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2344 Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren betreffend den Strassenverkehr.

(Vom 21. August 1928.)

Mit Beschluss vom 16./23. Dezember 1927 haben Sie uns das von 51,580 Unterschriften unterstützte Volksbegehren, abzielend auf die Aufnahme eines neuen Artikels 37bis betreffend den Strassenverkehr in die Bundesverfassung, zur materiellen Berichterstattung überwiesen. Wir kommen unserer Pflicht, zu Ihren Händen hierzu Stellung zu nehmen, mit den nachfolgenden Ausführungen nach.

Der von der Strassenverkehrsliga vorgelegte neue Artikel 37bls soll den am 22. Mai 1921 mit 206,297 gegen 138,876 Stimmen und von 15% gegen 6% Ständen angenommenen Artikel 37Ms aufheben und ersetzen. Dieser alte Artikel 37Ws gibt dem Bunde das Eecht, Vorschriften über Automobile und Fahrräder aufzustellen und bestimmte, für den allgemeinen Durchgangsverkehr notwendige Strassen in vollem oder beschränktem Umfange offen zu erklären.

Der Artikel hat noch keine bundesgeset/zliche Ausführung gefunden. Ein hierzu bestimmter umfassender Gesetzesentwurf ist in der Volksabstimmung vom 15. Mai 1927 mit 343,387 gegen 230,287 Stimmen verworfen worden. Der Bundesbeschluss betreffend die Ausrichtung von Bundesbeiträgen an die Kantone für die Automobilstrassen, welcher wenigstens für die Bundeskompetenz zur Öffnung der Durchgangsstrassen die notwendige Ausführungsbestimmung durch Bezeichnung der zuständigen Instanz bringen soll, steht noch beim Parlamente in Beratung.

Der neu vorgeschlagene Verfassungsartikel hat folgenden Wortlaut: «Die Gesetzgebung über den Strassenverkehr ist Bundessache.

Den Kantonen bleibt das Eecht gewahrt, im Rahmen der eidgenössischen Verkehrsgesetzgebung Vorschriften zu erlassen, in denen die besonderen örtlichen Verhältnisse berücksichtigt werden.

Der Bund ist befugt, Bau und Unterhalt von Durchgangsstrassen zu übernehmen oder sich daran zu beteiligen.

421 Die Einnahmen, die dem Bund aus Zöllen, Steuern und andern Abgaben auf den Betriebsstoffen der Motorfahrzeuge zufliessen, sind unter die Kantone zu verteilen. Massgebend sind hierbei die Aufwendungen der Kantone für Bau und Unterhalt solcher Strassen, die vom Bunde als für den Verkehr wichtig anerkannt werden.

Der Bund ist berechtigt, einen angemessenen Teil der von ihm nach der vorstehenden Bestimmung erzielten Einnahmen zu behalten, wenn er Bau und Unterhalt von Durchgangsstrassen übernimmt oder sich daran beteiligt.» Wie auf den ersten Blick ersichtlich ist, geht dieser Verfassungsartikel in der Kompetenzzuweisung an den Bund viel weiter als der alte Artikel.

Während dieser sich auf den Ausschnitt des Automobil- und Fahrradverkehrs beschränkt, beansprucht der neue Artikel für den Bund das Gesetzgebungsrecht über den gesamten Strassenverkehr, also ohne Unterscheidung der Nutzungsart, ohne Unterscheidung der Strassenkategorie, mit blossem Vorbehalt kantonaler Vorschriften zur Berücksichtigung besonderer örtlicher Verhältnisse. Der Bund soll auch berechtigt sein, den Bau und Unterhalt von Durchgangsstrassen ganz oder teilweise zu übernehmen und bestimmte Einnahmen, die auf den Betriebsstoffen der Motorfahrzeuge gewonnen werden, hierzu ohne weiteres zu verwenden. Umgekehrt soll er verpflichtet sein, den ganzen Best dieser Einnahmen, soweit er sie nicht selbst zum genannten Zwecke verwendet, den Kantonen abzuliefern, wobei ihm immerhin auch wieder ein massgebendes Wort für die Verwendung dieser abgelieferten Beträge in den Kantonen draussen zustehen soll.

