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2572 Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Abänderung des Bundesbeschlusses vom 14. Juni 1923 über den Generalabschluss fttr die Ausgaben der Kriegsmobilmachung in den Jahren 1914--1921.

(Vom 27. Mai 1930.)

Der Verfassungsartikel vom 27. Juni 1919 über die Erhebung einer neuen ausserordentlichen Kriegssteuer umschreibt in Ziffer l den Zweck der Steuer wie folgt: «Der Bund erhebt eine ausserordeutliche Steuer zum Zwecke der Deckung der Kapitalausgaben, die für das Truppenaufgebot während des Weltkrieges bis Ende 1918 aufgewendet worden sind.» In Ziffer 2 wird über die Erhebungsdauer bestimmt: «Die Steuer wird in vierjährigen Perioden so oft erhoben, bis der dem -Bunde zukommende Ertrag zusammen mit den Ergebnissen der ersten Kriegssteuer und der Kriegsgewinnsteuern die Kapitalausgaben für das Truppenaufgebot deckt. Bleibt zuletzt noch ein Betrag zu decken, der geringer ist als das voraussichtliche Ergebnis einer nochmaligen Wiederholung der Steuer, so entscheidet die Bundesversammlung endgültig darüber, ob die Steuer auch noch bis zur Höhe dieses Bestes zu erheben ist.» Ziffer 11 sagt, dass die Bundesversammlung nach Bereinigung der Rechnung die Höhe der Kapitalausgaben für das Truppenaufgebot bestimmen werde.

Die so festgestellten Kapitalausgaben und die Erträgnisse der Kriegssteuer sollen auf einer besondern, von der ordentlichen Staatsrechnung getrennten Bechnung gebucht werden.

In Ausführung dieser letztern Vorschrift haben Ihre Eäte im Bundesbeschluss vom 14. Juni 1928 über den GreneralabschlusB für die Ausgaben der Kriegsmobilmachung in den Jahren 1914 bis 1921 (A. S. n. F. 39, 176) folgendes bestimmt:

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«2. Die Kapitalausgaben für das Truppenaufgebot bis 81. Dezember 1918, die gemäss dem Verfassungsartikel vom 27. Juni 1919 über die Erhebung einer neuen ausserordentlichen Kriegssteuer für die Dekkung durch diese Steuer in Betracht fallen, werden auf Fr. 1,160,000,000 festgesetzt. Nicht verwendete Beträge sind nach vollständiger Abrechnung dem Konto der neuen ausserordentlichen Kriegssteuer gxitzuschreiben.

Von der Gesamtsumme von Fr. 1,160,000,000 sind durch die erste Kriegssteuer sowie durch die Kriegsgewinnsteuer (nach Abzug der Verwaltungskosten, des Anteils der Kantone und der Einlage in den Fonds iür Arbeitslosenfürsorge) auf 81. Dezember 1922 gedeckt Fr. 651,623,517.84.

Es bleiben auf diesen Zeitpunkt noch zu decken Fr. 508,376,482. 66, die nach Abzug des noch eingehenden Ertrages der Kriegsgewinnsteuer und nach Verrechnung der nicht verwendeten Beträge durch die neue äusserordentliche Kriegssteuer aufzubringen sind.» In diesem Gesamtbetrag von Fr, 1,160,000,000 waren neben don tatsächlichen Ausgaben bis 31. Dezember 1918 noch spätere, durch die Mobilmachung verursachte Kosten Inbegriffen. Die Botschaft vom 6. Juni 1922 (Bundesbl. 1922, Bd. If, S. 509) hat sich über den Begriff «Kapitalausgaben für das Truppenaufgebot bis Ende 1918» wie folgt ausgesprochen: «Jedenfalls kann man nicht sagen, dass es darauf ankomme, ob bis Ende 1918 eine Kapitalausgabe tatsächlich gemacht worden sei und dass infolgedessen dasjenige, was bis dahin ausgegeben worden ist, in Betracht falle, nicht aber dasjenige, was nach diesem Termin ausgegeben worden ist. Man käme sonst zum Ergebnis, dass das sehr häufig von durchaus zufälligen Umständen abhängige Datum der Auszahlung massgebend sein müsste. Die Leistungen z. B. der Militärversicherung für den Mann, der vor dem 1. Januar 1919 krank geworden ist, würden der Mobilmachungsrechnung belastet, soweit sie bis Ende des Jahres 1918 tatsächlich ausgerichtet worden sind; was aber nachher zu bezahlen ist, sei es Krankengeld oder Spitalkosten, sei es im Falle der Invalidität das Deckungskapital für die Pension, müsste ausser Betracht fallen. Der Landschaden, der vielleicht schon in den Jahren 1915 und 1916 entstanden ist, der aber erst im Jahre 1919 abgeschätzt werden konnte, nachdem die Befestigungsanlagen von den Truppen verlassen worden waren müsste ausser Betracht
bleiben. Das Pferdemietgeld hätte das gleiche Schicksal, ebenso die Notunterstützungen usw. Es ist offenbar, dass eine derartige Auslegung zu ganz unhaltbaren Verhältnissen führen würde und infolgedessen nicht zur Anwendung kommen kann.

