1033

# S T #

Bundesratsbeschluß über

die Beschwerde der Frau Martha Landolt in Näfels, Kanton Glarus, betreffend Verweigerung einer Wirtschaftsbewilligung.

(Vom 26. November 1901.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t hat;

über die Beschwerde der Frau Martha Landolt in Näfels, Kanton Glarus, betreffend Verweigerung einer Wirtschaftsbewilligung; auf den Berichtendes Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt: A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

Durch Beschluß vom 11. Juli 1901 hat der Regierungsrat des Kantons Glarus, in Bestätigung einer Verfügung des Gemeinderates Näfels, das Gesuch der Frau Martha Landolt um Erneuerung einer Wirtschaftsbewilligung für das ihr in Näfels gehörige Haus ,,Zum Denkmal" abgewiesen in Anbetracht folgender Erwägungen: Bundesblatt. 63. Jahrg. Bd. IV.

72

1034 ,,1. Der wirkliche Inhaber der Wirtschaft ,,Zum Denkmal1', nämlich der geschiedene Mann der Rekurrentin, Anton Landolt, hat auf die Fortführung der Wirtschaft zu einer Zeit, wo erdarüber noch allein verfügen konnte, vollständig und rechtsförmlich verzichtet. Hieran vermögen die Einwendungen der Frau und auch der Umstand, daß das fragliche Haus Frauengut gewesen, nichts zu ändern.

2. Der Gemeinderat Näfels stand demnach vor einer neuen Bewilligung und konnte darüber nach dem Gesetze entscheiden.

3. Wesentlich fällt nun vor allem ins Gewicht, daß die Gemeinde Näfels nach einer im Jahre 1896 aufgenommenen Statistik 28 Wirtschaften und 18 Kleinverkaufsstellen geistigerGetränke besitzt, so daß es, bei einer Gesamteinwohnerzahl von 2500, auf 87 Einwohner eine Wirtschaft, auf 136 Einwohner eine K lein verkauf sstelle geistiger Getränke, und auf 53 Einwohner eine Verkaufsstelle geistiger Getränke überhaupt trifft.

Eine Verminderung der Zahl der Wirtschaften in der Gemeinde Näfels ist angesichts dieser Zahlen nur zu begrüßen.

4. Außerdem spricht zu gunsten des gemeinderätlichen Entscheides der Umstand, daß die Wirtschaft ,,Zum Denkmal" sich in der Nähe der Kirche befindet und Störungen des Gottesdienstes durch den Wirtschaftsbetrieb in diesem Hause sehr leicht möglich sind. Die isolierte Lage der Wirtschaft ,,Zum Denkmal1* begünstigt auch den Besuch der Wirtschaft durch Leute, welche den Besuch der Wirtschaften in bewohntem Quartieren aus irgend einem Grunde unterlassen müssen.a II.

Gegen den Regierungsratsbeschluß hat Frau Landolt mit Eingabe vom 27. August L901 den staatsrechtlichen Rekurs beim Bundesrate erhoben und das Rechtsbegehren gestellt, es sei. ihr vorläufig bis zur Entscheidung des Rekurses die Weiterfuhrung der Wirtschaft zu gestatten, um sie vor unnützem Wirtschaftsunterbruch und daraus entstehendem Schaden zu schützen ; es sei der Regierungsratsbeschluß aufzuheben und der Rekurrentin der Weiterbetrieb der Wirtschaft ,,Zum Denkmala zu gestatten.

Zur Begründung des Reehtsbegehrens bringt die Beschwerdeführerin vor :

1035 Rekurrentin hat im Juli 1888 das jetzige Heimwesen ,,Zum Denkmala, in nächster Nähe des Schlachtdenkmals gelegen, in Näfels käuflich erworben, und eröfinete die von ihr bis heute betriebene Wirtschaft ,,Zum Denkmala. Im Februar 1894 ging die Rekurrentin eine Ehe mit Anton Landolt, von Beruf Schlosser, ein ; die Frau brachte das Heimwesen als Frauengut in die Ehe.