Soll und kann diese neue Verfassungsanregung empfohlen werden? -- Der Bundesrat verneint die Frage, nicht nur aus opportunistischen, sondern auch aus grundsätzlichen Erwägungen. Opportun erscheint es ihm nicht, einen solchen Verfassungssprung 7 Jahre nach der Annahme eines Artikels vorzuschlagen, der wesentlich weniger weit ging und noch nicht einmal seine Ausführung gefunden hat, also in keiner Weise erprobt ist. Wir haben auch nicht ohne Absicht vorhin auf die Stimmen- und Ständezahl hingewiesen, mit welcher der alte Artikel 37Ms angenommen, aber auch bekämpft worden ist. Obwohl fast keine organisierte Opposition gegen jene Verfassungsvorlage sich geltend gemacht hatte, konnte nur ein Mehr von etwa 70,000 Stimmen erzielt werden.

Und es
wird niemand behaupten wollen, dass die damaligen 139,000 Opponenten deshalb nein gestimmt hätten, weil ihnen der Artikel zu wenig weit ging! Von einer derartigen Stimmung war nichts zu spüren. Man wird also zum vornherein damit rechnen müssen, dass alle diese Neinsager auch gegenüber der heutigen Initiative wieder auf dem Plan sein werden.

Das ist nun freilich eine Überlegung, welche sich eher die Initianten machen mussten, bevor sie die Verantwortlichkeit für eine Volksbewegung übernahmen.

Nachdem die Initiative zustande gekommen ist und die Volksabstimmung stattfinden muss, haben Bundesrat und nach ihm das Parlement einzig zu prüfen, ob der vorgeschlagene Art. 37bls dem bisherigen nach gewissenhafter Prüfung

422 vorzuziehen ist. Der Bundesrat ist vielmehr der Ansicht, dass wohl der alte Artikel, nicht aber die neue Anregung der bundesstaatlichen Struktur unseres Verfassungsrechtes Eechnung trage. Die Souveränität der Kantone soll nur soweit eingeengt werden, als die Erfüllung notwendiger Staatsaufgaben im kantonalen Eahmen unmöglich, für die Kantone untragbar, der hierdurch geschaffene Zustand für das Ganze ungenügend und damit auch unerträglich geworden ist. In Eespektierung dieser Grundauffassung unseres Staatsrechtes hat speziell auf dem Gebiete des Strassenwesens die Eidgenossenschaft sich peinlich gehütet, in die Hoheit, die Verwaltung, die Finanzgebarung der Kantone einzugreifen. Art. 37 BV ist geradezu ein Musterbeispiel für die saubere Abgrenzung zwischen dem Interessengebiet der Eidgenossenschaft und der Kantone. Nicht nur der Bau und Unterhalt der Strassen, sondern auch die Eegelung des Verkehrs darauf blieb unter Vorbehalt dieses Art. 37 und auch noch des die verkehrshemmenden Weg- und Brückengelder ausschliessenden Art. 30 den Kantonen völlig vorbehalten. Eine Änderung brachte erst Art. 37Ws.

Mit den Motorwagen war ein neues Verkehrsmittel aufgetreten, das ähnlich wie seinerzeit die Eisenbahnen mit der Gewalt einer Naturkraft den engen Eahmen des kantonalen Verkehrsrechtes sprengen und nach eidgenössischer, wenn nicht internationaler Eegelung rufen musste. Aber auch Art. 37bls hat sich auf die notwendige Einengung des kantonalen Eechtes beschränkt, indem er eine eidgenössische Verkehrsregelung nur da heischt, wo eben die neuen Verkehrsmittel, Automobil und Fahrrad, eine solche verlangen.

