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Bundesrathes an die h. Bundesversammlung über den Rekurs der Landschaft Saanen, betreffend Gerichtsstand.

(Vom 18. Juli 1862.)

Tit. l Bezüglich des von der Landschast S a a n e n bei Jhnen erhobenen Rekurses gegen einen Entscheid des Bundesrathes, betreffend ..Berichtssta.rd, haben wir noch dem Staatsrathe von W a a d t sammt den Jnteressenten ...lnlass zur Beantwortung geboten, und übermitteln Jhnen nnnmehr die vollständigen Akten zu Jhrem Entscheide.

Die Frage, die zum Entscheide kommt, ist einfacher Ratur. Entkleidet man sie nämlich des rechtlich irrelevanten Beiwerks , so ist die Frage, welche die hohe Bundesversammlung zu entscheiden hat, folgende : Ein Herr Eotiier, der im Kanton W a a d t und im Danton Bern Grundeigentum besass, sezte die Landschaft S a a n e n zu seiner Erbin ein, indem er ihr Begliche Veräusserung der testirten Grundstufe verbot.

Waadtländisehe Jnteftaterben des E o t t i e r behaupten, es habe die Testamentserbin lettere Bedingung verlebt und vindiziren nunmehr die auf waadtländisehem Gebiete liegenden Grundstufe vor dem waadtländisehen Richter. Es liegt nun die Frage vor : Jst dieser kompetent oder mnss die Testamentserbin vor dem bernischen Richter belangt werdend Der Bnndesrath nahm an, dass der waadtländische Richter kompetent sei.

Die Rekurrentin behauptet, es seien durch diesen Art. 53, 48 und 4 der Bundesversassung verlebt.

Entscheid

die

Dass Art. 53 in dieser Sache nichts Entscheidendes sagt, bedarf wol keines weitern Beweises. es durste desshalb der Bundesrath wol mit Recht annehmen, die Reknrrentin habe diesen Artikel statt des Art. 50 falsch zitirt. Eben so kommt Art. 4 nnr in sosern zur Sprache, als

er das Brinzip des Art. 48 bestätigen soll. Ans diesen leztern wird der Hauptaeeent gelegt.

57 .Der Art. 48 der Bundesverfassung soll in folgender Art verlebt sein :

Der waadtländische Zivilpro^.ss schreibe vor, dass Erbschastsstreitigkeiten

vor dem Richter des Wohnortes des Erblassers ^u erledigen seien. .).ach Art. 48 der Bundesverfassung müsse der .Kauton Waadt alle Schweizer in der ^esezgebung nnd im gerichtliehen Versahren gleich^ den e.genen Bürgern halten, also müssen die Waadtländer^Erben in concreto ihr^ Klage por dem bernisehen Richter anbringen, als dem Richter des Wohnortes des Erblassers, und da das Umgekehrte geschehen, so sei Art. 4^ verlebt. Es bedarf wol keines besondern Scharfsinnes , um den logischen s.^lto morale dieser Schlusssolgerung herauszufinden. Wenn nämlich der

waadtländische Zwilpro^ess für Erbschaftsstreitigkeiten das Fornm des.

Wohnortes des Erblassers statuirt, so folgt nach Art. 48 daraus, daß auch ein Berner, der im Waadtlande klagen will, seine Klage vor diesem Richter anbringen kann, ohne dass der Beklagte e^eipiren dars, er müsse an seinem eigenen Wohnorte belangt werden , weil jenes Recht nur für die W a a d t l ä n d e r und nicht auch für die übrigen Schwerer gelte.

Ebenso kann der im Waadtlande domizilirende B e r n er als Beklagter auf das nämliche Recht Anspruch machen. Wenn aber aus jener ..^rozess..

Bestimmung nun gefolgert werden will, es müsse nach Art. 48 jeder W a a d t l ä n d e r , der gegen einen Schweizer eines andern Kantons eine Erbschastsklage anstellen wolle, denselben ebenfalls ausserhalb des Kan^ tons am Wohnorte des Erblassers belangen , so ist die Unrichtigkett dieses.

