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Schweizerisches Bundesblatt.

53. Jahrgang. III.

Nr. 26.

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26. Juni 1901.

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die Unterstützung der öffentlichen Primarschule durch den Bund.

(Vom 18. Juni 1901.)

Tit.

Im Verlaufe dei- Junisession letzten Jahres brachten die Herren Dr. Gobat und Mitunterzeichner im Nationalrate folgende Motion ein: ,,Der Bundesrat wird eingeladen, die Vorlage betreffend Unterstützung der Volksschule durch den Bund den eidgenössischen Räten zur Beratung zu unterbreiten, und zwar so frühzeitig, daß dieselbe in der Sommersession 1901 behandelt werden kann."

Zur nämlichen Zeit wurde eine gleichlautende Motion von Herrn Munzinger und 19 Mitunterzeichnern auch im Ständerate gestellt.

In der verflossenen Dezembersession nahmen beide Räte die Motion an, und zwar nachdem der Bundesrat die Erklärung hatte abgeben lassen, daß er seinen ini März 1899 aufgestellten, jedoch aus finanziellen Gründen einstweilen zurückgelegten Entwurf eines Bundesbeschlusses in der nächsten Junisession einbringen werde.

Bundesblatt. 53, Jahrg. Bd. III.

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Die Frage der Unterstützung der Primarschule ist nicht neu.

Einige erblicken ihren Ursprung schon in der Verfassung der einen und unteilbaren helvetischen Republik, die das gauze öffentliche Unterrichtswesen dem Direktorium und dem Minister der Künste und Wissenschaften unterstellte ; wir wollen indessen nicht soweit zurückgreifen, sondern uns darauf beschränken, auf die Thatsache hinzuweisen, daß zur Zeit der Verhandlungen der Tagsatzung, die zur Aufstellung des Art. 22 der Bundesverfassung von 1848 *) führten, die Idee einer Bundesunterstützung für die Primarschulen dem Gesetzgeber noch kaum vorschwebte; man hatte damals nur den höhern Unterricht im Auge. ,,Das öffentliche Unterrichtswesen -- sagen die Berichterstatter der ersten Revisionskommission, die Herren Kern und Druey -- darf dem Bunde nicht mehr fremd bleiben ; denn es ist eine Grundbedingung des öffentlichen Lebens, der Freiheit und der Ordnung. Der Bund soll jedoch nur die Errichtung solcher Anstalten übernehmen, welche über die Kräfte der Kantone hinausreichen, oder in Fällen, wo die Kantone nicht die erforderlichen Mittel haben, dieselben zum, rechten Gedeihen zu bringen. Es gilt dies ganz besonders vom höhern Unterricht für die verschiedenen Berufsarten."

Eine finanzielle Bundesunterstützung der Primarschule stand also noch nicht in Frage.

Erst im Jahre 1861 sehn wir zum erstenmal den Gedanken eines finanziellen Eingreifens des Bundes in das Gebiet des Primär unterrichts im Schöße der Versammlung des schweizerischen Lehrer ver eins auftreten. Dort figurierte als Haupttraktandum das Thema: ,,Möglichkeit oder Wünschbarkeit irgend welcher Centralisation des schweizerischen Schulwesens", und unter dieser Rubrik erscheint bereits das Programm der ,,geringsten Forderungen, welche der Bund an die kantonalen Schulanstalten stellen darf und stellen soll, und der Art und Weise, die Erfüllung dieser Forderungen auch seinerseits zu ermöglichen oder zu erleichtern". Als eines dieser Mittel nun, und als wünschenswerten Fortschritt nahm man schon damals die finanzielle Unterstützung des Bundes in Aussicht. Herr Seminardirektor Fries in Küßnacht, sagte in seinem Votum : ,,Am praktischsten wären noch allfällige Subsidien des Bundes zur Beschaffung der rechten Lehrkräfte, sei es nun als Beitrag zur Lehrerbildung, sei es als Beitrag zur Lehrerbesoldung. In ersterer Hinsicht könnte der Bund etwa in der l ) Art. 22. Der Bund ist befugt, eine Universität und eine polytechnische' Schule zu errichten.

731 Weise mithelfen, daß er da, wo sich die Lehrerseminarien noch in allzu engen Schranken bewegen, gegen das Gegenrecht einer gewissen Oberaufsicht die allzuknappen Hülfsmittel vermehrte, oder noch besser junge Leute, welche zur Erwerbung der Lehrerbildung befähigt sind, aber für sich selbst der dazu nötigen Mittel entbehren, in der Benutzung schon vorhandener guter Seminarien z. B. durch Stipendien unterstützte. In letzterer Beziehung könnte er da, wo die Besoldungen der Lehrer allzu gering sind, einen bestimmten Beitrag zur Vermehrung derselben unter der Bedingung aussetzen, daß dann auch vom Kanton aus nicht länger unter einem gewissen vom Bunde bestimmten Minimum geblieben werden dürfte.10 Hierauf kamen die Debatten über den Entwurf zur Verfassungsrevision von 1872. Im Beginn dieser Revisionsarbeit war die Frage des Primarunterrichts beiseite gelassen, da die Botschaft des Bundesrates sie mit Stillschweigen übergeht ; man beschäftigte sich nur mit dem höhern Unterricht und die nationalrätliche Kommission, über einige Petitionen, die für den Bund ein Aufsichtsrecht über die Volksschule verlangten, hinwegschreitend, hatte an Stelle des Art. 22 der Verfassung von 1848 folgende Fassung angenommen.

,,Der Bund ist befugt eine Universität, eine polytechnische Schule und andere höhere Unterrichtsanstalten zu errichten.a Von da an machte sich infolge von Kundgebungen aus verschiedenen Kreisen ein Zug zu gunsten des Eingreifens der Centralgewalt in das Gebiet des Primarunterrichts bemerkbar, wobei indessen die finanzielle Frage im Hintergrunde gelassen wurde ; man hatte die Einmischung des Bundes in den untern Schulunterricht im Auge, ohne sich um eine wirkliche Beteiligung an den für die Kantone aus diesem Unterricht entstehenden Kosten zu bekümmern.

Im Verlaufe der ersten Diskussion im Nationalrate aber den Art. 24 (Art. 27 des definitiven Entwurfs von 1872) trat indessen Herr Bundesrat Schenk für die Ansicht ein, für die er später immer wieder in die Schranken getreten ist. Die Schlüsse der Kommissionsmehrheit gingen dahin, in die Bundesverfassung keine Bestimmung über den Primarunterricht aufzunehmen, während man von anderer Seite, seis den weltlichen Charakter, das Obligatorium und die Unentgeltlichkeit des Unterrichts, seis ein Minimalunterrichtsprogramm verlangte. Mit Bezug auf den Grundsatz des Obligatoriums des Minimalunterrichts und der Unentgeltlichkeit

732 desselben, wollte Herr Bundesrat Schenk die Bundeshülfe zu gunsten der Kantone und Gemeinden für die Erfüllung der Pflichten vorsehen, welche jenen aus der Ausführung dieses Grundsatzes entspringen würden. Aus diesem Grunde schlug er vor, dem Art. 24 eventuell einen Zusatz folgenden Inhalts beizufügen: ,,Der Bund wird in einer vom Gesetze näher zu bestimmenden Weise die Volksschule unterstützen.''· Herr Escher widersetzte sich im Namen der Kommissiousmehrheit dem Minimalprogramm, indem er ausführte, daß es unfehlbar zur gänzlichen Centralisation des Volksschulwesens führen werde. Er widersetzte sich dem Vorschlage Schenks unter anderm auch aus dem Grunde, ,,weil man infolge der Entwicklung des Primarunterrichtswesens bald nicht mehr wüßte wo die nötigen Hülfsmittel für die Subventionen herzunehmen seien'-.

In der Abstimmung (14. Dezember 1871) wurde der Eventualantrag des Herrn Schenk abgelehnt und der Standpunkt der Kommissionsmehrheit (Ausschluß jeder Bestimmung über den Primarunterricht) trug den Sieg davon.