Nun machen aber die Initianten diesem bisherigen Artikel gerade den Vorwurf, dass er auch dem Auto- und Fahrradverkehr nicht gerecht werde, indem bei einer allzu strikten Auslegung, wie sie das verworfene Automobilgesetz beobachtet habe, die Pflichten und Eechte der verschiedenen Strassenbenützer ganz einseitig verteilt würden. Der Vorwurf ist, soweit er das Automobilgesetz angeht, wohl nicht ganz ungerechtfertigt. Man hat in der schliesslichen Ausgestaltung desselben, -- zum Teil unter Berufung auf den vermeintlichen Verfassungswillen -- abgesehen von einigen Bestimmungen über die Beleuchtung und das Vorfahren der Fuhrwerke, sozusagen nur Verpflichtungen für die Automobilisten und Eadfahrer aufgestellt. Der
Bundesrat hatte von Anfang an eine andere Auffassung. Eine solche einseitige Pflichtenverteilung könnte vielleicht dann genügen, wenn die verkehrsregulierende Aufgabe des Staates nur darin bestünde, die Verantwortlichkeit und Haftung für Verkehrsunfälle zu fixieren. Wenn sie aber vor allem darin bestehen soll, auch dem Fussgänger nicht sowohl einen gesicherten Schadenersatzanspruch als vielmehr die Bewahrung von Leben, Gesundheit und Arbeitskraft durch vorbeugende Bestimmungen zu sichern, dann muss eben der Verkehr durch korrespondierende Eechte und Pflichten a 11 e r Kategorien von Strassenbenützern geordnet werden.

Der Bundesrat verzweifelt nun nicht daran, dass bei der nochmaligen Einbringung eines Ausführungsgesetzes zum jetzigen Artikel 37Ms diese seine Auffassung schon beim Parlamente Aufnahme finden könnte; sie ist seinerzeit in mässig besuchten Sitzungen mit nicht überwältigenden Mehrheiten (54 : 36

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und 19 : 10) durch Amputierung des Art. 86 Automobilgesetz nach bundesrätlicher Fassung abgelehnt worden *). Inzwischen ist die Erfahrung der Volksabstimmung vom 15. Mai 1927 dazu gekommen und -- was noch wichtiger ist -- es kann von Jahr zu Jahr ein Fortschritt in der selbsttätigen Verkehrsdisziplin des Strassenpublikums konstatiert werden, welchem nunmehr eine bescheidene Eeglementierung auch des Fussgängers nicht mehr so ungeheuerlich erscheinen dürfte. Das wird um so eher möglich sein, wenn einer verständnisvollen Behandlung der vorbeugenden Polizeivorschriften auf der andern Seite auch eine verständnisvolle Übernahme der Haftpflichtrisiken begegnet, welche bisher gegenüber der erstem viel wichtigern Frage bei den Automobilhaltern eine unverhältnismässig grosse Eolle gespielt haben. Sollte sich aber der Bundesrat in dieser seiner Zukunftsbeurteilung täuschen, so richtet sich das in vermehrtem Masse gegen den neuen Art. ST1318 der Initianten. Es ist wirklich nicht einzusehen, woher man sich dann die Zustimmung zu einem weitergehenden Verfassungsartikel versprechen dürfte, der auch noch die Ständemehrheit erfordern würde.

Ein Interesse, den Kantonen das Gesetzgebungsrecht über den Strassenverkehr auch da aus der Hand zu nehmen, wo nicht die Wechselbeziehungen zwischen Motorfahrzeug und Fahrrad einerseits, den übrigen Strassenbenutzern anderseits in Frage kommen, besteht unserer Ansicht nach heute so wenig als früher. Der übrige Strassenverkehr hat nicht eine die Grenzen des Kantons überschreitende Bedeutung. Er soll um so eher von den Kantonen reguliert werden, als diese ja auch nach der Initiative auf dem Gebiete des Strassenbaus und Unterhaltes -- wenigstens soweit es sich nicht um Durchgangsstrassen handelt -- allein kompetent und damit auch verantwortlich bleiben. Das entspricht auch einer gesunden Verteilung der öffentlichen Aufgaben zwischen Bund und Kantonen.

