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des

eidgenössischen

Departements des Jnnern an die Mitglieder

der eidg. Erpertenkommission zur Begutachtung der projektirten Errichtung einer eidg. Eicsftätte.

(Vom 10. Mär.... 1862.)

Tit..

Wir zeigen Jhnen hiermit an , dass Sie am 26. v. Mts. vom Bundesrathe in die Expertenkommission gewählt worden sind , welche die beiliegenden fragen über die Angelegenheit einer eidgenossischen Eichstätte zu begutachten hat. ) Sobald wir die über sachbezügliehe Einrichtungen der Nachbarstaaten verlangten Ausschlüsse erhalten haben , werden wir im Falle sein , die .Kommission einzuberufen. Unterdessen erlauben wir uns, Wohldenselben vorläufig die Gründe zur Kenntniss zu bringen, welche die Riedersezung einer solchen Kommission veranlasst haben.

Jn einer Reihe von Berichten hat der Experte, Hr. Professor Dr.

H. Wild, dem vor ungefähr zwei Jahren die eidgenössische Mass- und Gewichtsinspektion übertragen worden ist, aus den mangelhasten gegenwärtigen Znstand der eidgenossisehen Urmasse.und Mustermasse hingewiesen, und behuss nachhaltiger Abhülfe dieser Uebelstände die Errichtung einer

Art eidgenossischer Eichftätte beantragt. Folgendes ist das Wesentliche

dieser Berichte, welches sich hieraus bezieht.

Die Urmasse werden im eidgenossischen Archiv in einem Schranke sammt den M u t t e r m a s s e n aufbewahrt. Sie bestehen in einem eisernen Meterstab a hont und einem messiugenen Kilogramm, welche pralles als Geschenke der französischen Regierung an die helvetische Republik (wahr)

Siehe Seite 389 hievor.

435 schemlich im Jahre 1798) von Baris mit nach der Schweiz, brachte und

die die osfiziellen, in dem Werke ^Base d.^. svsteme métrique^ ^T. lll^

p. 6^ angegebenen Stempel besten. Dem Aeussern nach ist der Ursuss ganz gut erhalten, ebenso die Mass und das Viertel ; das nicht vergoldete Bsund dagegen zeigte mehrere O^dfleken. Leider ist auch das Mutterkilogramm aus seiner ganzen Oberfläche schwach o^.dirt, u.td der Muttermeter besizt viele Rostfleten Da der Experte in die Richtigkeit des Urpsundes wegen der O^dfleken einige Zweifel sezte, so stellte er, in Ermanglung einer dazu geeigneten Waage in Bern , aus einer den. eidgenossischen Bolhtechniknm in Zürich angehorigen Waage Vergleichuugen desselben mit dem Mutterkilogramm und mit einem. vom Versertiger der Urmasse, Herrn Mechaniker O er i herstammenden, sorgsaltig aufbewahrten Rormalpsnnde an, das dem Nachfolger desselben, Herrn Mechaniker Goldschmied in Zürich angehort.

Die Wagungen, welche aus eine Genauigkeit von l Milligramm Anspruch machen konnen, ergaben, dass das Mutterkilogramm um 12 Milligramm schwerer war, als das Doppelte des Urpfundes, und um 3 Milligramm schwerer, als das Doppelte des Bfundes von Oeri. Das ledere war folglich um 4^ Milligramm schwerer als das Urpfund. Gemäss dem spezisizirten Bericht über die pon der Zentralei.perten-Kommission für schweizerische Masse und Gewichte im Jahre 1836 ansgesührte Beüfung der schweizerischen Urmasse konnte damals das Doppelte des Urpfundes hochstens um 2 Milligramm schwerer oder leichter als das Mutterkilogramm gewesen sein. Es sind also bei diesen Gewichten im Lause der Zeit beträchtliche Veränderungen erfolgt, und es entspringt daraus eine um so fatalere Unsicherheit, als das Aussehen aus Veränderungen bei beiden sehliessen lässt. Diese Unsicherheit mnss um fo grosser erscheinen, als der gegenwärtige Standpunkt der Wissenschaft und der praktischen Mechanik

ein Gewicht von l Bsund bis ans 0,2^-0, t Milligramm genan zu be-

stimmen erlaubt.

Zur Verifikation des Ursnsses nach dem Mnttermeter fehlten alle und jede Hilfsmittel. Gemäss dem oben erwähnten Berichte war derselbe im Jahre 1836 um 0,0023 Millimeter grösser als .^ des Muttermeters, und es repräsentirt diese Grosse zugleich den ungesähren Geuauigkeitsgrad der damaligen Vergleiehungen. Wenn man nun auch annimmt, es habe sich der .^uss bei dem hie und da erfolgten Einschieben in seine Matrize nicht verändert, und zudem auch absieht von dem so leicht korrodirbaren Material (Schmiedeisen), aus welchem er angefertigt ist, so kann doch wohl der vorstehende Genauigkeitsgrad jezt nicht mehr genügen.

