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Nachtragsbericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Beschwerde der Zürcher Behörden betreffend den Vergleich in Sachen der Erstellung von Hauptreparaturwerkstätten der Nordostbahn in Zürich.

(Vom 24. Juni 1901.)

Tit.

Als wir über diese Angelegenheit unsern Bericht vom 28. März dieses Jahres erstatteten, lagen über die m a t e r i e l l e n Gründe, welche die Zürcher Behörden zur Beschwerdeführung veranlaßt hatten, nur einzelne unbestimmte Andeutungen vor. Wir hatten daher unserseits keinen Grund, auf die technischen Verhältnisse näher einzutreten, als zur Darstellung der Anschauungen, welche uns in dieser Richtung bei Abschluß des Vergleiches leiteten, erforderlich schien. Heute liegt in der Nachtragseingabe der Zürcher Behörden vom 13. April 1901, welche auf das Gutachten eines Fachmännerkollegiums sich stützt, eine bestimmtere Fassung der Beschwerdepunkte vor, die es wünschbar macht, mit Rücksicht auf diese Äußerungen die schon in unserm frühern Berichte kurz behandelten Fragen noch etwas näher zu beleuchten, um der Bundesversammlung eventuell ein Urteil darüber zu ermöglichen.

Bezüglich der Expertise, auf welche die Eingabe der Zürcher Behörden mit so viel Nachdruck abstellt, gestatten wir uns, darauf hinzuweisen, daß dieselbe von den Beschwerdeführern selbst veranstaltet wurde und letztere daher auch nach ihrem Gutfinden

779 das Fragenschema zu Händen der Experten aufstellten. Gerade der Fragestellung kommt aber erfahrungsgemäß für die Arbeit von Experten, welche an jene gebunden sind, die größte Bedeutung zu, und es kann damit auf das Resultat der Expertise ein sehr wesentlicher Einfluß geübt werden. Dies gilt ganz besonders auch für den vorliegenden Fall, wo die Zürcher Behörden bei der Aufstellung des Fragenschemas in einseitiger Weise von dem Projekt der Nordostbahn aus dem Jahre 1895 ausgingen, und dem Bundesrat jeder Einfluß auf die Fragestellung im Sinne der Würdigung der Verhältnisse und Bedürfnisse von einem .allgemeinen Standpunkte und nicht bloß von demjenigen des 1895er Projektes aus, oder auch im Sinne seiner eigenen Anschauungen oder derjenigen der Nordostbahn benommen war.

Diese Umstände dürfen bei Beurteilung des Gutachtens nicht außer acht gelassen werden. Dasselbe kann, ohne daß wir damit die Unparteilichkeit der Experten, die eben durch das Fragenschema eine gebundene Marschroute hatten, irgend in Zweifel ziehen möchten, auf rein objektive Beurteilung der Verhältnisse und umfassende Behandlung aller einschlägigen Fragen nicht Anspruch erheben.

Das Bahnhofprojekt von 1895, auf welches die Zürcher Behörden vorzugsweise sich berufen, ist kein Projekt, das auf «inzige und ausschließliche Richtigkeit Anspruch machen kann.

Zwar sind thatsächlich bisher noch keine großen Bauten erstellt worden, welche seiner Ausführung hindernd im Wege ständen.

Aber die leitenden Ansichten und die bisherige Entwicklung gingen doch in einer ändern Richtung. Der jetzige Rangierbahnhof läßt keine Ähnlichkeit mehr mit dem früheren Projekt erkennen, und die Experten billigen die jetzige Anordnung hinsichtlich der Umkehrung der Verschubrichtung. Der Güterbahnhof entspricht dem alten Projekt nur noch bezüglich der Lage, die Form ist wesentlich anders. Die doppelspurige Eilgutverbindungslinie -- auch eine Eigentümlichkeit des Projektes von 1895 -- ist durch die Verhältnisse so wenig begründet, daß man nicht von ferne an die Ausführung dieses teuern Baues denken kann.

