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Bundesblatt 82. Jahrgang.

Bern, den 3. Dezember 1930.

Band II.

Erscheint wöchentlich, Preis 20 franken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsge bühr, Einrückungsgebühr : 50 Rappen die Petitzeile oder deren Kaum. -- Inserate franko an Stämpfli & de. in Bern.

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2631

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Gewährung einer Nachsubvention an die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft.

(Vom 25. November 1930.)

Herr Präsident!

Ho chgeehrte Herren !

Wir beehren uns, Ihnen den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Gewährung einer Nach subvention an die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft mit folgender Botschaft vorzulegen.

I.

Die Hilfsaktion des Bundes für die notleidende Stickerei wurde in die Wege geleitet durch den Bundesbeschluss vom 13. Oktober 1922 betreffend staatliche Hilfeleistung für die schweizerische Stickereiindustrie 1). Auf Grund dieses Beschlusses beteiligte sich der Bund durch Übernahme von Anteilscheinen im Betrag von einer Million Franken an der Gründung der Stickerei-TreuhandGenossenschaft und gewährte ihr ausserdem eine Subvention von fünf Millionen Franken. In der Folge hat er ihr durch Bundesbeschluss vom 16. Februar 1926 betreffend Gewährung einer neuen Subvention an die Stickerei-TreuhandGenossenschaft 2) einen weitern Beitrag von einer Million Franken zugesprochen.

Die Gründe, die zu dieser Massnahme führten und die Zwecke, denen die bewilligten Gelder dienen sollten, sind in den entsprechenden Botschaften niedergelegt 3), so dass hier auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann.

Über die Tätigkeit der Stickerei-Treuhand- Genossenschaf t hat der Bundesrat in seinen jährlichen Geschäftsberichten an die Bundesversammlung nähere Mitteilungen gemacht ; es dürfte daher genügen, wenn an dieser Stelle zusammenfassend folgendes gesagt wird.

1 ) 2 ) 3

Siehe Gesetzessammlung, Bd. 38, S. 588. ' Siehe Gesetzessammlung, Bd. 42, S. 29.

) Siehe Bundesblatt 1922, Bd. III, S. 350 und 1925, Bd. III, S. 617.

Bundesblatt. 82. Jahrg. Bd. II,

65

726

. Entsprechend der bei Gründung der Genossenschaft und noch längere Zeit nachher allgemein herrschenden Auffassung, dass die auf dem Markt eingetretene Stagnation in wenigen Jahren überwunden sein werde und deshalb der Produktionsapparat zur Hauptsache betriebsbereit bleiben müsse, war die Tätigkeit anfänglich ganz überwiegend auf eine Stützungsaktion eingestellt: unverschuldet notleidend gewordenen Fabrikationsbetrieben wurde Unterstützung gewährt, um ihnen das Durchhalten zu ermöglichen; es geschah dies jedoch nicht durch Verabfolgung von Produktionsbeiträgen, sondern durch Hilfeleistungen in anderer Form (insbesondere Ausrichtung von Darlehen und Sanierungskrediten). Da sich in der Folge die Zukunftsaussichten immer mehr verschlimmerten und damit die Voraussetzungen dahinfielen, auf welchen die Aktion beruhte, musste diese Politik aufgegeben werden. Die Mittel der Genossenschaft wurden nunmehr grösstenteils in den Dienst der unvermeidlich gewordenen Abbau- und Eeorganisationsaktion gestellt mit dem Ziel, das mehr und mehr zutage getretene Missverhältnis zwischen dem quantitativen Produktionsangebot und den Absatzmöglichkeiten zu korrigieren und damit auch den Boden für eine rationellere Lohn- und Preispolitik zu ebnen. Diese Wandlung der Verhältnisse und Auffassungen kommt deutlich zum Ausdruck im nachfolgenden Bild der finanziellen Leistungen der Genossenschaft, die einerseits in Form der Darlehenshilfe und anderseits in der Form von Subventionen à fonds perdu erfolgten.

