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Schweizerisches Bundesblatt

53. Jahrgang. IV.

Nr. 50.

11. Dezember 1901.

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Druck und expédition der Buchdruckerei Stämpfli & de. in Bern.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des J. B. Wyß, gewesenen Stationsvorstandes in Münchenstein (Baselland).

(Vom 5. Dezember 1901.)

Tit.

Am 13. November 1900 ereignete sich auf der Station Münchenstein ein Eisenbahnunfall, indem der J. S. Schnellzug Nr. 165 auf einen im III. Geleise stationierten Güterzug aufstieß, den er auf dem Durchgangsgeleise II hätte überholen sollen.

Durch die Wucht des Anpralles wurde die Lokomotive des Schnellzuges und mehrere Wagen teilweise ineinander geschoben und erheblich beschädigt, drei Passagiere verletzt und eine Ladung Hornvieh schwer geschädigt, so daß einzelne Stücke abgethan, werden mußten.

Unmittelbare Ursache des Zusammenstoßes der Züge war der Umstand, daß das Signal für Einfahrt des Schnellzuges geöffnet und zugleich eine Weiche derart gestellt war, daß dieser Zug auf. das bereits belegte Geleise III gelenkt wurde. Verantwortlich für diesen Zustand war der Stationsvorstand Wyß, dem die Bedienung des Stellwerkes oblag und der in der Untersuchung auch sofort sich selbst eines Dienstfehlers insoweit bezichtigte, als er zugab, er habe die bevorstehende Ankunft des :Schnellzuges total vergessen und deshalb nicht für die Bundesblatt. 58. Jahrg. Bd. IV.

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1238 Sicherung der Durchfahrt desselben vorgesorgt. Das Kriminalgericht des Kantons Baselstadt sprach den Stationsvorstand von der gegen ihn erhobenen Anklage der fahrlässigen Eisenbahngefahrdung frei, indem es annahm, daß das ihm zur Last fallende Versehen ein entschuldbares sei mit Rücksicht auf Überbürdung mit Arbeit im kritischen Momente. -- Das Obergericht aber als Appellationsinstaiiz erklärte ihn schuldig, mit der Begründung, er habe seine Dienstpflicht gröblich verletzt, dadurch, daß er sich nicht vorschriftsgemäß überzeugte, ob das dem Schnellzug als Fahrbahn angewiesene durchgehende Geleise frei sei und daß er auch die ihm als bevorstehend bekannte Einfahrt dieses Zuges nicht überwacht habe, sondern sich von demselben förmlich habe überraschen lassen. Der zweitinstanzliehe Richter erklärt, es sei lediglich der Pflichtvergessenheit des Angeklagten zuzuschreiben, daß bei so einfachen Verhältnissen am selben Tage der in Frage stehende Eisenbahnunfall habe passieren können und weist mit einleuchtender Begründung die Argumentation zurück, daß ihm nicht die erforderliche Zeit zur Erfüllung seiner Obliegenheiten zu Gebote gestanden ' habe. (Erwägung 5 und 7 des obergerichtlichen Urteils.)

Wyss wurde verurteilt zu fünf Tagen Gefängnis und fünfzig Franken Geldbuße, eventuell weitern zehn Tagen Gefängnis, ferner zur Tragung der Gerichtskosten. Er stellt nunmehr das Gesuch um gänzlichen Erlaß der Strafe, indem er darzuthun versucht, daß die Erwägungen des ihn verurteilenden Gerichtes nicht schlüssig seien, vielmehr die Ursache des Zusammenstoßes der beiden Züge in Verhältnissen liege, über die er keine Macht gehabt. Soweit ihn. ein Mitverschulden treffe, so müße er als entlastet betrachtet werden durch dienstliehe Überanstrengung zur kritischen Zeit, um so mehr als er von dem frühern großen Eisenbahnunglück auf der von ihm bedienten Station ängstlich und nervös geworden.

Es mag zugegeben werden, daß nicht mit völliger Klarheit festgestellt ist, in welcher Weise die Öffnung des Einfahrtssignals und die fatale Weichenstellung zu stände kamen; Thatsache ist; jedenfalls, daß der Stationsvorstand Wyß durch eine ihm strafrechtlich zuzurechnende Versäumnis dienstlicher Pflichten den eingetretenen Eisenbahnunfall mitverschuldet hat. Wenn er der Stellung des Einfahrtssignals oder der Ankunft des Zuges
gehörige Aufmerksamkeit geschenkt hätte, so wäre es ihm zweifellos auch möglich gewesen, durch geeignete Vorkehren das Unglück zu verhüten. Immerhin handelt es sich um ein verhältnismäßig

1239 leichtes Verschulden, das bei dem langjährigen, sonst durchaus pflichtgetreuen Beamten nur daraus erklärt werden kann, daß er aus irgend welcher Ursache im kritischen Momente nicht fähig war, die vielseitigen Erfordernisse seines komplizierten Dienstes gehörig zu überblicken und zu erfüllen. Daher rechtfertigt es sich, die über ihn verhängte Gefängnisstrafe im Wege der Begnadigung aufzuheben.

Demgemäß stellen wir bei Ihrer hohen Versammlung den A nt r ag :

Es sei dem Wyß die Gefängnisstrafe von fünf Tagen in Onaden zu erlassen.

B e r n , den 5. Dezember 1901.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der. B u n d e s p r ä s i d e n t :

Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Bingier.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Rekursbeschwerde des Charles Capt in Vers-le-Lac gegen den Beschluß des Bundesrates vom 28. September 1900 betreffend Schutz gegen Funkenwurf.

(Vom 9. Dezember 1901.)

Tit.

Mittelst Eingabe vom 30. November 1899 hatte Charles Capt in Vers-le-Lac, Vallée de Joux, gestützt auf Artikel 16, Lemma 2, des Bundesgesetzes über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen auf dem Gebiete der schweizerischen Eidgenossenschaft, vom 23. Dezember 1872, das Gesuch gestellt, es sei die Eisenbahngesellschaft Pont-Brassus zu verpflichten, die Schindelbedachung und -Verkleidung des dem Impetranten gehörenden Hauses durch eine feuersichere Bedachung und Verkleidung zu ersetzen. Wir haben dieses Gesuch unterm 28. September 1900 abgewiesen.

Hierauf reichte Herr Jean Spiro, Advokat in Lausanne, Namens des Charles Capt, am 29. November 1900 der Bundeskanzlei die mitfolgende Rekursbeschwerde ein, welche mit dem Gesuche schließt, ,,die hohe Bundesversammlung möge den Beschluß des Bundesrates, gegen welchen sich der.Rekurs richte, als unbegründet erklären und die Gesellschaft der Pont-Brassusßahn, beziehungsweise die Jura-Simplon-Bahn als Betriebsverwal-

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des J. B. Wyß, gewesenen Stationsvorstandes in Münchenstein (Baselland). (Vom 5.

Dezember 1901.)

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11.12.1901

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