Den großen Zug wird man dem Projekt von 1895 nicht .absprechen können, und insofern hat es ja Gutes gewirkt, daß es als Grundlage für die Landerwerbungen diente, welche die neue Anlage der Werkstätten ermöglichen. Daß es aber im ganzen zu groß angelegt war, wird am besten dargethan durch den Vergleich mit dem wirklich ausgeführten reduzierten Projekt, das erfahrungsgemäß den Bedürfnissen vollauf genügt. Es war

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das Produkt einer Zeit, wo das mächtige Anwachsen der Zürcher Bevölkerung und ihres Verkehrs auch bei den Gesellschaftsbehörden der Nordostbahn weitgehende Erwartungen weckte.

Die Lawine ist seither zum Stillstand gekommen, und man weiß jetzt, daß man damals zu hoch gerechnet hat. Die Bundesbehörde hat die Projektvorlage entgegengenommen, ohne sich irgendwie dadurch zu binden, und der Bahngesellschaft stand der Rückzug frei, als sie ihre Ansicht geändert und für die Bedürfnisse der Gegenwart und einer absehbaren Zukunft das Nötige hergestellt hatte. Solche Reduktionen sind auch schon bei anderen Projekten vorgekommen und können nicht beanstandet werden, wenn sie Eas Resultat veränderter Verhältnisse oder gewonnener besserer dinsicht sind. Insofern bleiben wir dabei, daß dem Projekt von 1895 vorwiegend nur noch historische Bedeutung zukommt.

Bezüglich Zahl und Anordnung der Hallengeleise mag das Projekt von 1895 für die Bedürfnisse einer ferneren Zukunft ungefähr das Richtige getroffen haben. Bei den jetzigen und nächstkünftigen Verkehrsverhältnissen erweisen sich die vorhandenen 10 Geleise noch als vollkommen ausreichend. Wenn man sich des Zustandes erinnert, der bis zum Jahre 1897 bestand, wo nur 2 Hallengeleise für die Abfahrten und 4 für die Ankunften verfügbar waren, ein Zustand, bei dem doch auch, wenngleich mit Mühe, der Betrieb möglich war, so wird man zugeben müssen, daß die Verbesserung dar Geleiseanlage in stärkerem Maße fortgeschritten ist, als der Verkehr zugenommen hat. Hindernisse in der fahrplanmäßigen Aufnahme und Abfertigung der Züge kommen nicht mehr vor. Das reisende Publikum findet gewöhnlich lange vor der Abfahrt seinen Zug an bestimmter Stelle am Perron bereit stehen. Die größten Verkehrshäufungen bei Volksfesten, Truppentransporten und dergleichen werden ohne Anstand bewältigt. Die Inanspruchnahme durch die neuen Tramzüge bemerkt man kaum.

Auch war bis vor kurzem in Publikum und Presse durchwegs nur Befriedigung und Wohlgefallen an der jetzigen Anlage bemerkbar, bis plötzlich die Zürcher Behörden entdeckten, daß sie durchaus den Charakter des Veralteten und Provisorischen trage.

Nun wird ja in der Tfaat niemand behaupten, daß sie auf unbegrenzte Zeit in ihrem jetzigen Zustand ausreichen werde. Aber einstweilen kann man sieh doch dabei beruhigen, daß sie in einem Maße
erweiterungsfähig ist, um allen in absehbarer Zeit zu erwartenden Ansprüchen genügen zu können.

Um dieses zu begründen, setzen wir zunächst voraus, der Eilgutbahnhof bleibe an seiner gegenwärtigen Stelle. Nichts