Im erstgenannten Sinne, d. h. zur Gewährung von Krediten für Betriebszwecke und zur Durchführung von finanziellen Sanierungen, sind in den Jahren 1928--1926 ungefähr Fr. 2,400,000 aufgewendet worden. Auf die Finanzierung von gerichtlichen und aussergerichtlichen Nachlassverfahren entfallen hiervon etwa Fr. 1,150,000, und es konnte den betreffenden Schuldnern durch die Intervention der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft neben andern Erleichterungen ein Schuldenabbau von rund 8% Millionen verschafft werden. Im Jahre 1926 wurde aus dem bereits erwähnten Grunde die Bewilligung neuer Darlehen eingestellt und fortan die Liquidation der bestehenden Verpflichtungen angestrebt, soweit es sich mit dem Charakter der Genossenschaft als einer Hilfsinstitution, welcher ein rigoroses Vorgehen nicht gestattet, irgendwie vereinbaren liess. Der
Buchwert der Forderungen ist seither auf etwa Fr. 1,100,000, d. h- um rund Fr. 1,300,000 zurückgegangen. Vom Abgang entfallen ungefähr Fr. 500,000 auf sukzessive und gelegentlich noch bis in die letsste Zeit hinein erhältlich gewesene Bückzablungen, Fr. 285,000 auf Verrechnung von Subventionen für die Demolierung von Maschinen und Fr, 565,000 auf Verluste.

Die Einbringlichkeit des noch ausstehenden Betrages ist trotz des im allgemeinen guten Willens der Schuldner durch die beständige Verschlimmerung der Verdienstverhältnisse und die mit ihr verbundene Entwertung der als Grundpfandsicherstellung verschriebenen Betriebsanlagen zum grösseren Teile sehr fraglich geworden. Sie läset sich unter den gegebenen Umständen nicht erzwingen und muss als Geduldsfrage behandelt werden.

727 Neben der Darlehenshilfe wurden im Rahmen der statutarischen Bestimmungen und Ermächtigungen verschiedene Hilfeleistungen auch in der Form von Subventionen à fonds perdu durchgeführt. Unter diesem Titel sind bis Ende Juli 1980 insgesamt Fr. 4,511,000 verwendet worden, die sich auf die einzelnen Arbeits- und Zweckgebiete wie folgt verteilen: Es wurden vergütet: 1. Fr. 1,075,000 als Entschädigung für die von den Verbänden anfänglich an Stelle der definitiven Ausschaltung postulierte temporäre Stillegung (Plombierung) von Schifflimaschinen. Sie erfolgte im Jahre 1928 und in den ersten Monaten des Jahres 1924 und umfasste 1006 Maschinen aus 445 Betrieben.

2. » 387,000 als Beitrag für Reparatur oder teilweisen Umbau von Schiffli und Handmaschinen (Fr. 280,000 für 406 Schifflimaschinen von 886 Besitzern und Fr. 157,000 für 960 Handmaschinen von 903 Besitzern).

3. » 220,000 für Arbeitsbeschaffung, fabrikatorische Versuchszwecke und dergleichen, 4. « 200,000 als einmalige Zuwendung an 9 Verbandskrisenkass der Handmaschinenstickerei, unter Anrechnung an die nach bundesrätlicher Weisung seinerzeit für gewisse Arbeitnehmerpostulate reservierte halbe Million.

5. » 121,000 für die Besorgung der Stichlohnkontrolle gemäss den im Jahr 1927 für die Handmaschinenstickerei und im Frühjahr 1930 für die Schifflistickerei erhaltenen Kontrollmandaten, sowie für Berechnungs-, Vermittlungs- und Beratungsfunktionen.

6. » 1,545,000 Subvention für definitive Ausschaltung von 1291 Schifflimaschinen aus 680 Betrieben.

7. « 866,000 Subvention für definitive Ausschaltung von 4859 Handstickmaschinen aus 3984 Betrieben.

8. » 97,000 als Beiträge zum Zwecke von Berufsumstellungen, Fr. 4,511,000 Total.

Von diesen Subventionen haben die unter Ziffer l--5 aufgeführten Be· trage -- im gleichen Sinne wie die Darlehensgewährung -- dem Zwecke der Stützung bzw. Durchhaltung und der allgemeinen Sanierung, die Posten unter Ziffer 6--8 hingegen der Abbauaktion gedient.

Zu erwähnen ist schliesslich, dass im allgemeinen die Verwaltungskosten sowie die für die Jahre 1924--1929 zur Auszahlung gelangte dreiprozentige Anteilscheindividend aus dem Zinsertrag der Wertpapiere und der Bankund Darlehensguthaben bestritten werden konnten.

