollkommenster Hochachtung.

B e r n , den I0. Januar 1862.

.^m Ramen des schweiz. Bundesrathes, ^er B u n d e s p r ä s i d e n t .

Stämpfli.

^er Kanzler der Eidgenossenschaft : ^^ie^.

^es^ln^e^t^urf, betreffend die Garantie der Verfassung des Kanton.^ ^t. fallen.

^ie Bundesversammlung der s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht eines Berichtes und Antrages des Bundesrathes über die ^taatsverfassung des Kautons St. fallen vom 17. Rovember 18^1, in E r w ä g u n g .

dass diese Verfassung nichts enthält, was mit der Bundesverfassung im Widerspreche steht.

dass ferner diese Verfassung .^ie Ausübung der politischen Rechte nach republikanischen ^or.nen sichert und zu jeder Zeit im Ganzen oder theilweise revidirt werden kann .

dass sie endlieh in den Bürgerversam.nlungen sämmtlieher Gemeinden von der Mehrheit des Volkes des Kantons St. Gallen angenommen worden ist,

b e schl i esst .

1. ^..er ^taatsversassung des Kantons St. Gallen vom 17. Rovember l 8^1 wird hiermit die bundesgemäße Garantie ertheilt.

2. dieser Besehluss ist dem Bundesrathe mitzutheilen.

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Botschaft des Bundesrathes an die gesezgebenden Räthe der Eidgenossenschaft, betreffend die Garantie der Staatsverfassung des Kantons St. Gallen. (Vom 10. Januar 1862.)

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28.01.1862

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179-181

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