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Ablauf der Referendums frisi : 18. September 1928.

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ßundesgesetz betreffend

Massnahmen gegen die Tuberkulose.

(Vom 13. Juni 1928.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Art. 69 der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 1. September 1925, beschliesst:

Art. 1.

Bund, Kantone und Gemeinden treffen zur Bekämpfung der Tuberkulose, unter Mitwirkung der privaten Vereins- und Fürsorgetatigkeit, die in den nachstehenden Artikeln aufgezählten Massnahmen.

Art. 2.

Die Ärzte sind verpflichtet, die Tuberkulose in allen Fällen zu melden, wo der Kranke nach dem Stand der Krankheit und seinen persönlichen Verhältnissen eine Ansteckungsgefahr bildet Wer die Meldungen entgegennimmt oder mit der Ausführung der erforderlichen Massnahmen betraut wird, untersteht der Schweigepflicht.

Art. 3.

Die Kantone sorgen dafür, dass die nötigen Massnahmen getroffen werden zur Verhütung der Weilerverbreitung der Tuberkulose durch Kranke, die gemass Art. 2 gemeldet worden sind.

Art. 4.

Die Kantone sorgen dafür, dass die Ausscheidungen jeder an Tuberkulose erkrankten l oder tuberkuloseverdächtigen Person baktenologisch untersucht werden können.

Sie können die Unentgeltlichkeit dieser Untersuchungen allgemein oder teilweise einfuhren.

Bundesblatt. 80. Jahrg. Bd. II.

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186 Art. 5.

Alle Räume, die von Tuberkulösen, die im Sinne von Art. 2 als gefährlich erkannt worden sind, regelmässig benutzt werden, sind zu desinfizieren und sorgfältig zu reinigen, wenn der Kranke die Wohnung wechselt, wenn er in ein Spital überführt wird oder wenn er stirbt.

Die Kantone sorgen für die Durchführung dieser Massnahme.

Sie können für Kurorte, die der Behandlung von tuberkulösen Kranken dienen, strengere als die in Abs. l vorgesehenen Massnahrnen vorschreiben.

Art. 6.

Die Kantone sorgen dafür, dass in Schulen, Erziehungs-, Pflege-, Bewahrungs- und ähnlichen Anstalten die Kinder und Zöglinge, sowie das Lehrpersonal und das Pflegepersonal, d. h. die Personen, die unmittelbar und regelmässig mit den Kindern verkehren, einer ärztlichen Beobachtung unterworfen werden.

Tuberkulose v erdächtige Kinder und Zöglinge sind zu beobachten ; diejenigen, welche als tuberkulös erkannt werden und eine Ansteckungsgefahr bilden, sind aus der Schule oder Anstalt zu entfernen. Dabei sind alle Vorkehren zu treffen, damit diesen Kranken die nötige Fürsorge zuteil wird und sie die Tuberkulose nicht weiter verbreiten.

Ebenso sind die auf Tuberkulose verdächtigen Angehörigen des Lehrund Pflegepersonals zu beobachten; diejenigen, welche als tuberkulös erkannt werden und eine Ansteckungsgefahr bilden, sind aus der Schule oder Anstalt zu entfernen. Geraten dabei die durch diese Massnahmen getroffenen Personen ohne ihre Schuld in Not, so können ihnen die Kantone eine angemessene Unterstützung gewähren, ohne dass sie deswegen als armengenössig zu betrachten wären.

Art. 7.

Die Behörden dürfen nichttuberkulöse Kinder nur in Haushaltungenunterbringen, wo keine Tuberkulosen sie gefährden können ; anderseits dürfen tuberkulöse Kinder nicht in Haushaltungen untergebracht werden,, wo sich nichttuberkulöse Kinder befinden.

Art. 8.

Der Bundesrat setzt die Massnahmen fest, die im Gewerbe, in industriellen und kaufmännischen Betrieben, in Verkehrsanstalten und öffentlichen Gebäuden zum Schutze gegen die Tuberkulose zu treffen sind.

Art. 9.

Es ist verboten, Geheimmittel zur Behandlung der Tuberkulose anzukündigen, feilzuhalten und zu verkaufen.