728 IL Über die gegenwärtige Finanzlage der Stickerei-Treuhand- Genoasenschaft gibt folgende, auf den Bilanzziffern vom 31. Juli 1980 beruhende Zusammenstellung den nötigen Aufschluss: Liquider Teil der Aktiven Fr. 1,717,000, wovon Fr. 191,000 Kassa- und Bankguthaben und Fr. 1,526,000 Effekten-Portefeuille.

Von dieser Summe von Fr. 1,717,000 sind jedoch die nachstehenden für bestimmte Zwecke gebundenen Beträge in Eeserve zu stellen: Fr. 1,460,000 zur Sicherstellung des Genossenschaftskapitals von Fr. 1,500,000, abzüglich eines Betrages von ungefähr Fr. 40,000 für-Anteilscheine, die bei der Genossenschaft liegen und von ihr auf dem Belehnungswege zurückgenommen wurden; · - » · - . . . . 90,000 Best des seinerzeit auf Anordnung des Bmadesrates für die Durchführung bestimmter Postulat« von Arbeitnehmerverbänden (Lohnkontrolle, Berufsübcrführung u. a. m.) ausgeschiedenen Betrages von Fr. 500,000; » 8,000 für ausstehende Anteilschein-Dividende; » 35,000 zur Auszahlung bereits bewilligter Subventionen; )/ 20,000 mutmasslicher Mehrbetrag der Kosten für die der Genossenschaft überbundenen Kontrollmandate und für die allgemeine Verwaltung gegenüber den Zinseingängen bis Ende 1930.

Fr. 1,608,000

Total

Verfügbar bleibt somit nur noch ein Betrag von Fr. 109,000 (Differenz zwischen Fr. 1,717,000 und Fr. 1,608,000), da eine merkliche Erhöhung dieser Summe durch Eingänge aus Darlehensabzahlungen unter den gegebenen "Umständen bis auf weiteres nicht zu erwarten ist. Die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft steht somit vor der Notwendigkeit, in nächster Zeit ihre Tätigkeit einzuschränken, wenn ihr nicht neue Mittel zugeführt werden.

Der Mangel an den nötigen" Geldern einerseits und die "Überzeugung von der Notwendigkeit einer Fortführung der Hilfsaktion anderseits führte den Verwaltungsrat der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft dazu, am 9. September 1930 einstimmig zu beschliessen, beim Bund das Begehren um Gewährung einer Nach Subvention im Betrag von Fr. 1,500,000 zu stellen. Das entsprechende Gesuch, dem eingehende Beratungen schon in den früheren Monaten vorangegangen waren, wurde am 10. September dem eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement zuhanden des Bundesrates und der Bundesversammlung' eingereicht. Die Begründung lässt sich in der Hauptsache wie folgt zusammenfassen : .

Die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer der Stickerei-Industrie sind infolge des über alle Erwartungen hinausgehenden B.ückgangs der Absatz- und Verdienstverhältnisse nach wie vor, um nicht zu sagen mehr als je, auf die stützende und ausgleichende Tätigkeit der Stickerei-Treu-

729 band-Genossenschaft angewiesen. Ihr Wegfall würde in erster Linie für die unmittelbar beteiligten Kreise einen schweren Schlag bedeuten; vermöge der immer noch grossen Bedeutung der Stickerei und ihrer engen Verflechtung mit vielen andern Erwerbsgebieten würden sich aber schlimme Auswirkungen auch für die Gesamtwirtschaft ergeben, wenn die weitere Entwicklung ohne jeden ordnenden Einfluss einer neutralen Stelle sich selbst überlassen würde. Es liegt daher im Interesse der Allgemeinheit, wenn durch eine ausreichende Nachfinanzierung die Möglichkeit geboten wird, dass die Genossenschaft ihre planmässig helfende und sanierende Tätigkeit fortsetzen kann.

Die wichtigste Aufgabe wird dabei bestehen in einer weiteren Einschränkung des Produktionsapparates, denn trotz der bisherigen Ausschaltungen geht der Maschinenbestand immer noch weit über den Bedarf hinaus, und es ist leider keine Aussicht, dass er in der jetzigen Grosse und Zusammensetzung in absehbarer Zukunft eine auch nur annähernd genügende Beschäftigung erhalten könnte. Folgende Angaben mögen dies illustrieren: Bestand der Schifflistickmaschinen am 30. Juni 1930: 2139 (1925 noch 3892, 1922 noch 5044), wovon 1262 Automatmaschinen und 877 Pantographmaschinen. Von diesen 2139 Maschinen hatten im verflossenen Semester nur etwa 700 = 33% ziemlich regelmassig Arbeit; vom Bestbestand erhielten ungefähr 500. Maschinen = 24% wenigstens zeitweise Beschäftigung mit oft grösserem Unterbruch, während durchschnittlich rund 900 Maschinen = 43% meist ganz ohne Aufträge blieben. Am 30. Juni 1930 waren 965 Maschinen = 45% des Gesamtbestandes ausser Betrieh.

