4 3

8

N o

6

# S T #

1

Bundesblatt

80. Jahrgang.

Bern, den 24. Oktober 1928.

Band II.

Erscheint wöchentlich. Preis 30 Franken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- and Postbestellungsgebühr.

Einrückungsgebühr : 60 Rappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an Stämpfli & de. in Bern. :

# S T #

Kreisschreiben des

Bundesrates an die Regierungen der Kantone betreffend die Bundeshilfe zur Milderung der landwirtschaftlichen Notlage.

(Vom 19. Oktober 1928.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

, .

Wir beehren uns, Ihnen hiermit den Bundesbeschluss vom 28. September 1928 betreffend eine vorübergehende Bundeshilfe zur Milderung der Notlage in der schweizerischen .Landwirtschaft zu übermitteln.

Die landwirtschaftliche Notlage und die zu ihrer Milderung zu gewährende Hilfe des Bundes und der Kantone wurden in Anwesenheit des Vorstehers unseres Volkswirtschaftsdepartements und des Direktors der Abteilung für Landwirtschaft in der Konferenz der Landwirtschaftsdirektoren vom 3./4. September 1928 in Siders behandelt. Im Anschlüsse hieran wurden den kantonalen Landwirtschaftsdirektionen am 8. September 1928 zugestellt: ' 1. der Bericht des Bundesrates vom 7. September, 1928 an die Bundesversammlung über die Festsetzung der Preise für Inlandgetreide der Ernte 1928, 2. die Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 7. September 1928 über Massnahmen zur Linderung der Notlage in der Landwirtschaft.

. · '

:

' '

I.

'

-

·

' Auf Grund der Bestimmungen des Bundesbeschlusses vom 7. Juni 1927 und nach. Massgabe der Marktlage hätte sich für 1928 ein um etwa Fr. 2. 50 für 100 kg Weizen niedrigerer Ankaufspreis, für Inlandgetreide, ergeben, als er während den letzten Jahren zur Auszahlung gelangt ist. In Würdigung der gegenwärtigen Lage der -Landwirtschaft hielt es der Bundesrat jedoch für angemessen, den bisherigen- Preis für Inlandgetreide entgegenkommend auch für die Ernte 1928 zu bewilligen. Er.beantragte daher, die eidgenössischen Eäte möchten ihn ermächtigen, .'.die Ankaufspreise für Inlandgetreide dei Ernte 1928 in bisheriger Höhe zu belassen und sie für 100 kg festzusetzen wie folgt: Weizen Fr. 42.50, Boggen Fr. 35,50, Mische!-aus Koggen und Weizen Fr. 39.--, Dinkel unentspelz Fr. 30. 50.

, Bundesblatt. 80. Jahrg. Bd. II.

53

682

Die eidgenössischen Bäte haben diesem Antrage in der letzten Septembersession zugestimmt. Der Bundesrat hat hierauf mit Beschluss vom 29. September 1928 die Preise in der genannten Höhe festgesetzt.

n.

Der beiliegende Bundesbeschluss vom 28. September 1928 sieht zwei Gruppen von Massnahmen vor: erstens solche, die in der Hauptsache vom Bunde ohne besondere Mitwirkung der Kantone durchzuführen sind (Art. 2, lit. a, b und d) und zweitens solche, w.elche die Mitwirkung der Kantone zur Voraussetzung haben (Art. 2, lit. c, und Art. 3). Wenn uns auch vorwiegend diese zweite Gruppe Veranlassung zu diesem Kreisschreiben gibt, so möchten wir vorgängig doch kurz auch über die weitern Massnahmen,, insbesondere soweit sie bereits in Anwendung sind, einige orientierende Bemerkungen anbringen.

.

1. Die nach Art. 2, lit a, ausgesetzten 6 Millionen Pranken sind in erster Linie zur Fortsetzung und Erweiterung der auf Grund des Bundesbeschlusses vom 27. Juni 1927 im Gange befindlichen Förderung der Butterproduktion bestimmt. Nach Massgabe der besondern Verhältnisse und Bedürfnisse sollen sie nötigenfalls auch für andere Aufgaben, wo sie · zur Entlastung des Käsemarktes dienen können, herangezogen werden.

Die bezüglichen Verhandlungen mit Vertretern der Interessentengruppen, insbesondere dem Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten, sind im Gange.

