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Schweizerisches Bundesblatt.

XIV. Jahrgang. l.

Nr. 13.

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15. Marz 1862.

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der

ständeräthlichen Kommission über den Rekurs des Hrn. Kindlimann, Weinschenk in Außersihl bei Zürich.

(Vom 20. Januar 1862.)

Tit..

Die vorliegende Beschwerde ist gegen einen Besehluss des Bundesrathes vom 25. Rovember v. J. gerichtet, welchen wir vollständig mittheilen, damit die Versammlung deu Gegenstand, um den es sich handelt, genau kennen lerne.

,, D e r s eh w e i z e r i s eh e B u n d e s r a t h , nach Einsieht 1) dreier Beschwerden von Gutsbesizern von Aussersihl gegen die sehweiArische Rordostbahn, nämlich : von Weinschenk K i n d l i m a n u . vom 20. September 1861, ,, Rudols Sehätti, vom gleichen Datum, und ,, Konrad Schneebeli, Vater, vom 17. September 1861; 2) dreier darauf bezüglicher Veruehmlassnngen der schweizerischen Rordostbahngesellsehaft , vom 6. und 8. Oktober; 3) eines Expertenberichts des Herrn Oberingenieur H a r t m a n n , vom

26. Oktober.

4) eines Berichtes des Departementes des Jnneru, vom l4. November

l 861.

a.

i n E r ... ä g u n g .

dass der Nordostbahngesellschaft dadurch, dass die Kräuelstrasse des Bahnbetriebes wegen abgesperrt werden musste, die Verpflichtung

Bundesblatt. Jahrg. XIv. Bd. I.

34

420 auferlegt wurde, gemäss Art. 6 des Bundes^ese^es von. 1. Mai 1850, betreffend die Verbindlichkeit ^ur Abtretung von Brivatrechten, die gestorte Kommunikation auf andere Weise wieder herzustellen , b. dass diese Kommunikation in keiner andern Weise gehorig hergestellt werden kann . als mittels Verbreiterung und Korrektion des sogenannten Barallelweges ^ c. dass die Bahngesellsehast nicht angehalten werden kann , das ^ur Verbreiterung des Barallelweges erforderliche ^and von dem eigenen, südlieh dieses Weges gelegenen Ar^.al herzugeben , und zwar desshalb , weil sie desselben zur Erweiterung des Bahnhoses dringend bedarf , und es zu diesem Zweke er^ropriiren musste ; d.

dass demnach für diese Verbreiterung das nördlich an den Weg grenzende Land e^propriirt werden muss^, zu welchem Zweke das

eitirte Bundesgese^ vom 1. Mai 1850 (uämlich die Artikel 2 und 6 desselben) anzuwenden .ist;

e. dass endlieh die Entscheidung ^er Frage, ob die ^ordostbahngesellschaff den ganzen Güterkomple^ des Herrn Kindlimann zu übernehmen habe, sowie über die von der .^ordostbahn an die Rekla^ manten zu leistenden Entschädigungen nicht dem Bundesrathe, sondern ^er eidgenossischen Seha^ungskommission, resp. dem Bundes^ geriete zusteht,

in Anwendung des Art. 25 des .^undesgesezes vom 1. Mai l 850, betreffend die Verbindlichkeit zur Abtretung von Brivatreehten,

beschließt.

1. Die Besehwerden der Herreu Kiudlimauu, S chat ti und S eh ne e b e l i werden als unbegründet abgewiesen.

2. Die durch die Untersuchung ^ au Ort und Stelle verursachten Kosten, im Betrage von Fr.. 120, sind von der Direktion der .^ordostbahn an das Departement des Junern zu entrichten , wogegen ihr sedoch der Regress auf d.e Reklamanten eingeräumt wird, welche diese Kosten zu gleichen Theilen zu tragen haben.

3. Dieser Beschluß ist der Direktion der sehwei^erisehen Rordostbahn unter Rüksehiuss des beiliegenden Blaues und dem .^emeinderathe von Aussersihl zuhanden d...r Reklamauten mitzuteilen. ^ Von den drei Gxundeigenthümern in Aussersihl, deren Ablretungspflicht der Bundesrath durch diesen Beschluß anerkannte, hat nur einer, Herr Kindlimann, au die Bundesversammlung rekurrirt. Da sein Rekurs unsers Wissens der erste ist, weleher gegen ein. Entscheidung ergriffen

wird , die der Bundesrath krast d^.r ihm durch Art. 25 .^^s Bundesgesezes über die Verbindlichkeit zur Abtretung von Brivatx...chten eingerän....ten Kon^petenz gefaxt hat, so mussten wir, ehe wir in das Materielle

421 der Beschwerde eintraten, uus vorerst die Frage aufwerfen , ob derartige Rekurse überhaupt ^.lässig feien. Wir wissen ^var wohl, dass Art. 74, ^isser l 5 der Bundesverfassung , welcher .Kantonen und Bürgern die

Befugniss gibt, sich über Verfügungen des Bundesrathes bei der Bundes-

Versammlung zu beschweren, in seinen Worten keinerlei Beschränkungen enthält, aber eben so gewiss scheint uns zu sein, dass die .....atur ^er Sa.^e jenes allgemeine Beschwerderecht einigermaßen beschranken muß, wenn es nicht eine Ausdehnung gewinnen soll, die zu Ungereimtheiten führen müsste. Se^e man z. B. den Fall, dass ein vom Bundesrathe entlassener Post- oder Zollbeamter sich bei der Bundesversammlung über seine Entlassung beschweren wollt..., so würde gewiss Niemand behaupten, die gesellenden R..the hatten zu untersuchen, ob dieselbe begründet gewesen sei oder nicht, und doch hatte man nach dem Wortlaute des Art. 74 auf der einen Seite eine Verfügung des Bundesrathes, anf ^er andern Seite die Beschwerde eines Bürgers über dieselbe. .^er Art. ^4, Ziffer 15 muß nach unserer Anficht in seinem innern Zusammenhange mit andern Bestimmungen der Bundesverfassung aufgesagt werden. Eine

