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4295 Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der abgeänderten Art. 14 und 17 der Verfassung des Kantons Unter walden ob dem Wald.

(Vom 16. September 1942.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Die Stimmberechtigten des Kantons Unterwaiden ob dem Wald haben in der Volksabstimmung vom 10. Mai 1942 ein Volksbegehren angenommen, das die Änderung der Art. 14 und 17 der Kantonsverfassimg zum Gegenstand hat. Mit Schreiben vom 27. Mai 1942 sucht der Begierungsrat des Kantons Obwalden für diese Verfassungsänderung die eidgenössische Gewährleistung gemäss Art. 6 der Bundesverfassung nach.

Der bisherige und der neue Text dieser Bestimmungen lauten wie folgt: Bisheriger Text:

Art. 14.

Jeder Wahlfähige ist pflichtig, diejenigen Beamtungen und öffentlichen Verwaltungen, welche ihm entweder durch unmittelbare Volkswahlen oder vom Kantons-, Eegierungs- oder vom Gemeinderate übertragen werden, anzunehmen.

Von dieser Verpflichtung sind ausgenommen die Geistlichen und jene, welche das 65. Altersjahr erfüllt oder bereits zwei volle Amtsdauern durchgemacht haben, Gemeindebeamtungen und Gemeindeverwaltungen befreien nicht von der Verpflichtung zur Annahme

Neuer Text:

Art. 14.

Abs. l unverändert,

Von dieser Verpflichtung sind ausgenommen die Geistlichen sowie solche Bürger, die bereits zwei volle Amtsdauern der in Frage stehenden Beamtungen erfüllt oder das 60. Altersjahr erreicht haben.

Gememdebeamtungen und Gemeindeverwaltungen befreien nicht von der Verpflichtung zur Annahme

581 Bisheriger Text:

Neuer Text:

einer Staatsbeamtung und umgekehrt.

Ebensowenig befreit die Stelle eines Mitgliedes des Kantonsrates vom Amtszwang für andere Beamtungen und Verwaltungen des Kantons oder der Gemeinden.

einer Staatsbeamtung. Ebensowenig befreit die Zugehörigkeit zum Kantonsrat, vorbehaltlich des Art, 17, vom Amtszwang für andere Beamtungen und Verwaltungen des Kantons oder der Gemeinden.

Die Wählbarkeit in die Behörden und Verwaltungen erlischt mit dem vollendeten70. Altersjahre. DieAmtsinhaber haben auf diesen Zeitpunkt zurückzutreten, führen jedoch die Amtsgeschäfte bis zur nächstgelegenen Ersatzwahl weiter.

Art. 17.

Art. 17.

Abs. 4. Dio Mitglieder dos Eogierungsrates, der Verhörrichter und der Staatsanwalt sowie die Ersatzmänner der Untersuchungs- und Überweisungsbehörde dürfen nicht dem Kantonsgericht oder dem Obergericht angehören.

Die Mitglieder des Begierungsrates, des Kantonsrates, der Verhörrichter und der Staatsanwalt sowie die Ersatzmänner der üntersuchungsund Überweisungsbehörde dürfen dem Kantonsgericht oder dem Obergericht weder als Bichter noch als Ersatzmänner angehören.

Festbesoldete kantonale Beamte und Angestellte, die von der Landsgemeinde, dem Kantonsrat oder dem Begierungsrat gewählt werden, sind weder in eine ihnen übergeordnete kantonale Behörde oder Boamtung noch in die Gerichte und Gemeindebehörden wählbar.

Ein kantonsräth'ches oder richterliches Mandat erlischt mit der Wahl des Amtsinhabers in eine festbesoldete Staatsstelle. Von dieser Bestimmung ist der Kantonsgerichtspräsident als Bichter ausgenommen.

Wer dem Kantonsrat, dem Begierungsrat, dem Kantonsgericht, dem Obergericht, einem Einwohner- oder Bürgergemeinderat oder dem Stände-

582 Bisheriger Text:

Neuer Text: rat 16 Jahre angehört hat, ist in die gleiche Behörde nicht wieder wählbar.

Von dieser Amtsdauerbeschränkung sind für ihre richterlichen Punktionen der Kantoiisgerichtspräsident und die Ersatzmänner des Kantons- und Obergerichtes ausgenommen. Ehemalige Bichter sind als Ersatzmänner nicht wieder wählbar.