187 Art. 10.

Nach Massgabe des Bedürfnisses und soweit sie es für angezeigt erachten, sorgen die Kantone für die Errichtung: a. von Einrichtungen zur Verhütung der Tuberkulose und zur Kräftigung der tuberkulosegefährdeten Personen, insbesondere der Kinder, wie Preventorien, Genesungsheime, Ferienkolonien und Ferienheime für tuberkuloseverdächtige und tuberkulosegefährdete Kinder ; b. von Fürsorgestellen oder Fürsorgediensten zur Ermittlung der Tuberkulösen, zur Beratung, Überwachung und Unterstützung der zu Hause gepflegten Tuberkulösen und ihrer Familien, insbesondere der tuberkuloseverdächtigen und tuberkulosegefährdeten Kinder, sowie zur Stellenvermittlung für Arbeitsfähige ; c. von Anstalten und, Einrichtungen zur Aufnahme und Behandlung Tuberkulöser und ihrer Wiedergewöhnung an Arbeit, wie Heilstätten, Tuberkulosespitäler, Abteilungen oder Stationen für Tuberkulöse in Heilanstalten, Heimstätten, Arbeitsheimen.

Art. 11.

Die Kantone stellen zur Bekämpfung der Tuberkulose Vorschriften über die Wohnungshygiene auf. Sie können namentlich das Bewohnen und Benützen von Räumen, die von der zuständigen Behörde als tuberkulosefördernd erklärt worden sind, verbieten.

Art. 12.

Die Kantone sorgen für angemessene Belehrung über Wesen, Gefahren und Verhütung der Tuberkulose.

Art. 13.

Unter den vom Bundesrat festzusetzenden Bedingungen fördert der Bund die wissenschaftliche Erforschung der Tuberkulose und der Mittel zu ihrer Bekämpfung.

Art. 14.

An die nachgewiesenen Auslagen für die Durchführung der Art. 21 bis 5, 6, Abs. l und 2, 11 und 12 gewährt der Bund den Kantonen Beiträge von 20 bis 25 % ihrer Ausgaben, an die Auslagen für die Durchführung* von Art. 6, Abs. 3, Beiträge von 50 °/o.

Für die in Art. 10 erwähnten Anstalten und Einrichtungen, die von Kantonen, Gemeinden, Krankenkassen und Krankenkassenverbänden oder von der privaten Fürsorgetätigkeit erstellt und unterhalten werden, leistet der Bund folgende Beiträge:

188 a. an die Erstellung, Erweiterung oder den Erwerb der in Art. 10 unter a und c erwähnten Anstalten und Einrichtungen Beiträge von 20 bis 25 °/o der Ausgaben; die Pläne und Kosten Voranschläge, sowie die Kaufverträge sind dem Bundesrat zur Genehmigung vorzulegen ; b. an die Betriebskosten der in Art. 10 unter a und c genannten Anstalten und Einrichtungen Beiträge nach Massgabe der Zahl der Krankenpflegetage Tuberkulöser; diese Beiträge können je nach der Natur der Anstalt 10 bis 12 °/o der reinen Kosten des Pflegetages betragen, wobei aber nur Pflegetage von Schweizern und in der Schweiz niedergelassenen Personen zu berücksichtigen sind; c. an die in Art. 10 unter & genannten Einrichtungen, sowie an Vereinigungen zur Bekämpfung der Tuberkulose für ihre Fürsorgetätigkeit 25 bis 33 °/o der reinen Ausgaben.

Der Bundesrat wird in einer Verordnung die Voraussetzungen zur Ausrichtung der in diesem Artikel vorgesehenen Beiträge festsetzen.

Sämtliche Bundesbeiträge werden nach Anhörung der kantonalen Behörden und durch deren Vermittlung ausgerichtet. Der Bundesrat kann jedoch solchen Vereinigungen, Anstalten und Einrichtungen, deren Tätigkeitsgebiet sich auf mehrere Kantone erstreckt, die Beiträge unmittelbar ausrichten.

Art. 15.

Der Bund kann den im Sinne des Bundesgesetzes über die Krankenund Unfallversicherung anerkannten Krankenkassen, welche in ihren Statuten für Behandlung und Pflege Tuberkulöser besondere, nach Umfang oder Dauer über die gesetzlichen Pflichtleistungen hinausgehende Aufwendungen vorsehen, bis zur Revision des Krankenversicherungsgesetzes besondere Beiträge auf Grund des gegenwärtigen Gesetzes gewähren. Das gleiche gilt für Versicherungseinrichtungen auf Gegenseitigkeit, welche zwecks Ergänzung der Versicherung von den Krankenkassen gegründet werden.