Der gegenwärtige Standpunkt der Wissenschaft und Technik gestattet, solche .Längenmasse mit einer Genauigkeit von 0,0001 Milligramm zu

vergleichen.

Roch schlimmer ist der Znstand der Mustermesse. Dem Aussehen nach gut erhalten, fand der Experte dieselben nur in den Kantonen BnndesbI^t. ..^hrg. .....I^. ^. I.

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436 Schasshausen, Graubünden, Dessin, Appenzell A. Rh. und Genf. Binderwärts ist entweder das Eisen des Fusses oder das nicht vergoldete Messing der altern Musterpsunde mehr ....der weniger stark or.idirt. Beschädigungen der Mustermasse wegen unvorsichtigen Gebrauchs wurden in Zug an der Mass und in Lausanne, Sitten u..d ^rauenseld beim Viertel bemerkt. Jn Glarus stnd sämmtliche Mustermasse bei den. grosseu Brande zu Grnude gegaugen . in Liestal fehlt die Mass, und in einem andern Kanton^siud sämmtliche Mustermasse mit Ausnahme des Viertels abhanden gekommen.

Eine genaue Verglei.hung aller Muftermasse hat bis dahin nicht stattfinden konuen, da weder die dazu uothwendigen Eomparatoren , noch eine geeignete Lokalitat zur Ausstellung .^er ledern beschafft werden konnten.

Dagegen hat der Experte einige Mufterpsm.de aus der Waage des Vol....techuiknms mit dem schon oben erwähnten Vfunde von .^eri verglichen und folgende Resultate erhalten . Es war das Musterpfund von ^ürich un. 9 Milligramm leichter als das Bfnnd von Oeri.

,, St. Galleu ,, .^hurgau

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,, ^lppenzell A. Rh. ,,

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Es differiren somit das Bsu^.d von Thurgau und von ^lppenzell J. Rh. um 118 Milligramm, ein Fehler, den ma.. sogar bei etwas bessern Verkehrsgewichten zu vermeiden wünscht.

Gemass dem Verbalpro^ess über die Brüsnng der schweizerischen Mustern.asse für die t 2 konkordirenden Kantone: Zürich, Bern, .Lnzern, Glarns, ^ug, ^reiburg, .^olothnrn, Basel (^tadt^ und Landschaft), Sehaffhausen, Aargau, Thur.

gau und St. Gallen durch die ^entraler^perten^Kommission im Jahre 183.^ wareu damals sämmtliche Muftersnsse bis aus.^,0l Strich übereinstimmend gemacht worden , und ebenso betrug die Differenz der Musterpfnnde

weniger als 1 Milligramm. Znfolge dem Bericht des eidgeuossischen E^

perten, Herrn Professor B r u n n e r , vom 10.März l 85^ über die Verifikation der Mustermasse für die übrigen Kantone wurden damals die ^uss-

ftäbe bis auf 0,1 strich und die Vsunde bis auf l Milligramm übereinstimmend gemacht. Seit dieser Zeit hat sich somit zwis..heu den beiden vergoldeten Bsunden von ...lppenzell A. Rh. und J. Rh. eine Differenz von 18 Milligramm eingestellt.

Diese Wahrnehmungen haben den Experten veranlasse eine vollstän..

dige Reorganisation der Ur- und Muftermasse mit Benuzung der bei der Feststellung des preussischen L^ngenmasses durch B e s s e l und der in neuester ^eit bei der Feststellung der englischen Mass- und Gewichtseinheiten gemachten Erfahrungen zu beantragen. Zu dem Ende hielt er ^.nächst die Beschaffung einer Zahl von ...^orn.almassen und genauen Eomparatoxen

437 (welche zum Theil bereits erstellt sind), sowie eines zur Aufstellung dieser Eomparatoren geeigneten besondern Lokals für nothwendig.

Ein besonderes Lokal erscheint dem Experten ans^ folgenden Gründen unentbehrlich. Die genauen Waagen und der Längenkomparator sind J..strumente, welche ^um häufigen Transport durchaus nicht geeignet sind, sondern dabei leicht ..Schaden erleiden würden, sod..nn erfordert ihre Aus^ stellung und Justirung viel Zeit und Mühe, daher es wünschenswerlh ist, dass ihnen ein für all.. Male ein fester Standort angewiesen werde;

endlich mnss die Lokalität, in der sie sich befinden, gewisse Bedingungen

erfüllen, damit überhaupt geuane Messungen ausgeführt werden können.