Bestand der Handstickmaschinen am 30. Juni 1930: 2905 (1925 noch ca. 4000, 1920 noch 7959). Hiervon erhielten während des ersten Semesters 1930 ungefähr 700 Maschinen = 24% ziemlich beständig Arbeit; weitere rund 500 Maschinen = 17% konnten zeitweise arbeiten und durchschnittlich 1700 Maschinen --= 59% mussten fast vollständig der Beschäftigung entbehren.

, Am 30. Juni standen 1705 Handsticlonasehinen -- 60% des Gesamtbestandes ausser Betrieb,

Seither hat sich für alle Maschinenarten die Beschäftigungsmöglichkeit noch mehr verschlimmert und insgesamt geht gegenwärtig die Zahl der arbeitenden Maschinen nicht über 30--85% des Gesamtbestandes hinaus.

Die Fortsetzung der Demolierungsaktion erweist sich somit als ein unabwendbares Erfordernis. Dies sehen heute auch diejenigen Kreise ein, welche anfänglich in die Zweckmässigkeit einer Eeduktion des Maschinenparkes oder wenigstens in die Zulässigkeit einer Beanspruchung der Bundeshilfe für solche Zwecke gewisse Zweifel setzten. Überzählige, aber trotzdem stets um Aufträge werbende Betriebe gefährden nicht bloss die gesunden Geschäftsprinzipien im allgemeinen und die mit vieler Mühe zustande gebrachten Lohnkonventionen im besondern, sondern das Brachliegen von Kapital und Arbeitskraft bedeutet auch eine unfruchtbare Belastung der gesamten Volkswirtschaft. Infolge der Unverkäuflichkeit

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der Maschinen und des Mangels an Barmitteln haben jedoch nur ganz vereinzelte Eetriehsinhaber die Möglichkeit, sieh mit eigener Kraft aus einer unhaltbar gewordenen demoralisierenden Lage loszulösen, sodass die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft mit neuen Bundesmitteln wiederum in die Lücke treten sollte. Dadurch würde sie instandgesetzt, auch fernerhin nicht nur viele Hunderte von Maschinenbesitzern aus einer qualvollen Situation zu befreien, sondern ebenfalls eine teilweise Umstellung der viel zu einseitig orientierten Volkswirtschaft des ost~ schweizerischen Stickereigebiets herbeizuführen, indem Arbeitskräfte und Gebäude andern Erwerbszwecken dienstbar gemacht werden. Ein weiterer Vorteil wäre der, dass durch die Ausschaltung nicht vollwertiger Maschinentypen die Durchschnittsqualität des verbleibenden Produktionsapparates erhöht würde, denn die schweizerischen Stickereierzeugnisse können sich gegenüber der billiger fabrizierenden ausländischen Konkurrenz nur dann behaupten, wenn sich die einheimische Produktion mehr und mehr auf qualitative Höchstleistungen konzentriert.

Mit der Fortführung der Demolierungsaktion ist es aber nicht getan.

Vielmehr handelt es sich nach wie vor auch darum, alles zu tun, um den noch lebenskräftigen Teil der Stickerei-Industrie zu erhalten und den Boden vorzubereiten, damit sie nach Bückkehr günstigerer Zeiten wieder besser gedeihen kann. Die Burideshilfe soll nicht für eine Sache in Anspruch genommen werden, welche zum Untergang verurteilt und überhaupt nicht mehr zu retten ist. Der Kern der Industrie ist gesund, nur muss sie den veränderten Verhältnissen angepasst werden durch verschiedene Einschränkungen und durch Konzentration auf die wichtigsten Positionen, mit dem Bestreben, diese soweit als möglich zu konsolidieren und nachher auszubauen. Grundsätzlich neue Massnahmen sind hierfür nicht erforderlich. Der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft muss nur die finanzielle Möglichkeit gegeben werden, sich auch folgenden Punkten ihres bisherigen Arbeitsprogramms neuerdings in ausreichendem Masse zu widmen: Unterstützung aller Bestrebungen, welche geeignet sind, dem Zwecke der Arbeitsbeschaffung und der Qualitätsförderung zu dienen.

