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Bundesrathes an die Bundesversammlung , betreffend die Entschädigungsforderung des Hrn. Großrath Schürch.

(Vom 25. Mai 1860.)

Tit.!

Mit von Bern Grossrath sammlung

Zuschrift vom 27. April h. a. übersandte uns die Regierung eine Beschwerdeschrift des Herrn Jakob Sehürch , Müller und zu Madretsch, mit dem Gesuche, dieselbe der h. Bundesverniitzutheilen.

Da diese Beschwerde gegeu einen Beschluß des Bundesrathes gerichtet ist , so finden wir es , um die Sache Jhiien spruchreif vorzulegen , für angemessen , unfern Bericht über die Beschwerde zugleich beizulegen.

Da die faktischen Verhältnisse , woraus die Beschwerde beruht , in..

Wesentlichen richtig angegeben sind, so haben wir hierüber nichts zu bemerken nnd gehen sogleich zu dem Rechtspunkte über.

Hier ist die entscheidende Frage offenbar die , ob das Richteramt Nidau zu dem erlassenen Urtheil kompetent gewesen und das leztere daher

gültig und vollziehbar sei.

Wir bestreiten diese Kompetenz , gestüzt auf die hierin ganz tlare Bundesgesezgebung . welche den Gerichtsstand und das Versahren vorschreibt für alle Forderungen , welche sowol die Soldaten als die Bürger, aus Dienstverhältnissen herrührend, an die Militärverwaltung zu stellen haben, betreffend Besoldung, Verpflegung, Entschädigungen u. s. w.

Alle diese Gegenstände sind durch ein einläßliches Reglement für die ..idg. Kriegsverwaltnng im August 184:5 durch die Tagfazung geordnet worden, und es ist keinem Kantone eingefallen , der Tagfaznng die Kompetenz hiefür zu bestreiten, ungeachtet es klar am Tage lag, daß durch.

dieses Reglement eine Menge zivilrechtlicher Forderungen den kantonalen

539 .Gerichten entzogen und einem besondern schiedsgerichtlichen Versahren unterstellt wurden , so wie auch . daß für das Anbringen solcher Forderungen ganz kurze, von den Zivilgesezen der Kantone abweichende Fristen in jenem Reglemente angesezt waren.

Der Rekurrent bestreitet auch der damaligen Bundesbehörde , der Tagsaznng , diese Kompetenz nicht , was wir besonders darum hervorheben.

und betonen . weil es ganz klar ist, daß, weun bei den ehemaligen Bundeskompetenzen die Tagsazung zu diesem Reglement besugt war. die jezigen.

Bundesbehörden weit mehr kompetent waren , dieses Reglement fortbestehen.

zu lassen und zu bestätigen.

Nun behauptet aber der Rekurrent, dieses Reglement sei ausgehoben,.

weil der Art. 3 der Bundesverfassung die Souveranetät der Kantone ga-^ rantire . so weit fie nicht speziell beschränkt sei und weil nach Art. 6 der^ Uebergangsbestimmungen die Beschlüsse der Tagsazung und die Konkordate nur so weit in Kraft verbleiben , als sie der Verfassung nicht wider^ sprechen.

Dieser Grund ist offenbar nicht stichhaltig ., denn die Souveränetä^ der Kantone war ja früher in viel größerem Maße vorhanden. und dennoch bestand jenes Reglement in .^raft. Der Art. 3 der Bundesverfassung hatte auch nicht den Zwek , den Kantonen Kompetenzen zurükzugeben . die sie schon unter dem frühern Bnndesvertrage nicht mehr besaßen, sondern nur.

ihnen diejenigen Rechte zu bestätigen , Welche die neue Bundesverfassung ihnen überließ und anerkannte. Schon darum wäre es gegen alle Logik,.

aus dein Art. 3 der Bundesverfassung auf eine stillschweigende Aushebung der Rechte zu schließen , welche dem Bunde schon nach dein frühern Bnndesvertrage den Kantonen gegenüber zustanden, und doppelt verkehr^ wäre ein solcher Schluß in Sachen der Militärverwaltung . weil beganntlich in diesem Gebiete .die neue Bundesverfassung in der .Zentralisatio^ vi^l weiter gieng und schon bestehende Rechte des Bundes gewiß nicht stillschweigend abschaffte. Ein anderer Artikel der Bundesverfassung. mit de.1^ die Verordnung von 184!5 über die eidg. Kriegsverwaltung im Wider^ spruche stehen soll, wurde nicht genannt, und iu der That existirt auch ketr..

solcher. Wir müssen daher bestimmt bestreiten , daß jene Verordnung auf..

gehoben fei ; vielmehr behanpten wir , daß sie förmlich bestätigt und stet^ auch in der neuern Zeit
angewendet worden sei.