Die Wirtschaft, deren Patent infolge der Ehe auf den Ehemann überschrieben worden war, wurde auch fernerhin von der Frau mit Hülfe einer Magd weiter betrieben, während der Mann als Schlosser seinem Berufe oblag. Nach und nach wurde das eheliche Zusammenleben ein zerrüttetes, es kam zu amtlichen Vermittlungen, und am 23. März 1901 zur gänzlichen Ehescheidung, Am 28. Februar bezw. am l. März 1901 aber hatte der Ehemann A. Landolt durch Inserat in den ,,Glarner Nachrichtena auf den Weiterbetrieb der Wirtschaft ,,Zum Denkmal'1 verzichtet, offen bac nur, um die Frau zu schädigen, denn gleichen Tages ging er mit samt seinem Hausrat vom Haus fort. Am 2. März 1901 hatte Frau Landolt beim Gemeinderat von Näfels das Gesuch um Weiterbetrieb der Wirtschaft bis zum Austrag des Ehescheidungsprozesses gestellt, welchem Gesuch stillschweigend entsprochen wurde.

Am Tage des Urteils, 23. März 1901, reichte Frau Landolt beim Gemeinderat Näfels das Gesuch um Erteilung des Wirtschaftspatentes auf i h r e n Namen ein; dieses Gesuch wurde jedoch ohne jegliche Begründung abgewiesen. Der Regierungsrat hat diese Verfügung durch seinen Beschluß vom 11. Juli 1901 bestätigt.

Das Verbot der Weiterführung der Wirtschaft, wie es die beiden Vorinstanzen gegenüber der Rekurrentin ausgesprochen haben, ist eine Verletzung des Grundsatzes der Gewerbefreiheit (Art. 31 der Bundesverfassung). Gründe persönlicher Unfähigkeit oder Ungeeignetheit zum Wirtschaftsbetrieb liegen bei der Rekurrentin nicht vor.

Wenn die Vorinstanz erklärt, der Ehemann Landolt habe auf das Wirtschaftspatent rechtsgültig verzichtet, so muß darauf hingewiesen werden, daß es sich in Wahrheit doch nicht um Schaffung eines neuen oder Erneuerung eines alten Wirtschaftspatentes handelt, sondern bloß darum, das Patent, das ursprünglich auf den Namen der Ehefrau lautete, dann des Eheabschlusses wegen auf den Namen des Ehemannes, wiewohl derselbe gar nicht wirtete, überschrieben werden mußte, wieder auf die ur-

1036 sprüngliche Inhaberin auszustellen. Einmal kann schon die öffentliche Ausschreibung kaum als ein richtiger Verzicht auf das Paient angesehen werden, denn nicht gegenüber dem Publikum, sondern gegenüber der Behörde, welche das Patent erteilt hat, sollte der Verzicht ausgesprochen werden; dann aber kann doch wohl nach keinem Recht ein Ehemann, der schon seit Monaten gegen seine Frau ein Ehescheidungsbegehren anhängig hat, im Moment, da er den Ehescheidungsprozeß durchführt und die Frau verläßt, zu Lasten der Frau auf ein Recht derselben verzichten, das derselben vor der Ehe gehörte. Allerdings giebt § 4 des Glarnerischen Wirtschaftsgesetzes der Behörde das Recht, Patente, wenn deren Zahl zu groß ist, nicht mehr zu erneuern.

