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Schweizerisches Bundesblatt.

53. Jahrgang. IY.

Nr. 35.

28. August 1901.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend eine Eingabe des gewesenen Nebenzolleinnehmers B. Foppa in San Simone.

(Vom 27. August 1901.)

Tit.

In einer Eingabe, datiert vom 11. Mai 1901, wendet sich der frühere, bei den Erneuerungswahlen 1900 nicht mehr bestätigte Einnehmer beim Nebenzollamt San Simone (Tessin), B. Foppa, an die Bundesversammlung mit dem Gesuche, ihm eine Gratifikation von wenigstens Fr. 2000 für seine langjährigen Dienste zu gewähren, mit Rücksicht auf sein hohes Alter und seine Erwerbsunfähigkeit.

Zur Begründung dieses Gesuches wird geltend gemacht, die Nichtbestätigung bezw. Entlassung des Potenten sei die Folge von direkt in Bern angebrachten boshaften Verleumdungen eines untergebenen Angestellten, denen die Oberzolldirektion blindlings Glauben geschenkt habe. Verschiedene an die eidgenössischen Behörden gerichtete Eingaben seien unbeantwortet geblieben, und nun befinde sich der Gesuchsteller, vor Jahresfrist mit einer fünfköpfigen Familie auf das Pflaster gesetzt, jetzt beinahe erblindet, in Verzweiflung. Sein Vertrauen setze er auf die Großmut der Bundesversammlung, damit der Fall auf dem Wege des kontradiktorischen Verfahrens untersucht, Recht gesprochen und dem Petenten und seiner Familie eine Unterstützung gewährt werde.

Bundesblatt. 53. Jahrg. Bd. IV.

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190 Was die Frage der Nichtbestätigung Foppas in seiner frühem Beamtung als Einnehmer des Nebenzollamtes San Simone anbetrifft, so betrachten wir die bezügliche Beschlußfassung, gestützt auf Art. 102, Ziff. 6, der Bundesverfassung und Art. 49 des Zollgesetzes vom 28. Juni 1893 (A. S. n. F. XIII, 692), wonach die Wahl der Zollbeamten dem Bundesrate zusteht, als endgültig und Weiterziehung an die Bundesversammlung als nicht zulässig.

Wir beschränken daher unsern Bericht auf das Gesuch um Verabfolgung einer Gratifikation, Avobei wir ohnehin auch die Gründe werden berühren müssen, welche für die Nichtwiederwahl ausschlaggebend waren.

Poppa, Bernardino, von Lugano, geb. 1837, ist 1883 in die Zollverwaltung eingetreten, wo er zuerst die sehr wenig beschäftigte Stelle eines Einnehmers beim Nebenzollamt Maccagno, dann von 1885--1894 diejenige eines Zollaufsehers bei den Hauptzollämtern Luino und Chiasso bekleidete ; seit 1894 war er Einnehmer des Nebenzollamtes in San Simone bei Chiasso.

Schon als Zollaufseher gab Foppa zu beständigen Klagen Anlaß. Wegen Schwatzhaftigkeit, Nachlässigkeit, Flüchtigkeit, disciplinwidrigen Verhaltens und Ungehorsam gegen Vorgesetzte hat er sich mehrfach Ordnungsbußen, Verweise und Verwarnungen zugezogen.

Die Wahl an die Nebenzolleinnehmerstelle in San Simone erfolgte seiner Zeit mit Rücksicht auf sein vorgeschrittenes Alter und da er den damaligen Bewerbern um diese untergeordnete, damals mit Fr. 1600 Jahresgehalt dotierte Stelle an allgemeiner Bildung überlegen war.

