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Note ^

kais. französischen Botschafters an den schweiz. Bundesrath, betreffend die Vorgänge in Bivis hinsichtlich der französi..

schen flagge.

(Vom 8. September .l 860.)

Mit tiefem Bedauern sehe ich nIich genöthigt. dem Bundesrathe Borgänge höchst ernster Natnr zur Keuntniß zu bringen, welche am 5. lausenden Monats nach Berichten glaubwürdiger Personen sollen in Bivis stattgefunden haben.

Den 5. September zwischen 2 und 3 Uhr Nachmitttags näherte sich eine französische Barke von Meilleraye, 1a Colomhe, unter nationaler Flagge dem schweizerischen User. Auf dein großen Plaze sammelte sich eine Menge von 2 bis 300 Personen, die Frankreich feindliche Rufe anstießen, welche

ich nicht wiederholen will.

Vier oder fünf Jndividuen, ausgeregter als die übrigen, traten voI..

und seuerten unter dem Zuruse der Menge auf die Barke (la Colombe mehrere Schüsse ab, welche unsere Landesfahne durchlöcherten und die Barke zwangen, das Weite wieder zu suchen.

Mit dieser Heldenthat ...Ioch nicht befriedigt, begaben sieh die nämlich chen Jndividnen , gefolgt von der Menge. nach denI andern Ende dex Stadt, wo sie die Barke l'union, Patron Nicoud von St. Gingolplph.

vor Anker fanden. Sie feuerten wieder auf die Fahne. welche diese Barke trug, und es gelang ihnen, sie nach mehrmaligem Feuern zu zerreißen..

Die Schiffsleute wurden von der Menge beschimpft und mißhandelt. ohne hiezu irgendwie Veranlassung gegeben zu haben.

Als betheiligt Trahold, bewaffnet

diejenigen, welche sieh haben. nennt man einen Tapernoux und Porney gewesen und hätten ans

bei diesen Unordnungen am lebhaftesten.

Louis Carhonario, Legeret fils. Hnry fils; die beiden leztern seien mit Stuzerr.

die französischen Fahnen geschossen.

Jch verlange nun, Herr Präsident! eine strenge Untersuchung über die eben berichteten Vorgänge; es ist für die guten Beziehungen zwischen den beiden Staaten von Wichtigkeit, daß baldiger Aufschluß gegeben ant

21^ daß, we..In jene Tatsachen sich bestätigen sollten, fie znm Gegenstande..

.einer eklatanten Bestrafung gemacht werden.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, .l.ommensten Hochachtung.

die Versicherung ....eii.Ier

voll^

Bern, der. 8. September 1860.

Der kaif. französische Botschafter:

...^ur^t.

Antwortnote de...

Bundesrathes an den kais. französischen Botschaster, betreffen^ die Vorgänge in Vivis.

(Vom ^. Oktober 1860.)

Bereits unterm 10. September hatte der schweiz. Bundesrath die..

Ehre gehabt, Ew. Exeellenz auf die Note vom 8. gleichen Monats eine^ vorläufige Erwiderung zu ertheiien, mit welcher über die bekannten Vorgänge in Vivis vom 5. September wegen angeblicher Beleidigung der^ französischen Flagge Beschwerde geführt worden war.

Schon damals hatte.

der Bundesrath darauf aufmerksam zu machen die Ehre gehabt, daß dex^ Vorfall einer genauen Untersuchung unterstellt worden sei, und daß das^ Ergebniß dieses Untersnches Ew. Exeellenz werde zur Kenntniß gebracht^ werden.

Das Schlußresnltat dieser Untersuchung stimmt mit demjenigen wesent^ lich überein, was mit der herwärtigen Note vom 10. September Ew..

Exeellenz zur Kenntniß gebracht worden ist.

Nach den vorliegenden, mit.

aller Umsicht geführten Akten ergibt sich nämlich Folgendes : Am 5. September Nachmittags landete in Vivis eine savovische Barke^ (la Colombe, Schiffspatron S^clie), welche an der Seg^elstange eine Flagge mit den französischen Farben aufgepflanzt hatte. Die Schiffsmannschaft^ .begab sieh in ei... Wirth.^haus, worauf zwei waadtländische Bürger di^

.^12 ^arl.e besiegen und versuchten, das Segel herunterzuziehen, um fich de.....

Flagge zu bemächtigen. Bevor sie jedoch diesen Zwek erreichen konnten..

kehrte die Schiffsmannschaft zi.Irük, worauf die Waadtländ..... die Barke.

verließen.