781 hindert dann, bezüglich der Hallengeleise das Projekt von 1895 in vollem Umfange durchzuführen. Aber meir als das. Das Geleise der Zürichsee-Rechtsuferbahn ist zwischen die nach dem Projekt von 1895 vorgesehenen Geleise als Zuwachs hineingelegt worden. Es ,,prallt" allerdings gegen den nordwestlichen Eckturm der Halle; dieser Ausdruck der Eingabe [pag. 5) ist zwar etwas zu kräftig, denn vor dem Stirnperron steht ein richtiger Prellbock, und der Turm hat nichts zu fürchten. Es ist auch kürzer als die übrigen Hallengeleise, aber nur um 80 Meter, und diese Verkürzung ist ohne Bedeutung im Hinllick auf die geringere Länge der Züge, welchen es dient, so daß das Publikum kaum längere Wege zum Ein- und Aussteigen zurückzulegen hat als bei ändern Zügen. Die kürzeren Züge entsprechen eben dem geringeren Verkehr der Rechtsuferbahn auf der S;recke bis Stadelhofen, wo erst der eigentliche Personenverkehr dieser Linie beginnt. Die Anlage dieses kürzeren Geleises teruht somit auf einer wohlberechtigten und für niemand beschwe liehen Ökonomie in der Ausnützung des Raumes, und es kann einmal zweckmäßig gefunden werden, ihr symmetrischerweise vor d Hallengeleise. Erfahrungsgemäß genügt dieses zur Zeit vollkommen. Es treffen eben auch im Eisenbahnbetrieb gewöhnlich nicht alle Komplikationen zusammen. Folgen 2 oder 3 Züge auf einem Liniengeleise rasch hintereinander, so ist gewöhnlich das zweite Geleise dieser Linie

782 oder ein Geleise der benachbarten Linie zur Zeit frei und können unter Benutzung desselben die verschiedenen Züge aufgenommen werden. Ein Wechsel in der Geleisebenutzung ist, wenigstens für die Einfahrten, bei einem Kopfbahnhof wie Zürich fast unvermeidlich. Wenn das Expertengutachten Cpag. 5) die Abschaffung dieses Zustandes verlangt, so ist dies eine rein theoretische Forderung, die sich praktisch in die Verhältnisse von Zürich niemals einleben würde, selbst wann man die Geleiseanlage dafür erstellte.

Wenn der ankommende Zug (z. B. vom Arlberg) auf einem anderen Geleise (z. B. nach Basel) weiterfahren soll, so liegt es im Interesse der Zeitökonomie und der Bequemlichkeit der Reisenden, daß Umstellmanöver vermieden werden und darum der Zug gleich in sein Abfahrtsgeleise einfahre. Solche Wechsel der Geleisebenützung stellen allerdings an die Leitung des Bahnhofdienstes erhöhte Aufgaben, die ihr Denken in Anspruch nehmen, worin aber eine Gefahr für die Sicherheit des Betriebes nicht Hegt, weil für diese durch Signal- und Weichenverriegelung ausreichend gesorgt werden kann.

Wenn danach eine Vermehrung der Hallengeleise bis auf 14 eventuell ins Auge zu fassen und auch wirklich möglich ist, so hätte es dagegen keinen Sinn, im Vorbahnhof mehr als 7 Liniengeleise anzunehmen. Auf diesen dürfen ja keine Züge außer in Blockdistanz verkehren. Große Bahnhöfe des Auslandes gehen in dieser Beziehung noch viel weiter; so vereinigen sich z. B.

vor dem Bahnhof von St. Louis (Missouri) 30 Hallengeleise in einem Défilée von nur 4 Liniengeleisen, durch welche alle Züge ein- und ausfahren, ein Beispiel, das ebensoviel Beachtung verdient wie die zwar rationellen, aber doch bisweilen übermäßig weitläufigen neueren deutschen Bahnhöfe. Die Hallengeleise können also nach der Sihlbrücke zusammengezogen werden, 'wodurch Raum gewonnen wäre für dazwischen und daneben eingeschaltete Dienst- und Rückstellgeleise. Es genügt, in dieser Hinsicht zu konstatieren, daß für die Anlage des Vorbahnhofes volle Freiheit besteht zur Gestaltung nach jedem Bedarf, selbst, wenn man wollte, naca dem Projekt von 1895, vorausgesetzt, daß der Eilgutbahnhof an der Stelle verbleibt, wo er jetzt liegt, d. h. in dem Räume außerhalb einer geraden Linie in der Fortsetzung des zur Zeit noch nicht erstellten äußersten der 4 Personenzugsgeleise an
der Museumstraße.