2. Auf Eechnung der nach Art. 2, lit. b, ausgesetzten 1,5 Millionen Franken hat der Bundesrat schon vor.Erlass des Bundesbeschlusses vom 28. September 1928 für Tiere des Binder- und Ziegengeschlechtes folgende Frachterleichterungen gewährt: a. Geniäss Mitteilung des Volkswirtschaftsdepartements vom 22. August 1928 übernimmt der Bund für die in der Zeit vom 1. September bis 30. November 1928 zur Ausfuhr gelangenden Tiere die Frachtkosten auf der schweizerischen Transportstrecke.

1). Zur Erleichterung des Absatzes von Zuchtvieh aus den Zuchtgebieten auch im Inlande übernimmt der Bund ferner die Hälfte der Bahnfrachten für Zuchttiere, die ab den bis 15. November 1928 in diesen Gebieten stattfindenden Viehmärkten nach Stationen der übrigen Schweiz aufgegeben werden (Mitteilungen des Volkswirtschafts: départements vom 24. September und 13. Oktober 1928).

Über weitere Massnahmen zur Hebung des Viehabsatzes im Inund Auslande (Kreditgewährung, Errichtung von Zucht- und Verkaufs·.. . .

Stationen im Auslande, Schlachtviehverwertung im Inlande) führt das Volkswirtschaftsdepartement Verhandlungen mit Vertretern der Interessentengruppen.

683

8. Über die geplante Verwendung des nach Art. 2, lit. d, ausgesetzten Betrages von l Million Franken für die Förderung einzelner Betriebszweige, insbesondere zur rationellen Verwertung von Obst, Gemüse und Erzeugnissen der Nutzgeflügelhaltung, ferner zur Unterstützung neuer Tätigkeitsgebiete landwirtschaftlicher Vereine, die zur Behebung der Notlage geeignet sind, sowie auch zur Schaffung von Nebenverdienst durch bäuerliche Heimarbeit wird für einmal auf unsere Botschaft an die Bundesversammlung vom 7. September 1928 verwiesen. Auch hierüber sind Verhandlungen mit Vertretern der Interessentengruppen im Gange. Es soll hierbei der Förderung der Qualitàtsproduktion und dem kommerziellen Ausbau der Produktenverwer,tung in Verbindung mit den landwirtschaftlichen Organisationen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Das Volkswirtschaftsdepartement nimmt gerne allfällige Vorschläge der kantonalen Behörden auch liber die vorstehend berührten Tätigkeitsgebiete entgegen. Über Vorkehren von allgemeiner Bedeutung wird es die interessierten kantonalen Behörden ohnehin von Fall zu Fall benachrichtigen.

III.

1. Im Einvernehmen mit dem Bundesrat hat das Volkswirtschaftsdepartement schon am 25. Juli 1928 an die weinbautreibenden Kantone das Seite 15/16 der Botschaft vom 7. September 1928 an die Bundesversammlung abgedruckte Kreisschreiben betreffend die ausserordentlichen Frostschäden in den Rebbergen vom Frühjahr 1928 erlassen. Für die eingegangenen Antworten und die Mitwirkung des Bundes bei der Übernahme solcher Schäden wird auf die genannte Botschaft verwiesen. Auf Grund von Art. 2, lit. c. des Bundesbeschlusses vom 28. September 1928 können solche Bundesbeiträge nun in der Höhe der kantonalen Leistung zur Auszahlung gelangen bzw. die von den Kantonen gemachten Aufwendungen zur Hälfte zurückerstattet werden. 7ju diesem Zwecke haben die Kantone die in üblicher Weise aufzustellende Abrechnung mit einem kurzen Bericht über die durchgeführte Hilfsaktion dem Volkswirtschaftsdepartement, Abteilung für Landwirtschaft, einzusenden, worauf die Auszahlung der Beträge erfolgen wird.

2. Einzelne Kantone haben schon früher die Absicht bekundet, eine bescheidene Hilfsaktion ähnlicher Art auf andere, also nicht speziell durch die genannten Frostschäden geschädigte, aber aus andern Gründen notleidende Landwirte auszudehnen. Auf Grund von Art. 2, lit. c, ist nun der Bundesrat ermächtigt worden, auch bei solchen Hilfsaktionen der Kantone oder landwirtschaftlichen Organisationen zugunsten notleidender Wein- und Bergbauern, sowie von Kleinbauern im Flachlande mitzuwirken. Die Bundesleistung wäre hierbei, sofern der verfügbare Kredit hierfür ausreicht, in der Begel in gleicher Höhe zu .bemessen, wie der Aufwand der Kantone oder von anderer nicht direkt» interessierter dritter Seite.

