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Bundesratsbeschluß über

die Beschwerde der schweizerischen Südostbahn gegen die schwyzerische Polizeiverordnung betreffend die Sonnund Feiertagsruhe vom 12. Januar 1884.

(Vom 1. Oktober 1901.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t hat

über die Beschwerde der s c h w e i z e r i s c h e n S ü d o s t b a h n gegen die schwyzerische Polizei Verordnung betreffend die Sonn- und Feiertagsruhe vom 12. Januar 1884, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt: A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

Durch Verfügung des Gemeindepräsidenten von Sattel (Kanton Schwyz) vom 2. Mai 1901 ist Dominik Häusler, Baumeister in Unterägeri (Kanton Zug), auf Grund der §§ l und 2 der schwyzerischen Polizeiverordnung vom 12. Januar 1884 betreffend die Sonn- und Feiertagsruhe, in eine Strafe von Fr. 18 beziehungsweise 6 Tage Gefängnis verfallt worden.

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Die genannten Paragraphen bestimmen : § 1. An allen Sonntagen, an den Feiertagen Neujahr, heilige drei Könige, Maria Lichtmeß, St. Joseph, Ostermontag, Auf?

fahrt, Pfingstmontag, Fronleichnahmsfest, Maria Himmelfahrt, Aller Heiligen, St. Martin, Maria Empfängnis, Weihnacht und Weihnacht Nachfeiertag, sowie an den Patrociniumsfesten der Gemeinden, sind alle Arbeiten im Freien und in den Lokalen^ bestehen dieselben in Hand- oder Maschinenarbeiten oder in Fuhrwerken, gänzlich untersagt.

§ 2. Das in § l enthaltene Arbeitsverbot findet mit Bezug auf die Sonntage auf alle Konfessionen gleiche Anwendung, mit Bezug auf die Feiertage jedoch für Nichtkonfessionsgenossen nur insoweit, als denselben an letztern Tagen das Fuhrwerken auf öffentlichen Wegen und Straßen, sowie jede Beschäftigung, wodurch die Ausübung des öffentlichen Gottesdienstes gestört wird, verboten ist.

Von dem Verbote des Fuhrwerkens werden durchreisende außerkantonale Fuhrwerke nicht betroffen.

n.

Gegen diese Bußenverfügung legte die schweizerische Südostbahn mit Eingabe vom 18. Mai 1901 beim Regierungsrat des Kantons Schwyz ,,Namens des Gebüßten" Beschwerde ein und verlangte die Aufhebung der verhängten Buße. Sie brachte folgendes vor: Die Ausfällung der Buße gegen Baumeister Dominik Häusler in Unterägeri bedeutet eine unzulässige Hemmung des Verkehrs und steht in Widerspruch mit den vom Bundesrate erlassenen reglementarischen und für das ganze Land gültigen Vorschriften über den Eisenbahnverkehr. § 55, Absatz 3, des vom Bundesrate am 11. Dezember 1893 genehmigten Transportreglementes der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen bestimmt: ,,Die Übernahme von Gütern ist an Sonn- und allgemeinen Feiertagen nicht gestattet. Als allgemeine Feiertage gelten : Neujahrstag, Karfreitag, Himmelfahrtstag (Auffahrt) und Weihnachtstag. Der kantonalen Gesetzgebung steht frei, weitere Feiertage zu bestimmen, an denen die Übernahme von Gütern wie an Sonntagen untersagt sein soll. Diese Feiertage dürfen jedoch die Zahl von acht im Jahr, inbegriffen die vorstehend genannten vier allgemeinen Feiertage, nicht übersteigen1-1. Da also der Ostermontag hier nicht genannt ist, so unterliegt es

369 nicht dem geringsten Zweifel, daß, wer an diesem Tage auf einer Bisenbahnstation Güter übernimmt, oder solche zuführt, sich keiner strafbaren Handlung schuldig macht. Es könnte andrerseits auch nicht seitens eines Aufgebers oder Empfangers in stichhaltiger Weise behauptet werden, daß der Ostermontag ein Feiertag sei und aus diesem Grund bei Nichtabholen von Waren kein Lagergeld oder keine Wagenmiete zu bezahlen sei.