Vom gleichen Gesichtspunkt aus gelangt der Bundesrat zur Ablehnung von Alinea 3 des Volksbegehrens. Soweit der Bund das Bedürfnis empfinden sollte, im eidgenössischen Interesse grosse Durchgangsstrassen zu erstellen und sie als eigene Kommunikationen zu unterhalten, steht ihm das grundsätzliche Eecht hierzu schon nach Art. 23 BV zu. Soweit solche Anlagen im Interesse eines grössern Teils der Eidgenossenschaft erstellt werden sollen,
kann er nach dem gleichen Verfassungsartikel seine Hilfe gewähren und das Expropriationsrecht einräumen. Dass er aber darüber hinaus auch den Unterhalt nicht ihm *) Art. 36 des bundesrätlichen Entwurfs lautete : ,,Der Verkehr auf den den Fussgängern vorbehaltenen Wegen ist für Motorwagen und Motorräder verboten.

Der Fussgänger hat die Fahrbahn der Strasse soweit tunlich für Fahrzeuge freizulassen," Hieraus wurde in der parlamentarischen Beratung der Art. 30 der Abstimmungsvorlage mit dem Wortlaut: ,,Wege, die dem Fussgängerverkehr vorbehalten sind, dürfen von Automobilen nicht benutzt werden."

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gehöriger Durchgangsstrassen übernehmen oder sich daran beteiligen solle -- nicht generell, wie nach der Vorlage über den Benzinzollviertel, sondern durch individuelle Beteiligung am einzelnen Werk --, das erscheint uns weder als notwendig noch als erwünscht. Wir wiederholen auch hier, was wir vorhin sagten : die Vermengung von Bundes- und kantonalen Kompetenzen und Verantwortlichkeiten, die man heute schon da und dort konstatieren kann, verdient unseres Erachtens keine Förderung. Sie soll vermieden werden, wo es möglich ist; hier ist es möglich. Die Vorlage über den Benzinzollviertel wird sicherlich in ihrer endgültigen Gestaltung hier schon an die Grenze der erwünschten oder erträglichen Durchdringung der beidseitigen Sphären gehen.

Damit kommen wir auch auf die 2 Schlussabsätze des Volksbegehrens zu sprechen. Die hier aufgestellte Forderung, dass die sämth'chen Einnahmen, die dem Bunde aus der fiskalischen Belastung der Betriebsstoffe der Motorfahrzeuge zufliessen, grundsätzlich unter die Kantone zu verteilen seien, aber bei Eigenbeteiligung an Durchgangsstrassen pro rata zurückbehalten werden können, steht nicht in einem losen, sondern in einem mehr oder weniger zwangsläufigen Zusammenhange mit den vorausgehenden Absätzen des Initiativbegehrens. Sie eröffnet eine ganz unerfreuliche Perspektive sowohl auf eine künftige Strassenbaupolitik als auf eine künftige Finanzpolitik. Auf beiden Gebieten müsste eine gewisse Grundsatzlosigkeit eintreten. Wenn es schon für die eigentlichen Subventionen aus dem Benzinzollviertel recht schwierig war, ein richtiges Verteilungsprinzip zu gewinnen -- die parlamentarischen Debatten haben das sicherlich für jeden Unbefangenen dargetan --, wie soll hier das Kriterium der vom Bunde als verkehrswichtig betrachteten Strassen genügen, wo es sich um die Verteilung von jährlich über 20 Millionen handeln würde! Und zu dieser Schwierigkeit, bei welcher ja schliesslich noch, wie beim Benzinzollviertel, die Bundesorgane als unparteiische, weil unbeteiligte Instanz respektiert werden könnten, käme dann sofort auch der Interessenzwiespalt zwischen Bund und Kantonen, wenn und insoweit der Bund in Anwendung des letzten Absatzes einen Teil der Betriebsstoffabgaben für sich behalten würde -- einen nicht nach bestimmten Kriterien festgelegten «angemessenen» Teil ! Soll vielleicht
die Bundesversammlung als Eekursinstanz über die Auslegung von Alinea 4 und 5 des Volksbegehrens entscheiden und die Benzinzolldebatte damit in anderer Form in Permanenz erwachsen? -- Und hält man es wirklich finanztechnisch und staatsrechtlich für richtig, alle allfälligen Einnahmen des Bundes aus der Belastung von Betriebsstoffen zum vornherein mit den Budgets der Kantone zu verquicken und damit moralisch zu binden ? Und dies, obwohl wir heute gar nicht wissen können, welches diese Betriebsstoffe in der Zukunft sein werden. Wir erachten alle derartigen Bindungen als gefährlich für die Bewegungsfreiheit des Bundes in seinem und der öffentlichen Wirtschaft Interesse. Sobald man aber in den Ausführungsgesetzen die nötigen Ventile anbringt, um diese Bewegungsfreiheit zu wahren, liegt in der Verweisung der Kantone auf solche Bundeseinnahmen eine Gefährde für ihre Budgets und deren Stabilität. -- Wir würden es angesichts