Wir halten dafür, dass entscheidend sein muss, ob die Ausgaben durch Tatsachen, die vor Ende 1918 sich ereignet haben, veranlasst worden sind und mit don vor diesem Zeitpunkt getroffenen Massnahmen im Zusammenhang stehen. Trifft das zu, so gehören sie in die Eechnung, trifft das nicht /u, so sind sie zu streichen,»

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Die eidgenössischen Räte haben dieser Auffassung beigepflichtet ; sie haben für eine ganze Beihe von Eubriken der Mobilmaehungsreohnung zur Deckung der späterhin erst noch zu machenden Zahlungen Rückstellungen vorgenommen und diese in die Berechnung der Gesamtkosten, die durch die ausserordentliche Kriegssteuer zu decken sind, einbezogen. Der von der Bundesversammlung genehmigte Generalabschluss sieht Rückstellungen im Betrage von rund 76 Millionen Franken vor, darunter 32 Millionen für Bahntransporte und sodann 40 Millionen für die Militärversicherung. Während aber die in den übrigen Rubriken gemachten Rückstellungen zur Deckung der noch zu machenden Ausgaben genügten, trifft dies bedauerlicherweise bei der Militärversichorung nicht zu.

Die Ausgaben der Militärversicherung hatten sich bis Ende 1921 auf Fr. 55,700,000 belaufen. In jenem Zeitpunkte musate die Rechnung über die Kosten der Mobilmachung abgeschlossen werden. Bei vielen der aufgestellten Rubriken war es ohne Mühe möglich, die Reservestellung zu bestimmen. Dagegen zeigte sich sofort, wie schwierig die auch nur annähernde Berechnung der noch zu erwartenden Leistungen der Militärversicherung sich wegen deiin Behandlung stehenden Fälle gestaltete. Man versuchte auf dem Wege der Schätzung zu ermitteln, was die noch in Behandlung stehenden Fälle kosten könnten. Auf Grund dieser Schätzung wurde der Vorschlag gemacht, für die noch zu erwartenden Ansprüche Fr. 20,000,000 in Reserve zu stellen. Neue Berechnungen und Schätzungen zeigten, dass die genannte Summe zu klein war. Die Reserve wurde deshalb auf Fr. 40,000,000 gebracht.

Alle beteiligten Stellen waren der Ansicht, dass damit für sämtliche noch zu erwartenden Ansprüche reichlich vorgesorgt sei.

Leider ist diese Hoffnung nicht in Erfüllung gegangen, denn bis Ende 1929 hat die Militärversicherung auf Rechnung der genannten Rückstellung bezahlen müssen : 192J Fr.

768,562.07 1922 » 16,610,784.21 1923 » 5,761,482.87 1924 » 5,692,011.45 1925 » 3,520,170.94 1926 » 2,034,215.79 1927 -, » 1,658,778.56 1928 » 1,806,130.08 1929 » 2,218,596.45 zusammen Fr. 40,065,732.42 Schon Ende 1929 waren daher die Mittel erschöpft, welche durch den Bundesbeschluss vom 14. Juni 1928 der Militärversieherung zur Deckung ihrer Ausgaben aus Aktivdienst zur Verfügung gestellt worden waren. Die Militärversicherung wurde ermächtigt, ihre Zahlungen aus Aktivdienst bis zum