(§ 79 des Transportreglementes.)

Auch die schweizerische Südostbahn wird übrigens durch, das Vorgehen des Gemeindepräsidenten geschädigt, da die Bewohner des Ägerithales in Zukunft ihre Waren lieber über Zug beziehen werden, als im Verkehr mit der Station Sattel im Kanton Schwyz Bußen und polizeiliche Anstände zu riskieren.

III.

Durch Beschluß vom 24./2S. Juli 1901 ist der Regierungsrat des Kantons Schwyz auf die Beschwerde aus formellen Gründen nicht eingetreten; er hat trotzdem jedoch in den Motiven dieses Beschlusses seine Ansicht über die formelle u n d materielle Seite der Beschwerde ausgesprochen.

Es ist den Motiven folgendes zu entnehmen: Nach der kantonalen Verordnung betreuend Verhängung von Geldbußen ist ein Rekurs gegen eine Bußenausfallung an den Regierungsrat nicht zulässig; für eine Behandlung der Beschwerde auf dem Wege des Administrativprozesses ist aber nach der hierfür geltenden Verordnung die Frist versäumt; auch abgesehen hiervon ist die Direktionskommission der Südostbahn zu einer Beschwerde gegen das Bußerkenntnis gar nicht legitimiert, da nicht sie, sondern D. Häusler bestraft wurde, eine Bevollmächtigung der Südostbahn aber durch Häusler nicht zu den Akten gelegt worden ist. Die Beschwerde muß daher aus formellen Gründen abgewiesen werden.

Zur Vermeidung künftiger Konflikte ist aber trotzdem auch die materielle Begründetheit der Beschwerde zu untersuchen.

« Der von der Rekurrentin angeführte § 55 der Transportordnung regelt nur die Aufgabe der Güter vom Absender an die Bahnverwaltung; die Ablieferung der Güter an die Adressaten ist in § 74 geregelt, der mit Bezug auf die vorliegende Frage bestimmt: ,,An Sonn- und Feiertagen (§ 55, Abs. 3) sind die Bahnverwaltungen nicht verpflichtet, Güter zu avisieren, auch

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dürfen sie solche an denselben nicht abliefern. Diese Tage fallen daher bei der Berechnung der Avisierungs- und Ablieferungsfristen nicht in Anrechnung"1. Von der in § 55 des Transportreglementes erteilten Vollmacht Gebrauch machend, bestimmte der Kanton Schwyz unterm 7. August 1894 die Tage: Drei Könige, Fronleichnam, Maria Himmelfahrt und Allerheiligen als diejenigen weitern Feiertage, ,,an welchen die Übernahme und Ablieferung von Gütern auf Eisenbahnen und Dampfschiffen untersagt ista. Aus dem Gesagten erhellt, daß am Ostermontag die Aufgabe von Gütern und die Ablieferung derselben auf den Stationen im Kanton Schwyz nicht verboten ist.

Damit ist aber nicht gesagt, daß infolgedessen auch das Wegführen der Güter, das ,,Fuhrwerken" mit diesen Gütern am Ostermontag oder an einem andern Feiertag erlaubt sei. Diese Frage richtet sich nach kantonalem Recht und ist unabhängig vom eidgenössischen Transportreglement der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen. Dieses Reglement beschlägt nur den eigentlichen Bahnbetrieb; dessen Bestimmungen über Aufgabe und Ablieferung von Gütern gelten daher nur in diesem begrenzten Rayon und nur mit Bezug auf den Betrieb und die Arbeit auf den Stationen selbst.