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der Finanzlage von Bund und Kantonen in der gegenwärtigen Zeit auch als geradezu -widersinnig betrachten, wenn dem Bunde z. B. die ganze Benzinzolleinnahme weggenommen würde und die Kantone infolgedessen aus dieser Einnahme in Verbindung mit den eigenen Steuern auf ihren Motorfahrzeugen mehr erhalten würden, als sie tatsächlich für die Anpassung ihrer Strassen an den Automobilverkehr in toto ausgegeben haben! Das hiesse bewusste Schwächung des Bundes, um den Kantonen eine ihnen natürlich zufallende Aufgabe abzunehmen. Das in einer Zeit, wo der Bund erst recht an die Amortisation seiner in der Kriegs- und Nachkriegszeit aufgelaufenen Schuld herantreten kann. Demgegenüber vertritt die Benzinzollvorlage den richtigen Gedanken, dass der Bund nach M a s s g a b e seiner K r ä f t e da helfen soll, wo und soweit die Kantone seiner bedürfen.

Wir haben Ihnen ihm Vorstehenden die wesentlichsten Erwägungen unterbreitet, die uns zu einer Ablehnung des Initiativbegehrens führen. Wie Sie sehen, richten sich unsere grundsätzlichsten Bedenken vor allem gegen die Alineas 4--5, gegen Alinea l nur insoweit, als darin eine Überspannung der n o t wendigen Eechtsvereinheitlichung liegt. Es ist Ihnen und uns in einer durchaus sympathisch gehaltenen Eingabe des Touring-Club der Schweiz nahegelegt worden, einen Gegenentwurf aufzustellen, der im wesentlichen die Alineas l und 2 des Volksbegehrens festhalten, die andern weglassen würde. Wir sind aber überzeugt, dass auch dem Touring-Club im wesentlichen an der Verkehrsregelung zwischen Motor- und Eadfahrern einerseits und den übrigen Strassenbenützern anderseits gelegen ist, während das Verhältnis der übrigen Strassenbenützer unter sich ihn kaum stark interessieren dürfte. Wir weichen aber nach dem früher Gesagten darin vom Touring-Club ab, dass wir zur Erreichung dieses Zweckes eben keine Verfassungsänderung für notwendig erachten.