Später kam man auf die Abstimmung zurück, jedoch ohne die Frage der Bundesunterstützung zu berühren, und schließlich ging nach zahlreichen Meinungsumschlägen der Art. 27 (ursprünglich Art. 24) des definitiven Entwurfs in folgender Passung hervor : ,,Der Bund ist befugt, eine Universität, eine polytechnische Schule und andere höhere Unterrichtsanstalten zu errichten.1' ,,Die Kantone sorgen für obligatorischen und unentgeltlichen Primarunterricht. " ,,Der Bund kann über das Minimum der Anforderung an die Primarschule gesetzliche Bestimmungen erlassen."

Das Schicksal, das dem Verfassungsentwurf vom 5. März 1872 vorbehalten war, ist bekannt.

In den darauf folgenden parlamentarischen Verhandlungen, aus denen die Verfassung von 1874 hervorging, blieb der im Jahre 1872 angenommene Schulartikel nicht unberührt. Die Forderung des Minimalprogramms wurde durch Aufnahme einer allgemeinen Bestimmung ersetzt, des Inhalts, daß der Primarunterricht ein genügender sein solle und daß gegen die Kantone, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen würden, von Seiten des Bundes die nötigen Verfügungen getroffen werden können. Indessen wurde während der ganzen Verhandlung über den jetzigen

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Art. 27 ·") der Verfassung die Frage der Bundessubvention kaum gestreift.

Kaum war die Verfassung angenommen, so richtete der schweizerische Lehrertag in Winterthur, vom 7. September 1874, an den Bundesrat das Gesuch, er möchte sobald wie möglich einen Gesetzentwurf über die Primarschule vorbereiten.

Die Frage wurde in Prüfung gezogen und unter dem 20. November 1878 unterbreitete das Departement des Innern dem Bundesrate einen Bericht betitelt : ,,Art. 27 der Bundesverfassung und der Primarunterricht in der Schweiz1*. Dieser Bericht schloß mit einem Vorentwurf zu einem Bundesgesetz betreffend den Primarunterricht. In den allgemeinen Schlußfolgerungen aber äußerte er sich dahin, daß der dannzumalige Zeitpunkt zum Erlaß eines solchen Gesetzes nicht günstig erscheine ; dagegen wünschte er eine bessere Organisation des eidgenössischen Departements des Innern für die Ausübung einer wirksamen Aufsicht über die Vollziehung des Art. 27, die Aufrechthaltung der Rekrutenprüfungen, die Veröffentlichung eines jährlichen allgemeinen Berichtes über den Zustand des Volksunterrichtes in der Schweiz, die Aufmunterung der Kantone ,,durch verschiedene Mittel"1 zur Erfüllung ihrer Aufgabe und die Anordnung geeigneter Maßregeln gegen diejenigen, welche ihre Aufgabe vernachlässigen, die Aufstellung eines Minimalprogramms und die Schaffung eines für die ganze Eidgenossenschaft gültigen Fähigkeitszeugnisses für Lehrer.

Die Bundesunterstützung sollte die ,,Heranbildung tüchtiger Lehrer und Lehrerinnen zum Gegenstande haben, entweder durch Errichtung einer oder mehrerer eidgenössischer Lehrerseminarien, sobald der Stand der eidgenössischen Finanzen dies gestatte, oder durch Verständigung mit der Direktion schon bestehender ') Art. 27 der Bundesverfassung von 1874 : ,,Der Bund ist befugt, außer der bestehenden polytechnischen Schule eine Universität und andere höhere Unterrichtsanstalten zu errichten, oder solche Anstalten zu unterstützen."

,,Die Kantone sorgea für genügenden Primarunterricht, welcher ausschließlich unter staatlicher Leitung stehen soll. Derselbe ist obligatorisch und in den öffentlichen Schulen unentgeltlich."

,,Die öffentlichen Schulen sollen von den Angehörigen aller Bekenntnisse ohne Beeinträchtigung ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit besucht werden können."

,,Gegen Kantone, welche diesen Verpflichtungen nicht nachkommen, wird der Bund die nötigen Verfügungen treffen."

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Lehrerseminarien". Überdies erwähnt der Bericht als weitere Aufmunterung der Kantone die Verabfolgung von Beiträgen an die permanenten Schulausstellungen, die Ausschreibung von pädagogischen Preisfragen, die Herausgabe guter Handbücher und Unterrichtsmittel, die Abordnung Delegierter an nationale oder internationale Schulausstellungen.

Diese Studie des Departements des Innern führte zu der Botschaft des Bundesrates vom 3. Juni 1880 (betreffend die Vollziehung des Art. 27 der Bundesverfassung) und hierauf zu dem Bundesbeschlusse vom 14. Juni 1882, der folgendes verfügt: a. die unverzügliche Anordnung notwendiger Erhebungen über das Schulwesen der Kantone behufs vollständiger Vollziehung des Art. 27. der Bundesverfassung und des Erlasses hierauf bezüglicher Gesetzvorlagen ; b. die Errichtung der Stelle eines Erziehungssekretärs.

Der Volksentscheid vom 26. November 1882, der die Verwerfung dieses Beschlußes zur Folge hatte, ist noch in Aller Erinnerung.

Im Vorbeigehen mag bemerkt werden, daß Herr Landammann Dr. Tschudi anläßlich der Diskussion über den Bundesbeschluß von 1882 und im Gegensatz zu dem Inhalt dieses Beschlusses eine Motion einbrachte, dahingehend, ob nicht zur Feststellung und Ordnung des verfassungsmäßigen Aufsichtsrechtes des Bundes über das Primarschulwesen ein Gesetz zu erlassen sei und ob nicht in dasselbe verschiedene grundsätzliche und materielle Bestimmungen aufzunehmen seien, die er aufzählte und unter denen folgende Verpflichtungen des Bundes erscheinen : «. die Unterstützung der Erstellung mustergültiger, allgemeiner und individueller Lehrmittel; b. die Unterstützung solcher Kantone, denen die gewissenhafte Durchführung des Bundesgesetzes unverhältnismäßig schwere Opfer auflegen würde.

Wie aus allen der Abstimmung vom 26. November 1882 vorausgehenden Verhandlungen zu ersehen ist, spielte das finanzielle Eingreifen des Bundes nur eine sehr untergeordnete Rolle. Die Opposition kehrte sich gegen alles, was von weitem oder nahem einer Centralisation des Schulwesens glich, gegen jede vermeintliche oder wirkliche Tendenz zur Erweiterung des Rahmens des Art. 27 zum Zwecke der Ausdehnung der Bundeskompetenzen auf Kosten derjenigen der Kantone; grundsätzlich wollte man nichts von einer Gesetzgebung des Bundes über den Primarunterricht.

735 Thatsache ist, daß außer einem Vortrage, den Herr Reallehrer Gaß im Oktober 1888 im Basler Lehrerverein hielt, sich keine Stimme mehr über die Bundessubvention für die Primarschule hören ließ bis 1892. Dagegen dekretierten die eidgenössischen Räte während dieser Periode Kredite für die Unterstützung der gewerblichen und industriellen Berufsbildung (Beschluß vom 27. Juni 1884) und die Förderung der kommerziellen Bildung (Beschluß vom 15. April 1891).

Am 13. März 1892 fand in Bern eine größere Versammlung bernischer Lehrer statt zum Zwecke der Wiederaufnahme der Frage der Bundesunterstützung für die Primarschule. Diese Versammlung veranlaßte eine Zusammenkunft von Delegierten, die am 1. Mai 1892 in Ölten stattfand, und beschloß den Weg der Petition an die Bundesversammlung zu betreten. Zu gleicher Zeit faßte sie folgende Resolution: ,,Der Centralausschuß des schweizerischen Lehrervereins wird ersucht, die Frage der Unterstützung des Volksschulwesens durch den Bund unter Zuzug geeigneter Persönlichkeiten zu prüfen und das weitere beförderlichst zu veranlassen.u Das Ergebnis dieser Prüfung war die unterm 20. Oktober 1892 an die Bundesversammlung gerichtete Denkschrift des schweizerischen Lehrervereins und der Société pédagogique de la Suisse romande, betreffend Subventionierung des schweizerischen Volksschulwesens. Diese Eingabe schloß folgendermaßen: ,,In diesem Sinne gelangen wir denn, gestützt auf die in unserer Darlegung angeführten Thatsachen und Zustände mit dem Gesuche an die h. Bundesversammlung, sie möchte den h.