Damit sind wir bei der Kritik der E i l g u t a n l a g e seitens der Beschwerdeführer angelangt. Es ist begreiflich, daß sie auf diesen Punkt das größte Gewicht legen, denn nachdem sie ein-

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mal den Beschwerdeweg betreten haben, muß ihnen alles daran liegen, wenigstens in d i e s e r Hinsicht Recht zu bekommen, denn im übrigen hängt ihre ganze Beschwerde, wenigstens was die Grenzbereinigung im Vorbahnhof betrifft, in der Luft, und ist auch der Vorschlag ihrer Experten, außerhalb der bereinigten Grenze einen Streifen von 70 Meter Breite noch für die Bahn zu erhalten, ganz überflüssig.

Nun zeigt schon ein Blick auf den Plan des Projektes von 1895, daß bei einer seitlichen Verschiebung des jetzigen Eilgutgebäudes, wie wir sie im Bericht vom 28. März als Vorschlag für die Zukunft erwähnt haben, dieses Gebäude dem dortigen Postausziehgeleise, welches dann Eilgutladegeleise würde, um 7 Meter genähert werden kann, und daß diese 7 Meter, zur Verbreiterung der Zollstraße verwendet, letztere auf 22 Meter Breite zwischen ihrer nördlichen Baulinie und dem Eilgutgebäude bringen würden. Die genannte Baulinie wird zwar zur Zeit noch überschritten von einigen Vorbauten, deren Beseitigung aber weniger kosten würde als die Freihaltung eines Streifens von 70 Meter Breite südlich außerhalb des Vorbahnhofes. Verzichtet man aber auf die Durchführung des äußersten Geleises an der Museumstraße, worauf nach dem vorhin Gesagten immer noch 13 Hallengeleise möglich wären, so könnte die Verschiebung der Eilguthalle 13 Meter betragen, und man erhielte eine ZollStraße von solcher Breite, daß jedes Bedürfnis einer Verbreiterung gegen bestehende Privatbauten vermieden würde. Der Eilgutbabnhof selbst erhielte damit sein direktes Ladegeleise -- mehr als das eine kann er nicht brauchen -- das zudem auf der Bahnseite gelegen wäre, statt, wie jetzt, auf der Straßenseite, und deshalb zur Verbindung mit den Personenzugsgeleisen besser sich eignen wurde. Auch für 2 oder 3 angrenzende Aufstellgeleise fände sich bei der Zusammenziehung der Hallengeleise auf die Liniengeleise Platz. Für Bahn- und Straßenverkehr würde somit diese Eilgutanlage vollkommen dienstfähig sein. Sie ist, selbst wenn auf die Größe des jetzigen Lagerhauses beschränkt, doch schon um 60 Prozent größer als der Eilgutschuppen samt zukünftiger Erweiterung nach dem Projekt von 1895 und überdies durch Verlängerung gegen die Langgasse über allen jemals zu erwartenden Bedarf hinaus vergrößerungsfähig. Ferner hat sie gegenüber der Eilgutanlage nach Projekt von 1895
noch einen wichtigen Vorteil in bahntechnischer Hinsicht. Der Wagenverkehr zwischen Eilgut- und Rangierbahnhof ist so unbedeutend, daß um seinetwillen eine so kostspielige Geleiseverbindung mit

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Überbrückung der Langgasse und Unterfahrung zweier Bahndämme, wie im Projekt von 1895 vorgesehen, keineswegs gerechtfertigt wäre. Soweit aber ein solcher Verkehr stattfindet, muß er bei der jetzigen Lage des Eilgutbahnhofes nur die Geleise der Aarauerlinie kreuzen, während dagegen bei der Lage auf der Südseite die Überkreuzung von 5 Geleisen der Linksuferbahn, der Winterthurerlinie und der Rechtsuferbahn notwendig wird.

Diesem Vorteil für den Bahnverkehr steht nun allerdings ein etwelcher Nachteil für das verkehrtreibende Publikum gegenüber, insofern als die durchschnittliche Entfernung der Eilguthalle von den verschiedenen städtischen Quartieren hier etwas größer ist, als bei der südlichen Lage. Diese Vergrößerung ist aber in der Eingabe der Zürcher Behörden bedeutend überschätzt.

