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Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Revision des Bundesgesezes über die Organisation der Bunderechtspflege.

(Vom 16. Juni 1862.)

Tit.l Unterm 10. Januar 1860 hat der h. Ständerath folgende Schlussnahme gefasst: ,,Der Bundesrath wird eingeladen, zu untersuchen, ob nicht das ,,Bu..desgesez vom 5. Juni l 849 über die Organisation der BundesRechtspflege einer Revision zu unterwerfen sei und darüber der Bundes,,versammlung Bericht und Antrag zu hinterbringen."

Der Bundesrath hielt es für angemessen, zunächst an das Bundesgericht das Ansuchen zu stellen, ihm an der Hand der gemachten Beobaehtungen und Ersahruugeu seine Ansichten über die Frage der Wünschbarrit einer Revision, so wie darüber. in welchem Sinne dieselbe eventuell stattzufinden hätte, mittheilen.

Mitschreiben vom 30. Januar 1862 sprach sich das Bundesgerieht m folgender Weise aus : ,,Jm Altgemeinen sind wir der Ansicht, dass zu einer durchgreifenden ,,Revisiou der Organisation der Bundesrechtspflege kein Bedürfniss vor,,liegt, fondern dass nach den vorhandenen Verhältnissen dieselbe der ,,Hauptfaehe nach ohne Bedenken unverändert beibehalten werden darf.

,,Eine Ausnahme hievon schiene uns indessen wohl gerechtfertigt hinsichtlieh ,,Art. 30 des Gesezes, wonach die eidgenossischen Gesehwornenlisten alle ,,drei Jahre neu gebildet werden müssen, und wir erlauben uns daher, ,,bei Jhnen eine Abänderung dieser Gesezesbestimmung in der Richtung ,,anzuregen, dass die Neubildung der Gesehwornenliften höchstens all....

592 ..seltenen Wirksamkeit, welche erfahrungsgemäß den eidgenossischen Ge,,schwornen bestimmt ist, nicht ani Blaze, die ganze Bevölkerung der ,,sechs Jahre stattzufinden hätte. Unverkennbar ist es nämlich bei der ,,Schweiz alle drei Jahre zu einer diesssälligen, in manchen Kantonen .,sehr zeitraubenden Wahloperation zu^nothigen, deren Ruzen die .^timm^berechtigten nicht einzusehen vermogen, und deren Häufigkeit daher nicht ,,als geeignet erscheint, den Geschworneuwahlen den wunsehbaren Ernst ,,uud die erforderliche Umsicht zu sichern. Wenn auch die Amtsdauer eines ,,.eidgenossisehen Geschwornen von drei auf sechs Jahre vermehrt wird, .

,,so erscheint uns hierin weder e.ue Bedenken erregende Abweichung von ,,dem Grundsaze der dreijährigen Erneuerung aller eidgenossisehen Beam,,ten, noch eine irgendwie erhebliehe Erschwerung der Amtspflichten eines ,,Geschwornen zn liegen.

,,Weitere Aenderungen in der Organisation der Bundesrechtspflege ,,sehen wir uns nicht im Falle, in Anregung zu bringen. Wenn zwar ,,die Straskompeten^ der eidgenossischen Gerichtsbehörden eine wesentliche ,,Ausdehnung erfahren und denselben eine grossere Zahl von Strassaehen ,,in dieser oder jener Richtung ^ur Behandlung zugewiesen werden sollte, ,,so würden wir den gegenwärtigen Organismus der Bundesassisen si^r ,,allzusehwerfällig halten und müssten auf eine Aenderu^g dieses Theiles ,,der Organisation im Sinne ^grosserer Einfachheit antragen, allein da ^,zur Zeit eine solche Ausdehnung der Kompetenz nicht in Frage liegt, ,,so glauben wir, einstweilen von einer eitern Würdigung dieses Bunl.tes ,,absehen zu dürfen.^ ^er Bundesrath hielt es nach Eingang dieses Schreibens für passend, die Kantonsregierungen anzufragen, ob es ihnen, namentlich aneh

mit Rüksicht aus ihre kantonalen Verhältnisse, ^. B. wegeu gleichzeitiger

Bildung der kantonalen Geschwornenlifte oder anderer gleichzeitiger Wal.^loperationen, wünschenswert^ erseheine, dass die vom Bnndesgericht.. angeregte Abänderung des Gesezes erfolge, o.^er ob sie etwa sonst noch im Falle seien, anderweitige Abänderungen in Vorschlag zu bringen.