544 Belaufe von 5 Millionen zu Lasten der unter Ziffer 58 des Generalabschlus&es gemachten Beservestollung «Unvorhergesehenes» zu leisten. Dieser Eeservestellung sind seit 1928 die Euckvergutungen gutgeschrieben worden, die aut verschiedenen andern Bubriken seither erfolgt sind, insbesondere aus der Eubrik 3 fc «Internierte». Im Augenblick des Abschlusses der Mobilmachung»rechnung schuldeten mehrere fremde Staaten der Schweiz noch beträchtliche Beträge, welche wir für ihre bei uns internierten Angehörigen vorgeschossen hatten. Diese Ausgaben waren provisorisch in die Kriegsmobilmachungskosten einbezogen worden und erschienen infolgedessen in der Rechnung unter den Ausgaben. Im Augenblick des Abschlusses war ein grosser Teil dieser Vorschüsse noch nicht ruckerstattet. Mit Bucksicht auf die verworrenen Verhältnisse, in denen sich die schuldnerischen Staaten befanden, war es unsicher, ob eine Vergütung stattfinden würde. Infolgedessen hielt man es für richtig, die ergangenen Ausgaben mit Fr. 2,123,552.69 in den Kriegsmobilmachungskosten zu belassen. Seither sind unsere Ansprüche zur Hauptsache erfüllt worden und die eingegangenen Zahlungen wurden der frühem Eubrik « Unvorhergesehenes» gutgeschrieben, welche Bubrik unter den «Beservestellungen» als Ziffer 12 erscheint. Mit diesen Zahlungen und einigen andern Vergütungen, aber auch dank dem Umstand, dass eine Beihe von Ausgaben herabgesetzt werden konnte, ist die hier geschaffene Beserve auf Fr. 5,228,600 angewachsen.

Bereits im Mai des Jahres 1929, also in einem Zeitpunkt, wo man über den Ertrag der III. Periode der Kriegssteuer noch vollständig im Ungewissen war, hatte das eidgenössische Militärdepartement einen Bericht ausgearbeitet, aus dem hervorgeht, dass die für die Leistungen der Militarversicherung aus
So gut die Verhaltnisse es erlauben, möchten wir Beehenschaft darüber geben, auf welche Grunde die so bedauerliche Höhe der Ausgaben der MilitarVersicherung zurückzuführen ist und weshalb sich die ursprünglichen Schätzungen nachträglich als ungenügend erwiesen haben. Einmal wird man nicht verkennen dürfen, dass
es ausserordentlich schwer, wenn nicht unmöglich war, damals, als die Eechnung abgeschlossen wurde, die Entwicklung vorauszusehen. Die Grunde der wachsenden Avsgaben sind hauptsächlich in der Gesetzgebung zu suchen, dann auch in ihrer Anwendung und endlich in dem Gebrauch, den unsere Soldaten und ihre Angehörigen je länger je mehr von der Militärversicherung machen.

Die Gesetzgebung leidet an dem schweren Fehler, dass sie die Ansprüche gegenüber der Militärvereicherung zeitlich in keiner Weise begrenzt. Während im Gebiet des Zivilrcohts allo vermögensrechtlichen Anipriirhß nach einer gewissen Zeit durch Verjährung untergehen und im Strafrecht auch die schwersten Verbrechen verjähren und ebenso die härtesten Strafen, kennt die Gesetz-

545 gebung über die Militärversicherung eine zeitliche Begrenzung der Ansprüche nicht. Die schwerwiegenden Folgen, die aus dieser Sachlage entstehen, sind einleuchtend. Wer während des Militärdienstes einmal ärztlich behandelt und als gesund entlassen worden ist, kann sich bis an sein Lebensende bei der MilitärVersicherung mit der Behauptung neuerdings melden, seine jetzige Krankheit stehe mit jener Erkrankung ini Militärdienst im Zusammenhang und die MilitärVersicherung sei haftbar. Nach Beinern Tode können die Hinterbliebenen ähnliche Ansprüche geltend machen. Die Militärversicherung kann sich der Forderung nicht mit der Einrede der Verjährung widersetzen. Sie musa den Fall zum mindesten eingehend prüfen und oft genug vorübergehende oder dauernde Leistungen übernehmen. Wenn man an die Zahl der Soldaten und die Dauer ihrer Dienstleistungen während des Aktivdienstes denkt, so kann man die ungeheure Menge von Fällen sich vorstellen, für welche die Möglichkeit bestel t, dass heute oder später noch eine Anmeldung erfolgt und die Militärversicherung Leistungen auf sich zu nehmen hat, deren Zahl und Bedeutung sehr erheblich ist.