Für die Mehrlänge auf dem Weg von der Bahnhofbrücke her kann nicht mehr als die einfache Breite des Personenbahnhofes, d. h. 125 Meter (statt 250 Meter nach Seite 5), gefunden werden.

Von der Bahnhofstraße her kommt hierzu eine Mehrlänge von etwa 2 mal 80 gleich 160 Meter, von der Geßner-Allee her etwa 2 mal 250 gleich 500 Meter, also beträgt die Mehrlänge durchschnittlich für die Stadtkreise I, IV und V etwa 200 Meter, maximal nur für einen kleinen Bezirk 625 Meter. Das Industriequartier ist näher an der nördlichen Lage ; der größere Teil des Kreises III erreicht die nördliche Lage auf dem Wege durch die Langgaß-Durchfahrt und die Zollstraße mit etwa 170 Meter mehr Länge, als die südliche Lage auf dem Wege von der Langgasse durch die zukünftige südliche Parallelstraße.

Wir halten diese Mehrlängen des Transportweges zum Eilgut nicht für so lästig, daß um ihretwillen die großen Opfer gerechtfertigt wären, welche die Anlage auf der südlichen Bahnhofseite erfordern würde. Abgeschwächt wird das Gewicht dieser Mehrlängen, wie wir schon im früheren Bericht bemerkten, jedenfalls dadurch, daß zur nördlichen Eilguthalle viel weniger belebte Straßen führen als zur südlichen. Wir bemerken hier auch, daß zur Zeit, da die Zürcher Behörden sich um die Verlegung des Personenbahnhofs auf das linke Sihlufer bemühten, sie sich sehr leicht hinwegsetzten über die jedem Reisenden zugemutete Mehrlänge von etwa 500 Meter auf dem Wege zum Bahnhof, was doch gewiß für die Gesamtheit der Bevölkerung ein viel größeres Opfer gewesen wäre, als
die jetzt in Frage stehenden Mehrleistungen einiger Dienstmänner und Fuhrleute.

Unsere Bemerkung über die Zugehörigkeit der Viehrampe zum Eilgutbahnhof hätte nach Ansicht der Beschwerdeführer

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wegbleiben sollen. Wir müssen sie aber trot/dem aufrechterhalten.

Denn einmal ist der Schlachthof, der die Viehrampe entbehrlich machen soll, zur Zeit noch nicht gesichert, und dann werden auch, wenn er erstellt sein wird, immer noch andere Tiere als für Zürich bestimmtes Schlachtvieh zu befördern bleiben und wird hierfür die Eilgutanlage in Anspruch genommen werden müssen.

Neben der hier erörterten Gestaltung des Eilgutbahnhofs an gegenwärtiger Stelle bleibt aber, wie wir schon im Bericht vom 28. März erwähnt haben, immer noch die Möglichkeit bestehen, ihn nach dem Wunsch der Zürcher Behörden auf die Südseite des Vorbahnhofs zu verlegen. Er hat nach dem Projekt von 1895 mit Gebäude, l Ladegeleise und 3 Aufstellgeleisen eine Breite von 40 Meter. Genau so viel bleibt übrig innerhalb der Abgrenzungslinie gemäß Vergleich bis an ein Geleise in der Linie der südlichen Hallenmauer, welches, wie oben erwähnt, das Pendant zum Geleise der Rechtsuferbahn bilden würde. Mit diesem Geleise und dem nun ohne Hindernis durchführbaren vierten Geleise außer der Halle an der Museumstraße hätte man also wieder 12 Hallengeleise, obgleich auf die 4 neuen südlich außer der Halle verzichtet werden müßte, und es wäre also auch in dieser Hinsicht dieselbe Leistung erzielt wie beim Projekt von 1895. Wir halten allerdings diese Variante für technisch weniger richtig als diejenige der Belassung des jetzigen Eilgutbahnhofs, denn die Ökonomie des Raumes wäre entschieden schlechter gewahrt, die Möglichkeit von 13 oder 14 statt 12 Hallengeleisen wäre ausgeschlossen, und die im Verkehr zwischen Eilgut- und Rangierbahnhof vorkommenden Wagenbewegungen hätten 5 Liniemgeleise im Niveau zu kreuzen, was wiederum zu dem etwas abenteuerlichen Ausweg mittelst einer eigenen Verbindungslinie, wie im Projekt von 1895, zwingen könnte. Der Entscheid hierüber braucht aber nicht jetzt getroffen zu werden; er wird erfolgen müssen, wenn der eine oder der andere der ihn bedingenden Faktoren, die Vermehrung der Hallengeleise oder der Umbau der Eilgutanlage, aktuell geworden sein wird. Dann wird es sich auch bei den Zürcher Behörden nicht mehr bloß um theoretische Erörterungen, sondern um ein objektives Abwägen bei gegebenen Verhältnissen handeln. Für jetzt genügt es, gezeigt zu haben, daß auch in dieser Hinsicht durch den Vergleich nichts in nachteiliger Weise präjudiziert ist, und daß eine Verschiebung der Grenzlinie um 70 Meter, nach dem Vorschlag der Experten, durchaus nicht nötig ist.