Diese Bedingungen sind folgende : Damit keine raschen Temperaturweehsel stattfinden, muss das Lokal geräumig sein (für den Fall, dass ein besonderes Gebäude errichtet würde, hat der Experte ein Zimmer von mindestens 900 ^uadratsuss und 12- l 4 Fuss Hohe verlangt), wo moglieh bloss Fenster nach Worden zu besten und allenfalls mit geeigneten Heiz-, refp. Abkühlungsvorrichtungen versehen sein. Um keine künstlichen Beleuehtnngsvorrichtnngen anwenden zu müssen, soll nach seiner .Ansicht das Lokal recht hell sein, so hell, dass man behnfs Verminderung des Einflusses der Wärmestrahlung der Wände nnd der Verson des Beobachters die Jnstrumente in ..er Mitte des Zimmers ausstellen und die Realen ^e. mit Fernrohren ablesen kann. Die Vlaeirung der Vergleichsinstrumente soll eine durchaus seste und stabile sein, d. h. sie sollen ans steinernen Postamenten aufgestellt werden , welche im Erdboden gut sundamentirt sind, von da unmittelbar in das Beobachtungszimmer emporsteigen und hier von.. Fussboden vollständig isolirt sind. Dass a..s demselben Gruude iu der Rähe keiue stark besahrene Strasse sein darf, versteht sieh wohl von selbst. Zur guten Erhaltung der Apparate ist endlich notwendig, dass die Lokalität ganz troken sei. Aus diesem Grunde wäre für die Verisi^irung der Flüssigkeits- und Hohlmasse eine abgesonderte Räumlichkeit ersorderlich.

Dieses besondere Lokal mit den darin aufgestellten Jnstrumenten hätte nun aber nicht bloss zum Zwek, jederzeit zur Verifikation von Urund Mustermassen dienen zu können , so wie zur Ausbewahrung genauer Kopien der Urmasse, sondern .vürde zugleich anch für unsere wissensehastlichen Lehranstalten, für unsere Geodäten, Mechaniker, sür die Verwalter von Kriegsmaterial u. s. s. die Möglichkeit involvireu , von daher zu jeder Zeit mit den eidgenossischen Urthpen genau übereinstimmende, beglaubigte Masse erhalten zu können , während man gegenwärtig genothigt ist, genaue Masse aus dem Anslande .^n beziehen, und auch da nur selten volle Gewissheit über die Zuverlässigkeit derselben erhalten kann. Durch eine solche Massregel würden unsere Mustermasse erst ihre rechte Bedeutnng erhalten und für das ganze Land nuzbringend werden.

Endlich konnte auch ein Theil dieser Lokalität da^.. verwendet werden, mit Hülse weniger genauer Jnstrumente, die bereits vorhanden sin^,

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^

Vrobemasse sür die Eichstätten zu justiren.

Die in den lezten Jahren aus..

^

dass viele ..^antonsregierungen bei Anschaffung neuer oder Reparatur älterer Vrobemasse in Ermanglung von Sachverständigen oder von hinlänglich genauen Hülfsmitteln behufs Vergleichung der Brobemasse mit den Mustermassen in Verlegenheit gerathen, an wen sie sieh zu wenden haben, um der Qualität und .^antität nach zuverlässig genaue ^robemasse zn erhalten.

Mehrere Kantone, die sieh in solcher Verlegenheit an irgend einen Eiel.^ meister oder Mechaniker wandten , sind dann von diesen mit durchaus ungeuügeuden Vrobemassen versehen worden. Für das wirklieh vorhandene Bedürfniss einer solchen Einrichtung sprint wohl am besten der Umstand, dass der dermalige Experte bereits von 5 Kantonen uni die Besorgung zuverlässig geuauer Brobemasse und Geräthschasten für Eichstätten angegangen worden ist.

So spricht den ...llles dafür, dass eine eidgenosstsche Erstatte in dem angedeuteten Sinne in jeder Beziehung zur Hebnng des Mass^ und Gewichtswesens in unserm Vaterlande dienen würde.

^

geführte eidgenossische Mass- und Gewichtsinspekt^on hat nämlieh gezeigt,

Dieses ist der gegenwärtige, Jhrer gründliehen und allseitigen Begutachtnng zu unterwerfende Stand der Angelegenheit, mit dem wir Sie zum Voraus vertraut machen wollten.

Uebrigens benuzen wir den Anlass, Sie, Hochachtung zu versichern.

Tit., unserer vorzüglichen

Bern, den 10. März 1862.

Der Vorsteher des eidg. Departements des Jnnern :

^ioda.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Schreiben des eidgenössischen Departements des Innern an die Mitglieder der eidg.

Erpertenkommission zur Begutachtung der projektirten Errichtung einer eidg. Eichstätte.

(Vom 10. März 1862.)

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1862

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13

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15.03.1862

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