Dazu können sieh aber auch Fälle gesellen, von denen bis jetzt kein Krankenïapport irgend etwas zu melden weiss. Die Möglichkeit für den Ansprecher ist gegeben, mit Hilfe von Aussagen seiner Kameraden, seiner Familie, seiner Nachbarn usw. den Beweis zu leisten, dass er im Militärdienst erkrankt oder verunfallt, aus dem Militärdienst krank nach Hause gekommen sei. Auch hier muss die Militärversicherung zum mindesten den Fall genau untersuchen, nicht selten auch für ihn aufkommen.

Das Gesetz vom 28. Juni 1901 sieht in Art. 6, lit. c, vor, dass die Militärversicherung auch für Erkrankungen haftbar sei, welche eine Folge gesundheitsschädlicher Einwirkungen während des Dienstes sind und innert 3 Wochen nach Schluss des Dienstes durch einen patentierten Arzt konstatiert werden. Es genügt also, dass sich der Mann innert 3 Wochen nach Dienstantritt bei einem patentierten Arzte meldet. Gestützt auf dessen Feststellung kann er seine Anmeldung in einem beliebigen spätem Zeitpunkt vornehmen und die Militärversicherung kann sich auch hier nicht auf Verspätung der Anmeldung, Verjährung des Anspruches und dergleichen berufen. Ferner sagt der Art. 7 des genannten Gesetzes, dass auch für
diejenigen Schädigungen die Militärversicherung haftbar sei, welche innert Jahresfrist nach ihrer Entstehung der Militärversicherung angemeldet werden, sofern der ursächliche Zusammenhang mit dem Dienst sicher oder sehr wahrscheinlich sei. Hier scheint eine zeitliche Beschränkung auf ein Jahr -\ orgeschrieben zu sein. In Tat und Wahrheit, besteht sie in sehr vielen Fällen deswegen nicht, weil nach der Eechtsprechung des Versicherungsgerich tos die Frist von einem Jahr bei schleichenden Krankheiten erst von dem Augenblick an zu laufen beginnt, in dem die Krankheit dem Versicherten bemerkbar geworden ist und er über ihren Zusammenhang mit dem Militärdienst sich hat Bechenschaft geben können.

Zu dieser ausserordentlkh weitgehenden gesetzlichen Ordnung gesellt sich eine ebenso weitgehende Anwendung durch das Versicherungsgericht. Es ist Bnndesblatt.

82. Jahrg.

Bd. I.

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546 klar, dass, -wenn die soeben erwähnten dehnbaren Begriffe zugunsten des Ansprechers noch weitherzig ausgelegt werden, die zeitliehen Schranken in der grossen Mehrzahl der Fälle ganz einfach fallen, und zwar auch da, wo man nach dem Wortlaut des Gesetzes das Gegenteil annehmen sollte. Dazu kommt die Begutachtung vieler Ärzte, die den ununterbrochenen Zusammenhang der heutigen Krankheit mit einer um Jahre zurückliegenden, vielleicht ganz harmlos verlaufenen Erkrankung mit Sicherheit oder mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit festzustellen in der Lage sind oder wenigstens tun, als ob dem so sei.

Endlich müssen wir damit rechnen, dass es immer weitern Kreisen bekannt wird, wie leicht es ist, sich Leistungen der Militärversicherung zu verschaffen.

Unter diesen Umständen ist es klar, dass eine irgendwie sichere Schätzung der Verpflichtungen, mit denen die Militärversicherung aus den ausserordentlichen Dienstleistungen der Jahre 1914 bis 1920 heute noch zu rechnen hat, sehr schwierig oder nahezu unmöglich ist. Sie kann sozusagen keinen Fall, mit dem sie jemals zu tun hatte, als endgültig abgeschlossen betrachten. Trotzdem seit Schluss des Aktivdienstes bereits 12 Jahre vergangen sind, kommen immer wieder neue Anmeldungen, die aus jenen Dienstzeiten herstammen.

So haben sich im Jahre 1926 neu vom Aktivdienst her 29 Mann gemeldet, im Jahr 1927 deren 19, 1928 deren 23, im Jahr 1929 deren 30, alles Leute, von denen die Militärversicherung bis dahin gar nichts wusste und die nun ganz unvermutet Leistungen der Militärversicherung verlangen, vielfach mit dem Begehren um Kuckwirkung auf eine grössere oder kleinere Zahl von Jahren.

Den einen oder den andern der Ansprecher wird die Militärversicherung ablehnen können, manchen wird sie aber entschädigen müssen. Die einen von diesen letztern werden wenig Kosten verursachen, bei andern kann es sich aber um ganz erhebliche Summen handeln, kommt es doch nicht selten vor, dass ein einzelner Fall Auslagen von Fr. 40,000 bis Fr. 60,000, je sogar Fr. 80,000 verursacht.