Unterstützung aller auf gesunde Preisbildung und Lohnpolitik hinzielenden Bestrebungen, insbesondere durch unentgeltliche Besorgung der
Kontrolle über die Einhaltung der bestehenden und der allfällig neu hinzukommenden Konventionen über Stichpreisfragen und dergleichen ; Mithilfe bei Verwirklichung weiterer Bestrebungen zum Abschluss von Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

Leistung von Beiträgen für die Reparatur von Maschinen oder für deren Anpassung an neue Fabrikationsarten.

Unentgeltliche Dienstleistung als Berechnungs-, Vermittlungs- und allgemeine Beratungsstelle.

Eine letzte Aufgabe endlich erblickt die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft in der Mithilfe bei Schaffung eines Krisenfonds. Die Sache ist dabei so gedacht, dass die verbleibenden Schifflilohnstickerei-Betriebe

731 periodische, nach Umfang und Art ihres Maschinenbesitzes abgestufte Beiträge leisten, um für temporär arbeitslose Maschinen Entschädigungen gewähren und damit die Stichpreisregelung stützen zu können. Der Verband schweizerischer Schifflilohnstickereien ist denn auch bereits mit dem Aufbau eines obligatorischen Kiisenfonds beschäftigt auf der Grundlage der Einbeziehung sämtlicher Betriebe mit Ausnahme der Einzelsticker, die der Arbeitslosenversicherung zugewiesen werden sollen.

Mit den Beiträgen der Mitglieder allein wird sich indessen ein Fonds von genügender Leistungsfähigkeit kaum schaffen lassen. Angesichts der grossen Bedeutung, welche einer solchen Institution zur Stützung der Sanierungsbestrebungen zukommt, sollte daher der Bund durch Gewährung der nötigen Mittel die Gründung erleichtern, Dies das Wesentliche aus der Begründung des Subventionsgesuches der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft. Was die Zweckbestimmung der verlangten eineinhalb Millionen Franken angeht, sehen die Organe der Genossenschaft folgende Verwendung vor: Fr. 600,000 für die weitere Ausschaltung von Schiffli- und Handstickmaschinen.

» 150,000 für Maschinenverbesserungen (Reparaturen, Anpassung und Austausch).

» 800,000 für Arbeitsbeschaffung.

» 250,000 für Kontrollzwecke, Berufsüberführung und übrige Arbeitnehmerpostulate.

» 200,000 für Krisenfonds-Unterstützung.

Fr. 1,500,000

Total

Mit diesem Betrag, dessen Bereitstellung sie als dringlich bezeichnet, hofft die Stickerei-Treuhand-Genossensehaft ihre Hilfstätigkeit noch längere .Zeit fortsetzen zu können.

ni.

Die Gründe, welche die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft zur Rechtfertigung ihres Subventionsgesuches vorbringt, müssen im grossen und ganzen als zutreffend anerkannt werden. Wohl ist bei Beratung der vormaligen Bundessubvention in der Bundesversammlung (Februar 1926) sowohl vom Bundesrat als auch von der Kommission des Nationalrates und des Ständerates geltend gemacht worden, es handle sich um die letzte Beitragsleistung des Bundes und weitere Nach Subventionen kämen nicht mehr in Frage -- allein auch hier hat sich die Macht der Verhältnisse stärker erwiesen als menschliches Wollen. Tatsache ist, dass die einst blühende Stickerei immer noch unter einer schweren Krisis leidet, und dass gegenüber dem Jahre 1926 eine weitere Verschlimmerung eingetreten ist. Es ergibt sich dies schon aus folgenden Zahlen über die ausgeführten Stickereifabrikate :

732 ,a,

1927 . . . . · 1928 .

1929 1930 (9 Monate) , . .

