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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die vom schweizerischen Unterstützungsverein ,,Helvetia" in Ludwigshafen a. Rh. eingereichte Petition betreffend Entlastung von der Militärsteuer.

(Vom 26. Februar 1901.)

Tit.

Im Verlaufe der letzten Wintersession der schweizerischen Bundesversammlung ist uns vom Ständerate behufs Berichterstattung eine vom Vereine ,,Helvetia" in Ludwigshafen a. Rh. an die eidgenössischen Räte gerichtete Eingabe folgenden Wortlautes überwiesen worden: ,,Endesunterzeichnete Sektion des schweizerischen Unterstützungsverbandes im Auslande erlaubt sich im Namen vieler Hunderter im Auslande niedergelassener Schweizer, der hohen Bundesversammlung ganz ergebenst folgende Petitionen zu unterbreiten : .,'1. Die niedergelassenen Schweizer im Auslande sollen bis zu einem Einkommen von Fr. 1500 vom Militär pflichtersatz enthoben werden.

,,2. Ferner sollen solche im Auslande domizilierten Schweizer, welche noch rückständigen ilitärpflichtersatz zu leisten haben,

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wenn sie zu Besuch, oder für dauernden Aufenthalt in die Heimat zurückkehren, nicht gleich bei der ersten Station in polizeilichen Gewahrsam genommen und zur Abtragung der Schuld in Staatsdienst gestellt werden, sondern man soll diesen Leuten eine bestimmte Frist einräumen.

,,3. Endlich unterbreiten wir der hohen Bundesversammlung die höfliche Bitte, für ihre Landsleute im Auslande nach Thunlichkeit zu sorgen, damit nicht Übergriffe seitens der gastgebenden Regierungen gemacht werden können, wie sie sich die preußische Regierung vor kurzem in einigen Fällen erlaubte, wonach seit langer Zeit in Preußen domizilierte, der schweizerischen Nationalität angehörende Männer zur deutschen Armee einberufen werden sollten, und, als sie sich als Schweizer zu erkennen gaben, jedoch den Beweis, ihrer Militärpflicht Genüge geleistet zu haben, nicht beibringen konnten, den Landesverweis erhielten. " Zur Begründung ihrer Begehren machen die Gesuchsteller folgendes geltend: Ein großer Teil der im Auslande niedergelassenen Schweizer verlasse nur notgedrungen die Heimat. Nur einem minimalen Prozentsatz derselben gelinge es, sich finanziell auf die Höhe zu schwingen. Sehr viele, durch Schicksalsschläge ins Elend geraten, müssen heimkehren. Da nun die Auswanderer so wie so der trefflichen heimatlichen Einrichtungen entbehren, erscheine eine Entlastung hinsichtlich der militärischen Ersatzpflicht und besondere Rücksicht für sie gerechtfertigt. Ungerecht wäre es, wenn solchen Männern wegen Nichtbezahlung des Militärpflichtersatzes das schweizerische Bürgerrecht entzogen würde.

Das vorliegende Begehren bezweckt eine Abänderung der in Art. 4 des Bundesgesetzes vom 28. Juni 1878 enthaltenen Bestimmung, wonach das für die Berechnung des Militärpflichtersatzes außer Betracht fallende sogenannte ,,Existenzminimum''· bloß Fr. 600 beträgt, eine Abänderung, die nur auf dem Wege der Gesetzgebung möglich ist. Wie groß die Einbuße sein würde, die dem eidgenössischen Fiskus durch Bewilligung der gewünschten Steuererleichterung entstehen müßte, können wir nicht beurteilen, da die Anlage und der Bezug des Militärpflichtersatzes der landesabwesenden Schweizer ausschließlich von den kantonalen Behörden besorgt wird, welche sich zu diesem Behüte direkt mit den Konsuln und diplomatischen Vertretern der Eidgenossenschaft in Verbindung setzen.

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Die Taxe, welche ein im Auslande befindlicher steuerpflichtiger Schweizerbürger mit einem Einkommen von Fr. 1500 seinem Heimatkantono zu entrichten hat, beträgt im Auszugsalter: Personaltaxe Einkommen Fr. 900 (1500 -- 600)

Fr. 6. -- ,, 13. 50

Total Fr. 19.50, im landwehrpflichtigen Alter beträgt die Taxe die Hälfte oder Fr. 9.75.

Die Gesuchsteller scheinen von der Ansicht auszugehen, daß die ausgewanderten Schweizer von der Militärsteuer verhältnismäßig schwerer betroffen werden als die in der Heimat zurückgebliebenen Ersatzpflichtigen. Ein stichhaltiger Grund hierfür wird jedoch nicht genannt, dürfte auch schwer zu finden sein.