Eine solche Schädigung der Inhaber von Wirtschaftspatenten setzt aber specielle Verumständungen voraus, die ein solches Vorgehen rechtfertigen könnten. Hier liegt aber gerade der umgekehrte Fall vor; ist doch zu gleicher Zeit, als der Beschwerdeführerin ihr Patent entzogen wurde, ein ganz neues für die Wirtschaft zur Sonne in Näfels bewilligt worden. Dies ist eine willkürliche Handhabung des Wirtschaftsgesetzes. Die Willkür erscheint um so größer, wenn man sich vergegenwärtigt, daß da. wo die Wirtschaft zur Sonne steht, sich noch eine ganze Anzahl von Wirtschaften befinden, während die Wirtschaft der Rekurrentin einige Minuten von allen andern Wirtschaften entfernt, zunächst beim Denkmal liegt. Dieser ihrer Lage nach dient die Wirtschaft ,,Zum Denkmal11 einem ganz andern Bedürfnis als die übrigen Wirtschaften von Näfels ; sie dient den Besuchern des Denkmals. Das Verhältnis der Einwohnerzahl zur Zahl der bestehenden Wirtschaften kann daher in casu nicht maßgebend sein. Durch die Schließung der Wirtschaft wird nicht nur der Wert des Hauses zum Denkmal erheblich vermindert, sondern auch der Beschwerdeführerin, die laut beigelegtem ärztlichem Zeugnis kränklich, daher nicht jeden Beruf zu ergreifen stark genug ist, der Erwerb ihres Lebensunterhaltes erschwert.

III.

Durch Verfügung vom 31. August 1901 lud der Bundesrat, in Anbetracht dessen, daß die Beschwerdeführerin mit ihrem Gesuche der Gestattung des vorläufigen Weiterbetriebes nur die Aufrechterhaltung des bestehenden Zustandes verlangte, und die Gefährdung rechtlicher Interessen im Falle der Schließung der Wirtschaft wahrscheinlich machte --.in Anwendung von Art. 185 in Verbindung mit Art. 191 O.-G. -- den Regierungsrat des

1037 Kantons Glarus ein, der Beschwerdeführerin vorläufig den Fortbetrieb ihrer Wirtschaft ..Zum Denkmal"1 bis zum Entscheid des D Bundesrates in der Sache zu gestatten.

IV.

Die Regierung des Kantons Glarus beantragte mit Zuschrift vom 26. September und ergänzendem Nachtrag vom 24. Oktober 1901 die Abweisung der Beschwerde und ließ sich also vernehmen : Es mag richtig sein, daß die Rekurrentin schon im Jahre 1888 die Wirtschaft ,,Zum Denkmal11 eröffnet und zunächst auf eigenen Namen betrieben hat. Es beruhte dies aber nicht etwa auf einer Patenterteilung, wie man nach der Rekursschrift annehmen könnte ; es war vielmehr bis zum Erlasse des heute geltenden Wirtschaftsgesetzes vom 7. Mai 1893 der Betrieb einer Wirtschaft im Kanton Glarus ein freies, an keine obrigkeitliche Bewilligung gebundenes Gewerbe. Erst dieses Gesetz normiert die Einholung einer Bewilligung beim Gemeinderat des Ortes, in welchem die Wirtschaft betrieben werden soll ; zugleich gestattet § 4, die Erteilung der Bewilligung vom Vorhandensein eines Bedürfnisses abhängig zu machen, und zwar bezieht sich dies sowohl auf neue Bewilligungen als bisher bestandene Wirtschaften.

§ 4 des Wirtschaftsgesetzes lautet: ,,Wenn in einer Gemeinde die Zahl der Wirtschaften so groß ist, daß eine Vermehrung offenbare Nachteile bringen würde, so kann der betreffende Ortsgemeinderat die Erneuerung bestandener oder die Erteilung weiterer Bewilligungen verweigern''. Diese Redaktion des § ist allerdings nicht eine ganz glückliche; doch unterliegt es keinem Zweifel, daß die Absicht des Gesetzgebers dahin ging, eine Beschränkung und Verminderung der bestehenden Wirtschaften einzuführen. Dies ergiebt sich in erster Linie aus dem beigelegten ,,Memorial für die ordentliche Landsgemeinde des Kantons Glarus vom Jahre 1893a; in Ausführung desselben erließ der Regierungsrat schon am 27. September 1894 ein Cirkular, in welchem die kompetenten Gemeindebehörden auf eine Verminderung der bestehenden Wirtschaften hinzuarbeiten eingeladen werden. In diesem Sinne ist das Gesetz auch in der Praxis vom Regierungsrat stets angewandt worden : so hat der Regierungsrat im Jahr 1897 eine seit 1885 bestehende Wirtschaft, gestützt auf den Bedürfnisparagraphen, geschlossen; ebenso wurde am 24. Februar 1898 eine seit vielen Jahren bestehende Wirtschaft wegen mangelnden