Die natürliche Folge dieses Vorganges war ein Wortwechsel.

zwischen beiden Parteien, wobei, wie es in solchen Fällen zn gehen pflegt,.

gegenseitige Anklagen nicht unterblieben. Es verbreitete sich aber schnell das Gerücht, daß die savovischen Schiffsleute eine eidgenössische Fahne besehimpft und mit Fi^u getreten hätten. Jn Folge dessen vergrößerte sich.

der Andrang von Menschen und ein gewisser ^apernoux ließ sich in de^ Aufregung dahin fortreißen, daß er eine Flinte holte und damit eineu.^ Schuß auf die Flagge des savov.ischen Schiffes abfeuerte. Während de^ Wortwechsels stekten die savovischen Schiffsieute eine nene Fahne auf und^ machten sich überhaupt mit mehreren Flaggen und Fahnen im Schiffsrauiue zu schaffen. Ob nun in der That eine eidgenössische Fahne niit Füßen getreten worden sei, ist zur Gewißheit nicht ermittelt, indem die^ dießsäl.ligen Zeugenaussagen sich widersprechen.

Dem sei aber wie ihm: wolle; gleich nach erfolgtem Schuss... erschien der Präfekt des Distriktes und^ stellte die Ordnung wieder her. Der bereits genannte Bürger .IapernoIIx.

begab sich aber mit einigen andern Personen nach dem westlichen Ende der Stadt. wo eine zweite favo.^ische Barke (l'union, Schiffspatron Nicoud) ebenfalls ein... Flagge mit den französischen Farben aufgehißt vo^ Anker lag. Auch hier that er einen Schu^, nachdem er angeblich ohne Erfolg die Wegnahme der Flagge verlangt hatte. Der Schiffspatron^ ^icoud legt übrigens selbst dtesem Vorfalle keine Bedeutung bei, indem.

er lediglich Folgendes deponirt: ,,Mehrere angetrunkene Leute kamen uns zu beleidigen und schosseI..: ,,in die L u f t , ohne aus uns oder aus die Fahne zu zielen, welche sie..

,,wirklich auch nicht trafen.^ Dieß ist der aktengemäße Sachverhalt, wobei noch hervorgehoben.

werden muß, daß wenige Tage nach dem Vorfalle alle daran betheiligten.

Personen. nämlich die favovischen Schiffspatrone einerseits und die inpli.zirten Waadttänder andererseits durch einen schriftlichen Vergleich sieh förin...

lich mit einander ausgesöhnt haben. Liegt schon in dieser Thatsache der Beweis, daß von den
Betheiligten dem Vorgange keineswegs diejenige.

Tragweite beigelegt wurde, welche man ihm nachträgiich zuschreiben wollte.

so kann der Bundesrath nicht umhin, Ew. Exeellenz .^..fmerkfamkeit aiif^ folgenden Umstand speziell hinzulenken: Bis zu der staatlichen Verändernng , welche im Lause des lezten^ Frühjahres mit Savoven vorgenommen worden ist, war es durchaus nicht.

Uebung, daß die savovischen Barken, weiche den Gensersee befahren, ir^end welche Flaggen entfalteten. Der Umstand^ daß mit einem Mal ein^ zelne Barken beflaggt erschienen, mußte bei der herwärtigen Bevölkerung.

allerdings Aussehen erregen, und es konnte unstreitig als ein Akt der Pro^ .Dotation angesehen werden, zInnal bei der waltenden Mißstimmung, dere..^

213 Ursache zu erörtern hier .nicht der Ort ist.

Wie sehr dem Vorgehen der ^avo.^is^n Schiffspatro^.ie der Charakter der Provokation beigelegt werden ...nnß.. dafür liefert eine spätere Tatsache den entschiedensten Beweis, -eine Thatsache, welche mit dem urgirten Vorfalle in Veve.... in unmittel.barem Zusammenhange steht, welche zu jenem Vorfalle einen schlagende....

Kommentar liefert und die daher der Bundesrath Ew. Exeelleuz nicht glaubt ..o.orenthalten zu dürfen.

Ju Gens verließ ^am 8. September um 4^/.. Uhr Nachmittags die ^arke 1a ColoInbe (Patron Sache, Sohn, der Jüngere) den Hafen auf ^.er Seite von ^anx-Vives mit aufgehißtem dreifarbigein Wimpel und .Flagge. Kaum hatten sie den Anker gelichtet, so zogen sie, noch bei .zweihundert Meter innerhalb des Hasenausganges, schon jene Farben auf .unter dem Rufe: Vive 1a Trance und à has 1a Suisse u. s. w. Viele .Personen , Fremde sowol als Einheimische, haben diesen Ruf vernommen.

