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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Emil Dietrich, Weinfabrikanten, in Ölten.

(Vom 26. Februar 1901.)

Tit.

Am 6. November- 1899 konstatierte Brennereicontroleur Münch in Gegenwart des als Zeugen beigezogenen solothurnischen Polizeisoldaten Sahner durch Augenschein im Etablissemente des Potenten Dietrich, daß letzterer in Übertretung des Bundesgesetzes über gebrannte Wasser, vom 23. Dezember 1886, sogenannte Trockenbeeren, die er ohne Verzollung aus dem Ausland bezog, zur Herstellung von Sprit verwendet habe. Dietrich erklärte bei Aufnahme des Strafprotokolls schriftlich, daß er sich dem Entscheide der zuständigen Bundesbehörde in diesem Straffalle freiwillig und ohne Vorbehalt unterziehe.

Da die dem Staate unterschlagene Summe nicht ermittelt werden konnte, so begnügte sich die Alkoholverwaltung mit einer approximativen Abschätzung, in welcher die umgangene Monopolgebühr auf Fr. 725. 38 angesetzt wurde. Die Finanzdirektion erhob durch Verfügung vom 11. Januar 1901 den Antrag der Alkoholverwaltung zum Beschluß, wonach dem Fehlbaren eine Buße im Betrage des fünffachen dieser Summe und ferner die Nachzahlung der umgangenen Steuer, im ganzen also Entrichtung von Fr. 4350, aufgerundet auf Fr. 4500, auferlegt wurde.

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Die aktengemäße Thatsache, daß Dietrich bereits im Jahre 1894 wegen Übertretung des Alkoholgesetzes gebüßt worden war, wurde mit Rücksicht auf die im revidierten Bundesgesetze vom 29. Juni 1900 enthaltene Vorschrift, daß die Wirkungen des Rückfalles durch Ablauf von 5 Jahren untergehen, zu gunsten des Gebüßten nicht in Betracht gezogen und im weitern der Anspruch des Staates um einen Dritteil, d. h. auf Fr. 3000, reduziert, weil der Fehlbare sich dem Strafausspruch sofort unterzog (Art. 12, lemma l, des Fiskalgesetzes).

Dietrich wendet sich an den Bundesrat mit dem Ersuchen um Begnadigung, indem er behauptet, die Umgehung des Gesetzes sei von ihm nicht aus Gewinnsucht, sondern aus ,,purem Leichtsinn und Unachtsamkeit11 seiner selbst, sowie seiner Burschen begangen und das Brennen ausländischer Trockenbeeren auch nicht in dem Umfange praktiziert worden, wie die Alkoholverwaltung annehme. Die letztere bleibt nach Einsicht der neu eingelegten Akten bei ihrer frühern thatsächlichen Feststellung..

Das Begnadigungsrecht wird gemäß den Bestimmungen der Bundesverfassung und denjenigen des Bundesgesetzes betreifend die Organisation der Bundesrechtspflege durch die Bundesversammlung ausgeübt; wir leiten Ihnen deshalb das Gesuch zur Erledigung zu.

In thatsächlicher Beziehung muß der Petent auch jetzt noch zugeben, daß er in einem gewissen Umfang den Bestimmungen des Alkoholgesetzes vom Jahre 1886 zuwidergehandelt habe, indem er aus unverzollten ausländischen Trockenbeeren Sprit fabrizierte, und es ist ihm nicht gelungen, die im Strafprotokoll vom 6. November \ 899 durch den Brennereicontroleur in gesetzlicher Form festgestellten Thatsachen als unrichtig nachzuweisen.

Dieselben werden daher auch im vorliegenden Verfahren als Grundlage der Entscheidung dienen müssen. Im weitern ist klar, daß die Behauptung des Petenten, die Gesetzesübertretung sei von ihm nicht wissentlich, sondern nur aus Unachtsamkeit begangen worden, nicht gehört werden kann. Das Gesetz stellt die Übertretung seiner Vorschriften in allen Fällen unter Strafe, ohne Unterschied der Art des subjektiven Verschuldens, und Dietrich,, der bereits einmal aus ganz ähnlicher Ursache bestraft wurde, und der die Wein- und Spritfabrikation seit vielen Jahren gewerbsmäßig betreibt, mußte unbedingt wissen, daß die Verwendung unverzollter ausländischer Ware zur Spritbrennerei nicht statthaft sei.

441 Da endlich nach dem zur Zeit der Entdeckung resp. Begehung der Übertretung noch geltenden Gesetze die Buße das fünf- bis dreißigfache der dem Staate unterschlagenen Summe betragen soll, so besteht überall kein Grund, sie unter den von der Finanzbehörde angesetzten, ungefähr dem gesetzlichen Minimum entsprechenden Betrag zu reduzieren.

Unter Hinweis auf diese Ausführungen stellen wir daher bei Ihrer hohen Versammlung den

A n t r ag: Es sei das von Dietrich gestellte Begnadigungsgesuch abzuweisen.

B e r n , den 26. Februar 1901.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Eingier.

Bundesblatt. 53. Jahrg. Bd. I.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Emil Dietrich, Weinfabrikanten, in Olten. (Vom 26. Februar 1901.)

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27.02.1901

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