1038

Bedürfnisses geschlossen. Als der Zurückgewiesene beim Bundesrat rekurrierte., wies ihn derselbe ab, indem er ausdrücklich anerkannte, daß auch die Bewilligung zum w e i t e r n B e t r i e b einer Wirtschaft verweigert werden kann, wenn die Zahl der vorhandenen Wirtschaften zu groß ista (Bundesratsbeschluß vom 27. Mai 1890).

Im Jahr 1894 ging der Betrieb der Wirtschaft ,,Zum Denkmala auf den Ehemann der Rekurrentin über; derselbe war für den Betrieb in finanzieller wie polizeilicher Hinsicht allein verantwortlich ; auch wurde die Realität gemäß den Bestimmungen des glarnerischen Ehe- und Güten-echtes auf Anton Landoli als Eigentümer überschrieben. Daß dieser bis auf die jüngste Zeit, nämlich bis zur Ehescheidung, als Wirt ,,Zum Denkmal tt erschien, beweist auch Amtsblatt Nr. 46, Jahrgang 1900. Wie in der Rekursschrift zugegeben wird, verzichtete dann Anton Landolt auf den Wirtschaftsbetrieb zu einer Zeit, da er hierüber noch allein verfügen konnte, und es anerkannte dann die Rekurrentin als geschiedene Frau, daß für den Fortbetrieb der Wirtschaft eine neue Bewilligung notwendig sei. Es ist damit der aktenmäßige Beweis erbracht, daß einzig Anton Landolt über den Fortbetrieb der Wirtschaft oder den Verzicht darauf zu entscheiden hatte. Die Wirtschaft war auch faktisch geschlossen und die Taverne heruntergenommen worden, wenn auch nur für kurze Zeit.

Es war ganz gleichgültig, ob man es mit der Bewilligung für eine neue Wirtschaft zu thun gehabt hätte oder mit der Bewilligung für eine bereits bestehende Wirtschaft. Die Bevölkerungsziffer der Gemeinde Näfels, verglichen mit der Zahl · der Wirtschaften und Verkaufsstellen für geistige Getränke, beweist zur Evidenz, daß wenn je in einem Falle, in concreto der Bedürf'nisparagraph zur Anwendung kommen mußte. Nach der neuesten Volkszählung bestehen in Näfels 26 Wirtschaften, 1.3 Kleinverkaufsstellen, die Einwohnerzahl beträgt 2557 Seelen ; es trifft somit eine Wirtschaft auf 98 Einwohner, eine Kl ein Verkaufsstelle auf 197 Einwohner und eine Verkaufsstelle überhaupt auf 65 Einwohner; es besteht also immer noch ein Übermaß von Wirtschaften und Verkaufsstellen. Sobald sich nun. ein..geeigneter Anlaß findet, diesem Übelstande zu steuern, wie Konkurs, Verzicht, : Wegfall der persönlichen Eigenschaften,. Gründe polizeilicher Natur etc., werden Wirtschaften
geschlossen und :der Regierungsrät hat die Gemeinden in dieserà Bestreben stets unterstützt: . - : . . . · ..;.:'. .-. : · · · ' ' . . - . .

· ' ·.

. ' · : . . ··!·

1039 Unrichtig ist, daß die Wirtschaft ,,Zum Denkmal"1 wegen ihrer isolierten Lage gewissermaßen einem Bedürfnis entspreche.

Der Regierungsratsbeschluß nennt die Wirtschaft ,,isoliert"-, .weil das Gasthaus, am Ende des Dorfes gelegen, schwierig zu kontrollieren ist. Nicht weit vom Denkmal, höchstens l--3 Minuten entfernt, befinden sich eine ganze Reihe von Wirtschaften; so die Wirtschaften Bahnhof, National, Möhrli, Schlüssel, Schwert, Bierbrauerei, Steinbock etc. etc.