Einen Anhaltspunkt besitzen wir noch darin, dass wir seinerzeit ohne jeden Anstand von den kantonalen Polizeidirektionen das Einverständis dazu erhielten, an einer internationalen Konferenz unserseits den ^Beitritt zu Strassenverkehrsbestimmungen auszusprechen, welche wohl alle billigen Anforderungen der Motor- und Eadfahrer erfüllen. Wir scheuen deshalb davor zurück, unserseits einen Gegenvorschlag zu empfehlen, der, über das Praktisch-Notwendige
hinausgehend, neue Gegner schafft. Und wenn man uns entgegnen sollte, es werde durch einen solchen Gegenvorschlag dem Volke Gelegenheit geboten, sich zwischen Initiativbegehren, Gegenvorschlag und Ablehnung beider Begehren zu entscheiden, so wollen wir die Logik dieser Argumentation gar nicht bestreiten, aber den Zweifel aussprechen, ob nicht der logische Gegenvorschlag der Abstimmungspsychologie zum Opfer fallen und dies dann auch die von uns vertretene Auslegung des Art. 87Ws ·-- bundesrätliche Fassung des Art. 80 Automobilgesetz -- für die Zukunft verunmöglichen könnte. Es wird sich übrigens für die Anhänger der Formulierung des Touring-Club Gelegenheit bieten, bei der Diskussion dieser unserer Botschaft die jetzige Ansicht des Parlamentes über jene Auslegung zu ergründen und je nachdem im Parlament selbst einen Gegenvorschlag zu provozieren. Der Bundesrat wird sich

426 einem solchen Gegenvorschlag dann nicht widersetzen, wenn er sieht, dass dieser zur Abklärung der spätem gesetzgeberischen Situation geradezu nötig ist, wenn also z. B. grössere Gruppen sich gegen seine Auslegung aussprechen würden, die Anrufung des Volksentscheides schon deshalb wünschbar wäre.

Wir beantragen Ihnen aus den dargelegten Gründen, Sie möchten das Volksbegehren mit dem Antrag auf Ablehnung der Abstimmung des Volkes und der Stände unterbreiten und den nachstehenden Entwurf eines Bundesbeschlusses genehmigen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 21. August 1928.

Im Namen des sclre eiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r à s i d e n t : Schulthess.

Der Bundeskanzler: Kaeslin.

427 (Entwurf.)

ßundesbeschluss über

das Volksbegehren betreffend den Strassenverkehr.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht des Volksbegehrens betreffend den Strassenverkehr, eines Berichtes des Bundesrates vom 21. August 1928, gestützt auf Art. 121 ff. der Bundesverfassung und Art. 8 ff. des Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend die Revision der Bundesverfassung, b eschliesst:

Art. 1.

Das Volksbegehren betreffend den Strassenverkehr wird der Abstimmung des Volkes und der Stande unterbreitet.

Dieses Volksbegehren lautet wie folgt : ,,In die Bundesverfassung sind an Stelle des Art. 37bls folgende neue Bestimmungen aufzunehmen : Art. 37bis.

Die Gesetzgebung über den Strassenverkehr ist Bundessache.

Den Kantonen bleibt das Recht gewahrt, im Rahmen der eidgenössischen Strassenverkehrsgesetzgebung Vorschriften zu erlassen, in denen die besonderen ortlichen Verhältnisse berücksichtigt werden.

Der Bund ist befugt, Bau und Unterhalt von Durchgangsstrassen zu übernehmen oder sich daran zu beteiligen.

Die Einnahmen, die dem Bund aus Zöllen, Steuern und andern Abgaben auf den Betriebsstoffen der Motorfahrzeuge zufliessen, sind unter die Kantone zu verteilen. Massgebend sind hierbei die Aufwendungen der Kantone für Bau und Unterhalt solcher Strassen, die vom Bunde als für den Verkehr wichtig anerkannt werden.

Der Bund ist berechtigt, einen angemessenen Teil der von ihm nach der vorstehenden Bestimmung erzielten Einnahmen zu behalten, wenn er Bau und Unterhalt von Durchgangsstrassen übernimmt oder sich daran beteiligt.10 Art. 2.

Dem Volke und den Standen wird die Verwerfung des Volksbegehrens beantragt.

Art. 3.

Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Bundesbeschlusses beauftragt.

·>&*--

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren betreffend den Strassenverkehr. (Vom 21. August 1928.)

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