Am 17. September kanI der nämliche Schiffspatron Sache, welcher .in Vevev zu dem gedachten Tumulte Veranlassung gegeben hatte, nach der .waadtländifchen Ortschaft Lntr..) und engagirte dort einige savovische Eisen^bahnarbeiter durch Versprechung von Wein , eine ^ahne mit den sranzösisehen Farben vom Schiffe durch die Stadt Lutrr^ nach dem Wirthshause ^ur Krone zu tragen. was dann auch sofort und unter großer Ostentation ausgeführt wurde. SaclIe selbst folgte diesen Tumultuante in wenigen ^Minuten nach. führte im W rthshaufe das große ^ort , und sprach sich .^nit Befriedigung üb.er den Vorfall ans, welcher anI 5. gleichen Monats ^iu Vivis sieh zugetragen hatte und welcher den Gegenstand Ew. Exeellenz .verehrlicher Note vom 8. vorigen Monats ausmacht. Die Einwohnerschaft .Lutrv.s war gröstentheils. Init ländlichen Arbeiten beschäftigt, abwesend, .und Dank diesem Umstande wurden weitere Streitigkeiten, die hier so nahe .^en, verhütet. Denn alle Zeugen gehen darin einig, daß nach dem ganzen Hergange der Schiffspatron Sache und feine Genoffen keine andere .

.Absicht hatten haben können, als zu provoziren und geflissentlich Streitigleiten herbeizuführen.

^ Es kann nun Ew. Exeellenz unmöglich entgehen , daß in beiden Handlungen des Herrn Sache in Vevev und in Lutrr^ ein durchaus tadelns.^ .werthes Benehmen enthalten ist. Unmöglich kann die französische Regieruug es gleichgültig
hinnehmen , daß durch ein solches Gebahren eine friedliche Bevölkerung muthwillig aufgeregt und herausgefordert, daß ein freundlicher, nachbarlicher Verkehr ohne allen Grund in Frage gestellt werde. welcher ^um Segen von hüben nnd drüben seit den längsten Zeiten.

so glüklich bestanden hat.

Was dann die Beleidigung der f.^nzöfifchen Nationalflagge betrifft,

so niiiß der Bundesrath sich auf dasjenige beziehen, was er bezüglich der bekannten Vorsähe in Genf vom 3l. August in der jüngsten Verbalnote Ew. Exeellenz zu entwikeln die Ebre gehabt hat.

Wie nicht j^de Gesellschaft oder ein beliebiger Privatmann die Prätension haben kann, in einem

^4 fremden Lande seine Nationalität zu vertreten , so kann auch die in ganz privater Stellung ausgepflanzte Flagge nicht auf diejenige Achtung An..

spruch machen, welche man der Flagge einer offiziellen Persönlichkeit nach internationale^ Grundsäze^ schuldig ist, und die die Schweiz nie aus den Augen sezen wird.

Es ist also offenbar ein Unterschied zu statuiren ^zwischen einer Flagge oder Fahne, welche die Repräsentation einer fremden Nationalität sich bloß anmaßt, und der Fahne oder Flagge derjenigen Person, welche die fremde Nationalität zu repräsentireu den Beruf und ^die Ehre hat.

.^ Weit entfernt , Erzesse , wie sie in Vivis vou schweizerischer Seite Vorgekommen sind, wenn ihnen auch unverkennbar edlere Motive nicht ab.zusprechen fein mögen, beschönigen zu wollen, hat der Bundesrath Ew.

.Exeellenz die fernere Eröffnung zu machen die Ehre, daß nach einer SchlußnahnIe des waadtländischen Untersuchungsrichters neun Personen, .darunter auch der Schiffspatron Sache, in Anwendung voin Art. 135 des Strafgesezbuches wegen Störung des öffentlichen Friedens (pour trouble de la paix public) dent P^iizeigerichte überwiesen worden sind. Gegen .diesen Beschluß haben zwar einige Angeklagte Rekurs eingelegt, allein oie ^Sache liegt nun. soweit sie eine strafrechtliche Seite darbieten kann, in ^.den Händen der waadtländischen Justizbehörde.

Der Bundesrath hat seinerseits nicht verfehlt , die Regierung des .Kantons Waadt einzuladen, den Gegenstand nach den dortigen Gesezen erledigen zu lassen, und er wird s. Z. nicht ermangeln, Ew. Exeellenz .von dem Schlußresultate K^nntuiß zu geben.

Jnzwischen benuzt er :..e.

B e r n , den 26. Oktober 1860.

JnI Namen des schweiz. Bundesrathes , Der Bnndespräsident: .^. ^.e.^-Heros^.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : ^ .bietz.

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Note des französischen Botschafters an den schweiz. Bundesrath, betreffend die Vorgänge in Bivis hinsichtlich der französischen Flagge. (Vom 8. September l860.)

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03.11.1860

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