Jn den diesssalligen Antwortschreiben erklärten sich die Regierungen von Zürich, Schw.^z, Ob- und Ridwalden, Glarns, Zng, Freibnrg,

Solothurn, Basel-Stadt, Schasfhausen, Appenzell J. Rh., St. Galten,

Graubünden, Thurgau, Tessin, Waadt und Wallis positiv zu Gunsten des vom Bnndes^riehte gemachten Abänderungsvorschlages de^ Art. 30.

Ebenso die Regierung von Aargau, die jedoch eine vier- oder aehtjährige Amtsdaner der eidg.^nossisehen Gesehwornen wünschen mochte , da ihre kantonale Gesehwornenliste eine vierjährige Amtsdauer habe.

Andererseits finden die Regierungen von Bern, Lnzern, Basel-Landschast und Appe.^ell A. Rh., es sei kein Bedürsniss sür eine Abänderung vorhanden. ^.ie Regierungen von Uri und Reuenburg erklärten, es sei

ihnen gleichgiltig, was beschlossen werde.

593 Eigentliche Bedenken gegen die Aenderung erhebt nur die Regierung von Gens, indem in Folge derselben die Amtsdauer des Buudesgeriehtes und der Geschwornen nicht mehr die gleiche sein werde, serner die ohnehin schon geringe Theilnahme an diesen Wahlen sieh noch mehr vermindern dürste, endlich es auch im Allgemeinen nicht gut sei , dass die Gesehwornen in einem von ihrer wirklichen Juanspruchnah^ne allzu entfernten ^eitpunkte bezeichnet werden.

Alle Regierungen erklaren daneben einstimmig, dass die i^u Aussteht ^ genommene Abänderung des Art. 30 keinerlei Storungen in den kantonalen Einrichtungen verursachen werde, und dass sie im Uebrigen keiue weitern Abänderungen jenes Gesez^ in Vorschlag zu bringen im Falle seien.

Uebergeheud zur eigenen Begutachtung kann der Bundesrath sieh einfach darauf beschränken, sich sowol bezüglich d..r Revisi oussrage im

Allgemeinen, als bezüglich der in Vorschlag gebrachten Abänderung des Art. 30 des fraglichen Gesezes an das Gutachten des Bundesgerichtes anzuschließen. ^ Einzig bezüglich der von der Regierung von Genf erhobenen Bedenken findet er sich veranlasst, noch einige ^Bemerkungen beizufü.^e...

Die Thatsache , dass bei einer Verlängerung der nneige.^tlich sogenannten Amtsdauer der Gesch.vornen (denn Geschworne sind in That und Wahrheit keinem Beamte und haben desshalb auch keine Amtsdauer), diese mit der Amtsdauer . des Bnndesgeriehtes uicht mehr zusammenfällt, ist richtig und vom Bundesgeriehte auch selbst hervorgehoben worden.

Das Bnndesgerieht sand iudess darin kein Bedenken, und wol mit Recht, denn es dürfte in der That schwierig sein, einen haltbaren Gruud für die Notwendigkeit der Gleichheit jener beiden Amtsdauern anzubringen.

Jn sehr vielen Ländern haben^ die G^sehworuen konform ihrem Eharakter als Riehtbeamte überhaupt gar keine Amtsdauer, sondern es haftet der Eharakter der Geschworneu von selbst an gewissen Eigenschaften ^er Verson und wechselt mit diesen Eigenschaften. Dieses System ist gewiss theoretisch das bessere. Einheit der Gesehworneuliften mit dem politischen

Stimmsähigkeitsregister, ^. h. also vollständ.ges Verschwinden jener Se-

paratgeschwornenlisten ist das Jdeal. aus diesem Gebiete. Wahl ist ein blosser Rotl^b^hels, weil gewisse theoretische und praktische Bedeuken ^ur Zeit noch die Verwirklichung jenes Jdeals verhindern.

