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Aus den Verhandlungen der schweiz. Bundesversammlnng.

(Vom 26. Juli 1862.)

Die be.den gesellenden Räthe der Eidgenossenschaft haben ihre ordentliche Sommersession von heute auf den .12. Januar l 863 vertagt.

Der Präsident des Nationalrathes, Herr Dr. A. Escher, hielt folgende Schlussrede : ,,Meine Herren l ,,Wir stehen am Sehlusfe der ersten Abtheilung der ordentlichen Session dieses Jahres.

,,Werfen wir einen Rükblik aus die Verhandlungen, welche wir während derselben gepflogen, so bieten sie das ansprechende Bild leidens c h a f t s l o s e r Erörterung, ja ich darf wol sagen, allseitigen freundlichen Z u s a m m e n w i r k e n s dar. Wenn auch der Grund dieser Erscheinung zum grossen Theile in der Ratur der Traktanden, die uns zur Berathung vorlagen , zu. suchen sem wird , so hofse ich ihn nicht minder aueh darin finden zu dürfen , dass wir, ohne unseren Grundsäzen irgendwie untreu zu werden, abweichende Ansichten milder zu beurtheilen uns.

gewohnt haben. Moge ich mich in dieser Anschauungsweise nicht täuschen l Jch wünsche es eben so ausrichtig als warm.

,,Unter den Verhandlungsgegenständen der heute zu Ende gehenden Sesstonsabtheilung haben diejenigen, welche das M i l i t ä r w e s e n betreffen, wieder eine Hauptrolle gespielt. Verhehlen wir es uns nicht, die Ansicht ist eine weit verbreitete, dass die Ausgaben für diesen Zweig der Verwaltung unbeschadet der W e h r k r a s t u n s e r e s V a t e r l a n d e s -- ich betone diess mit besonderm Rachdruke .-..- erheblieh ermäßigt werden konnten. Es scheint mir ein Gebot der .Klugheit für die Bundesbehorden zu sein, nicht vornehm über diese Ansicht hinwegzugehen, sondern sie einer sorgfältigen Prüfung zu unterwerfen, und ihr sur den Fall, dass sie sieh als begründet herausstellen sollte, gebührende Rechnung zu tragen. Es darf nämlich nicht ausser Aeht gelassen werden, dass, wie in allen .Gebieten menschlichen Waltens, so auch in diesem U e b e r t r e i b u n g e n und Rükschlage zur unausbleiblichen Folae haben, und dass die leztern immer eben so sehr, ost aber in noch hoherm Grade, zu beklagen stnd als die erstern.

,,Rekurse bundesreehtlieher Ratur haben Sie auch während der Sessionsabtheilung, die wir heute schließen, vielfach in Anspruch genommen. Der schlichte Verstand dürste zu dem Schlusse. gekommen sein, das

46 die Bundesversammlung bei ihren daherigen Entscheidungen mitunter vielleicht mehr durch Gründe der ^wekmässigkeit, wie sie etwa den schrankenlos waltenden Gesezgeber leiten können, als durch den Wortlaut der Bundesverfassung, wie sie zur Zeit besteht, bestimmt worden sei. Werden wir, meine Herren, diesem Urtheiie so ganz Unrecht geben konnen.^ ,,Weitaus die wichtigste Schl.ussnahme, welche aus den Berathungen der Bundesversammlung wahrend der Sessionsabtheilung , an deren Schlusse wir stehen, .hervorgegangen ist, betrifft die ..Korrektion des

R hei ne s. Durch dieselbe haben die gesezgebenden Räthe der Eid-

Genossenschaft an den Tag gelegt , dass sie den Art. 21 der Bundes^ verfassung innerhalb des Bereiches der finanziellen Kräfte der Eidgenossenschaftin grossherziger Weise anzuwenden entschlossen feien. DieEinmüthigkeit aber, mit welcher der Bundesbeschlnss betreffend die Korrektion des Rl,.ei..es zu Stande gekommen ist, hat neuerdings in erhebender Weise dargethan, dass, wo es um die Verwirklichung eines eidgenössischen Bruderwerl.es zu thun ist, die Schweizer immer ein .^erz und eine Seele sind.