Bundesrat beauftragen, unser Begehren zu prüfen und Bericht und Antrag darüber einzubringen, ob nicht durch eine Subventionierung des schweizerischen Volksschulwesens die Kantone in stand gesetzt werden könnten und sollten, die Bestimmungen des Art. 27 der Bundesverfassung zu erfüllen und für einen wirklich ,,genügenden"1 Primarunterricht zu sorgen.a Vor und nach dieser Denkschrift ging eine Reihe Petitionen ähnlichen Inhalts ein, unter denen zu nennen sind : a. Petition der Kantonallehrerkonferenz des Kantons Aargau, vom 24. September 1892; b. Eingabe der bernisehen Schulsj'node, vom 12. November ; c. Petition des glarnerischen kantonalen Lehrervereins; d. Petition der zürcherischen Schulsynode, unterstützt durch den solothurnischen Kantonallehrerverein.

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Mittlerweile hatten Herr Nationalrat dirti und eine Anzahl seiner Kollegen unter dem 20. Juni 1892 folgende Motion eingereicht : ,,Der Bundesrat wird eingeladen zu untersuchen und darüber Bericht und Antrag einzubringen : 1. Ob nicht zur Ausführung der Bestimmung des Art. 27 der Bundesverfassung, welche genügenden Primarunterricht vorschreibt, die Kantone vom Bund finanziell unterstützt werden sollten, und 2. ob nicht durch das Mittel der Bundesbeiträge auch die Unentgeltlichkeit der Lehrmittel und Schulmaterialien für den Primarunterricht einzuführen sei.

Die Behandlung dieser Motion wurde mehrmals verschoben; endlich am 7. Juni 1893 gelangte sie nach einläßlicher Diskussion und infolge zahlreicher Abänderungsvorschläge in folgender Fassung zur Annahme : ,,Der Bundesrat wird eingeladen zu untersuchen und darüber Bericht und Antrag -einzubringen, ob nicht zur Ausführung der Bestimmung des Art. 27 der Bundesverfassung, welche genügenden Primarunterricht vorschreibt und nach Maßgabe des Standes der Bundesfinanzen die Kantone vom Bunde finanziell unterstützt werden sollen."

Der Motion Curti Folge gebend, arbeitete das Departement des Innern, damals unter der Leitung des Herrn Bundesrat Schenk (Oktober 1893), einen Entwurf aus zu einem ,,Bundesgesetz betreffend die Unterstützung der öffentlichen Primarschule durch den Bund". Dieser Entwurf nahm für eine fünfjährige Periode eine jährliche im Budget vorzusehende Ausgabe von Fr. 1,200,000 in Aussicht und teilte die Kantone nach ihrer ökonomischen Leistungsfähigkeit in drei Klassen ein, von denen die erste 30 Cts., die zweite 40 Cts. und die dritte 50 Cts.

per Kopf der Bevölkerung erhalten sollte. Er sah die Einsetzung einer Kommission von 7 Mitgliedern vor, welche alle Beschlüsse betreffend die AusführungO des Gesetzentwurfes vorzubereiten hätte und befugt wäre, mit den Erziehungsbehörden der Kantone in Verbindung zu treten, Auskunft zu verlangen, Bemerkungen zu machen und Wünsche anzubringen.

Unterdessen erhob sich das Initiativbegehren, bekannt unter dem Namen ,,Beutezug", das zwar durch den negativen Volksentscheid vom 4. November 1894 begraben wurde, aber nichts-

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destoweniger den Fortschritt hemmte, welchen man für die Volksschule anzubahnen strebte.

Erst am 14. Mai 1895 unterbreitete Herr Bundesrat Schenk seinen Vorschlag dem Bundesrate, und es ging aus der daherigen Diskussion, der das Datum vom 5. Juli 1895 tragende Gesetzesentwurf hervor. (Zu vergi. Anhang 1).

Wenige Tage später wurde jener verehrte Magistrat, welcher seinen Namen mit den Aufgaben des schweizerischen Volksschulwesens verknüpft hatte, dem Lande durch einen Unglücksfall entrissen. Der unerwartete Tod des Herrn Schenk zog eine neue Verzögerung nach sich; zudem wurde damals die Aufmerksamkeit durch andere ökonomisch-politische Fragen, deren Lösung brennender zu sein schien, von der Schulsubvention abgelenkt.

So standen die Dinge, als durch ein Cirkular vom 26. Januar 1897 die Direktion des Erziehungswesens des Kantons Zürich die Initiative zur Zusammenberufung sämtlicher Erziehungsdirektoren der Kantone ergriff, um eine Besprechung der Bundessubvention für die Primarschule herbeizuführen. Auf diesen Ruf konstituierten sich die kantonalen Erziehungsdirektoren zu einer Konferenz und gelangten nach mehreren Versammlungen zur Aufstellung eines Gesetzentwurfes, der in Begleit einer erläuternden Eingabe unterm 15. April 1898 dem Bundesrate und der Bundesversammlung eingereicht wurde. (Zu vergi. Anhang 2).

,,Die vorliegenden Vorschläge11 -- sagt die Eingabe -- .,,sind das Ergebnis reiflicher Beratungen der Vertreter der kantonalen Erziehungsdepartemente. Sie dürfen in dieser Form als die Ansicht der überwiegenden Mehrzahl derselben aufgefaßt werden und sind das Produkt loyalen Entgegenkommens von hüben und drüben."· Neunzehn kantonale Regierungen hatten die Erklärung abgegeben, daß sie grundsätzlich mit dem durch die Konferenz angenommenen Gesetzentwurf einverstanden seien.

Das Departement des Innern machte sich von neuem ans Werk und unterbreitete im Dezember 1898 dem Bundesrate neue Vorschläge. Am 21. März 1899 wurde von dieser Behörde ein Bcschlussesentwurf aufgestellt und im Bundesblatt publiziert, wobei sie sich immerhin vorbehielt, denselben den eidgenössischen Räten erst dann zu unterbreiten, wenn solches mit Rücksicht auf die Finanzlage des Bundes passend erscheinen möchte.

Es ist dieser Entwurf vom 21. März 1899, der heute der Bundesversammlung, und zwar auf deren Verlangen, unterbreitet wird.

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Wir bemerken noch, daß die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren nach einer am 5. Juni 1900 in Bern abgehaltenen Sitzung dem Bundesrate eine zweite Denkschrift eingereicht hat, in der sie auf die Dringlichkeit eines baldigen und definitiven Entscheides über die Frage der Bundessubvention für die Volksschule hinweist.

Daß die Kantone der finanziellen Mithülfe der Eidgenossenschaft bedürfen, um den ihnen durch Art. 27 der Bundesverfassung auferlegten Pflichten vollständig nachzukommen, ist kaum zu bestreiten. Vielleicht vermag irgend ein besonders günstig gestellter Kanton seinen Schullasten von sich aus zu entsprechen. Allein man muß gestehen, daß dem in Bezug auf die Mehrzahl der Kantone nicht so ist.

Der Primarunterricht, der vor 30 oder 40 Jahren ,,genügend11 war, ist es heute nicht mehr ; auf diesem Gebiet, wie auf vielen ändern, unterliegen .wir den unvermeidlichen Gesetzen der Konkurrenz, und wenn wir auf der Höhe anderer Länder bleiben wollen, dürfen wir nicht bei dem Sehulgepäck von ehemals bleiben ; wir müssen die Anstrengungen und Opfer verdoppeln, um unserer Jugend für den Kampf des Lebens einen umfassenden und soliden Primarunterricht mit auf den Weg zu geben ; denn dieser ist für den Einzelnen nicht nur die Grundlage einer guten bürgerlichen Erziehung, sondern auch seiner wirtschaftlichen Zukunft.