Die kantonale Polizeiverordnung betreffend die Sonn- und Feiertagsruhe untersagt nun ausdrücklich in § l außer an andern Feiertagen auch am Ostermontag alles Arbeiten im Freien und speci eli auch das ,,Fuhrwerkfan a . Wenn von diesem Verbot des Arbeitens im Freien nebst anderm auch der ,,Eisenbahn-, Postund Telegraphenverkehr innerhalb den gesetzlichen Schranken'1 (§ l, litt, c, der Verordnung) ausgenommen ist, so trifft diese Ausnahme in vorliegendem Falle nicht zu.

Die Einwendung der Südostbahn, daß durch das Verbot des Fuhrwerkens am Ostermontag ihre Interessen gefährdet werden, ist nicht relevant; zudem erscheint es leicht, den Bedenken und Befürchtungen der Südostbahn in dieser Beziehung und überhaupt den meisten Schwierigkeiten Abhülfe zu verschaffen, sei es durch verspätete Anzeige, z. B. am Ostermontag statt am Ostersonntag (Transportreglement § 74 6) oder durch Ausladung und Lagerung der Ware im Güterschuppen der Station Sattel-Ägeri u. s. w.

IV.

Mit Eingabe vom 6. August 1901 erhebt die Südostbahn beim Bundesrat ,,Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Beschluß vom

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24./2S. Juli 1901u und stellt das Begehren, es möge die mit diesem Beschluß bestätigte Polizeibuße des Gemeindepräsidenten von Sattel aufgehoben und der Regierungsrat des Kantons Schwyz eingeladen werden, für die Möglichkeit des ungehinderten Verkehrs mit den Stationen der Sildostbahn an den Tagen, an denen der Güterdienst zur Zeit nicht zu ruhen habe, besorgt zu sein.

Die Beschwerdeführerin bringt folgendes vor: Der durch den Gemeindepräsidenten von Sattel gebüßte Baumeister Häusler mußte, wenn er die im Transportreglement vorgesehenen Lagergelder oder Wagenmiete vermeiden wollte, die für ihn am Bahnhof Sattel-Ägeri eingetroffene Wagenladung Cément am Ostermontag von der Bahn abholen lassen.

Die.Legitimation der Südostbahn in dieser Angelegenheit steht außer Frage, denn einmal ist die Beschwerdeführerin im vollen Einverständnis mit dem Gebüßten vorgegangen, außerdem ist aber die Südostbahn selbst in der Sache interessiert, da die angefochtene Bußenverfügung geeignet ist, die freie Ausübung des Verkehrsdienstes in der Station Sattel an gewissen, als Feiertage nicht gebotenen Tagen zu hindern und sie dadurch materiell zu schädigen. Dies letztere geschieht dadurch, daß an derartigen Tagen verfallene Wagenmieten von der Südostbahn selbst getragen werden müssen, ansonst sie eine Ablenkung des Verkehrs aus dem Ägerithal nach Baar und Zug zu riskieren hat, da dort an allen Feiertagen, sobald sie nicht zugleich Bahnfeiertage sind, die Zu- und Abfuhr jeder Art von Gütern im Verkehr mit der Eisenbahn ungehindert erfolgen darf.

Daß noch andere formelle Gründe für Nichteintreten des Regierungsrates vorlägen, ist nicht richtig.

Nach der schwyzerischen Polizei Verordnung vom 12. Januar 1884 sind vom Verbote des § l ausgenommen: .nc. der Eisenbahn-,- Post- und Telegraphenverkehr innerhalb der gesetzlichen Schranken". Ferner hat nach § 8 der Verordnung der Regierungsrat ,,für möglichst genaue und gleichmäßige Vollziehung dieser Verordnung zu sorgen und zu diesem Zweck den Gemeindebehörden und Polizeiangestellten jeweilen die geeigneten Weisungen zukommen zu lassen". Durch diese Weisungen hat der Regierungsrat die kantonalen Polizeiverordnungen auch mit dem bundesrätlichen Transportreglement in Einklang zu bringen.