,,Anf die gleiche W o h l t h a t , welche die Bundesversammlung dem R h e i n t h a l e angedeihen liess, harren noch a n d e r e T h e i l e u n s e r s V a t e r l a n d e s . Gewiss ist es Jhrer ^lller Wunsch, zur Verwirklichung ^ dieser Hoffnungen beitragen zu können. Ohne Zweifel beschäftigt Sie aber. nicht minder lebhast die Frage, in wiefern die finanziellen Kräfte der Eidgenofsenf.^ast dazu hinreichen. Es ist während der Sessionsabtheilung. die wir heute schlössen, von hochgestellter Seite hierauf mit der Darlegung eines Finanzplanes geantwortet worden, der alle ..Geldmittel der Eidgenossenschaft, welche wahrend eines mehr als ein Jahrzehend umfassenden Zeitraumes voraussichtlich verfügbar sein werden, sehon ^t verfängt und der überdiess sur den ^all, dass hiemit. nicht ausgereicht würde, eine Erhöhung der untern Klasse.. des Zolltarifs in Aussieht stellt. Es ist mei..ie feste Ueberzeugung , ...ass die Anwendung solcher Mittel nur da^u dienen konnte, d..n Zwek, den man damit anstreben will, so schön er auch an und sur sich ist, zu diskreditiren. Ein Finalstem, gemäss welchem über Einnahmen, welche .wahrscheinlich, aber nicht ge.viss während einer langen Reihe von Jahren eingehen werden, jezt schon und unbekümmert uni. die nenen Bedürfnisse, welche auch die Zukunft unzweifelhaft zu Tage fördern wird, verfügt werden soll, scheint mir nicht da.,u angethan zu sein, bei dem haushälterischen Sinne unseres Volkes Beifall zu finden. Und eine Erhohung der unteren Klassen des Zolltarifs, in welchen sieh die Lebensmittel, sowie die Rohstoffe und Halbfabrikate, deren unsere Jndustrie bedars, befinden, wäre eine Massxegel, welche mit einer rationellen Entwiklung de^s ^ollwesens in entschiedenem Widerspruehe stünde, da sie vorherrschend die n n v e r m ö g liche K l a s s e des V o l k e s und sodann die
Jndustrie mehr belasten würde als bisher, unsere Jndustrie, welche, .....enn einmal, wie diess wohl in ziemlich sichere Aussicht genommen werden kann, das Prinzip des Freihandels

^47 in ganz Europa zur Geltung gekommen sein wird, ohnehin mit den grossten Schwierigkeiten zu kämpfen haben dürfte, um bei ihrer ortlich ungünstigen Lage die Konkurrenz mit der Jndustrie des Auslandes wirksam bestehen zu konnen. Rein, meine Herren, schaden wir nicht dem Z w e k e , den wir anstreben, durch die M i t t e l , welche wir, um ihn zu erreichen, in Vorschlag bringen. Hüten wir uns davor, den E i n e n dadurch W o h l t ha t e n erweisen zu wollen, dass wir den A n d e r n W u n d e n sehlagen.

Bewahren wir ein warmes Herz und eine opferwillige Hand für die grossen Werke, welche einzelne T h e i l. e^ der Schweiz aus Rothständen, in welche sie sich dureh die Ungunst ihrer Lage versezt sehen, zu befreien bestimmt sind. aber lassen wir hinwieder auch nicht ausser Acht, dass die. g a n z e S c h w e i z ein hohes Jnteresse daran hat, dass ihr Finan^uftand ein.gesunder und geordneter bleibe.

,,Roch am Ende der Sessionsabtheilung, welche wir zu schlössen im Begriffe stehen, haben Sie Veranlassung erhalten, sich mit Vorgängen zu beschäftigen, welche die Jntegrität des s c h w e i z e r i s c h e n ...Gebiets betreffen. Wenn auch die Auslassungen , welche im Parlamente in Turin bezüglich des Kantons Tesstn stattgesunden haben, keine unmittelbaren thatsäeh liehen Folgen nach sieh ziehen werden, so verdient doch der Umstand, dass in einem unserer Rachbarstaaten an offizieller Stelle die Frage der Vereinigung Tessins mit Jtalien zur Erorterung gebracht werden durfte, unsere ernste Ausmerksamkeit. Die T h e o r i e , w e l c h e d i e s e E r ö r t e r u n g h e r v o r r i e f , h ä t t e den Untergang der S c h w e i z zur n o t w e n d i g e n Folge. Wenn der Kanton Tessin , weil seine Bevolkexung i t a l i e n i s c h e r Zunge ist, zu Jtalien gehort , so kann mit demselben Rechte die deutseh sprechende Sch.veiz von Deutschland und die franzosisch redende von Frankreich in Anspruch genommen werden. Es würde also die Schweiz aus der Karte von Europa verschwinden. Hier, meine Herren, handelt es sich um eine Lebensfrage unsers Vaterlandes.

Wie wir uns zu derselben zu verhalten haben , kann niemandem unter uns und niemandem in unserm ganzen V o l k e zweifelhaft sein. Sie wird die Schweizer aller Gauen, aller ........praehen, a l l e r Konfessionen und a l l e r politischen Meinungen nur mit e i n e m Entschlusse beseelen.

Er heisst: V e r t e i d i g u n g der Ersten., der Schweiz mit Gut

u n d B l u t.

,,Jch erkläre die diessjährige ordentliche Session des Nationalrathes

bis zum 12. Januar 1863 für vertagt.^

Die Schlussrede des Präsidenten vom Ständerath^

Vigier, lantet wie folgt:

Herrn Wilh.

4.^ ,,Meine .^erxen l .,Wir haben unsere Traktanden beendigt. Ausser den 4 vom Bundesrathe zurükgezogenen Geschäften sind alle übrigen bis ans einen Rekurs-

fall erledigt.

,,Das Sehweizervolk fordert mit Recht von seinen Vertretern Arbeitslust und eine sowoi von Uebereilung als auch von Verschleppung freie Erledigung der Geschäfte. Sie haben die 40 Traktanden während Jhrer dreiwöchentlichen Siznng in diesem Sinne durchberathen.