Diese Beiträge werden unmittelbar vom Bundesrat ausgerichtet. Der Bundesrat setzt durch Verordnung das Nähere über die Voraussetzungen für die Ausrichtung der Beiträge, ihre Berechnung und ihre Auszahlung fest; dabei soll namentlich jede doppelte Beitragszuwendung an die gleiche Leistung vermieden werden.

Art. 16.

Die Kantone bestimmen, in welchen Fällen die inf Anwendung dieses Gesetzes ergangenen Entscheide und Verfügungen an obere kantonale Behörden weitergezogen werden können, und bezeichnen die zuständigen Amtsstellen.

Vorbehalten bleibt die Beschwerde an den Bundesrat wegen Verletzung von Bundesgesetzen nach Massgabe des Bundesgesetzes über die

189 Organisation der Bundesrechtspflege (Art. 189, Abs. 2); der Bundesrat entscheidet endgültig.

Art. 17.

Wer vorsätzlich oder fahrlässig den gesundheitspolizeilichen Vorschriften dieses Gesetzes oder den eidgenossischen oder kantonalen Ausführungsvorschriften zuwiderhandelt, wird mit Busse bis zu tausend Franken bestraft.

Wer durch unwahre Angaben oder durch Unterdrückung von Tatsachen für sich oder für einen andern die Ausrichtung einer Unterstützung oder die Anordnung einer unentgeltlichen Fürsorgemassnahme erwirkt oder zu erwirken versucht, wird, sofern nicht eine schärfere Strafbestimmung Anwendung findet, mit Busse bis zu zweitausend Franken bestraft.

Die allgemeinen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Bundesstrafrecht vom 4. Februar 1853 finden Anwendung, soweit in diesem Gesetze nichts anderes bestimmt wird.

Die Strafverfolgung und Beurteilung liegt den Kantonen ob.

Die Bussen fallen den Kantonen zu.

Art. 18.

Der Bundesrat erlässt die zur Durchführung dieses Gesetzes notwendigen Ausführungsvorschriften und überwacht deren Anwendung durch die Kantone.

Art. 19.

Die Kantone erlassen die zur Durchführung dieses Gesetzes auf ihrem Gebiete erforderlichen Bestimmungen.

Sie bezeichnen die kantonale Aufsichtsbehörde, sowie die übrigen mit der Durchführung betrauten Stellen (Kantonsarzt, Amtsarzt, Schularzt, Fürsorgestelle etc.). Sie bestimmen deren Befugnisse und Obliegenheiten.

Die kantonalen Ausführungsbestimmungen bedürfen der Genehmigung durch den Bundesrat.

Art. 20.

Die Kantonsregierungen erstatten dem Bundesrat alljährlich Bericht über die Ausführung des Gesetzes und teilen ihm ihre Beobachtungen mit.

Art. 21.

Der Bundesrat setzt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes fest.

Die eidgenössischen und kantonalen Bestimmungen, die mit diesem Gesetz im Widerspruch stehen, sind auf den gleichen Zeitpunkt aufgehoben.

190 Also beschlossen vom Ständerate, B e r n , den 8. Juni 1928.

Der Präsident: Dr. Emile Savoy.

Der Protokollführer: Leimgruber.

Also beschlossen vom Nationalrate, B e r n , den 13. Juni 1928.

Der Präsident : R. Minger.

Der Protokollführer : F. V. Ernst.

Der schweizerische Bundesrat beschliesst: Das vorstehende Bundesgesetz ist gemäss Art. 89, Absatz 2, der Bundesverfassung und Art. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse zu veröffentlichen.

B e r n , den 13. Juni 1928.

Im Auftrag des Schweiz. Bundesrates, Der Vizekanzler :

Leimgruber.

Datum der Veröffentlichung : 20. Juni 1928.

Ablauf der Referendumsfrist: 18. September 1928.

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Bundesgesetz betreffend Massnahmen gegen die Tuberkulose. (Vom 13. Juni 1928.)

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