Der Steuerbetrag, den ein ersatzpflichtiger Schweizerbürger mit einem Einkommen von nicht über Fr. 1500 zu bezahlen hat, ist sehr mäßig. Man erwäge nur die Vorteile, welche die völlige Befreiung vom Militärdienst im Erwerb mit sich bringt. Diese stempeln die Ersatzpflicht zu einer unvermeidlichen Konsequenz des Grundsatzes der allgemeinen Wehrpflicht, der für jeden Schweizerbürger gilt, möge er im In- oder im Auslande wohnen.

Die Eingabe richtet sich ferner gegen das sogenannte ,,Abverdienen"'. Bekanntlich hat das Bundesgericht dieses Zwangsmittel zur Beitreibung des Militärpflichtersatzes in mehreren Urteilen als verfassungswidrigen Schuldverhaffc (Art. 59 der Bundesverfassung) erklärt ; wir verweisen in dieser Beziehung auf unsere Botschaft betreffend die Ergänzung des Bundesgesetzes über den Militärpflichtersatz, vom 1. Juni 1898 (Bundesbl. 1898, III, 572).

Sollte nun dennnoch ein Ersatzpflichtiger von einer kantonalen Behörde gezwungen werden, rückständige Militärsteuern abzuverdienen, so kann er mit sicherem Erfolge den Rekurs an das Bundesgericht ergreifen. Übrigens dürften solche Fälle einer z w a n g s w e i s e n Einberufung von Steuerpflichtigen zur Tilgungrückständiger Taxen durch Arbeit kaum mehr vorkommen ; wohl aber gestatten die Behörden verschiedener Kantone immer noch ein f r e i w i l l i g e s Ab verdienen der Steuern ; wogegen vom Standpunkte des geltenden Rechts aus kaum etwas eingewendet werden kann.

Daß säumige Ersatzpflichtige gleich nach Betreten des Schweizerbodens verhaftet werden, wie in der vorliegenden Ein-

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Endlich weisen die Gesuchsteller auf ein Vorkommnis hin, welches unlängst zwischen der Schweiz und dem deutschen Reiche zu Verhandlungen führte. Die Behörden des Königreichs Preußen hatten an mehrere daselbst niedergelassene, im militärpflichtigen Alter stehende Schweizer die Aufforderung gerichtet, sich binnen einer bestimmten Frist darüber auszuweisen, daß sie in ihrem Heimatland der Militärpflicht genügt haben, widrigenfalls sie sich in der gleichen Frist für die Aufnahme in den preußischen Staatsverband anzumelden hätten, falls sie nicht die Ausweisung aus dem deutschen Reichsgebiet gewärtigen wollten. Nach gepflogenen Unterhandlungen, deren Verlauf im Geschäftsbericht des politischen Departements für das Jahr 1899 (Bundesbl. 1900, l, 658) näher beschrieben ist, wurde diese Angelegenheit dadurch erledigt, daß die kaiserliche Regierung sich damit einverstanden erklärte, einen Ausweis über die Bezahlung der Militärpflichtersatzsteuer seitens eines Schweizerbürgers als gleichbedeutend mit dem Ausweis über die Leistung des persönlichen Militärdienstes anerkennen zu wollen.

Die Sachlage ist auch heute noch dieselbe und eine Änderung derselben ist vorläufig nicht zu erreichen.

Was schließlich die Behauptung anbetrifft, daß durch Nichtzahlung des Militärpflichtersatzes das Schweizerbürgerrecht verloren gehe, so ist dieselbe unzutreffend. Wenn auch junge Leute, welche ihren militärischen Verpflichtungen in der Schweiz nicht nachkommen, von den deutschen Behörden vor die ebenerwähnte Alternative gestellt, durch die Verhältnisse gezwungen werden sollten, Deutsche zu werden, so würde denselben das Schweizerbürgerrecht trotzdem verbleiben, indem zum Verluste dieses letztern noch ein ausdrücklicher Verzicht notwendig ist.

In Umfassung des Angebrachten beehren wir uns, Ihnen zu beantragen, es sei der vom Schweizer Uriterstützungsverein ,,Helvetiaa in Ludwigshafen a. Rh. eingereichten Petition keine Folge zu geben.

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Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 26. Februar

1901.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die vom schweizerischen Unterstützungsverein ,,Helvetia" in Ludwigshafen a. Rh. eingereichte Petition betreffend Entlastung von der Militärsteuer. (Vom 26. Februar 1901.)

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