Diese Tatsachen lassen nicht nur erklärlich erscheinen, dass die bisherigen Schätzungen ungenügend waren, sondern eie erschweren in hohem Masse jede genaue Voraussage auch für die Zukunft.

Wir haben die Militärversicherung beauftragt, die Leistungen, die nach den bisherigen Erfahrungen noch erwartet
werden können, zu berechnen.

Sie ist zum Ergebnis gekommen, dass sie noch Leistungen zu gewärtigen hat im Betrage von Fr. 27,600,000. Nach den gemachten Erfahrungen wird man gut tun, einen Zuschlag zu diesem Betrage zu machen und ihn auf Fr. 30,000,000zu erhöhen.

Aus den vorstehenden Darlegungen ergibt sich, dass, als im Jahre 192$ der Gener? labschluss über die Ausgaben für den Aktivdienst der schweizerischen Armee genehmigt und dabei für die Kosten der Militärversicherung aus Aktivdienst ein Betrag von 40 Millionen in Beserve gestellt wurde, man damit unter der Wirklichkeit geblieben ist und dass heute, nachdem die 40 Millionen erschöpf t sind, die Militärvexsicberung mit weitern Auslagen aus Aktivdienst von zirka 30 Millionen rechnen muss.

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Fragt man sich nun, in -welcher Weise diese Summe zu decken ist, so wird man sich Eechenschaft ablegen, dass es sich dabei um Mobilmachungsausgaben handelt und dass die rechtliche Situation bezüglich dieser 80 Millionen genau die gleiche ist, wie bezüglich der 40 Millionen, die durch den Bundesbesehluss vom 14. Juni 1923 in Reserve gestellt worden sind. Auch diese neuen Auslagen sind daher gemäss dem Verfassungsartikel von 1919 durch die Kriegssteuer zu decken. Der Betrag, welcher der Militärversicherung dafür zur "Verfügung zu stellen ist, beläuft sich nach Abzug der 5 Millionen, die ihr bereits aus der Eeservestellung «Unvorhergesehenes» überwiesen wurden, noch auf 25 Millionen Franken.

Der Vollständigkeit halber und mit Eücksicht auf den Schlusseatz des ersten Absatzes von Ziffer 2 des Bundesbeschlusses vom 14. Juni 1928 lautend: «Nicht verwendete Beträge sind nach vollständiger Abrechnung dem Konto der neuen ausserordentlichen Kriegssteuer gutzuschreiben» -- fügen wir noch bei, dass auf einer Eeihe anderer Eeservestellungen unbedeutende Eestanzen im Betrage von höchstens Fr. 145,969 vorhanden sind.

Neben den Verpflichtungen der Militärversicherung bestehen noch weitere Ausgaben, die ihrer Natur nach sich als Ausgaben für das Truppenaufgebot im Aktivdienst charakterisieren, die daher ebenfalls der Mobilmachungsrechnung belastet und um deren Betrag die durch die Kriegssteuer zu deckende Totalsumme erhöht werden sollte.

Es handelt sich um folgendes: 1. Während des Aktivdienstes mussten sehr viel Bobinaterialien und Rohfabrikate, die man in Friedonszeiten nur in ganz hochwertiger Qualität verwendet (Stahl, Messing, Sprengstoff, Schwarzpulver usw.), durch solche von viel geringerer Qualität ersetzt werden, und zum Teil musste man besonder» auf dem Sprengstoffgebiet Produkte verwenden, die man noch ungenügend kannte und über deren Haltbarkeit man nicht orientiert war. Diese mangelhaften Eigenschaften der während des Aktivdienstes für die Fabrikation von Munition verwendeten Rohmaterialien und Halbfabrikate führten in den spätem Jahren zu unliebsamen Vorkommnissen ; nicht nur bei uns, sondern in beinahe sämtlichen Staaten, die vom Weltkrieg in dieser oder jener Form berührt worden waren. Glücklicherweise sind bei uns keine Menschenleben zu beklagen gewesen. Dagegen ist Materialschaden entstanden. So
traten Eohrkrepierer bei der Artillerie auf, durch die mehrere Geschütze defekt wurden.