Dem Verwalfcungsrat der Obwaldner Kantonalbank dürfen höchstens zwei Mitglieder des Begierangsrates angehören.

Der Kantonsrat hatte dem Volk die Verwerfung des Volksbegehrens beantragt. Es wurde jedoch mit 2407 gegen 1733 Stimmen angenommen.

Verschiedene c\<>.r neuen Bestimmungen gaben zvi eingehenden Erörterungen in der Öffentlichkeit Anlass und waren lebhaft bekämpft. Ein besonders gebildetes Aktionskomitee bezeichnet sie in einer an den Bundesrat gerichteten Eingabe als willkürlich und verfassungswidrig und stellt das Gesuch, es sei der Bundesversammlung die Ablehnung der Gewährleistung zu beantragen.

Materiell hat die Verfassungsrevision folgende vier Fragen zum Gegenstand : eine Milderung des Amtszwanges, eine Ausdehnung der Unvereinbarkeit bestimmter Ämter, die Einführung einer allgemeinen Altersgrenze für die Mitgliedschaft in Behörden und die Bekleidung von Ämtern und endlich eine Beschränkung der zulässigen längsten Amtsdauer für gewisse Ämter. Diese Fragen sind einzeln zu behandeln.

1. Der Amtszwang. Art. 14 der Kantonsverfassung spricht in Abs. l den allgemeinen Amtszwang aus; jeder Wahlfähige ist verpflichtet, die ihm durch Volkswahl oder.durch eine Behörde übertragenen Beamtungen oder andern öffentlichen Punktionen anzunehmen. Ausgenommen sind nach Abs. 2 die Geistlichen sowie diejenigen Bürger, die das 65. Altersjahr erfüllt oder bereits zwei volle Amtsdauern durchgemacht haben. Der neue Text des Abs. 2 ersetzt das 65. durch das 60. Altersjahr; schon bei Überschreitung dieser Grenze hört also nun die Verpflichtung zur Übernahme oder Weiterführung eines Amtes auf. Der Amtszwang ist eine im Verwaltungsrecht der Kantone häufige Institution. Dem Bundesrecht widerspricht sie nicht; insbesondere wird letzteres nicht berührt, wenn ein Kauton diese Verpflichtung mildert durch Herabsetzung des Alters, bis zu welchem sie dauert.

Die Abänderung des dritten Absatzes von Art. 14 ist bedingt durch die Ergänzung des Art. 17; der Wortlaut musste den dort neu eingefügten Vor^ Schriften angepasst werden.

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2. Die Unvereinbarkeit von Ämtern, Auch sie ist schon der geltenden "Verfassung bekannt, wird mm aber bedeutend ausgedehnt. Einmal werden nach dem neuen Wortlaut des Art. 17, Abs. 4, von der Zugehörigkeit zum Kantonsgericht und zum Obcrgericlit auch die Mitglieder dos Kantonsrates ausgeschlossen, und die Unvereinbarkeit aller im Abs. 4 genannten Ämter soll auch in Hinsicht auf die Ersatzmänner der beiden Gerichte gelten. Auch dieso Erweiterung ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden, sowenig wie die bisherige Regel. Diese ist übrigens ein Ausfluss des Prinzips der Gewaltentrennung, das bundesrechtlich nicht gefordert, dennoch aber in den Kantonen stark verbreitet *st und namentlich durch die Auseinanderhaltung der gesetzgebenden und der vollziehenden Behörden von den Gerichten einem berechtigten modernen Postulat entspricht. Wenn der Kanton dieser Vorschrift nun auch die Mitglieder des Kantonsrates unterwirft, so kann darin nichts Bundesrechtswidriges liegen.