Über die persönlichen Verhältnisse der Rekurrentin äußert sich der Gemeinderat Näfels in seiner Beschwerdevernehmlassung vom 20. Mai 1901 dahin, daß die Wirtschaftsführung der Rekurrentin offenbar und nach dem Urteil aller an gesunder Moral gelitten habe, weshalb man allgemein das Eingehen dieser Wirtschaft begrüßt habe; wegen der abgelegenen.Lage der Wirtschaft, die eine Kontrollierung fast unmöglich mache, seien in derselben Leute zu treffen, die nicht besonders gut beleumdet seien, die der Armenpflege sehr viel zu thun geben; auch solche, denen der Trunk verboten sei, finden dort lebhafte Unterstützung; endlich berichten die Polizeirapporte, daß Rekurrentin schon wegen Übertretung der Polizeistunde und Trankverbotes gerichtlich bestraft worden sei. Diesem Bericht ist noch beizufügen, daß die Realität zum Denkmal ganz nahe bei der Kirche liegt und von der Friedhofmauer nur durch ein enges Gäßchen getrennt ist.

Auch ist die Wirtschaft der Sammelplatz zweifelhafter Elemente, gewissenloser Ehemänner und Familienväter, und es finden sich dort Frauenspersonen ein, deren Ruf nicht über allen Zweifel erhaben ist. So waren Streit und Spektakel an der Tagesordnung, was bei der Nähe der Kirche*um so schlimmer erscheint. Laut Erklärung der Polizeigerichtskanzlei des Kantons Glarus vom 24. September 1901 ist die Rekurrentin wegen Übertretung der Polizeistunde und Verabreichung geistiger Getränke an Personen, die unter dem Trankverbote stehen, zweimal bestraft worden.

Art. 14 des glarnerischen Wirtschaftsgesetzes bestimmt: ,,Der Regierungsrat ist berefchtigt, von sich aus oder auf Bericht und Antrag des respektiven Gemeinderates sofort den Entzug der Bewilligung und die Schliessung einer Wirtschaft anzuordnen : b. wenn er oder die mit ihm zusammenlebenden Hausgenossen der Unzucht Vorschub leisten;

1040 c. wenn in seinem Lokale der Trunksucht Vorschub geleistet wird; . · d. wenn eine Vermehrung der Wirtschaften offenbare Nachteile mit sich bringen würde.a Da nun der Regierungsrat positive Beweise dafür, daß in der Wirtschaft ,,Zum Denkmal00 der Unzucht Vorschub geleistet werde, nicht besitzt, so möchte er die litt, b des Wirtschaftsgesetzes nicht angewendet wissen; wohl aber treffen die litt, c und d vollständig zu. Über das Zutreffen der litt, d ist noch besonders zu bemerken, dass die Rekurrentin, eine ältere und kränkliche, für fremde Einflüsse allzustark zugängliche Frau, entschieden nicht die nötige Garantie für eine richtige Wirtschaftsführung darbietet.

Die Erneuerung der Bewilligung zur Fortführung der Wirtschaft zur Sonne wurde bei Anlaß des Todes des bisherigen Inhabers ausgesprochen ; ein Verzicht lag nicht vor ; die Wirtschaft besteht schon seit 40 Jahren.

Was die Klagen der Rekurrentin wegen Entwertung des Hauses und Schmälerung ihres Erwerbes betrifft, so ist der Bnndesrat auf solche Gesichtspunkte nie eingetreten.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: Der Hauptgrund der Regierung des Kantons Glarus für die Abweisung des Wirtschaftsbewilligungsgesuches der Beschwerdeführerin ist der des mangelnden Bedürfnisses.