Diese Erscheinungen nötigten in zwingender Weise dazu, die gesamte, wahrend des Weltkrieges fabrizierte Artilleriemunition zu revidieren. Es sind daraus Kosten im Betrage von rund Fr. 8,700,000 entstanden, die, wie in der Botschaft vom 6. Juni 1922 gesagt ist, «durch Tatsachen veranlagst worden sind, die vor Ende 1918 sich ereignet haben und mit den vor diesem Zeitpunkt getroffenen Massnahmen im Zusammenhange stehen» und die daher füglich den Mobilmachungskosten ungerechnet werden dürfen. Der Bundosrat wollte immerhin vermeiden, wegen dieses Betrages den Bäten Antrag zu stellen, auf ihre Kosten-

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bestimmung vom 14. Juni 1928 zurückzukommen und hat daher versucht, die Kosten auf andere Art und Weise, zum Teil aus den laufenden Budgets zu decken. Er hat daher dem Militärdepartement einen Vorschusskredit bewilligt, den es durch jährliche Eaten zu amortisieren hatte. Ende 1928 belief sich der noch zu amortisierende Betrag auf Fr. 4,148,712. Infolge der Einschränkung des Militärbudgets auf eine bestimmte Summe war es in don Jahren 1929 und 1930 dem Militardepartement nicht mehr möglich, die Amortisationen weiter fortzuführen. Es handelt sich da um Verluste, die unmittelbar mit der Mobilmachung im Zusammenhang stehen. Es empfiehlt sich und entspricht dem Verfassungsartikel über die ausserordentliche Kriegssteuer, auch diesen Betrag zu Lasten der Mobilmachungskosten zu verrechnen.

2. Nach Schiusa des Aktivdienstes wurden die Inventarvorräte sämtlicher Werkstatten des Militärdepartements neu geschätzt Der damalige Schatzungswert wurde eher niedrig angesetzt. Das geschah insbesondere auch-bei der eidgenössischen Konstruktionswerkstätte in Thun. In der Folge aber hat sich ergeben, dass die Schätzungen des Inventarwertes immer noch erheblich zu hoch geblieben sind. So weist heute die Konstruktionswerkstätto noch ein Inventar von Fr, 2,390,897.65 aus, und darunter befinden sich nochgrössere Vorräte aus der Kriegsmobilmachungszeit, die in gleicher Weise, wie es bei andern Werkstätten geschah, zu Lasten der Kriegsmobilmachung in weitgehender Weise hätten abgeschrieben werden sollen.

Ferner ist zu bemerken, dass infolge der dem Militärwesen auferlegten Ersparnismassnahmen der Beschäftigungsgrad der Konstruktionswerkstatte stark zurückging und sie die in Frage stehenden Vorräte nicht verwerten und auch nicht aus den Betriebsergebnissen abschreiben konnte. Zum Teil sind diese Vorräte heute nicht mehr verwendbar, so dass für sie nur noch ein Verkauf als Altmaterial in Frage kommt. Der Liquidationspreis aber steht zum Inventarwert in einem ausserordeutlich ungünstigen Verhältnis, so dass aus einer derartigen Liquidation eine grosse finanzielle Einbusse für die Konstruktionswerkstätte die notwendige Folge wäre. Es ist daher unumgänglich notwendig geworden, durch ausserordentliche Abschreibungen eine Sanierung herbeizuführen.

Zu dem Zweck hat die kriegstechnische Abteilung im Einverständnis mit dem
Militärdepartement das gesamte Inventar der Konstruktionswerkstätte neu bewerten lassen und dabei die Artikel entsprechend der Verwendungsmöglichkeit in verschiedene Kategorien eingeteilt, und zwar eine Kategorie für vollverwendbares Material, eine solche für beschrankt verwendbares und eine dritte umfassend dasjenige Material, das praktisch nur als Altmaterial zur Liquidation gebracht werden kann. Es hat sich dabei ergeben, dass es notwendig wird, den heutigen Inventarwert von Fr. 2,390,897.65 auf einen Betrag von Fr. 1,398,237.75 herabzusetzen. Wir fügen bei, dass schon die Finanzkontrolle in einem Bcvisionsprotokoll vom 23. September 1929 auf die Notwendigkeit außerordentlicher Abschreibungen hingewiesen hat.

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Auch diese Abschreibung im Werte von rund einer Million erweist sich im Grunde als eine Mobilmachungsausgabe und ist daher ebenfalls als solche zu verrechnen.

Diese drei eben besprochenen Posten im Betrage von zusammen rund 30 Millionen Franken hätten ein Zurückkommen auf den Bundesbeschluss vom 14. Juni 1928 ohnehin erfordert, und zwar auch auf die Gefahr hin, dass sich daraus eine Verlängerung der Kriegssteuer ergeben haben würde.