Zu diesem Behuse haben wir nicht nöthig , uns , wie der Rekur^ rent . auf das Gebiet der Verinuthnng.en und gewagten Schlüsse zu be^ geben , sondern wir können den Beweis durch Berufung auf folgende That^ sache führen : I)

Die h. Bundesversammlung hat am 23. Dezember 1851 das frag^

liche Verwaltungsreglement vom Jahr 1845 förmlich bestätigt, in-

dem ste alle dur.ch die Münzxeform nöthig gewordenen Abänderungen

.^40 der einzelnen Artikel beschloß. (Man sehe den Anhang des Reglements, Art. l.)

2) Jn einer Reihe von Artikeln bezieht sich da... neue BiIndesgesez vom 8. Mai 18^0 über die eidg. Militärorganisation auf die bestehenden Reglemente. worunter vorzugsweise das Reglement über die Verwaltung verstanden ist. . So z. B. die Artikel 8..^ -- 87 über die .Besoldung . Art. 89 und 90 über die Einquartierung und Ver-

pslegung , Art. 93 über die Fnhrleiftung , Art. 96 über Entschä-

digung von Waffen und Ausrüstung und fur Abgang von Pferden u. s. w. Art. 100 hat speziell ans unfern Fall Bezug und be^ stätigt förmlich das fragliche Reglement. ^Er lautet also: ,,Zerstö^ ^ riingen und Beschädigungen durch Kriegsanstalten . Uebungslager u. s. w. , an öffentlichem oder Privateigentum verursacht , werden vonI Bunde nach M a ß g a b e der R e g l e m e n t e v e r -

gütet.^

Hierüber besteht aber kein anderes Reglement, als das erwähnte vorn

.Jahr 1845, speziell in den ^. 227 und 2.28.

Ganz entscheidend sind serner folgende Artikel des Bundesgesezes: Art. 114. ,,Der Bundesrath entscheidet bei Streitigkeiten über Be..

....soldung . Vergütung, Einquartirung , Verpflegung, Requisition von ^Transportmitteln und andern Lüftungen , nach Maßgabe der hierauf be.,,züglichen Geseze nnd reglementarischen Vorschriften...

Art. 146. ,,Die Rechte und Pflichten, welche in den noch in ,,^raft bestehenden Gesezen, Reglementen , Verordnungen und Beschlüssen ..,,dem eidg. Kriegsrath.. zugeschrieben sind , gehen an den Bundesrath ...über...

Art. 150. ,,Die übrigen eidg. Militärreg.eniente. so weit dieselben ^nIit gegenwärtigem Geseze nicht im Widerfprnche stehen. bleiben in Kraft.

...J.u Falle. der Revision solcher Reglemente , welche seiner Zeit von der .,,Tagsazung erlassen worden sind, sollen dieselben der Genehmigung der .,,Bundesversammlung unterstellt werden.^ Hier wird nach ausdrüklicher Bestätigung des fraglichen Reglements, das mit diesem Geseze nicht im Widerfprnche steht. die Kompetenz für

Entscheidung derartiger Streitigkeiten ganz bestimmt den militärischen Ad-

ministrativbehörden übertragen und ausdrüklich die Veränderung festgestellt.

^welche die neue Bundesverfassung herbeiführte. Früher gieng nämlich der Rekurs gegen die Entscheidungen der Schazungsgerichte und Kommissariate ^n den eidg. Kriegsrath, jezt an den Bundesrath (Art. 77 des Regle..

.ments von 1845).

3) Damit stimmt auch die ununterbrochene Praxis überein, sowol unter der frühern als unter der gegenwärtigen ...Ordnung der Dinge..

54l.

Taufend und aber tausend Fälle von Entschädigungen aller Art find im Laufe d e r z e i t nach Maßgabe dieses Reglements in allen Kantonen geleistet worden . wogegen kein Fall wird erwähnt werden können, der auf dem Wege des Zivilprozesses wäre behandelt worden ; auch geben unsere Protokolle Zeugniß , wie oft Beschwerden über Abschaznngen zum Entscheide des Bundesrathes gebracht wurden.

^) Es bedarf wohl einer hohen Bundesversammlung gegenüber keines Nachweises darüber, daß eine geordnete Militärverwaltung und eine

dießsällige Komptabilität eine absolute Unmöglichkeit wären , wenn über derartige Forderungen in allen Kantonen , wo zufällig Militär steht , Zivilprozesse geführt werden müßten , und wenn die gewöhnliche Verjährungszeit ^ z . B. zehn Jahre) geltend gemacht werden könnte. Es würde in der That zu den unglaublichsten Erscheinungen unserer Zeit gehören , wenn der jezige Bundesftaat iuit seinen militärischen Bestrebungen und Kompetenzen durch eine derartige Beschw^rde weit hinter jene Zeit sich zurükwerfen ließe. in welcher man bei aller Beschränktheit der Bundeskompetenzen dennoch nicht das geringste Bedenken sand, im Jntereffe einer einheitlichen und nothwendigen Militärverwaltung das Reglement aufzuhellen, welches die Befchwerde als verfassungswidrig bezeichnen will. Jenes Reglement ist aber, wie wir sahen. durch da.^ neue Militärgese.z sörnilich bestätigt worden, und lezteres müßte daher ebenfalls versassungswidrig sein, und zwar bloß darum, weil es eine Kompetenz ausübte. welche man schon der Tagsazung zuerkannt hatte.