Mengen In q absolut 1913 = 100

Werte in Millionen Franken absolut 1913 = 100

34,000 32,800 25,700 14,200

120,4 118,» 92,5 53,,

37 36 28 211)

56 53 43 33 *)

Man braucht sich bei Betrachtung dieser Zahlen nur zu vergegenwärtigen,, dass noch vor zehn Jahren die Ausfuhrmenge gegen 60,000 q und der Ausfuhrwert über vierhundert Millionen Pranken betrug, um die ganze Schwere des katastrophalen Niedergangs zu ermessen, der unzähligen Familien grosser Landesteile Not und Entbehrung auferlegte. Tatsache ist ferner, dass die Betroffenen sich nicht aus eigener Kraft zu helfen vermögen, einmal weil die Krisis vorwiegend auf Ursachen zurückzuführen ist, denen der einzelne machtlos gegenübersteht --· allgemeine wirtschaftliche Depression und Kaufkraftverminderung, Schutzzölle, Wegfall früherer Absatzgebiete, Zunahme der ausländischen Konkurrenz, Ungunst der Damenbekleidungsmode -- und sodann auch deswegen, weil allfällig vorhandene Mittel infolge der langen Dauer der Kriais längst aufgezehrt wurden. Bei dieser Sachlage bedeutet die Hilfe der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft eine Wohltat, und es könnte nicht verantwortet werden, ihr jetzt weitere Gelder vorzuenthalten, da dies auf die ganze Stickerei sehr deprimierend wirken würde. Es muss anerkannt werden, dass.

die Genossenschaft den ihr übertragenen Aufgaben nach wie vor in weitgehendem Masse gerecht geworden ist und dass ohne ihren Einfluss die Dinge noch viel schlimmer geworden wären. Soweit interne Gründe an der Krisis schuld sind, hat sie sich von Anfang an und nicht ohne Erfolg um eine Sanierung der Verhältnisse bemüht. So ist die höchst notwendige Eindämmung der übermässigen: Preiskonkurrenz wenigstens teilweise durchgeführt, und weitere Schritte sollen erfolgen, sobald die finanziellen Mittel es erlauben. Ausserdem. ist erreicht worden, dass das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern im.

grossen ganzen nun doch mehr als früher vom Geiste der Zusammengehörigkeit getragen wird und besser organisiert ist. Erwähnt sei nur die seit dem Jahr 1927 bestehende Stichpreisregelung für die Handmaschinenstickerei und die im März des laufenden Jahres hinzugekommene schweizerisch-vorarlbergische Verständigung über die Schifflistickerei, die beide -- sofern es die Schweiz betrifft -- der Kontrolle durch die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft unterstellt wurden. Wenn sie, wie es bei Kompromissen meist der Fall ist, auch, nicht alle Wünsche befriedigen konnten und namentlich den Arbeitsmàngeì nicht zu beheben
vermögen, so kommt diesen Vereinbarungen, die lange für unerreichbar gehalten wurden, doch eine grosse grundsätzliche und praktische Bedeutung von erheblicher Tragweite zu. In der Tatsache, dass ihr Zustandekommen hauptsächlich auf der führenden Mitwirkung der Stickerei-TreuhandGenossenschaft beruht, liegt gleichzeitig ein Beweis dafür, dass die Arbeit.

*) Monatsdurchschnitt 1930, wenn Monatsdurchschnitt 1913 = 100.

733

der Genossenschaft sich nicht in einer materiellen Unterstützung einzelner Personen oder Erwerbszweige der Stickerei erschöpft, sondern darüber hinaus den Weg geöffnet hat zur inneren Gesundung der Industrie selbst.

So drängt sich für den Bund die Notwendigkeit auf, der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft -weitere Mittel zur Verfügung zu stellen, um ihr die Fortsetzung ihrer Tätigkeit zu ermöglichen. Eine Ablehnung des Subventionsgesuches würde, wie schon erwähnt, in den Kreisen der Stickerei eine allgemeine Entmutigung verursachen und könnte dazuführen, dass auch diejenigen Kräfte verloren gehen, die bei einem "Wiederaufleben der Industrie wertvoll und nötig sind, wenn sie den internationalen Konkurrenzkampf mit Erfolg bestehen will. Allerdings kann keine Gewähr dafür übernommen werden, dass diese neue staatliche Hilfe einen Rückgang der Krisis bewirkt, denn die Entwicklung der Dinge hängt von politischen und wirtschaftlichen Faktoren internationaler Art ab, auf welche unser Land keinen oder doch nur einen unwesentlichen Einfluss hat. Aber selbst bei einer Verschlimmerung der Verhältnisse in der Stickerei rechtfertigt sich die Bundeshilfe, denn sie lindert das Los vieler Notleidender und erleichtert die Überführung zahlreicher Arbeitsloser dieser Industrie in andere Erwerbszweige und damit überhaupt die industrielle Umschichtung im ganzen Stickereigebiet, die von grosser volkswirtschaftlicher Bedeutung ist.