Darüber hinaus begründen aber einige neue Absätze des Art. 17 der Kantonsverfassung neue Fälle der Unvereinbarkeit. Namentlich sind nach dem neuen Abs. 5 festbesoldete kantonale Beamte und Angestellte künftig weder in eine ihnen übergeordnete kantonale Behörde oder Beamtung noch in die Gerichte und die Gemeindebehörden wählbar. Das genannte Aktionskomitee ficht diese Bestimmung an, einmal als unzweckmässig, da ein Staatsbeamter möglicherweise durch sein Amt nicht voll in Anspruch genommen werde und seine Arbeitskraft noch in anderer Stellung nützlich verwenden könne, sodann als willkürlich, indem sie das passive Wahlrecht einschränke und eine Ungleichheit gegenüber den der Vorschrift nicht unterworfenen Bundesbeamten schaffe. Allein die Zweckmässigkeit einer kantonalen Verfassungsbestimmmig ist im Gewährleistungsverfahren nicht zu. erörtern, vielmehr nur die Vereinbarkeit mit dem Bundesrecht. Unter diesem Gesichtspunkt ist gegen die neue Bestimmung nichts einzuwenden. Mag sie auch etwas weit gehen, so läuft sie keinesfalls dem Bundesrecht zuwider. Dio Bundesverfassung enthält selbst verschiedene Unvereinbarkeitsvorschriften (Art. 75, 77, 97, 108). Für das Gebiet des kantonalen Staatsrechts lässt sie den Kantonen freie Hand. Der Grundsatz der Gewaltentrennung greift auch hier ein, und darüber hinaus entspricht das Bestreben, der Häufung von
Ämtern in derselben Hand Schranken zu setzen, ohne Zweifel einer demokratischen Auffassung. In den Kantonen finden sich denn auch zahlreiche derartige Bestimmungen (vgl. die Beispiele bei Giacomotti, das Staatsrocht der schweizerischen Kantone, S. 279 f., 289, speziell Anm. 51, 299 f., 373 ff.). Dass die im Kanton Obwalden tätigen Bundesbeamten der Beschränkung nicht unterliegen, begründet wiederum keine Willkür; die Gefahr einer Kollision zwischen den verschiedenen Aufgaben fällt hier weg oder ist doch ungleich geringer, die Voraussetzungen also nicht dieselben.

Der neue Abs. 6 des Art. 17 ist als eine Konsequenz des Abs. 5 zu betrachten; er ordnet die Lage von Personen, die bereits dem Kantonsrat oder

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einem Gericht angehören. Alsdann soll (mit einer Ausnahme) durch ihre Wahl in eine festbesoldete Staatsstelle jenes Mandat erlöschen.

Abs. 8 des Art. 17 endlich stellt für den Verwaltungsrat der Obwaldner Kantonalbank eine Beschränkung der Wählbarkeit auf, deren Zulässigkeit ohne weiteres klar ist.

8. Die Altersgrenze. Nach dem neuen Abs. 4 des Art. 14 der Verfassung erlischt die Wählbarkeit in die Behörden und Verwaltungen mit dem vollendeten 70. Altersjahr, Mit dieser Bestimmung hat der Kanton für all& Behörden und Bearntungen des Staates wie der Gemeinden eine Altersgrenzeeingeführt. Das Aktionskomitee gegen die Revision erblickt auch in dieser Vorschrift eine unstatthafte Beschränkung des aktiven und passiven Wahlrechts und hält sie für verfehlt, weil auch im Alter die Leistungsfähigkeit noch voll erhalten sein könne und im gegenteiligen Falle ja ohnehin der Kücktritt oder die Nichtwiederwahl offenstehe.

Wir haben kürzlich in unserer Botschaft vom 1. Juni 1942 über di& Gewährleistung des abgeänderten Art. 20 der Verfassung des Kantons Appenzell A.-Bh. (BEI S. 418) dargelegt, dass wir die Festsetzung einer Altersgrenze für die Bekleidung öffentlicher Ämter für zulässig halten ; die Bundesversammlung hat durch Erteilung der Gewährleistung dieser Auffassung beigepflichtet (A. S. 58, 547). Dort wurde die Grenze schon bei 65 Jahren gezogen, allerdings nur für die Wahl in den Begierungsrat und ins Obergericht. Die Obwaldner Bestimmung hat eine viel grössere praktische Tragweite, da sie sich auf alle Behörden und Boamtungen bezieht. Trotzdem ist sie bundesrechtlich nicht zu beanstanden, zumal nachdem der Bund selbst die Wiederwahl seiner Beamten im allgemeinen mit dem 65. Altersjahr begrenzt. ÄhnlicheBestimmungen gegen die Überalterung finden sich in den Kantonen, wenn, auch in der Begel nicht in der Verfassung selbst. Dass ein Nachlassen der geistigen und körperlichen Kräfte beim einen Amtsträger früher als beim andern, eintritt und dass auch noch bei 70 Jahren die Leistungsfähigkeit wohl erhalten, sein kann, hindert den Gesetzgeber an einer solchen Lösung nicht; er darf von der Durchschnittserfahrung ausgehen. Die Bestimmung schliesst auch keine Bechtsungleichheit oder Willkür in sich. Einerseits trifft sie gleichmässig alle, die die Altersgrenze erreichen. Und andererseits lässt sich nach der
Natur der Sache eine Begrenzung der Wählbarkeit rechtfertigen, obwohl das aktive Wahlrecht keiner Beschränkung aus Gründen des Alters unterliegt; die Ausübung eines öffentlichen Amtes kann, was die Anforderungen betrifft, nicht mit der gelegentlichen Betätigung des Stimm- und Wahlrechts in eine Liniegestellt werden.