Jedermann ist hiervon überzeugt und die Behörden sind für die Volksschule überall von den besten Absichten beseelt; aber die kantonalen Budgets, belastet von so vielen ändern Bedürfnissen, die durch die Entwicklung eines Staates bedingt sind, der nicht zurückbleiben will, ertragen nur mit großer Mühe die zunehmenden Lasten, welche die notwendige Folge der Verbesserung des Unterricht s wesens sind. Der Primarunterricht ist daher von einem bedenklichen Stillstand bedroht, wenn die Eidgenossenschaft sich nicht entschließt, ihm wirksame Hülfe angedeihen zu lassen.

Die durch die Rekrutenprüfungen gelieferte Statistik zeigt für sich allein, daß der Durchschnitt des in der Primarschule erteilten Unterrichts nicht ,,genügend" ist jm Sinne des Art. 27 der Bundesverfassung. Diese Statistik zeigt auch, daß, wenn einige Kantone auf dem Gebiete des Schulunterrichts vorwärts schreiten, andere weit entfernt sind, ihnen folgen zu können. Der letzte

739 Bericht über die pädagogische Prüfung bei der Rekrutierung (Herbst 1899) -- nachdem er angeführt hat, daß das Verhältnis der Rekruten mit der Note l (beste Note) in mehr als zwei Fächern sich nicht vermindert, und daß dasjenige der Rekruten mit 4 oder 5 in mehr als einem Fach nicht zugenommen habe, -- bemerkt folgendes: ,,Vergleicht man jedoch die Häufigkeit der guten und der schlechten Prüfungsleistungen bei den einzelnen Kantonen, so ergiebt sich ein wesentlich anderes Bild: erfreuliche Fortschritte einiger Kantone werden durch weniger erfreuliche Verschlechterungen der Ergebnisse anderer aufgewogen. Die guten Gesamtleistungen sind in 13 Kantonen häufiger, in 10 Kantonen seltener geworden und in zwei Kantonen gleich häufig geblieben, während sich in Bezug auf die schlechten Gesamtleistungen bloß in 8 Kantonen eine Besserung, in 4 Kantonen dagegen ein Stillstand, und in 13 Kantonen ein Rückschritt einstellte."

Gewiß trägt die Schule nicht allein die Verantwortlichkeit für diese Ergebnisse, jedoch größtenteils. Nun sagen die Kantone: wenn der allgemeine Stand des Primarunterrichts ungenügend ist, so rührt dies daher, daß die Mittel, sich diesen Unterricht zu verschaffen, den dermaligen Anforderungen nicht entsprechen, und sie gestehen selbst, daß sie aus eigener Kraft diesem Übelstand nicht zu steuern vermögen.

Ohne in Einzelheiten eintreten oder bestimmte Fälle anführen zu wollen, -- letzteres schon deswegen nicht, um niemanden zu verletzen, -- stellen wir die Thatsache fest, daß in einer Anzahl von Kantonen der Volksschulunterricht gewaltig zu wünschen übrig läßt ; sei es in Bezug auf das Lehrerpersonal, sei es in Bezug auf die Lehrmitttel. Hier eine unglaublich geringe Lehrerbesoldung; von daher ein Lehrerpersonal, das an Bildung stark unter dem Mittel steht, wenn es überhaupt noch möglich ist, es zu rekrutieren ; dort enge, düstere und feuchte Schullokale, überfüllte Klassen, Lehrmittel so dürftig als nur möglich und alles übrige entsprechend.

Die Mehrzahl der Kantone anerkennt die absolute Notwendigkeit einer Erhöhung der Lehrerbesoldungen und bestreitet keineswegs den Nutzen hinlänglich geräumiger und den Forderungen der Hygieine entsprechender Schulhäuser ; überall sucht man den Kindern den Schulbesuch zu erleichtern und sie mit einem den Bedürfnissen entsprechenden Schulmaterial auszustatten ; aber leider nur zu oft muß der gute Wille vor der Unzulänglichkeit dei' Hülfsmittel zurücktreten. Daher kommen die Kantone,

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um an der Thüre des Bundes zu pochen und ihn um Hülfe anzugehen.

Grundsätzlich ist die Notwendigkeit finanziellen Eingreifens des Bundes zum Zwecke der Unterstützung der Kantone für die Erfüllung ihrer Aufgaben im Schulwesen anerkannt, ebenso gut wie man die finanzielle Beteiligung der Eidgenossenschaft am gewerblichen und kommerziellen Unterricht, sowie an der hauswirtschaftlichen und beruflichen Bildung des weiblichen Geschlechts anerkannt hat. Wieso kann angesichts dessen ein solches Eingreifen auf Gegnerschaft stoßen? Der Grund liegt darin, daß man fürchtet, die Unterstützung werde unliebsamerweise zu einer eidgenössischen Einmischung in den Primarunterricht selbst und nach und nach zu einer Centralisation des Schulwesens führen.

Wenn dies wirklich der Fall sein sollte; wenn die Bundesunterstützung eine Einmischung der Bundesgewalt in die Gestaltung der Unterrichtspläne, in die Wahl der Unterrichtsmethoden, kurz, in das bedeuten sollte, was man die eigentliche Thätigkeit der Schule nennt; dann dürfte allerdings unter der Herrschaft der gegenwärtigen Verfassung weder so noch anders davon die Rede sein.

Was die Kantone wünschen (abgesehen von den sechs Opponenten gegen den Vorschlag der Erziehungsdirektorenkonferenz, von welchen sechs zwar, wie wir zu wissen glauben, schon einige zurückgetreten sind) und was der Bund gewähren sollte, das ist die reine und einfache finanzielle Unterstützung. Im Jahre 1874 wollten die eidgenössischen Räte von dem Absatz des Art. 25 des Entwurfes von 1872 nichts wissen, der die gesetzliche Festsetzung eines von den Primarschulen zu erteilenden Unterrichtsminimums vorsah ; die Mehrheit des Schweizervolkes teilte diese Ansicht und scheint dieselbe seither nicht geändert zu haben; man geht von der Annahme aus, daß in Sachen des Unterrichts und der Erziehung die Kantone unangetastet bleiben sollen ; daß ihre Verschiedenheit auf diesem Gebiete der geistigen Thätigkeit ihre Originalität und ihre Kraft ausmacht, die hinwieder zum Wohlergehen des gemeinsamen Vaterlandes beiträgt, und daß mau die Eidgenossen nicht alle in die gleiche erzieherische Schablone zwängen könne, ohne dem eigentümlichen Charakter unseres Landes zu schaden und mit ehrwürdigen Traditionen zu brechen, an die zu rühren man sich hüten sollte.

Soll das heißen, daß der Anspruch der Kantone auf eine Bundesunterstützung bloß den Zweck habe; ihre fiskalischen Lasten zu erleichtern und daß er keinerlei Kontrolle vertrage, d. h. im Grunde

741 nichts anders als ein versteckter Beutezug sei ? Gewiß nicht ! die Bundesunterstützung soll eine Erleichterung der künftigen kantonalen Lasten sein, und der Bund hat die Aufgabe, ihre Verwendung zu beaufsichtigen; aber, wir wiederholen es; es kann sieh hierbei nur um eine bloß finanzielle Kontrolle handeln ; der Bund hat sich darauf zu beschränken, die Verwendung der Bundessubvention nach den verschiedenen im Bundesbeschluß vorgesehenen und von den Kantonen vorgeschlagenen Unterrichts- und erzieherischen Zwecken zu prüfen; er hat den Unterricht so wenig zu beeinflussen, daß er sich nicht einmal mit der Frage zu beschäftigen hat, ob es für einen Kanton vorteilhafter wäre, die Bundessubvention für diesen oder jenen zulässigen Zweck zu verwenden; er hat, wie angedeutet, nur nachzusehen, ob die Verwendung der zugewiesenen Unterstützungssumme nach dem vom Kanton selbst aufgestellten, vom Bundesrate nach Maßgabe von Art. 7 des Bundesbeschlusses geprüften und genehmigten Plan geschehen ist. Darin besteht die Bundeskontrolle. Die Unabhängigkeit der Kantone im Gebiet der Schule ist daher vollständig gewahrt.