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Mit demjenigen Teile der Beschwerde, welcher die Grenzbereinigung im Vorbahiihof betrifft, hängen noch einige Fragen zusammen, welche die Beschwerdeführer in ihrer Eingabe nur kurz und die Experten teilweise gar nicht berühren, und welche daher auch hier nur kurz behandelt werden können.

Die Aussetzungen an der gegenwärtigen Geleiseanlage in der Personenhalle könnten wir füglich beiseite lassen, da wir an anderer Stelle gezeigt haben, daß eine Änderung in jeder gewünschten Weise möglich ist. Um jedoch den Anschein zu vermeiden, den die Ausführungen der Eingabe in dieser Hinsicht hervorrufen könnten, als würden unhaltbare Zustände ohne Remedur bestehen gelassen, sei hervorgehoben, daß die Mittelgeleise der dreiteiligen Gruppen, welche nicht an Perrons liegen, dafür auf Schienenhöhe aufgeschottert sind, so daß hier zum Besteigen der Wagen kein höherer Auftritt erforderlich ist, als er auf fast allen Stationen vorkommt, und daß ferner das Überschreiten nur e i n e s Geleises in solchem Maße, wie es hier geschieht, d. h.

wenn im eigentlichen Perrongeleise kein Zug steht und keiner erwartet wird, als ein wesentlicher Nachteil nicht zu betrachten ist.

Die Anlage von Gepäckperrons an Stelle dieser Mittelgeleise und die gerade Durchführung des ersten Hallengeleises sind Fragen der Zeit; vorläufig leisten die Mittelgeleise in gegenwärtiger Gestalt noch ganz gute Dienste, indem sie gleichzeitige Aufstellung von Zügen gestatten, welche in kurzen Zwischenzeiten nacheinander in gleicher Richtung abfahren.

Die immer wieder beklagte Rauchbelästigung des Landesmuseums steht absolut nicht im Zusammenhang mit der Gestaltung der Bahnhofanlage. Sie ist vielmehr eine Folge der ungünstigen Lage, welche für das Museum gewählt wurde, als der Bahnhof schon lange dastand, und kann durch keine Bauart des Bahnhofs vermieden werden.

Die Durchführung der Kasernenstraße wird durch den Vergleich in keiner Weise erschwert. Sie ist, ob der Vergleich bestehen bleibe oder nicht, auf keinem anderen Wege ausführbar, als durch Erstellung des Hochbahnhofs, für welchen der Vergleich kein Hindernis enthält.

Das Begehren der Stadt nach einer südlichen Parallelstraße durch den alten Rohmaterialbahnhof muß durch die definitive Genehmigung vom 2. März 1900, in welcher dieser Punkt nicht vorbehalten ist, als abgewiesen gelten. Will die Stadt sie durchgeführt haben, so kann sie das ihr zustehende Verfahren (Bestimmung der Baulinien) anwenden gegenüber der Nordostbahn

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als Privatbesitzerin, nicht als Bahngesellschaft. Für den Verkehr des Güterbahnhofs ist diese Straße nicht nötig. Derselbe bewegt sich durch die bestehenden Straßen erfahrungsgemäß ohne Schwierigkeit. Sodann ist von uns bei Entscheiden über Zufahrtstraßen seit langem als Grundsatz befolgt worden, daß solche von den Bahnen nur verlangt werden zum Anschluß an ein bestehendes Straßennetz, nicht aber zur Ausgestaltung in einem größeren Bezirk.