4, Die Beschränkung der AmtsAauer. Die letzte und wohl eigenartigsteNeuerung der Verfassungsrevision hat der neue Abs. 7 des Art. 17 geschaffen,, wonach die Inhaber der dort genannten Behörden in diese nicht wieder wählbar sind, wenn sie ihr während 16 Jahren angehört haben. Auch diese Vorschrift wird mit den schon bekannten Argumenten bekämpft; das Aktionskomitee ist der Meinung, diese zwangsweise Beschränkung der Amtsdauer sei sachlich.

585nicht derart begründet, dass der Gesetzgeber nur in dieser Weise dem inneni Zweck der staatlichen Ordnung zu genügen vermöchte.

Ihrer Tendenz nach ist diese Bestimmung den bereits erörterten verwandt ; es soll ein gewisser Wechsel in der Bekleidung hoher staatlicher Ämter herbeigeführt werden. Wiederum handelt es sich um eine Frage, der das Bundesrecht neutral gegenübersteht ; bundesrechtlich liesse sich denn auch die Bestimmung nur beanstanden, wenn sie geradezu als willkürlich bezeichnet werden müsste, wenn sie also schlechterdings nicht auf sachliche Gründe gestützt werden könnte. Das trifft wiederum nicht zu. Wohl ist die Bestimmung einschneidend und kann gegenüber einem fähigen und verdienten Amtsinhaber hart erscheinen; sie geht auch darin weit, dass sie auf das Alter des Inhabers keine Eücksicht nimmt, und trägt dem Vorteil einer regelmässigerst in längerer Amtstätigkeit erworbenen Erfahrung nicht Eechnung. Wenn aber das Volk des Kantons in sehr langen Amtsdauern eine Gefahr erblickt und diese Erwägung gegenüber den andern als ausschlaggebend betrachtet, so steht ihm eine solche Gestaltung frei, da sie sich keinesfalls als unhaltbar bezeichnen lässt. Auch diese Bestimmung steht übrigens ihrer Art nach nicht ganz vereinzelt da: Nach Art. 25 der Bündner Verfassung sind die Mitglieder des Kleinen Rates bei dreijähriger Aintsdaner zweimal wiederwählbar, müssen also das Amt nach 9 Jahren verlassen; auch jene Bestimmung hat die eidgenössische Gewährleistung erhalten (BB1 1893 I S. 103; A. S. 13, 840).

Weitere Beispiele haben wir in den kantonalen Verfassungen nicht gefunden.

Aus dem nämlichen Gedankengang ist in Art. 17, Abs. 7, der Obwaldner Verfassung der letzte Satz nicht zu beanstanden, wonach ehemalige Bichter als Ersatzmänner nicht wieder wählbar sind.

Da sich somit ergibt, dass die abgeänderten Bestimmungen der Obwaldner Verfassung dem Bundesrecht nicht zuwiderlaufen, beantragen wir Ihnen, durch Annahme des beiliegenden Beschlussesentwurfes ihnen die Gewährleistung zu erteilen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 16. September 1942.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Etter.

Der Bundeskanzler: G. Boret

-586 (Entwurf)

Bundesbeschluss über

die Gewährleistung der abgeänderten Art. 14 und 17 der Verfassung des Kantons Unterwaiden ob dem Wald.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h a f t , in Anwendung von Art. 6 der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 16. September 1942, in Erwägung, dass diese Verfassungsänderungen nichts enthalten, das der Bundesverfassung zuwiderläuft, . beschliesst :

Art. 1.

Den in der Volksabstimmung vom 1.0. Hai 19-12 beschlossenen Abänderungen und Ergänzungen der Art. 14 und 17 der Verfassung des Kantons.

Unterwalden ob dem Wald wird die Gewährleistung des Bundes erteilt.

Art. 2.

Der Bundesrat wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der abgeänderten Art. 14 und 17 der Verfassung des Kantons Unterwalden ob dem Wald.

(Vom 16. September 1942.)

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17.09.1942

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