In der rechtzeitig beim Bundesrat erhobenen Beschwerde ficht die Rekurrentin den Regierungsratsbeschluß vom 11. Juli 1901 in diesem Punkt als willkürlich und die Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz verletzend an, weil die Wirtschaft ,,Zum Denkmal00 eine seit Jahren bestehende Wirtschaft sei, der gegenüber die Bedürfnisfrage nicht aufgeworfen werden könne; nur beim Vorliegen besonderer Umstände könnte eine Schließung verfügt werden; ein solcher Umstand sei aber mit dem sogenannten Verzicht des frühern Ehemannes der Rekurrentin nicht gegeben. Der Rekurs wird ferner mit der Behauptung begründet, daß die Wirtschaft einem besonderen Bedürfnis entgegenkomme, und daß gleichzeitig mit der Schließung der Wirtschaft ,,Zum Denkmal00 die Eröffnung einer neuen Wirtschaft in Näfels bewilligt worden sei.

1041 Die Frage vorerst, ob ein rechtsgültiger Verzicht auf das Patent für den Betrieb einer Wirtschaft im Hause ,,Zum Denkmal"' vorliege oder nicht, ist vom Bundesrat nicht zu entscheiden ; ganz abgesehen davon, daß die Rekurrentin die Rechtsbeständigkeit dieses Verzichtes vor den" kantonalen Instanzen nie bestritten, hat sie auch in ihrer Rekursschrift denselben selbst als rechtgültig erklärt.

Eine prinzipielle Frage aber ist, ob es seitens der glarnerischen Kantonsbehörde willkürlich sei, wenn sie die Bedürfnisfrage gegenüber Gesuchen um Wiederbewilligung von Wirtschaften aufwirft, auf deren Betrieb verzichtet worden ist. Daß der glarnerische Regierungsrat das Recht habe, nicht nur gegenüber Gesuchen um Bewilligung neuer, sondern auch gegenüber solchen um Bewilligung der Weiterführung bestehender Wirtschaften die Bedürfnisfrage aufzuwerfen, ist auf Grundlage des § 4 des glarnerischen Wirtschaftsgesetzes zu 'bejahen. Nicht nur daß diese Interpretation nach dem Wortlaute des Gesetzes eine willkürliche nicht genannt werden kann, wird dieselbe durch die vom glarnerischen Regierungsrat ins Recht gelegten Aktenstücke als die einzig richtige erwiesen, und sie ist als solche auch vom Bundesrat in der citierten Entscheidung vom 27. Mai 1898 anerkannt worden. Daß die Regierung von diesem ihrem Rechte auch da Gebrauch macht, wo ein Verzicht auf die Führung einer Wirtschaft ausgesprochen worden ist, kann nicht willkürlich genannt werden; mit Recht stellt vielmehr die Regierung den Verzicht in seiner Wirkung auf die gleiche Linie mit Konkurs, Verweigerungsgründen polizeilicher Natur und ähnlichen, indem sie überall, wo Wirtschaften aus solchen Gründen eingegangen sind, Gesuche um Bewilligung der Wiedereröffnung unter dem Gesichtspunkt der Bedürfnisfrage prüft. Der Bundesrat hat stets anerkannt, daß die Verminderung der Zahl der Wirtschaften nach diesen Grundsätzen bundesrechtlich nicht anfechtbar ist, solange diese Maßregel sich innert den Schranken der Rechtsgleichheit unter den Bürgern hält (Salis, Bunderecht, Bd. II, Nr. 647, S. 259 f., Nr. 672, Nr. 677). Ob auch diese letztere Bedingung nicht verletzt sei, ist später zu untersuchen.

Wenn die Beschwerdeführerin dagegen einwendet -- und sie legt darauf das Hauptgewicht ihrer Ausführungen -- daß sie die Wirtschaft als Frauengut in die jetzt geschiedene
Ehe eingebracht habe, daß ihre Frauengutsforderung durch die Verweigerung der Wirtschaftsbewilligung geschmälert würde, daß ihr früherer Ehemann, bloß um sie zu schädigen, auf das Wirt-

1042 schaftepatent verzichtet habe, und daß er dies nur wegen der besonderen, durch das eheliche Güterrecht des Kantons Glarus bedingten Rechtsverhältnisse habe thun .können, so sind das alles Gesichtspunkte civilrechtlicher Natur, welche für die öffentlich-rechtliche Frage, ob die Wirtschaftsbewilligung zu Recht oder Unrecht verweigert wurde, ohne Einfluß bleiben müssen.