Der Rekurs der Beschwerdeführerin an den Regierungsrat war daher an die richtige Stelle geleitet worden, weil er das Begehren um Erteilung von entsprechenden ,,Weisungen" an den

372 Gemeindepräsidenten von Sattel in sich schloß ; wenn sich Rekurrentin an die höhere r i c h t e r l i c h e Instanz gewandt hätte, so hätte diese doch nur über das Maß der Buße, nicht aber über ihre Gesetzmäßigkeit entscheiden können.

Die Pflicht der Kantonsregierung, ihre polizeilichen Weisungen in Sachen des Eisenbahnverkehrs mit den Bestimmungen des Transportreglementes vom 1. Januar 1894 in Übereinstimmung zu setzen, folgt aus Art. 36 des Eisenbahngesetzes vom 23. Dezember 1872. Dieser Artikel spricht ausdrücklich von einem e i n h e i t l i c h e n Transportreglement; diese Einheitlichkeit würde aber gestört, wenn jeder Kanton seine Polizeiverordnungen, unbekümmert um jenes bundesrätliche Reglement, erließe.

In materieller Beziehung ist zu bemerken, daß, wenn die Regierung von Schwyz dem Empfänger das Recht, Güter bei einer Bahnstation am Ostermontag zu beziehen, nicht bestreiteu kann, weil dieser Tag sich nicht unter den von ihr selbst bestimmten 4 weiteren Bahnfeiertagen befindet, sie folgerichtig dem.

Bezüger auch die Mittel dazu einräumen muß. Zur Beförderung von 10 t. Cernent, die der gebüßte Häusler abholen mußte, brauchte dieser aber selbstverständlich Roß und Wagen; und die Fuhrwerke sind überhaupt immer nötig, wo es sich um leicht dem Verderben unterliegende Güter handelt, die man nicht einfach auf Stationsgebiet unter freiem Himmel lagern kann.

Ferner handelte es sich vorliegenden Falles um ein zugerisches Fuhrwerk und nicht um ein schwyzerisches ; nach dem Schlußsatz des § 2 der schwyzerischen Polizeiverordnung aber unterstehen außerkantonale Fuhrwerke dem Fuhrwerkverbot nicht.

Wenn die vom Regierungsrat bewirkte Hemmung des freien Verkehrs als gesetzlich zulässig erklärt und die Südostbahn den von der Regierung vorgeschlagenen Weg der verspäteten Anzeige betreten würde, so käme sie in Konflikt mit § 74, Absatz l, des Transportreglements, wonach die Bahnverwaltung ,,längstens 24 Stunden nach der Ankunft des Frachtgutes an der Endstation dem Adressaten den Frachtbrief zuzustellen, oder eine schriftliche Anzeige (Avisbrief) an denselben durch übliche Gelegenheit abzusenden und ihm sodann ohne weitern Verzug die Güter nebst dem Frachtbrief gegen Zahlung der Fracht und der übrigen auf den Gütern etwa haftenden Auslagen auszuliefern a hat.

Ebenso käme die Bahn Verwaltung in Konflikt mit § 69 des

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Transportreglementes über die Lieferungsfrist. Und endlich würden in Zeiten von großem Wagenmangel, wie z. B. im Herbst, dadurch gerade das Gegenteil von dem bewirkt, was das eidgenössische Eisenbahndepartement und der schweizerische Eisenbahnverband zur leichtern Abwicklung des Verkehrs anzuordnen pflegen.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: Der Beschwerdeführer verlangt vom Bundesrat, er möge das auf Grund der schwyzerischen Polizeiverordnung vom 12. Januar 1884 erlassene Bußerkenntnis des Gemeindepräsidenten von Sattel vom 2. Mai 1901, als im Widerspruch mit dem Transportreglement stehend, aufheben, und den Regierungsrat des Kantons Schwyz veranlassen, durch Weisungen an die Gemeindestellen des Kantons, die Polizeiverordnung mit dem Transportreglement in Übereinstimmung zu bringen.