684 "Vorschläge und Begehren dieser Art sind dem Volkswirtschaftsdepartement sobald als möglich, spätestens bis Ende November 1928 unter Angabe der voraussichtlichen Höhe der benötigten Mittel einzureichen.

3. Wie in unserer Botschaft vom 7. September 1928 dargelegt wird, hat der schweizerische Bauernverband im Jahre 1923 als Stiftung einen Hilfsfonds für Klein- und Schuldenbauern und landwirtschaftliche Arbeiter errichtet. Dieser verfolgt den Zweck, notleidende Bauern, deren Existenz gefährdet ist, zu unterstützen. Der Hilfsfonds darf nach der Stiftungsurkunde seine Tätigkeit erst beginnen, wenn er entweder den Betrag von l Million Franken erreicht hat, oder wenn ihm jährliche Einnahmen von mindestens Fr. 40,000 zur Verfügung stehen. Da der Fonds heute erst etwa Fr. 60,000 beträgt, sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Angesichts der gegenwärtigen Notlage der Landwirtschaft ist dies zu bedauern.

Um der Stiftung die beförderliche Aufnahme ihrer Tätigkeit zu ermöglichen, hat der Bundesrat, wie er dies in genannter Botschaft in Aussicht nahm, inzwischen beschlossen, dem Hilfsfonds auf Eechnung des bewilligten Kredites von 1,5 Millionen Franken einen Beitrag von Fr. 100,000 zu verabfolgen.

Der Bundesrat wird im Stiftungsrat vertreten sein und die nähern Bedingungen für die Gewährung des Beitrages festsetzen. Das Volkswirtschaftsdepartement wird seiner Zeit die Bedingungen, unter denen der Hilfsfonds beansprucht werden kann, auch den kantonalen Landwirtschaftsdirektionen mitteilen.

IV.

Nach dem Bundesbeschluss vom 28. September 1928 werden den Kautonen 8 Millionen Franken «für kurzfristige Betriebsvorschüsse an notleidende Landwirte zur Verfügung gestellt. Die Kantone haben diese Darlehen dem Bunde mit 2 % zu verzinsen. Sie sind verpflichtet, diese Vorschüsse zinslos weiterzugeben.

Allfällige Verluste auf diesen Kapitalvorschüssen sind vom Bunde und von den Kantonen zu gleichen Teilen zu tragen. Sofern von den Kantonen die Gemeinden zur Deckung der Verluste herangezogen werden, sollen diesehöchstens mit einem Viertel belastet werden.

Die Betriebsvorschüsse sind ausschliesslich zur Anschaffung von Dünger, Futtermitteln, Saatgut, Vieh und zu andern Aufwendungen für die Aufrechterhaltung des Betriebes zu gewähren» (Art. 3).

Nach Art. 4 setzt der Bundesrat «die Bedingungen fest, unter denen
die in den Art. 2 und 3 genannten Beiträge und Kapitalvorschüsse ihrer Zweckbestimmung zugeführt werden. Er stellt insbesondere Normen auf für das Kriterium der Notlage, welche dem einzelnen ein Anrecht auf Hilfeleistung gibt».

Wir haben für einmal davon Umgang genommen, diese Bedingungen in die Form eines besondern Bundesratsbeschlusses zu kleiden. Sie wurden bisher

685-

von uns von Fall zu Fall festgesetzt, wie sich aus diesen Ausführungen und den Beilagen ergibt.

Der Kredit von 8 Millionen Franken für kurzfristige Darlehen (Art. 3) wird vom Volkswirtschaftsdepartement den Kantonen nach der Zahl ihrer landwirtschaftlichen Betriebe zur Verfügung gehalten. Dabei werden die Betriebe der Alpgebiete doppelt gezählt. Die Betreffnisse der einzelnen Kantone berechnen sich danach wie folgt: Zürich Bern Luzern Uri Schwyz Obwalden Nidwaiden Glarus Zug Freiburg Solothurn Baselstadt Baselland

Übertrag Schaffhausen . . .

Appenzell A.-Eh.. .

Appenzell I.-Bh. . .

St Gallen Graubünden. . . .

Fr.