,,Wenn auch die Arbeiten der gegenwärtigen Sizungen nieht jene legislatorische Tragweite und Bedeutung haben, wie die geseze der ersten Veriode des neuen Bundes, so sind sie dennoch nicht minder wichtig.

,,Es ist die Aufgabe der gegenwärtigen Beriode, die durch den neuen ^Bund ausgesprochenen Grundsäze in ihren Konsequenzen zu entwikeln und ins .Leben zu rufen.

,,Wenn desshalb die für das Militärwesen in neuerer Zeit veraus^abten Summen zu den srühern in keinem Verhältniss stehen und Einigen von Jhnen etwas hoch erseheinen mögen, so dürsen Sie nicht übersehen, dass möglicherweise unsre ganze Ex^isten.^ auf die Wehrkraft des Landes

sich stüzen muss.

,,Wenn Sie m Jhren Beratungen, namentlich bei den behandelten Rekursen, getheilter Ansicht waren und Viele von Jhnen glauben, es sei

die Kompetenz des Bundes zu Ungunsten der kantonalen Selbständigkeit

^u sehr ausgedehnt worden, so dürsen Sie nicht übersehen, dass die Entscheide im Sinn und Geiste der Bundesverfassung liegen, und anch der todte Buchstabe einer Entwiklung fähig sein muss.

,,Den gleichen Standpunkt hielten ^ie inne bei Jhren Entscheiden, .welche die Verkehrsinteressen der Schweiz und die eidgenosstsehe pol^technische Schule berührten.

,,Wenn auch in diesen und andern Fällen Jhre Ansichten auseinander^ehen mochten, so waren Sie doch einstimmig in den wichtigsten Fragen, ^die Jhnen in dieser Sizung vorgelegt wurden.

.,Durch Jhre einstimmige Schlussnahme in der Rheiukorrektionssrage haben Sie bewiesen, dass ^wischen den Abgeordneten der verschiedenen .Kantone keine Rivalität besteht, wenn es gilt, sür ein gemeineidgenossisches Werk Opfer zu bringen und einem Bruderkantone beizustehen, da, wo seine eigenen grossen Anstrengungen der Macht der Elemente gegenüber

fruchtlos sind.

,,Wie die Linthkorrektion jezt noch als das schonste Monument einer Veriode da steht , so wird auch Jhr Beschluss über die Rheinkorrektion ^in nicht unrühmliches Blatt in der Geschichte Jhres Wirkens sein , um .so mehr, da es wol ein seltenes Beispiel in unsern ^parlamentarischen

49 Verhandlungen ist, dass ein Beschluss -on solcher Tragweite, Wichtigkeit und finanzieller Bedeutung ohne Widerrede und mit Einmuth gefasst wurde.

,,Wenn auch die finanziellen fräste des Bundes durch den ^. 21 der Bundesverfassung stark in Anspruch genommen werden , und wenn wir auch glauben, dass Sparsamkeit nnd Berechtigung unserer bescheidenen Einnahms.^uellen in unserer staatswirthsehastlichen Ausgabe liege, so konnen wir dennoch nicht umhin, darauf hinzuweisen, dass neben den Schöpfungen materieller Ratur auch Jdeelle in der Eidgenossenschaft ihre Berechtigung haben sollen, sollten fie auch vor den ersteren momentan ^..rüktreten müssen.

,, Während Jhren Verhandlungen kommen aus der obersten Behörde eines uns befreundeten Nachbarstaates , mit dessen Ringen nach .Selbst^ ständigkeit wir sonst fimipathifiren , zwar nur leise , jedoch höchst unerwartete Andeutungen zu unserer .^enntniss , deren Realifirung die Jnte.^rität schweizerischen Territoriums in Frage stellen würde.

,,^urch einstimmig würdige Schlussnahmen beider Räthe haben Sie daraus jene Antwort ertheilt, welche das Schweizervolk aller ..fegenden ....on Jhnen erwarten durfte.

Dieselbe Anficht, welche im Bnndespalaste die Vertreter der Ration beseelt, herrscht in der kleinsten Hütte des gesammten Vaterlandes. Welche Nation es immer sein mag, und welch^ grosse Streitkräste derselben auch zu Gebote stehen, gegen jeden Angriff aus die Jntegrität des Vaterlandes wird die gesammte Schweiz nur e i n e Antwort haben: Wie das

Schweizervolk einstand für die Unabhängigkeit Reuen-

b u r g s . s o steht o d e r f ä l l t auch j e ^ t noch d i e G e s a m m t heit f ü r j e d e S p a n n e S e h w e i z e r b o d e n s .

,,Die Schweiz kennt keinen .Ländermarkt. Sie kennt dagegen ihre auf die osfentliehe Meinung der europäischen Völker und ihre eigene Wehrfähigkeit gegründete Macht, welche fie stark und geachtet erhält.

,,Moge Jeder von uns diess Bewusstsein in seiner Heimath fortpflanzen und dahin wirken, dass der Geist nationaler ^rast und Eintraeht mehr und mehr erstarke.^

Bundes....... ^ahrg. .^Iv. Bd. III.

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