Das Transportreglement vom 11. Dezember 1884 (A. S.

XIII, 762) ist zwar ursprünglich nur eine Festsetzung der Bedingungen, unter denen die schweizerischen Eisenbahnen den Transport von Gütern zu übernehmen haben. Art. 36 des Bundesgesetzes über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen vorn 23. Dezember 1872 (A. S. a. F., XI, 1) bestimmt aber: ,,Der Bundesrat wird dahin wirken, daß auf den schweizerischen Eisenbahnen möglichst übereinstimmende Verkehrs-, beziehungsweise Transportreglemente eingeführt werden, deren Genehmigung ihm zusteht.

Sofern es sich in der Folge als wünschenswert herausstellen sollte, ist der Bundesrat berechtigt, nach Anhörung der Bahngesellschaften, ein einheitliches Verkehrs-, beziehungsweise Transportreglement in der Weise aufzustellen, daß darin gewisse Hauptbestimmungen fixiert werden, welche jede schweizerische Eisenbahnverwaltung dem Publikum als Minimum gewähren muß.1'Überdies bezieht sich das Bundesgesetz betreffend den Transport auf Eisenbahnen und Dampfschiffen vom 29. März 1893 (A. S. n. F., XIII, 644) mehrfach auf das Transportreglement und bestimmt in Art. 5, vorletzten Absatz : ,,Abgesehen von den im Transportreglemente festzustellenden Ausnahmen braucht die Annahme der Sendungen und die Bereitstellung der Wagen oder die Ablieferung der Güter an den

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Empfänger an den Sonntagen nicht zu erfolgen. Dem Sonntag gleichgehalten werden folgende Feiertage : Neujahr, Karfreitag, Himmelfahrtstag, und Weihnachtstag.a Auf Grund dieser gesetzlichen Bestimmungen hat der Bundesrat dem von den Eisenbahnen aufgestellten Transportreglemente am 11. Dezember 1893 seine Genehmigung erteilt und beschlossen: ,,Das unterm 11. Dezember 1893 genehmigte Transportreglement der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen ist vom 1. Januar 1894 ab für den Verkehr der sämtlichen schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen allgemein verbindlich. Durch dasselbe werden alle damit in Widerspruch stehenden Vorschriften in Reglementen, Instruktionen und Tarifen hinfällig und treten ohne weiteres außer Kraft". Damit hat er zugleich die Bestimmungen dieses Transpbrtreglementes zur ,,Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz betreffend den Transport auf Eisenbahnen und Dampfschiffen" gemacht (A. S. n. F., XIII, 756).

Es sind nun bezüglich des als ,,Nichtigkeitsbeschwerde10 betitelten Begehrens der Südostbahn zwei Seiten desselben zu unterscheiden, welche nicht derselben Behandlung unterstellt werden können.

In dem Begehren wird verlangt : a. Aufhebung des gegen Dominik Häusler erlassenen Strafurteils ; l>. es solle der Regierungsrat des Kantons Sehwyz verhalten werden, die erforderliehen Weisungen ergehen zu lassen,, damit die schwyzerische Polizei Verordnung betreffend die Sonn- und Feiertagsruhe vom 12. Januar 1884 mit dem Transportreglement vom 11. Dezember 1893 in Einklang: gesetzt werde.