Menge der wichtigsten Entscheidungen theils über staatsrechtliche, theils

über. materielle Angelegenheiten, wobei entweder die Kantone als solche betheiligt find, oder allgemeine Gxundsä.^e von großer Tragweite in Frage liegen, hat die Bundesverfassung in die Hand ^es Bundesrathes gelegt,.

und eben wegen der grossen Wichtigkeit derartiger Beschlüsse Ehielt sie zugleich den Betheiligten das Reeht des .Weiterzuges au die oberste Bundesbehorde vor. Anders verhält es steh mit Entscheidungen, die ni eh t schon zufolge der Bundesverfassung dem Bundesrathe zustehen , sondern ihm erst durch ein Bundesgese.^ übertragen worden sind, und eben so gut einer andern Behörde hätten übertragen werden können ; hier ist nieht anzunehmen, dass di... Bundesversammlung sich das Recht habe vorbehalten wollen, über alle noch so unerheblichen Fragen in zweiter Jnstanz abzusprechen. Was insbesondere die Frage der Abtretungspflicht für öfs.mtliehe Werke betrifft, über welche der Bundesrath in streitigen Fällen nach Art. 25 des Bundesweites vom 1. Mai 1850 ^u entscheiden hat, so muss es auf den ersten B .ick einleuchten, dass dieselbe zum le^tinstanzliehen Entscheide durch die Bundesversammlung sieh sehr wenig eignen wür^e.

U... benrtheilen zu können, ob in. einzelnen Falle die Abtretungspflicht nach den Bestimmungen des ^es^es begründet sei o^er nicht, bedarf es einer sehr genauen Prüfung lokaler Verhältnisse, auf welche eine grosse Versammlung , deren hauptsächlichste Aufgabe iu der gese^geberischen Thätigkeit besteht , unmöglieh sich einlassen kann ; es wird dazu sogar sehr häufig der Aufnahme eines Augenscheins an ^rt und Stelle bedürfen.

Auch würde es offenbar die Ausführung eines öffentlichen Werkes, wie namentlich einer Eisenbahn, in sehr bedeutendem Masse hemmen und erschweren, wenn von emem .^rundstü^e, welches krast eines Beschlusses des Bundesrathes abgetreten werden sollte, so lange nicht Besi^ ergriffen werden konnte, bis der desswegen erhobene Rekurs von den beiden gefe.^-

422 gebenden Räl.hen entschieden wäre. Uebrigens versteht es sieh von selbst, dass, wenn derartige Rekurse für zulässig erklärt würden, auch die Eisenbahnver.valtungen ge^en Beschlüsse des Bundesrathes. welche die Abtretungspslicht verneinen. Beschwerde erheben konnten und daher der grundfaßliche Entscheid über die Zulässigkeit, welcher bei Aulass des Rekurses Kindlimann zu fassen ist, jedenfalls weder eine Begünstigung, noeh eine Benachtheiligung der Eisenbahnunter..ehmungen in sieh sehliesst. Fasst man alle die hervorgehobenen Momente zusammen , so wird man wohl mit uns zu dem Schlusse gelangen. dass der Art. 74, ^isser 15 der Bundesverfassung keine An.vendung finden konue aus Entscheidungen, welche dem Bundesrathe nach Art. 25 des Bundesamtes über die VerKindlichkeit zur Abtretung von Brivatrechten Anstehen, und daher auf die Beschwerde des Herrn Kindlimann nicht einzutreten sei.

Bern, den 20. Januar 1862.

Samens der Kommission ^), Der Berichterstatter:

l)r. ^. .^. ^lumer.

Der von der ständeräthlichen Kommission in Betreff des Rekurses Kin.dliman.. gestellte Antrag lautet also .

Die B u n d e s v e r s a m m l u ... ^ der schweizerischen Ei.dg e n o s s e u s e h a f t , nach Einsicht einer Beschwerde des Herrn Fürsprecher S chi n... in Zürich, Rameus des Weiuschenl. Kiudlimann in Aussersihl bei Zürich, gegen einen Beschluß des Bundesrathes vom 25. Wintermonat t 8^l, betreffend

.^lbtretungspslieht ,

in Betracht,

dass der Art. 25 des Bundesgesezes vom 1. Mai 1850 über die Verbindlichkeit zur Abtretung von Brivatrechten die Entscheidung von Streitigkeiten , welche über die Abtretungspfiicht für ossentliche Werke entstehen , dem Bundesrathe übertragen hat , ohne dabei einen Weiterzug ^an ^ie Bundesversammlung vorzubehalten ,

b e s ch l.^i esst .

Es wird auf den Rekurs des Herrn Kindlimaun uieht eingetreten.

^) Die kommission bestand au^ den ^erren .l^r. Blnmer, ln ^laru^, .^d.

.^a...exlin^ in Weinfelden, ^. ^rach.^bond, in .^reiburg , A. L a b o u r , in Brigete (Gxaubunden) ^ I^^. .^ü^imann, in Zürich.

^o^. D^r vorstehende Antrag ist ...on beiden Mathen angenommen .worden.

^iehe den Bundesbeschluß auf Seite 4...^ hie...or.^

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Bericht der ständeräthlichen Kommission über den Rekurs des Hrn. Kindlimann, Weinschenk in Außersihl bei Zürich. (Vom 20. Januar 1862.)

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15.03.1862

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