Wir erinnern daran, dass durch den soeben erwähnten Beschluss Ihrer Bäte vom 14. Juni 1923 rund 18 Millionen Franken aus der Mobilisationsrechnung nachträglich ausgeschieden worden sind. Dieser Posten wurde auf das Konto der aus den ordentlichen Einnahmen des Bundes zu tilgenden Aufwendungen übertragen. Sodann sind auch die vom Dezember 1918 an aufgelaufenen Kosten für die Bewachungstruppen mit rund 44 Millionen Franken den durch die Kriegssteuern zu tilgenden Mobilisationskosten nicht einverleibt worden und ebenso nicht die Kosten des Truppenaufgebotes für den Landesstreik im Jahre 1918, die mit 39 Millionen gleichfalls unter den zu tilgenden Aufwendungen der Kapitalrechnung figurieren. Diese 3 Posten machen zusammen mehr als 100 Millionen Franken aus.

Wir erinnern schliesslich an die ausserordentlichen Leistungen der Bundesbahnen in den Kriegs- und Nachkriegsjahren, für die ihnen durch Bundesbeschluss vom 6. Juni 1929 (A. S. n. F., Bd. 45, S. 261) eine Vergütung von 35 Millionen Franken bewilligt worden ist. Ein Teil der Leistungen der Bundesbahnen, für die sie diese Vergütung erhalten haben, lässt sich zweifelsohne unter die Kapitalausgaben für das Truppenaufgebot subsummieren und wäre wohl auch ohne weiteres auf das betreffende Konto übertragen worden, wenn man die heutige Situation bezüglich des Ertrages der neuen Kriegssteuer hätte voraussehen können. Man befürchtete aber, dass die Übertragung auf das Mobilisationskonto zu einer Verlängerung der Kriegssteuer führen könnte, weshalb man darauf verzichtete. Wir verweisen in dieser Hinsicht auf das in der Botschaft des Bundesrates an Ihre Eäte vom 4. März 1929 (Bundesbl. 1929, Bd. l, 8. 302, oben) Gesagte.

Die neue ausserordentliche Kriegssteuer ist für 1921/1924 und für 1925/1928 erhoben worden. Im Jahre 1928 waren die Vorbereitungen für die Veranlagung der III. Periode, die die Jahre 1929--1982 umfasst, zu treffen.
Der ungedeckte Saldo der Mobilisationskosten auf 81. Dezember 1928 betrug Fr. 185,123,285; von den Ausständen der I. und II. Periode konnten noch rund Fr. 8,000,000 erwartet werden, so dass durch die III. Periode zu decken verblieben rund Fr. 177,000,000. Der Anteil des Bundes am Einschätzungsergebnis der II. Periode betrug Fr. 165,000,000. Um den ganzen Best der Mobilisationskosten zu decken, musste die III. Periode dem Bunde daher Fr. 12,000,000 mehr einbringen als die II. Ein gewisser Mehrertrag auf Grund des Mehrwertes des Wertschriftenvermögens war zu erwarten; anderseits

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wusste man aber auch, däss die Landwirtschaft einen geringern Steuerertrag abwerfen würde als in den vorgegangenen Perioden. Es waren aber keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der Ertrag der III. Periode den noch zu deckenden Best der Mobilisationskosten wesentlich übersteigen werde.

Die Einschätzungen für die III. Periode fanden im Jahr 1929 statt und zogen sich in mehreren Kantonen bis in die ersten Monate des Jahres 1980 hinein. Wichtige Steuerfälle konnten erst in letzter Zeit erledigt werden oder harren noch der Erledigung. In der Hauptsache sind die Taxationen indessen jetzt abgeschlossen, und es erzeigt sich nun, dass der Nettoertrag für den Bund auf ungefähr Fr. 217,000,000 geschätzt werden kann, -womit er den zu deckenden Best um etwa 40 Millionen Pranken übersteigt. Dieses Ergebnis kann sich im Laufe der Periode durch Einschätzung nicht erledigter Fälle und durch die Steuer neu in die Steuerpflicht eintretender Pflichtiger noch etwas erhöhen.