Ist nun festgestellt^ daß die Regierung, ohne einen Akt der Willkür zu begehen, die Bedürfnisfrage gegenüber dem Gesuch der Rekurrentin aufwerfen konnte, so bleibt noch zu untersuchen ^ ob sie die Bedürfnisfrage diesem Gesuche gegenüber in willkürlicher Weise verneint habe. Auch dies kann mit Grund nicht behauptet werden. Daß angesichts des Verhältnisses von einer Wirtschaft auf 98 Einwohner in Näfels ein Bedürfnis der Ortschaft nach Beibehaltung dieses Verhältnisses bestehe, hat die Beschwerdeführerin nicht einmal behauptet; sie beruft sich aber darauf, daß die Nähe der Wirtschaft beim Denkmal der Schlacht von Näfels einem besonderen Bedürfnis begegne, demjenigen der Besucher dieses Denkmals. Nun hat aber der glarnerische Regierungsrat eine ganze Reihe von Wirtschaften genannt, die vom Denkmal nicht mehr als ein paar Minuten entfernt sind: auch angenommen also, daß das Vorhandensein des Denkmals wirklich einen größeren Fremdenverkehr an diesem Platze bewirke, kann doch nicht gesagt werden, daß die Bedürfnisse dieses Verkehrs nicht durch die Wirtschaften gedeckt werden können, die zwei oder drei Minuten vom Denkmal entfernt liegen.

Endlich hat die Beschwerdeführerin mit Unrecht die Einrede erhohen, daß der Regierungsrat ihr Wirtschaftsgesuch keinesfalls wegen mangelnden Bedürfnisses habe abweisen dürfen, weil er in der gleichen Zeit ein Gesuch um Eröffnung einer neuen Wirtschaft bewilligt habe ; denn die Wirtschaft zur Sonne, welche die Beschwerdeführerin genannt hat, ist in Wahrheit keine neue Wirtschaft, sondern besteht schon seit 40 Jahren. Auch handelte es sich bei der Erteilung der Bewilligung um eine bloße Bestätigung der Handänderung aus Anlaß eines Todesfalls; daß aber ein solcher Übergang einer Wirtschaft in eine andere Hand nicht gleich behandelt w,erden kann wie das Erlöschen eines Wirtschaftspatentes infolge Verzichtes, liegt auf der Hand: Es kann also auch von einer Verletzung der Rechtsgleichheit der Bürger durch
die Schlußnahme der Regierung vom 11. Juli 1901 keine Rede sein.

Gegenüber dem bundesrechtlich unanfechtbaren Abweisungsgrund wegen .mangelnden Bedürfnisses kann auf die Prüfung

1043 darüber, ob sich die Schlußnahme der Regierungsrates noch aus andern Gründen rechtfertigen lasse, verzichtet und braucht daher auf die weitern vom Regierungsrat angeführten Abweisungsgründe nicht mehr eingetreten zu werden.

Demnach wird erkannt: Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die provisorische Verfügung des Bundesrates vom 31. August 1901 betreffend die Fortführung der Wirtschaft zum Denkmal fällt dahin.

B e r n , den 26. November 1901.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, D e r B u n d e s p r ä s i d e n t : '· '

Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier,

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesratsbeschluß über die Beschwerde der Frau Martha Landolt in Näfels, Kanton Glarus, betreffend Verweigerung einer Wirtschaftsbewilligung. (Vom 26. November 1901.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1901

Année Anno Band

4

Volume Volume Heft

48

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

27.11.1901

Date Data Seite

1033-1043

Page Pagina Ref. No

10 019 849

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.