Anstatt daß er sich aber nunmehr zusammengenommen hätte, wurden auch in der neuen Stellung bald Klagen über ihn laut wegen leichtsinniger Aufführung, zunehmender Trunksucht und daheriger skandalöser Auftritte mit dem Publikum, wegen unbefugter öfterer Abwesenheit vom Zollamte und wegen mangelhafter Arbeit, so daß schon bei den Erneuerungswahlen von 1897 seine Wiederbestätigung in Frage gestellt war. Seither vermehrten sich die Klagen besonders hinsichtlich Unzuverlassigkeit, Trunkexcessen und daherigen Skandals, sowie wegen häufiger skandalöser öffentlicher Auftritte mit seiner Frau. Noch im letzten Jahre seiner Amtsführung hat er sich wegen Nachlässigkeit und Unregelmäßigkeiten zwei verschärfte Ordnungsbußen, einen Verweis und Androhung der Entlassung zugezogen. Foppa hätte anstatt der genossenen langmütigen Nachsicht wohl verdient ab-

191 berufen zu werden; aus Rücksicht für seine Familie hat ihn aber die Zollverwaltung bis Ende der Amtsdauer beibehalten.

Aus dem nämlichen Grunde hat der Bundesrat, trotz der in jeder Hinsicht unbefriedigenden Amtsführung Foppas demselben bei dei Entlassung einen Gehaltsnachgenuß von Fr. 1000 bewilligt, mit der Bestimmung jedoch, daß dieser Betrag der Frau Foppa für sich und ihre Kinder ausbezahlt werde.

Wenn Foppa nun angiebt, daß seine Nichtwiederwahl durch eine gegen ihn gerichtete Beschwerdeschrift eines ihm unterstellt gewesenen Zollaufsehers veranlaßt worden sei, welcher die Zollbehörde blindlings Glauben schenkte, so behauptet er wissentlich eine Unwahrheit, wie überhaupt die ganze Darstellung der Sachlage durch den Petenten auf eine Täuschung der eidgenössischen Räte abzielt.

Durch die Berichte der Zollgebietsdirektion war die Oberzolldirektion schon längst über das Verhalten dieses unverbesserlichen Beamten unterrichtet, und im Jahre 1899 ließ ihm dieselbe, nachdem alle Mahnungen, Strafen und Verwarnungen nichts gefruchtet, durch die Gebietsdirektion eröffnen, daß er sich nach einer andern Beschäftigung umsehen möge, da er nicht mehr zur Wiederwahl vorgeschlagen werden könne.

Foppa ist also ganz aus eigener Schuld und in leichtsinnigster Weise um seine Stelle gekommen, und nicht minder selbstverschuldet ist auch sein Augenübel, das wohl mit seinen Excessen in kausalem Zusammenhang stehen dürfte. Der behandelnde Specialarzt in Como hat seiner Zeit selbst erklärt, daß das Augenübel Foppas wegen der fortgesetzten Unmäßigkeit im Trinken nicht gebessert werden könne. Im übrigen besteht der begründete Verdacht, daß hierbei- auch die Simulation eine gewisse Rolle spielt; jedenfalls bildet das selbstverschuldete Augenübel an sich kein Argument, um dadurch einen Entschädigungsanspruch zu begründen.

Die Legende, daß Foppa ein Opfer der Denunziation geworden, dürfte durch vorstehende Ausführungen zur Genüge widerlegt sein, und sie ist es überdies durch seine eigene unterm 26. April 1900 an die Oberzolldirektion gerichtete Eingabe, in welcher Foppa seine Fehler offen eingesteht, indem er wörtlich sagt: francamente riconosco i gravi torti avuti, causa del mio licenziamento.

Hätte übrigens die Verwaltung über gewisse Umstände und Thatsachen zu Lasten von Foppa so greifbare Indizien gehabt, wie

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sie seit dessen Austritt der Zollgebietsdirektion zur Kenntnis gekommen sind, so würde jedenfalls nicht bloß Entlassung, sondern Wegweisung ohne jeglichen Besoldungsnachgenuß verfügt worden sein.

Bei dieser Aktenlage wäre die Gewährung einer Gratifikation (!) nichts anderes als die Prämiierung notorischer Pflichtvergessenheit, und ein derartiger Beschluß würde zu unabsehbaren Konsequenzen führen.

Wir schließen daher unsern Bericht mi't dem Antrage, es sei auf das vorliegende Gesuch nicht einzutreten.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 27. August 1901.° Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident: Zemp.

Der I. Vizekanzler: Schatzmann.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend eine Eingabe des gewesenen Nebenzolleinnehmers B. Foppa in San Simone. (Vom 27. August 1901.)

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1901

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28.10.1901

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189-192

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