Trugschlusses wol Jedermann klar.

Das einfache Rechtsverhältnis ist vielmehr das: Gemäss der ^ou^ veränetät der Kantone, die im .^lrt. 3 der Bundesverfassung garantirt ist,.

hat jeder Kanton das Recht, zu verlangen, dass Vrozesse über im Kanton liegendes Gut vor seinen Gerichten verhandelt werden ^oruin rei sit^e)..

Dieses Recht steht ihm so lange zu, als er sieh nicht dureh Staatsvertra^ (Konkordat) mit einem andern Kanton über ein entgegengesetztes Verfahren verständigt hat. Diess ist hier nicht geschehen; denn W a ad t hat von jeher den Beitritt zu solchen Konkordaten, speziell zu demjenigen von 1822 abgelehnt, und es ist somit im Vollbesiz jener bezeichneten Sou.^ veränetätsbesugnisse.

So lange also die waadtländischen Erben ihre Vindikationsklage aus das im Kanton W a a d t liegende Gut beschränken, wie diess bis je^t geschehen ist, so lange kann an der Kompetenz des waadtläudischen Rieh^ ters nicht gezweifelt werden. Uebrigens ist wol auch kein Grund vorl.an-

den, die Unparteilichkeit des waadtländischen Richters bei Beurtheilung

dieses Brivatrechtsstreites zu bezweifeln , denn was das Reknrsmemorial in dieser Beziehung von der Parteinahme des waadtländisehen Friedens^ riehters vorbringt, beruht nur aus einem Missverständnisse. Jn einigen.

Kantonen der Westschweiz ist es nämlich Sitte, dass in die sriedensriehterliehe Vorladung das Anbringen der Kläaerschast wortlieh ausgenommen und den Beklagten zur Kenntniss gebracht wird. Die Form ist die einer Ansprache des Friedensrichters an den Beklagten , während in That un^

.

^

...Wahrheit der Friedensrichter bloss als Sprachrohr des Klägers dient.

Natürlich kommen ans solche Weise in diese friedensrichterlichen Vorladnngen Bemerkungen von mancherlei ^lrt, ^ie einem unparteiischen Richter allerdings nicht gut anstehen würden und denjenigen ^irre führen können.

welcher zum ersten Male eine solche sriedensrichterlu.he Vorladung erhält,.

wie es der Rekurrentin geschehen zu sein scheint.

Unter solchen Umständen ist wol kein ...^rund vorhanden zu einer Aushebung des bundesräthlichen Entscheides.

Juden. wir somit aus Abweisung des ersten Rechtsbegehrens antra..

gen, bemerken wir lediglich noch, dass uns gar kein ^rn..d vorhanden zu sein scheint, aus das zweite, übrigens ganz neue Reeht....l..eg..hren einzu^ treten.

Genehmigen Sie, Tit., die erneuerte Versicherung vollkommenster Hochachtung.

Bern, den 16. Juli 1862.

Jm ....amen des schweif Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Stampai.

Der .Kanzler der Eidgenossenschaft: ^ie^ ^ o t e . Unterm 2^. Juli 18.^faßte der Nationalrath in vorstehender .^ kurssache folgenden Beschluß .

..Der Rekurs li. begründet und daher das von Louis S o u m i s von ....ouge..mo.^ und ^...^haf^n , .^lag^n geg^ di.^ Landsch..^ ^a..n.^n, al^ B.^tlag^, .,.^or den .Berichten des ^anton^ Waadt eingeleitete .^echt^.^erfahren als wirlungs^ ^tos und die von dem b e r n i s c h e n A^peIlation^ und .^fsation^hofe verfügte ^Verweigerung der Ladung an die Beklag^ als gerechtfertigt erklärt.^ Der S t ä n d e r a t h beschloß am 2.^. Juli l8.^2 ..Verschiebung des Gegen^ standet auf die nächste Session.

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Bericht des Bundesrathes an die h. Bundesversammlung über den Rekurs der Landschaft Saanen, betreffend Gerichtsstand. (Vom 18. Juli 1862.)

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30.07.1862

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