Zu den Gegnern, die es aus Furcht vor einer eidgenössischen Einmischung in den Volksunterricht sind, gesellen sich diejenigen, welche meinen, daß das eidgenössische Budget dermalen nicht mit einer so beträchtlichen neuen Ausgabe, wie die gewünschte Subvention wäre, belastet werden dürfe. Diesen zeitweiligen Gegnern wurde schon geantwortet, daß es notwendig sei, aus der Ungewißheit herauszukommen und endlich diese seit langen Jahren hängige Frage ein für allemal zu lösen; was nicht heißen will, daß von allen finanziellen Erwägungen abgesehen werde, wenn es sich einmal um den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesbeschlusses handelt, sofern die eidgenössischen Räte ihn grundsätzlich annehmen. Welches in diesem Zeitpunkt der Zustand der Bundesfinanzen sein wird, können wir nicht voraussehen.

Die Notwendigkeit einer Bundesunterstützung für die Primarschule grundsätzlich anerkannt, taucht sogleich eine Vorfrage auf, nämlich die : Kann die Eidgenossenschaft auf dem bloßen Wege der Gesetzgebung eine solche Unterstützung gewähren, ohne vorher zu einer Abänderung der den Primarunterricht betreffenden Verfassungsbestimmungen schreiten zu müssen? (Art. 27 der Bundesverfassung.)

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Das Justiz- und Polizeidepartement, über die Verfassungsmäßigkeit des Entwurfes der kantonalen Erziehungsdirektoren angefragt, bejaht die Frage, indem es dafür hält, ,,daß die Bestimmungen dieses Entwurfes keine Änderung in der verfassungsmäßigen Verteilung der Souveränitätsrechte zwischen Bund und Kantonen in Sachen des Primarunterrichtes in sich schließen11.

Ebenso spricht sich ein durch das Departement des Innern von Herrn Professor Dr. Karl Hilty eingeholtes Rechtsgutachten im Sinne der Möglichkeit einer Bundessubvention für die Primarschule ohne vorausgehende Revision der Bundesverfassung aus.

Soweit es den Bundesrat betrifft, teilt auch dieser die Ansicht, daß eine Verfassungsrevision nicht unerläßlich sei, um dem Bunde das Recht zur Gewährung einer Unterstützung an die Primarschule zu geben.

Art. 27 der Bundesverfassung stellt den Grundsatz auf, daß die Kantone für genügenden Primarunterricht zu sorgen haben, der obligatorisch und unentgeltlich sein soll; er spricht jedoch nicht von einer finanziellen Beteiligung des Bundes an den aus diesem Unterricht für die Kantone entstehenden Lasten.

Anderseits räumt dieser Artikel dem Bunde das Recht ein, höhere Unterrichtsanstalten zu errichten oder zu unterstützen.

Hieraus will man ableiten, daß, da die Verfassung eine finanzielle Beteiligung der Eidgenossenschaft nur in Sachen des höhern Unterrichtes vorsehe, der Primarunterricht verfassungsmäßig von der Wohlthat einer solchen Beteiligung ausgeschlossen sei.

Allein das heißt sich über den Sinn und die Tragweite des Art. 27 irren. In Wirklichkeit bezweckt dieser Artikel, die beidseitigen Kompetenzen in Bezug auf das öffentliche Unterrichtswesen festzustellen unabhängig von finanziellen Rücksichten ; er bezweckt die Abgrenzung der Rechte des Bundes und der Kantone auf diesem moralischen und intellektuellen Gebiete ; seine Aufgabe ist die Umschreibung der Thätigkeitsphäre des Bundes mit Bezug auf die erzieherische Seite des Schulwesens, und er thut dies durch die Beschränkung jener Sphäre auf das Gebiet des höhern Unterrichts, während er den Primarunterrieht ausschließlich den Kantonen vorbehält.

Dieser Art. 27 hat vor allem eine politische und nicht eine ökonomische Bedeutung. Wenn er gelegentlich von einer Subvention spricht, so geschieht es -- um mit dem Gutachten des Justiz- und Polizeidepartements zu reden -- ,,aus dem Grunde, weil die Unterstützung der kantonalen höhern Unterrichtsanstalten

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der Errichtung derselben durch den Bund gegenübersteht; danach ist klar, daß, wenn der Bund durch die Bundesverfassung bloß die Befugnis zur Errichtung von Bundesanstalten erhalten hätte, ihm damit zugleich die Befugnis zur Unterstützung der kantonalen Anstalten abgesprochen worden wäre. Bei der verfassungsmäßigen Festsetzung der Stellung des Bundes zu den höhern Unterrichtsanstalten mußte sowohl die Errichtungsbefugnis wie die Unterstützungsbefugnis ausdrücklich namhaft gemacht werden, weil bei der alleinigen Nennung der einen Befugnis die andere ausgeschlossen gewesen wäre. Bei der Volksschule ist die Sachlage eine andere. Die Befugnis zur Errichtung einer Bundesvolksschule hat der Bund entschieden nicht; die Befugnis des Bundes, die kantonale Volksschule zu unterstützen, mußte daher in Art. 27 der Verfassung nicht ausdrücklich genannt werden, vorausgesetzt daß diese Befugnis aus anderweitigen Bestimmungen der Bundesverfassung abgeleitet werden kann.a Der Art. 27 enthält keine Vorschrift welche die Unterstützung der Primarschule verböte ; seine ganze Fassung schließt ein solches Verbot durchaus nicht in sich, und auch aus seiner Geschichte läßt sich keine Spur einer Absicht des Gesetzgebers erkennen, eine derartige Unterstützung verbieten zu wollen. Allerdings hat Herr Bundesrat Schenk im Jahre 1872 eine durch das Gesetz näher zu bestimmende Unterstützung der Primarschule vorgeschlagen ; dieser Vorschlag blieb jedoch erfolglos, und abgesehen davon, daß der Art. 25 des Verfassungsentwurfes von 1872 ein anderer als der Art. 27 der Verfassung von 1874 ist, beweist dies nur, daß man damals aus der Unterstützung der Schule für den Bund nicht eine verfassungsmäßige Pflicht machen wollte.

Wenn nun die Bundesunterstützung der Primarschule nicht verboten ist, rechtfertigt sie sich vom Standpunkte der Bundesverfassung ?

Der Bund gewährt seine finanzielle Unterstützung den Berufsund Handelsschulen; so sieht der Voranschlag für 1901 zu diesem Zwecke eine Totalausgabe von Fr. 1,621,000 vor; er unterstützt den landwirtschaftlichen Unterricht (Budget für 1901 Fr. 268,000); er gewährt jährliche Beiträge an die permanenten Schulausstellungen (Fr. 14,000); er veröffentlicht eine Schulwandkarte der Schweiz und schenkt sie allen schweizerischen Schulen (Fr. 167,000); er fördert durch bedeutende periodische Beiträge
die bildenden Künste und die Wissenschaften etc. Aber alle diese budgetmäßigen Ausgaben haben keine, andere Grundlage als den Art. 2 der Verfassung, der nebst ändern Zwecken des Bundes

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auch den der Beförderung der gemeinsamen Wohlfahrt der Eidgenossen vorsieht.