Darmu dürste der Saz, dass die Bezeichnung der Geschwornen in einem von ihrer wirklichen Jnanspruchnahme nicht all^u entfernten Zeitpunkte erfolgen sollte, nur aus sehr bedingte Giltigkeit Anspruch haben.

Richtig ist, dass bei der Wahl der Geschwornen die Amtsdauer ein gewisses Mass haben mnss . denn bei einer allzuweit gefassten Amtsdauer tritt mit jedem Jahr die durch Tod, Entsernung oder Verlust des.

Aktivbürgereeehtes sich vermehrende .Lükenhastigkeit der ursprünglichen Liste

5.)4 mit wachsendem Sehaden zu Tage, und es verändert sich auch Manches in den innern .Qualitäten und in dem Vertrauensverhältniss der auf der .Liste bleibenden Geschwornen. Eine Ausdehnung über sechs Jahre dürste ^esshalb nicht rathsam sein. Aus der andern Seite aber zerftort jeder Wahlakt bis ^u einem gewissen Grade den Eharakter des GesehwornenBerichtes. Der grosse Vorzug dieses Gerichtes liegt in seiner ganz parteilosen Komposition, zu welchem Behufe man die .^.pe^iallisten dnreh das Loos bilden lässt und ein sehr weit gehendes Rekusationsrecht gestattet.

Dem widerspricht einigermassen die Bildung der Urlist.m durch Wahl, weil mit dieser eine gewisse Varteiung nothwendig verbunden ist.

Es

liegt desshalb nicht im Jnteresse der Einrichtung , die Wahlakte allzusehr

.^u vervielfältigen.

Erneuerung der Ges.hwornenlisten von je ^u sechs Jahren um dürste somit auch aus innern Gründen der dreijährigen Ernenerung vorzugehen sein.

Da eine grosse Zahl von Kantonen ^iese Wahlen mit den Rationalxathswahlen ^u verbinden pflegen, so dürste der Vorschlag der Regierung von Aargan -- die Erneuerung zu vier Jahren um erfolgen zu lassen -, sieh nicht empfehlen.

Diesen Betrachtungen gemäss gibt sich der Bundesrath die Ehre, der h. Bundesversammlung folgenden Gesezesvorsehlag vorzulegen : D i e B u n d es v e r s a m m l u n g der s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n scha s t ,

naeh Einsicht eines Vorschlages des Bundesrathes, beschließ

,,Art. l. Der Art. 30 des Buudesgesezes über die Organisation der Bn..desrechtspflege^ vom 5. Juni 1849 erhält folgende veränderte Fassuug : ,,Art. 30. Die Erneuerung der Geschwornenlisten erfolgt je von sechs ^u sechs Jahren. Der Bundesrath sorgt dafür, dass die neuen Listen rechtzeitig angesertigt werden.

,,Art. 2. Dieses Gesez tritt bei der, Ende des Jahres 18^3 erfol.Senden Erneuerung der eidgenossischen Geschwornenliften in Kraft.

,,Der Bundesrath wird mit dessen Vollziehung beauftragt.^ Was den Art. 2 dieses Entwurfes anbelangt , so konnte es sich fragen, ob nicht die ..lnnsdauer der gegenwärtigen Gesehwornen schon auf ^echs Jahre verlängert werden soll.

595 Der Bundesrath glaubt indessen, es sei hievon zu abstrahiren und erst

für die, Ende 1863 zu bildende Urliste die verlängerte Amtsdauer in .^lnwendung zu bringen , weil die gegenwärtig gewählten Gesehwornen nur sur drei Jahre gewählt worden sind.

Mit dieser Vorlage verbinden wir die erneuerte Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 16. Juni

1862.

Jm Ramen des schweiz. Bundesrathes,

Der Bundespräsident: Stampai.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: ^..e^.

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Bericht des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Revision des Bundesgesezes über die Organisation der Bundesrechtspflege. (Vom 16. Juni 1862.)

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