Endlich ist noch zu bemerken, daß die Befreiung des Vorbahnhofs von den Güterzügen der Winterthurerlinie und der Rechtsuferbahn mittelst Erstellung direkter Gütergeleise durch den Vergleich in keiner Weise beeinflußt wird.

Wir kommen zur Besprechung der Beschwerden über den Rangierbahnhof.

Daran, daß die jetzige Einrichtung des Rangierbahnhofs gegenüber dem früheren Zustand eine im ganzen wohlgelungene ist, müssen wir trotz der Bezweifelung durch die Zürcher Behörden festhalten. Der Beweis dafür liegt in seiner Leistungsfähigkeit, die es ermöglicht, daß gegenwärtig 3 bis 4 Rangierlokomotiven eine größere Wagenmenge umstellen, als früher deren 6. Die Umstellfelder sind reichlich groß genug; bisher waren sie beim stärksten Verkehr bei weitem nie ausgenützt, gewöhnlich kaum zu einem Drittel. Zu beanstanden ist nur die mangelhafte Verbindung der Umstellfelder nach Stationen (D und C) mit demjenigen nach Routen (E). Zur Verlegung der ersteren wird aber wahrscheinlich die Vergrößerung des Lokomotivdepots Anlaß geben, welche nötig werden wird, wenn einmal das alte Depot an der Sihl vollends geräumt werden muß. Daß das bisher erstellte neue Lokomotivdepot nur als Hälfte des zukünftigen gelten könne, war von uns immer vorgesehen. Mit der Verbreiterung wird von selbst auch die Zufahrt der Kohlenlager offener werden.

Daß noch gewisse Verbesserungen zu treffen sind, ist schon in unserem Bericht vom 28. März erwähnt. Diese lassen sich aber auf dem verfügbaren Terrain ausführen. In einem schriftlichen Bericht näher auf das Detail der Geleisfelder einzugehen, hat keinen praktischen Zweck. Diese Fragen müssen am Zeichnungstisch gelöst werden.

Es durfte in dieser Beziehung die Thatsache genügen, daß ein Areal von ausreichender Größe noch zur Verfügung steht.

Über die Einrichtung des Rangierbahnhofes, die eine rein technische Frage ist, haben jedenfalls die Lokalbehörden keine Projektvorlagen zu verlangen. Gerade weil, wie die Eingabe sagt (Seite 9),

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noch viel weitere Kreise als Stadt und Kanton Zürich daran interessiert sind, müßte ein allzugroßes Kollegium mitzusprechen haben, wenn nicht der Entscheid darüber durch das Gesetz ausschließlich der Bundesbehörde zugewiesen wäre.

Wie wenig Anlaß übrigens zu den Aussetzungen der Zürcher Behörden und ihrer Experten vorhanden ist, ergiebt sich aus einer kurzen vergleichenden Betrachtung des Zweckes, dem das nimm ehr für die Werkstättenanlage zu verwendende Gebiet nach dem Projekt von 1895 hätte dienen sollen. Es ist auch von den Experten zugegeben, daß der Güterbahnhof und der neue Rohmaterialbahnhof in absehbarer Zeit keiner Erweiterung mehr bedürfen. Dann aber bleibt für das ganze Areal südlich der jetzigen Aarauerlinie, vom Ende des Rohmaterialbahnhofes bis zur Station Altstetten, das den Hauptkomplex der Werkstätten bilden wird, nach dem Projekt für 1895 nur die Verwendung für Bauwerkstätte, Imprägnieranstalt und Schwellenlager, Anstalten, an denen doch gewiß das öffentliche Wohl durchaus kein Interesse hat.