Man übersehe nicht, daß das neue Militärgesez vom Jahr 1850 auf verfassungsmäßige Weise votirt wurde unter Mitwirkung des h. Stände.rathes. d. h. der Stellvertreter der Kantone; daß kein Kanton durch Be.xnfung an die vereinigte Bundesversammlung einen Kompetenzkonflikt erhob ^der auch nur eine Protestation abgab, und daß das Gesez seit 1850 nebst .dem fraglichen Reggente in der ganzen Schweiz eingeführt und gehand..

^abt wurde. Wir machen nur noch darauf aufmerkfam , daß die die Ge.n.einden und Privaten befonders intereffirenden .Artikel des Verwaltungs.reglenientes vom DivisionskomInando vor dem Truppenzusanimenzuge in besonder^ Abdruke püblizirt wurden. Ein Exemplar dieses Abdrukes legen ^wir den Akten bei. Eben so legen wir noch einen nachträglichen Bericht .des Hrn. Major Lambelet vorn 18. Mai 1860 bei, woraus hervorgeht, daß die Schürchifche Forderung nicht nur von ihm als unzulässig abge.wiesen wurde , sondern auch von Hrn. Oberst Steiner , welcher bei jenem ^lebungslager als Regierungskommissär die Jnteressen des Kantons und seiner Einwohner zu wahren hatte.

Wir glauben zur Evidenz gezeigt zu haben , daß Forderungen , wie diejenige des Rekurrenten, kraft eidg. Geseze und Verordnungen nicht vor ...die gewöhnlichen kantonalen Gerichte gehören , fondern daß ein besondere.^

^42 kompromissarisches Verfahren unter Mitwirkung der Militärverwaltung un^ .mit Rekurs an die obern Verwaltungsbehörden sür solche Forderungen in...

stituixt ist, und daß somit die Einmischung des Richteranites Nidan und^ die Anhandnahine der Klage als gänzlich i n k o m p e t e n t erklärt werden.

rnuß. Hieraus folgt dann von selbst, daß das eidg. Oberkriegskommiffa..

xiat, welches keineswegs als Zivilpartei erscheint, sondern dem eine amtliche Stellung und Mitwirkung in derartigen Fällen gesezlich zusteht. nichts .verpflichtet war , die Vorfrage der Kompetenz vor dem Richteramte Nidau zu plaidiren ; denn hat sich das leztere mit der Hauptsache gar nicht zi^ befassen , so kann es sich auch nicht zum Richter über die Vorfrage auf^ werfen. Dieses ist gegenüber der eidg. Militärverwaltung, die eben nicht unter dieser Jurisdiktion steht , eben so wenig zulässig , als die Behaup..

tung , daß ein außer dem Kanton domizilirender Beklagter, der wegen.

persönlicher Forderungen verfassungswidrig i m Kanton belangt wird, schuldigsei, vor diesem Richter die Kompetenzfrage ausznfechten. Wenn lezteres.

geschieht und der inkompetente Richter gleichwol in der Neben- oder Haupt^.

frage vorgeht, so haben wir jeweilen auf erhobene Beschwerde solche Ur^

theile l.assirt, gestüzt auf Art. 90 Ziffer 2 der Bundesverfassung. Dasselbe Verfahren mußten wir daher konsequent auch hier anwenden , weil.

das Riehteramt entgegen den bestehenden Buiidesvorschriften (Art. 90 Ziffer..der Bundesverfassung) ein inkompetentes , alfo nichtiges Urtheil gegen den Bund ausgefällt hatte. Hingegen steht dem Rekurrenten allerdings der Rekurs frei, und wir sind also ganz mit ihm darüber einverstanden, daß.

die h. Bundesversammlung in lezter Jnstanz die Frage zu entscheiden hat.

Jndem wir schließlich den Antrag stellen, daß die Beschwerde al..^ unbegründet abgewiesen werde, benuzen wir den Anlaß, Sie, Herr Prä^ fident. Herren National- und Ständeräthe. unserer vollkoniinensten Hoch^ Achtung zu versichern.

B e r n , den 25. Mai 1.^0.

Jm Nainen des fehweiz. Biindesrathes, Der B u n d e s p r ä sid en t: .^.

.^ren^^.ose.e.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft..

Schieß.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrathes an die Bundesversammlung , betreffend die Entschädigungsforderung des Hrn. Großrath Schürch. (Vom 25. Mai 1860.)

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1860

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36

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09.07.1860

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538-542

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10 003 116

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