Anderseits ist mit einem gewissen Abgang durch Herabsetzung der Steuerleistungen im Einsprache- und Bekursverfahren zu rechnen. Des weitern können sich beim Steuerbezug Ausfälle ergeben wegen Nichteinbringlichkeit von Steuern oder Bewilligung von Steuererlassen. Diese letztern insbesondere könnten eine gewisse Ausdehnung und in ihrer finanziellen Auswirkung eine nicht unerhebliche Bedeutung annehmen, wenn unser Land in den nächsten Jahren eine wirtschaftliche Krise durchzumachen haben sollte.

Wie gross in genauen Ziffern der Anteil des Bundes am Ertrag« der III. Periode der Kriegssteuer sein wird, lässt sich also heute nicht sagen und wird auch vor Ablauf von 8 bis 4 Jahren nicht gesagt werden können. Dagegen steht mit Sicherheit fest, dass dieser Anteil den zu deckenden Best der Mobilisationskosten überschreiten wird, nach heutiger Schätzung wie gesagt um etwa 40 Millionen Franken.

Der Wortlaut des 2. Satzes der Ziffer 2 des eingangs abgedruckten Verfassungsartikels ist auf den Fall zugeschnitten, wo nach Abschluss einer Steuerperiode noch ein Betrag an Mobilisationskosten zu decken bleibt, der geringer ist als der dem Bunde zukommende voraussichtliche Ertrag einer nochmaligen Wiederholung.

Der Fall dagegen, wo die Wiederholung der Steuer einen Überschuss über den zu deckenden Best der von der Bundesversammlung festgesetzten Mobilisationskosten
ergibt oder erwarten lässt, ist durch den Verfassungsartikel nicht geordnet. Wir halten es indessen für notwendig, dass nunmehr der Bundesversammlung von der Sachlage Kenntnis gegeben und ihr der Entscheid darüber anheimgestellt werde, was geschehen soll.

Man darf also mit Gewissheit darauf rechnen, dass der im Gange befindliche Bezug der Kriegssteuer für die dritte Periode dem Bunde einen Betrag einbringt, der zusammen mit dem Ertrag der Steuern der vorhergehenden Perioden die von der Bundesversammlung auf Fr. 1,160,000,000 festgesetzte Kostensumme für die Mobilmachung übersteigt.

Der Best der Mobilisationsschuld, der nach Geist und Wortlaut des Verfassungsartikels vom 27. Juni 1919 durch den Ertrag der Kriegssteuer

551 gedeckt worden soll, wird mit Sicherheit 30 Millionen Franken erreichen.

Der von der dritten Kriegssteuerperiode zu erwartende Mehrertrag wird hievon zum grössten Teil aufgezehrt. Der allfällig noch verbleibende Überschues muss aus den angeführten Gründen dem Konto Kriegsmobilmachungsausgaben gutgeschrieben werden.

Wir hoffen, Sie mit unsern Ausführungen Überzeugt zu haben, dass unter den geschilderten Verhältnissen der Gesamtbezug der Kriegssteuer der dritten Periode notwendig ist.

Wir empfehlen Ihnen daher den nachstehenden Beschlussesentwurf zur Annahme und benützen den Anlass, Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

Bern, den 27. Mai 1980.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Mnsy.

Der Bundeskanzler: Kaeslin.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

die Abänderung des Bundesbeschlusses vom U.Juni 1923 über den Generalabschluss für die Ausgaben der Kriegsmobilmachung in den Jahren 1914--1921.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsichtnahme einer Botschaft des Bundesrates vom 27. Mai 1980, beschliesat:

Art. 1.

Der Absatz l der Ziffer 2 des Bundesbeschlusses vom 14. Juni 192S über den Generalabschluss für die Ausgaben der Kriegsmobilniachung wird abgeändert wie folgt: Die Kapitalausgaben für das Truppenaui'gebot bis Ende 1918 werden endgültig auf die Summe begrenzt, die der Ertrag der ersten Kriegssteuer zusammen mit dem der Kriegsgewinnsteuer und mit dem dem Bunde zukommenden Ertrag der neuen ausserordentlichen Kriegssteuer in den drei Perioden 1921/1924, 1925/1928 und 1929/1982 ergeben wird.

Der Bezug der neuen ausserordentlichen Kriegssteuer wird mit dem Jahre 1932 beendigt.

Art. 2.

Dieser Beschluss tritt, als nicht allgemein verbindlicher Natur, sofort in Kraft.

Art. 3.

Der Bundesrat ist mit dem Vollzug beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Abänderung des Bundesbeschlusses vom 14. Juni 1923 über den Generalabschluss für die Ausgaben der Kriegsmobilmachung in den Jahren 1914--1921. (Vom 27. Mai 1930.)

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