,,Die Mitwirkung und Unterstützung des Bundes1'" -- sagt die Botschaft vom 20. November 1883 -- ,,wird zur Hebungder gewerblichen und industriellen Bildung und damit im Interesse des gemeinsamen Wohls angerufen. Die gestellten Begehren gehen von diesem Standpunkte aus. Nun heißt es in Art. 2 der Bundesverfassung ausdrücklich, daß der Bund die Beförderung der gemeinsamen Wohlfahrt der Eidgenossen zum Zwecke habe. Diese Bestimmung rechtfertigt unseres Erachtens die Unterstützung des Bundes beim gewerblichen und industriellen Bildungswesen. "·'· Und der Bericht der ständerätlichen Kommission fügt mit Bezug auf die Frage, ob der Bund berufen sei, auch seinerseits helfend einzutreten, folgendes bei: ,,Der Bundesrat und der Nationalrat haben diese Frage bejaht, indem sie sich auf Art. 2 der Bundesverfassung stützen. Wir teilen diese Ansicht vollständig, nachdem durch die gewerbliche Enquete der Nachweis voll erbracht worden ist, daß die Wohlfahrt eines großen Teiles unseres Volkes durch Verhältnisse gefährdet erscheint, welche abzuändern außer seiner Macht liegt.tt ,,Die Bundesverfassung von 1874 stellt sich nicht mehr auf den bloßen Boden des Rechtsstaates, welcher die sogenannten Manchesterideen als maßgebend anerkennt, sondern das Volk anerkennt heute faktisch die Notwendigkeit der Förderung ,,,,der gemeinsamen Wohlfahrt der Eidgenossen1"' auch in denjenigen Punkten, welche in der Verfassung nicht speciell und ausdrücklich erwähnt sind."

Das muß auch in Bezug auf den Primarunterricht gelten, denn unter den Faktoren nationalen Gedeihens ist er der erste.

Die Botschaft vom 23. November 1880, betreffend die Unterstützung der permanenten Schulausstellungen, weist schon darauf hin, indem sie sagt : ,,Wenn auch die Sorge für das Schulwesen den Kantonen obliegt, so hat immerhin der Bund daran ein mächtiges Interesse : ein allgemeines, weil es sich dabei um die Wohlfahrt des Schweizervolkes handelt, und ein besonderes, weil ihm durch die Verfassung Recht und Pflicht auferlegt ist, darüber zu wachen, daß die Jugend in allen Kantonen einen ,,,,genügenden1"- Unterricht erhalte.a Wenn die staatsrechtliche Praxis der eidgenössischen Räte 2ur Annahme gelangt ist, daß den Berufs-, Handels- und landwirt-

745 schaftlichen Schulen ohne vorhergehende Abänderung der Verfassung Unterstützungen gewährt werden können, so muß sie in noch höherm Maße zugeben, daß solche Unterstützungen unter der nämlichen Voraussetzung auch der Primarschule zugewendet werden dürfen, da eben keine Verfassungsbestimmung sieh dagegen ausspricht.

Es erübrigt uns nun noch einen motivierenden Überblick über den Inhalt unseres Beschlußentwurfes zu geben.

Art. l stellt den Grundsatz der Bundesunterstützung für die Primarschule auf, in nämlicher Weise wie es schon der Bundesbeschluß vorn 27. Juni 1884 zu gunsten der gewerblichen und industriellen Berufsbildung thut.

Art. 2 beschränkt die Bundesunterstützung auf die öffentliche staatliche Primarschule und führt die Verwendungsarten auf, welche der Bundesbeitrag erfahren kann. Unter diesen erscheinen nur diejenigen Faktoren, welche für einen erfolgreichen Gang des Unterrichts unerläßlich sind; indessen haben sich tadelnde Stimmen erhoben gegen die Verwendungsart unter Ziffer 8 .^Nachhülfe in Ernährung und Kleidung armer Schulkinder während der Schulzeit11. Dies sei, sagt man, ein Teil der öffentlichen Wohlthätigkeit, solche sei aber Sache der Kantone oder der Gemeinden und nicht des Bundes. Dieser Vorwurf mag einigermaßen begründet sein ; indessen dachte man, daß diese besondere Hülfe ein Mittel sei, den Kindern den Schulbesuch zu erleichtern, und daß sie von diesem Gesichtspunkte aus in den Rahmen der Schulunterstützung fallen könne.

Art. 3. Die Bundessubvention soll nicht eine Verminderung der derrnaligen Schullasten der Kantone und Gemeinden hervorrufen, wohl aber eine Erleichterung der künftigen notwendigen Opfer für die Verbesserung der jetzigen Lage der Schulen bilden ; es erscheint daher geraten, ausdrücklich vorzuschreiben, daß die ordentlichen kantonalen Leistungen an die Schule nicht verringert werden dürfen.

Art. 4. Der den Kantonen zu gewährende Beitrag wird nach dem Maßstabe von 60 Cts. per Kopf der Wohnbevölkerung berechnet; acht Kantone erhalten einen Ergänzungsbeitrag von 20 Cts. auf den Bewohner und zwar in Berücksichtigung der besondern Schwierigkeiten ihrer Lage mit Bezug auf das Schulwesen.

Bundesblatt. 53. Jahrg. Bd. III.

50

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Der Entwurf von 1895 teilte die Kantone nach ihrer ökonomischen Lage in drei Klassen; die erste erhielt 30 Cts. auf den Kopf der Bevölkerung, die zweite Klasse 40 Cts. und die dritte Klasse 50 Cts. Diese Einteilung ist im gegenwärtigen Entwurfe weggelassen ; denn abgesehen davon, daß sie für einzelne Kantone etwas Stoßendes haben kann, bietet sie keinen sichern Anhaltspunkt für die Berechnung ; wie man es auch anfangen mag, führt sie leicht zu Irrtümern und wird immer Anlaß zur Kritik geben. Anderseits aber ist bekannt, daß eine gewisse Anzahl Kantone wegen ihrer Bodengestaltung sich mit-Bezug auf die Erfüllung ihrer erzieherischen Pflichten gegenüber den ändern in einer ungünstigem Lage befinden ; diesen Übelstand sucht der vorliegende Entwurf durch eine Zulage zur Subvention auszugleichen.

Der Entwurf, der kantonalen Erziehungsdirektoren wünschte eine Unterstützung nach Maßgabe von wenigstens Fr. 200 per Primarlehrerstelle. Ohne Zweifel würde dieses System einige Vorteile bieten ; allein es hat den Fehler geringer Beständigkeit und steter Veränderung in Bezug auf die Totalziffer der Subvention ; überdies bietet es Schwierigkeiten in der Anwendung ; z. B. : ist eine Winterschule als ganze Stelle zu zählen ? wird dies bejaht, so wird das bald zur Errichtung einer Überzahl derartiger Schulen führen ; ferner : kann es als eine Lehrstelle gelten, wenn ein Sekundarlehrer wöchentlich einige Stunden Unterricht in der Prirnaroberschule erteilt? u. s. w. Derartige Schwierigkeiten der Ausführung, so unbedeutend sie erscheinen mögen, ·müssen vermieden werden.

Es wurde auch eine Klassifikation im umgekehrten Verhältnis zur Dichtigkeit der Bevölkerung vorgeschlagen ; man stellte sich eine Kombination vor, die zugleich auf der Bevölkerungsziffer und auf der Ausdehnung des Bodens beruhte ; es würden sich auch noch andere Berechnungsarten finden lassen ; die einfachste ist aber wohl diejenige des vorliegenden Entwurfes.

Nach der Volkszählung von 1900 ist die Wohnbevölkerung auf 3,313,554 Seelen angestiegen; nach Mitgabe des in Art. Ö aufgestellten Berechnungsmaßstabes müßte, sofern alle Kantone vom Recht auf die Subvention Gebrauch machen, der Kredit von zwei Millionen um Fr. 83,983. 40 erhöht werden. (Zu vgl. Anhang III.). Diese Summe ist als ein Minimum aufzufassen, das nicht herabgesetzt werden darf, wenn den Kantonen ein ernstlicher Fortschritt ermöglicht werden soll; aus diesem Grunde und in Betracht der neuen so bedeutenden Ausgabe hatte der

747

Bundesrat aus finanziellen Erwägungen die Einbringung seines Entwurfes verschoben. Infolge der an ihn erlassenen Einladung bringt er die Frage nun vor die Bundesversammlung, jedoch mit der Bemerkung, daß bevor es sich um das Inkrafttreten des neuen Beschlusses handeln kann, der Grundsatz der Gewährung einer Bundessubvention von ihr angenommen sein muß ; denn der Zeitpunkt des Inkrafttretens der geplanten Neuerung dürfte von dem dannzumaligen Stande der eidgenössischen Finanzen abhängen.