Das erste Begehren geht auf Aufhebung einer gegen eine bestimmte Person erlassenen Strafverfügung, welche nur von dieser Person oder einem von ihr bevollmächtigten Stellvertreter angefochten werden kann. Die Südostbahn ist in dem Prozeßverfahren, welches zu der Strafverfügung des Gemeindepräsidenten von Sattel vom 2. Mai 1901 führte, in keiner Weise als Partei beteiligt gewesen. Der Verurteilte selbst hat diese Verfügung nicht angefochten ; die Südostbahn tritt auch nicht als sein Bevollmächtigter auf. Das bloße von ihr behauptete ,,Einverständnis des Gebüßten11 mit ihrem Vorgehen genügt nicht, um sie zum Bevollmächtigten zu machen, da sie in ihrer Beschwerde

375 an den Regierungsrat des Kantons Schwyz sowohl, als an den Bundesrat in eigenem Interesse handelt. Sie fühlt sich in ihren Rechten als Transportanstalt verletzt und erhebt deshalb gegen die Anwendung der mehrerwähnten Polizeiverordnung Beschwerde.

Es ist deshalb mit dem Regierungsrat des Kantons Schwyz anzunehmen, daß, soweit es sich um Aufhebung der gegen D.

Häusler erlassenen Strafverfügung handelt, der Rekurrentin die Legitimation zur Sache fehlt und deshalb das Begehren abzuweisen ist.

Anders verhält es sich mit dem zweiten Teile des Begehrens. Dieser bezieht sich nicht auf den konkreten Fall, sondern es liegt darin die Behauptung, daß die schwyzerische Polizeiverordnung über die Sonn- und Feiertagsruhe mit den Vorschriften des Transportreglementes im Widerspruch stünde und es wird der Bundesrat als Aufsichtsbehörde im Eisenbahnwesen und als Vollziehungsbehörde eidgenössischer Erlasse angegangen, die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um diesen Widerspruch zu beseitigen.

Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß, wenn wirklich ein solcher Widerspruch besteht, der Bundesrat dafür zu sorgen hat, daß das Transportreglement vollzogen wird.

Es ist also in erster Linie zu untersuchen, ob ein Widerspruch mit dem Transportreglemente vorliegt.

Richtig ist und der Regierung des Kantons Schwyz zuzugeben, daß § 55 des Transportreglementes, das von der Aufgabe der Güter handelt, hier nicht zur Anwendung gelangt, sondern § 74 (Verfahren bei Ablieferung des Gutes).

Demnach hat die Bahnverwaltung längstens innert 24 Stunden nach Ankunft des Frachtgutes auf der Endstation, entweder dem Adressaten den Frachtbrief zuzustellen oder ihm einen Avisbrief (schriftliche Anzeige von der Ankunft des Gutes) zuzustellen und ohne Verzug das Gut auszuliefern.

§ 74, Absatz 8, bestimmt sodann: ,,An Sonn- und Feiertagen (§ 55, Absatz 3) sind die Bahnverwaltungen nicht verpflichtet, Güter zu avisieren, auch dürfen sie solche an denselben nicht abliefern. Diese Tage fallen daher bei Berechnung der Avisierungs- und Ablieferungsfristen nicht in Anrechnung. a Die Verweisung auf § 55, Absatz 3, hat die Bedeutung, daß hier dieselben Feiertage gemeint sind, wie dort, also die

376 vier allgemeinen Feiertage Neujahrstag, Karfreitag, Auffahrt und Weihnacht und die vier von der kantonalen Gesetzgebung etwa noch bestimmten. Es steht fest, daß die schwyzerische Regierung den Ostermontag nicht unter die vier für den Kanton Schwyz geltenden Feiertage aufgenommen hat.

Der Avisierungspflicht der Bahn steht die Abnahmepflicht des Empfängers gegenüber, der, wenn er die Abnahme nicht innert 24 Stunden besorgt, Lagergeld oder Wagenmiete zu entrichten hat.

Der schwyzerische Regierungsrat steht nun auf dem Standpunkte, daß die bezüglich der Ablieferung bestehenden Feiertagsvorschriften sich nur auf den Bahnbetrieb als solchen erstrecken und deshalb örtlich auf den Bahnhofrayon beschränkt seien. Allerdings könne die kantonale Gesetzgebung, wenn sie außer den 8 Bahnfeiertagen noch andere Feiertage kenne, die Eisenbahnverwaltung nicht daran hindern, an solchen Tagen das Geschäft der Ablieferung vorzunehmen ; wenn der Empfänger aber zur Abführung Roß und Wagen bedürfe, so könne sie diese Abfuhr, d. h. den zu derselben notwendigen Verkehr mit Fuhrwerken, auf dem Gebiete des Kantons verbieten.