Das nördlich der jetzigen Aarauerlinie von den Werkstätten eingenommene Areal belegt dagegen solche Teile des Rangierbahnhofes, welche mit außerordentlich wenig Ökonomie und offenbar zu wenig abgeklärten Vorstellungen im Projekt von 1895 von Anlagen eingenommen werden, die entweder gar nicht nötig sind oder für welche in der jetzigen Bahnhofanlage an anderer Stelle bereits vollwertiger Ersatz geschaffen ist. In dieser Beziehung ist vor allem zu erwähnen ein Überführungsdamm für das städtische Industriegeleise, ein Bau der kaum jemals nötig werden wird, denn die jetzige Niveaukreuzung ist durch Signal- und Weichenverriegelung vollkommen gesichert, und die täglich zwei- bis dreimalige Befahrung der Kreuzung durch Güterzüge nach dem Industriegeleise vollzieht sich durchaus ohne Störung der freien Fahrt der Züge auf der Hauptlinie. Weiter nehmen einen sehr großen Raum ein zwei Ausziehdämme, für welche in den Ablaufbergen der Rangierfelder D und E ein kompendiöser, aber viel wirksamerer Ersatz bereits besteht, und welche also sicher niemals zur Ausführung kommen werden. Wir können demnach gegenüber den Zürcher Behörden und ihren Experten durchaus nicht zugeben, daß das Projekt von 1895 auch für den Teil des Rangierbahnhofes vom Viadukt bis Altstetten als vorbildlich und maßgebend betrachtet
werden dürfe. Die g a n z e n e u e W e r k s t ä t t e n a n l a g e k o m m t auf ein Areal zu liegen, das für die Bahnhoferweiterung gar keine Bedeutung m e h r hat.

789 Wir gelangen aus diesen Gründen zu dem Schluß, daß alle technischen Einwendungen gegen den Vergleich unbegründet sind, und glauben dies im vorstehenden soweit begründet zu haben, als es ohne allzulange Auseinandersetzungen möglich war. Subtil, wie die Eingabe meint, sind ja diese Verhältnisse nicht, sondern gegenteils bei praktischer Auffassung ungemein handgreiflich.

Einigermaßen verwickelt mögen sie denjenigen erscheinen, die dem Eisenbahnbetrieb fernstehen. Bei solchen Fragen muß vor allem auf die örtlichen Umstände Rücksicht genommen werden; nach schulgemäßen Lehrsätzen kann man einen Bahnhof, wie denjenigen von Zürich, nicht beurteilen. Zudem ist die Frage keine rein technische. Ihre Behandlung durch die Beschwerdeführer macht den Eindruck, als ob diese von der Voraussetzung ausgingen, die in Rede stehenden Landgebiete seien herrenloses Gut und der freien Verfügung des Bundesrates überlassen. So ist denn auch die Vergleichung mit den verfügbaren Liegenschaften beim Bundeshaus in Bern (Seite 10) ganz verfehlt. Diese Liegenschaften gehören dem Bund, er kann sie nach Belieben behalten oder veräußern. Die Landgebiete in Zürich dagegen, die von Bahnanlagen frei werden, für welche die Nordostbahn an anderer Stelle vollen Ersatz geschaffen hat, sind Eigentum der Nordostbahn, über, das sie mit Recht die freie Verfügung beanspruchen darf, wenn nicht die Notwendigkeit der Verwendung zu anderen Bahnzwecken unter ° den jetzigen Verkehrsverhältnissen nachgewiesen werden kann.

Zum Schlußsatz des Expertengutachtens aber haben wir zu bemerken, daß ein fachmännisches Kollegium an Hand eines bestimmten Fragenschemas sich wohl in der Lage sehen kann, die Fragen rein abstrakt nach gewohnten technischen Anschauungen zu beantworten, daß aber gerade eine weitschauende Eisenbahnverwaltung neben thunlicher Berücksichtigung dieser Anschauungen doch auch noch andere als rein technische Gesichtspunkte in Betracht zu ziehen hat.

B e r n , den 24. Juni

1901.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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Nachtragsbericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Beschwerde der Zürcher Behörden betreffend den Vergleich in Sachen der Erstellung von Hauptreparaturwerkstätten der Nordostbahn in Zürich. (Vom 24. Juni 1901.)

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