Art. 5. Der erste Absatz dieses Artikels verfügt, daß die Organisation und Leitung des Schulwesens Sache der Kantone bleibe. Dies versteht sich zwar von selbst, und man hätte diese Bestimmung ebensogut weglassen können, da die Verfassungsbestimmungen über den Primarunterricht in keiner Weise verletzt werden. Wenn die Bestimmung dennoch aufgenommen wurde, so geschah es, um jedem Mißverständnisse vorzubeugen.

Die im Schlußsatz aufgestellte Freiheit, die Subvention in Anspruch zu nehmen oder darauf zu verzichten, ist ein Ausfluß der Souveränetät der Kantone im Gebiete des Schulwesens.

Art. 6 und 7. Diese verlangen von den Kantonen behufs Ermöglichung einer finanziellen Kontrolle eine Darlegung der Verwendungsart, die sie der Subvention zu geben beabsichtigen.

Diese Darlegung unterliegt der Prüfung und Gutheißung des Bundesrates ; während der Entwurf der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren nur von einem jährlichen Bericht über die Verwendung der empfangenen Beiträge spricht. Das in unserm Entwurf angenommene Vorgehen für die Unterstützung ist ähnlich ·demjenigen, welches für die Unterstützung der gewerblichen und kommerziellen Bildung eingeführt ist und bis jetzt zu keinerlei Aussetzungen von Seiten der beteiligten Kreise Anlaß gegeben hat.

Art. 8. Der Inhalt dieses Artikels erscheint als die notwendige Folge der Annahme des vorliegenden Entwurfes.

Art. 9 enthält die im Sinne des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 liegende Referendumsklausel.

748

Entsprechend der ira Eingange erwähnten Einladung beehren wir uns nun, Ihnen nachfolgenden Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend die Unterstützung der öffentlichen Primarschule durch den Bund zur Genehmigung vorzulegen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 18. Juni 1901.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

749

(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

die Unterstützung der öffentlichen Primarschule durch den Bund.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 18. Juni 1901, beschließt: Art. 1. Zur Unterstützung der Kantone in der Aufgabe, für genügenden Primarunterricht zu sorgen, werden denselben aus Bundesmitteln Beiträge geleistet.

Art. 2. Die Bundesbeiträge dürfen nur für die öffentliche staatliche Primarschule (mit Einschluß der obligatorischen Ergänzungs- und Fortbildungsschule) verwendet werden, und zwar ausschließlich zu folgenden Zwecken: 1. Errichtung neuer Lehrstellen zum Z wecke der Trennung zu großer Klassen und der Erleichterung des Schulbesuches ; 2. Bau neuer und wesentlicher Umbau bestehender Schulhäuser ;

750

3. Einrichtung von Turnplätzen und Anschaffung von Turngeräten ; 4. Aus- und Fortbildung von Lehrkräften ; 5. Aufbesserung von Lehrerbesoldungen und Ruhegehalte : 6. Anschaffung von Lehrmitteln ; 7. unentgeltliche Abgabe von Schulmaterialien an die Schulkinder ; 8. Nachhülfe in Ernährung und Kleidung armer Schulkinder während der Schulzeit; 9. Erziehung schwachsinniger Kinder in den Jahren der Schulpflicht.

Art. 3. Die Beiträge des Bundes dürfen keine Verminderung der durchschnittlichen ordentlichen Leistungen der Kantone (Staats- und Gemeindeausgaben zusammengerechnet) in den letzten fünf Jahren zur Folge haben.

Art. 4. Als Grundlage zur Bestimmung der Jahreskredite für die Kantone wird die Wohnbevölkerung derselben nach der letzten eidgenössischen Volkszählung angenommen.

Der Einheitssatz zur Berechnung des Jahreskredites beträgt für jeden Kanton sechzig Rappen auf den Kopf der Wohnbevölkerung.

In Berücksichtigung der besondern Schwierigkeiten ihrer Lage wird den Kantonen Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwaiden, Appenzell I.-Rh., Graubünden, Tessin und Wallis eine Zulage von 20 Rappen auf den Kopf der Wohnbevölkerung gewährt.

Art. 5. Die Organisation und Leitung des Schulwesens bleibt Sache der Kantone.

Es steht jedem Kanton frei, die Subventionssumme in Anspruch zu nehmen oder auf dieselbe zu verzichten.

Art. 6. Die Kantone, welche die Subvention in Anspruch nehmen, haben dem Bundesrate eine Darlegung der

75Î

beabsichtigten Verwendung des Bundesbeitrages im nächsten Rechnungsjahre zur Prüfung und Genehmigung einzureichen.

Es ist dem Ermessen der Kantone anheimgestellt, für welchen oder welche der in Art. 2 genannten Zwecke sie den Bundesbeitrag bestimmen wollen.

Die Verwendung des Bundesbeitrages zur Ansammlung von Fonds ist nicht zulässig.

Ebensowenig ist Übertragung eines Subventionskredites auf ein folgerides Jahr zulässig.

Art. 7. Der Bund wacht darüber, daß die Subventionen den genehmigten Vorschlägen gemäß verwendet werden.

Die Ausrichtung der Subventionen erfolgt auf Grund eines von den Kantonen einzureichenden Berichtes und nach Genehmigung der Rechnungsaus weise durch den Bundesrat.

Art. 8. Der Bundesrat erläßt die erforderlichen Ausführungsbestimmungen.

Art. 9. Der Bundesrat ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Beschlusses zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

752 Anhang I.

Eundesgesetz betreffend

die Unterstützung der öffentlichen Primarschule durch den Bund.

(Entwurf des Bundesrates vom 5. Juli 1895.)

Art. 1. Zum Zwecke der Unterstützung der Kantone in der ihnen obliegenden Sorge für genügenden Primarunterricht können denselben aus Bundesmitteln Beiträge geleistet werden.

Art. 2. Die Bundesbeiträge dürfen nur für die öffentliche staatliche Primarschule verwendet werden, und zwar ausschließlich zu folgenden Zwecken : 1. Bau neuer Schulhäuser; 2. Errichtung neuer Lehrstellen infolge von Trennung zu großer Klassen ; 3. Beschaffung von Lehr- und Veranschaulichungsmitteln ; 4. Unentgeltliche Abgabe von Schulmaterialien an die Schulkinder ; 5. Versorgung von Schulkindern während der Schulzeit mit Speise und Kleidung; 6. Ausbildung von Lehrern; 7. Aufbesserung von Lehrerbesoldungen; 8. Einrichtung von Turnplätzen.

Art. 3. Die Beiträge des Bundes dürfen keine Verminderung der bisherigen Leistungen der Kantone und Gemeinden zur Folge haben.

Art. 4. Für die Periode der nächsten 5 Jahre, beginnend mit dem 1. Januar 1897, wird zu genanntem Zwecke eine jährliche Summe von Fr. 1,200,000 in das Budget eingestellt.

Diese Summe kann, wenn die Finanzlage des Bundes dies gestattet, für fernere fünfjährige Perioden auf dem Budgetwege erhöht werden.

Art. 5. Aus dem jährlichen Gesamtbundesbeitrag wird jedem Kanton für die fünfjährige Periode ein' bestimmter Jahreskredit zugeschieden, welcher bei dessen Unterstützung nicht überschritten werden darf.

Art. 6. Als Grundlage zur Bestimmung der Jahreskredite für die Kantone wird einerseits deren Wohnbevölkerung, anderseits deren ökonomische Leistungsfähigkeit angenommen.

Betreffend die Bevölkerung macht die letzte eidgenössische Volkszählung Regel.

Rücksichtlich der verschiedenen ökonomischen Leistungsfähigkeit werden die Kantone in 3 Klassen eingeteilt, nämlich : I. Klasse: Zürich, Glarus,Zug, Baselstadt, Schaffhausen, Waadt, Neuenburg, Genf.