Diesen Ausführungen kann nicht beigetreten werden.

Das Ablieferungsgeschäft ist mit der Übergabe des Gutes an den Empfänger auf dem Bahnhof nicht beendet, sondern die Bahn muß auch, um unnötige Stockungen des Verkehrs zu vermeiden, sowohl über ihr Wagenmaterial als über ihre Lagerräume, verfügen können ; deshalb muß jede unnötige Aufspeicherung des Güterbestandes auf den Bahnhöfen vermieden werden. Damit dies geschehe, muß der empfangsbereite Adressat seine Waren abführen können. Schreibt doch das Transportreglement in dem angeführten § 74 vor, daß, wo ein Bahncamionnagedienst besteht, statt der Avisierung die sofortige bahnseitige Zufuhr an den Empfänger erfolgt. (Vgl. auch § 71, Absatz 4, Berechtigung der Bahn zur Weiterspedition für Güter, deren Bestimmungsort nicht an der Eisenbahn gelegen ist.) Zur vollständigen Beendigung des Ablieferungsgeschäftes gehört deshalb auch die Abfuhr des Gutes.

Ebenso wenig als eine kantonale Verordnung den Bahncamionnagedienst hemmen könnte, kann sie die prompte Abholung des Gutes von der Bahn durch den Empfänger hindern.

Wie weit die Sonn- und Feiertagsruhe das Geschäft der Ablieferung behindern kann, ist durch das Transportreglement abschließend geordnet (§ 74 und § 55); d, h. die kantonale

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Gesetzgebung kann außer den Sonntagen und den vier bundesrechtlich festgesetzten Feiertagen noch vier Feiertage aufstellen, an denen weder angenommen noch abgeliefert werden darf.

Über diese Grenze hinaus darf aber das Ablieferungsgeschäft durch kantonale Bestimmung nicht eingeschränkt werden.

Wenn also nach den vom Regierungsrate des Kantons Schwyz gegebenen Ausführungen der in § l, litt, c, der kantonalen Polizeiverordnung betreffend die Sonn- und Feiertagsruhe aufgenommene Vorbehalt bezüglich des Eisenbahnverkehrs bisher in beschränktem Sinne ausgelegt und angewendet worden ist, so liegt darin allerdings ein Widerspruch mit dem Transportreglemente und die Behörden des Kantons Schwyz haben die geeigneten Maßnahmen zu treffen, daß in Zukunft das Geschäft der Ablieferung gemäß den Bestimmungen des Transportreglementes vollzogen werden kann.

Demnach wird erkannt: 1. Soweit die schweizerische Südostbahn Aufhebung der Strafverfügung vom 2. Mai 1901 gegen Dominik Häusler verlangt, ist sie mit ihrer Beschwerde abgewiesen.

2. Der Regierungsrat des Kantons Schwyz wird eingeladen,, die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die kantonale Polizeiverordnung vom 12. Januar 1884 betreffend die Sonn- und Feiertagsruhe mit dem Transportreglement vom 11. Dezember 1893 in Einklang zu bringen.

3. Der Regierungsrat wird eingeladen, dem Bundesrat über die getroffenen Maßnahmen Bericht zu erstatten.

B e r n , den 11. Oktober 1901.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates,, Für den Bundespräsidenten:

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bundesratsbeschluß über die Beschwerde der schweizerischen Südostbahn gegen die schwyzerische Polizeiverordnung betreffend die Sonn- und Feiertagsruhe vom 12. Januar 1884. (Vom 1. Oktober 1901.)

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