Fr. 462,214 » 1,505,264 » 368,598 » 79,532 » 186,141 » 80,186 » 46,088 » 80,927 » 28,887 » 375,902 » 242,324 » 4,120 » 146.463

Fr. 3,606,646 » 88,928 » 110,294 » 61,698 » 572 072 » 558,337 » 448,414 243 719 Thurgau .

. . » » 684,873 Tessin » 656,596 Waadt » 760,306 Wallis Neuenburg . . . . » 154,224 » 53,893Genf

Übertrag Fr. 3,606,646

Fr. 8,000,000

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

Angesichts der mannigfaltigen Verhältnisse und Bedürfnisse, die nicht nur von Kanton zu Kanton, sondern selbst von Betrieb zu Betrieb stark wechseln, würde die Aufstellung eng umschriebener, für die ganze Schweiz geltenden verbindlichen Normen für das Kriterium der Notlage, welche dem einzelnen ein Anrecht auf Hilfeleistung gibt, den Kantonen die Durchführung der Hilfeleistung stark erschweren und in manchen Fällen verunmöglichen, wo Hilfe dringend nötig wäre. Wir möchten deshalb auch hier den Kantonen in der Durchführung der Hilfsaktion einen gewissen Spielraum lassen, damit sie diese den Bedürfnissen anpassen können, immerhin sollen dabei folgende Bichtlinien beobachtet werden : Als allgemeiner Grundsatz soll gelten, dasszinsfreie Vorschüsse nur an Landwirte gewährt werden, die zur normalen Aufrechterhaltung und Weiterführung ihres Betriebes nicht über genügend andere Mittel verfügen. In der Eegel sollen an Landwirte, deren reines Grundsteuerkapital Fr. 25,000 übersteigt oder die noch über anderes Vermögen von entsprechender Höhe verfügen, zinsfreie Vorschüsse nicht gewährt werden.

Ausnahmen wären nur in begründeten Fällen zu bewilligen. Die Höhe der Vorschüsse soll die Bedürfnisse des einzelnen Betriebes für die in Art. 3 des Bundesbeschlusses genannten Zwecke nicht übersteigen.

Die Genehmigung der von den Kantonen aufzustellenden Bestimmungen über die Hilfeleistung bleibt vorbehalten.

686

Diese Richtlinien dürften sinngemäss auch für Notstandsaktionen gemäss Art. 2, lit. c, des Bundesbeschlusses Anwendung finden. Eine weitgehend» Berücksichtigung der eigenartigen Vermögens-, Betriebs- und Familienverhältnisse wird hier in besonderem Masse geboten sein. Neben Darlehen können dabei in besondern Fällen auch bescheidene Beiträge à fonds perdu in Erwägung gezogen werden.

Die Darlehen werden den Kantonen nach Massgabe des Bedarfes in Raten ausgerichtet und sind unverzüglich an die Darlehensnehmer weiterzugeben.

Die Rückzahlung hat innert fünf Jahren, spätestens bis Ende 1933 zu erfolgen.

Sie soll in der Regel in fünf gleichen Raten geschehen. Ausnahmen können vom eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement im Einvernehmen mit dem Finanzdepartement bewilligt werden.

Für die Verwendung und Verzinsung verweisen wir auf Art. 3 des Bundesbeschlusses.

Wir bitten die Kantone, unserem Volkswirtschaftsdepartement die Bestimmungen, die sie für die Durchführung der Hilfsaktion, insbesondere für die Gewährung unverzinslicher Betriebsvorschüsse aufgestellt haben, sobald als möglich, spätestens bis Anfang Dezember 1928 zur Genehmigung vorzulegen und ihm den voraussichtlichen Kreditbedarf mitzuteilen. Sollten einzelneKantone die ihnen zufallenden, oben angegebenen Quoten nicht ganz beanspruchen, so ist das Volkswirtschaftsdepartement ermächtigt, die nicht beanspruchten Beträge andern Kantonen zur Verfügung zu stellen, deren Kreditanteil zur Befriedigung der Bedürfnisse nicht ausreicht.

Wir benützen auch diesen Anlass, Sie getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

Bern, den 19. Oktober 1928.

Im Namen des-Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : in Vertretung: Motta.

Der Bundeskanzler: Kaeslin.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Kreisschreiben des Bundesrates an die Regierungen der Kantone betreffend die Bundeshilfe zur Milderung der landwirtschaftlichen Notlage. (Vom 19. Oktober 1928.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1928

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

43

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

24.10.1928

Date Data Seite

681-686

Page Pagina Ref. No

10 030 503

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.