II. Klasse: Bern, Luzern, Obwalden, Freiburg, Solothurn, Baselland, Appende!! A.-Rh., St. Gallen, Graubünden, Aargau, Thurgau.

III. Klasse: Uri, Schwyz, Nidwaiden, Appenzell I.-Rh., Tessin, Wallis.

754

Der Einheitssatz zur Berechnung des Jahreskreditcs für die einzelnen Kantone während der nächsten fünfjährigen Periode beträgt: für die I. Klasse d r e i ß i g R a p p e n , für die II. Klasse v i e r z i g R a p p e n , für die III. Klasse f ü n f z i g R a p p e n pro Kopf der Wohnbevölkerung.

Art. 7. Es steht jedem Kanton frei, die ihm vorbehaltene Subventionssumme in Anspruch zu nehmen oder auf dieselbe ganz oder teilweise zu verziehten.

Als allgemeine Verzichtleistung wird angesehen, wenn innerhalb der für bezügliche Eingaben festzusetzenden Frist ein mit den erforderlichen Nachweisen begleitetes Subventionsbegehren nicht eingereicht wird.

Übertragung eines Subventionskredites auf ein folgendes Jahr findet nicht statt.

Art. 8. Der um die Schulsubvention sich bewerbende Kanton hat dem Buadesrat folgende Vorlagen zu machen : Ì. Eine nach den Kategorien getrennte Aufstellung der von Kanton and Gemeinden in den letzten fünf Jahren für die öffentliche Primarschule aufgewendeten Summen ; 2. einen Plan über die beabsichtigte Verwendung der Bundessubvention in der nächsten fünfjährigen Periode, mit Begründung; 3. eine besondere, specialisierte Darlegung der beabsichtigten Verwendung des Bundesbeitrages im nächsten Rechnungsjahr. Verwendung in Form von Ansammlung von Fonds ist unstatthaft.

Nach erfolgter Genehmigung der Verwendung ist dieselbe für den Kanten verbindlich und nach Ablauf des Jahres nachzuweisen.

755 Art. 9. Die Genehmigung kann ganz oder teilweise verweigert werden, wenn eine nicht statthafte Verwendung der Subvention in Aussicht genommen wird (Art. 2) ; wenn im ganzen oder in einzelnen Ausgabeposten, für welche der Bundesbeitrag verwendet werden will, eine Verminderung der betreffenden bisherigen Leistungen von Kanton und Gemeinde eintritt (Art. 3).

Art. 10. Der Bund wacht darüber, daß die Subventionen den genehmigten Vorschlägen entsprechend verwendet werden.

Die Ausrichtung der Subventionen erfolgt jeweilen im fotgenden Jahre auf Grundlage der von den Kantonen einzureichenden Rechnuagsausweise und nach Genehmigung dieser letztern durch den Bundesrat.

Art. 11. Über die Subventionseingaben (Art. 7) und die Abfassung der von den Kantonen dabei zu machenden.

Vorlagen (Art. 8) wird der Bundesrat in einer Vollziehungsverordnung die nähern Vorschriften aufstellen.

Art. 12. Der Bundesrat ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874,.

betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Beschlusses zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

756 Anhang n.

Bundesgesetz betreffend

die Unterstützung der öffentlichen staatlichen Primarschule durch den Bund.

fEntwurf der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren.)

Art. 1. Zum Zwecke der Unterstützung der Kantone in der ihnen obliegenden Sorge für genügenden Primarunterricht können denselben aus Bundesmitteln Beiträge geleistet werden.

Art. 2. Die Bundesbeiträge dürfen nur für die öffentliche staatliche Primarschule, jedoch nach Ermessen der Kantone für einen oder mehrere der nachbezeichneten Zwecke verwendet werden; 1. Einrichtung von Turnplätzen und Beschaffung von Turngeräten ; 2. Schulhausbauten und Umbau bestehender Schulhäuser; 3. Errichtung neuer Lehrstellen; 4. Beschaffung von Lehr- und Veranschaulichungsmitteln ; 5. unentgeltliche Abgabe von Lehrmitteln und Schulmaterialien an die Schulkinder; 6. Versorgung von Schulkindern während der Schulzeit mit Speise und Kleidung; 7. Aus- und Fortbildung von Lehrkräften; 8. Aufbesserung von Lehrerbesoldungen und Ruhegehalte; 9. Errichtung von besonderen Klassen für Schwachbegabte; 10. Förderung des den Primarunterricht ergänzenden Fortbildunsrsschulwesens.

757

Art. 3. Die Beiträge des Bunds dürfen keine Verminderung der durchschnittlichen Leistungen der Kantone (Staats- und Gemeindeausgaben zusammengerechnet) in den letzten 10 Jahren zur Folge haben.

Art. 4 Zu genanntem Zwecke wird alljährlich eine Summe in den eidgenössischen Voranschlag eingesetzt, die in der Weise zu berechnen ist, daß per Lehrstelle der Primarschule mindestens Fr. 200 angesetzt werden.

Art. 5. Es steht jedem Kantone frei, die Subventionssumme in Anspruch zu nehmen oder auf dieselbe zu verzichten.

Art. 6. Die bleibt Sache der dem Bundesrate Beiträge jährlich

Organisation und Leitung des Schulwesens Kantone ; diese sind jedoch verpflichtet, über -die Verwendung der empfangenen Bericht zu erstatten.

Art. 7. Die Ausrichtung der Subventionen erfolgt je im folgenden Jahre auf Grundlage der von den Kantonen einzureichenden Rechnungsausweise und nach deren Prüfung durch den Bundesrat.

Art. 8. Der Bundesrat erläßt die erforderlichen Ausführungsbestimmungen.

-
758 Anhang III.

Bundesbeitrag an die schweizerische Primarschule.

(Berechnet nach dem Maßstabe von 60 Cts. auf den Kopf der Wohnbevölkerung.)

WohnJahresbeitrag Zulage von 20 Cts. auf bevölkerung nach den Kopf auf 1 . Dez. dem Ansatz von der Be1900 60 Cts.

völkerung

Kantone

Fr.

Zürich .

. .

Bern Luzern . . . .

Uri . . .

Schwyz . . .

Obwalden . . .

Nïdwalden . .

Glarus .

Zug Freiburg . . .

Solothurn . . .

Baselstadt . .

Baselland . . .

Schaffhausen .

Appenzell A.-Rh.

Appenzell I.-Rh.

St. Gallen . .

Graubünden . .

Aargau . . .

Thurgau . . .

Tessin .

Waadt . .

Wallis .

Neuenburg . .

Genf

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

Schweiz

430,135 587 921 146 474 19 701 T 5,497 15,280 13,088 32 397 25045 127,719 100,838 112,246 68,451 41,523 55,284 Ì 3,480 250,066 104,510 206,460 113,110 142 719 279 152 114 980 125,804 131 674

258 081'. -- 352 752 60 87884 40 11 820 60 33,298. 20 9,168'. -- 7,852. 80 19 438 20 15 027 -- 76,631. 40 60,502. 80 67,347. 60 41,070. 60 24,91°3. 80 33,170. 40 8,088. -- 150,039. 60 62,706. -- 123,876. -- 67,866. -- 85 631 40 167 491 20 68 988 75,482. 40 79004 40

Fr.

3 940 20 11,099. 40 3,056. -- 2,617.60

2,696. -- 20,902. -- 28 543 80 22 996

Total des

Beitrages Fr.

258 081 -- 352 752 60 87 884 40 15 760 80 44,397. 60 12,224. -- 10,470. 40 19 438 20 15027 76,631. 40 60,502. 80 67,347. 60 41,070. 60 24,913. 80 33,170. 40 10,784. -- 150,039. 60 83,608. -- 123,876. -- 67,866. -- 114 175 20 167491 20 91 gg4 75,482. 40 79 004 40

3,313,554 1,988,132. 40 95,851. -- 2,083,983. 40

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die Unterstützung der öffentlichen Primarschule durch den Bund. (Vom 18. Juni 1901.)

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1901

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26

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26.06.1901

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