IV.

Was die Höhe der Subvention anbelangt, schlägt der Bundesrat die Gewährung eines Betrages von einer Million Franken vor. Weiter zu gehen ist wegen der gespannten Finanzlage des Bundes, welche in der Beschliessung neuer Ausgaben grösste Zurückhaltung auferlegt, nicht gut möglich, denn jede Verausgabung, die nicht einem absolut zwingenden Bedürfnis entspricht, muss vermieden werden. Man darf mit gutem Grund annehmen, dass die Stickerei-Treuhand- Genossenschaf t dank der gesammelten Erfahrungen auch mit einer Million, statt der verlangten einundeinhalb, ihre sanierende Tätigkeit wirksam wird fortsetzen können.

Über die Zweckbestimmung des Bundesbeitrages können naturgemäss zum voraus keine endgültigen Vorschriften aufgestellt werden, ebensowenig über die Summen, die für die einzelnen Aufgaben ausgerichtet werden sollen.

Die Verwendung für die weitere Ausschaltung von Schiff li- und
Handstickmaschinon, für Arbeitsbeschaffung, für Maschinenverbesserungen, für Kontrolltätigkeit, Berufsüberführung und übrige Arbeitnehmerpostulate entspricht den bisherigen Verwendungsarten. Neu ist dagegen die im Programm der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft vorgesehene Mithilfe bei Schaffung eines Krisenfonds. Nach dieser Richtung ist die Sache zu wenig abgeklärt, als dass man sich jetzt schon definitiv festlegen könnte. So ist es gegeben, dem Bundesrat das Recht und die Pflicht zu übertragen, nach Anhörung der StickereiTreuhand-Genossenschaf t über die Verwendung der Bundessubvention im einzelnen Beschluss zu fassen und an die Auszahlung der verschiedenen Raten

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die nötigen Bedingungen zu knüpfen, wie dies schon bisher der Fall -war. Über die Tätigkeit der Genossenschaft wird er wie bisher der Bundesversammlung in seinen jährlichen Geschäftsberichten Näheres mitteilen, Es ist in Aussicht genommen, die ganze Subvention von einer Million Franken noch in die Verwaltungsreehnung für das Jahr 1980 (Volkswirtschaftsdepartement, Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit) einzustellen.

Der nicht zur sofortigen Auszahlung gelangende Teilbetrag der Subvention würde mit den ordentlichen Kreditübertragungen auf das Jahr 1931 übertragen.

Die Einstellung der neuen Bundessubvention in die Verwaltungsrechnung 1930 empfiehlt sich deshalb, weil diese nach den bisherigen Ergebnissen mit einem Einnahmenüberschuss abschliessen wird, während der Voranschlag für das Jahr 1981 mit einem beträchtlichen Fehlbetrag rechnet.

V.

Auf Grund der vorstehenden Ausführungen unterbreitet der Bundesrat den gesetzgebenden Bäten beiliegend den Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend Gewährung einer Nachsubvention an die Stickerei-TreuhandGenossenschaft, mit dem Ersuchen, die Vorlage in der Dezember-Session 1980 -abschliessend zu beraten, da die Angelegenheit dringlich ist und ungesäumtes Handeln erfordert.

Wir benützen den Anlass, Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 25. November 1930.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Musy.

Der Bundeskanzler:

Kaeslin.

735 (Entwurf.)

Bundesbeschluss über die

Gewährung einer Nachsubvention an die Stickerei-TreuhandGenossenschaft.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 25. November 1980, beschliesst :

Art. 1.

Dem Bundesrat wird zur Ausrichtung einer Nachsubvention an die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft ein Kredit bis zu einer Million Franken zur Verfügung gestellt. Er ist ermächtigt, über die "Verwendung dieser Nachsubvention die nötigen Vorschriften aufzustellen.

Art. 2.

Dieser Bundesbeschluss wird als dringlich erklärt und tritt sofort in Kraft, Der Bundesrat wird mit dessen Vollzug beauftragt.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Gewährung einer Nachsubvention an die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft. (Vom 25. November 1930.)

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03.12.1930

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