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2408 Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Genehmigung des am 17. Oktober 1928 zwischen der Schweiz und Portugal abgeschlossenen Vertrages zur Erledigung von Streitigkeiten im Vergleichs-, Gerichts- und Schiedsverfahren.

(Vom 17. Dezember 1928.)

Die Schweiz und Portugal haben am 18. August 1905 einen Schiedsvertrag nach dem Vorbild der Verträge abgeschlossen, die nach der ersten Haager Friedenskonferenz entstanden sind *). Am 19. Juni 1913 um 10 Jahre verlängert, war der Vertrag am 23. Oktober 1923 abgelaufen. Der Bundesrat hielt es nicht für zweckmässig, ihn zu erneuern, im Hinblick auf seine veraltete Form und besonders deshalb, weil Portugal in diesem Zeitpunkte der Schweiz gegenüber durch die fakultative Bestimmung des Artikels 36 des Statuts des Ständigen Internationalen Gerichtshofes gebunden war.

Da die beiden Länder die obligatorische Gerichtsbarkeit des Ständigen Internationalen Gerichtshofes für Streitigkeiten juristischer Art gemäss Artikel 36 seines Statuts anerkannten, hatten wir im Gegenteil vorgesehen, die bestehende Ordnung durch den Abschluss eines Vergleichsvertrages, ähnlich den Verträgen mit Schweden, Dänemark, Österreich, Norwegen und den Niederlanden, zu vervollständigen. Die zu diesem Zwecke eingeleiteten Verhandlungen zeitigten jedoch kein greifbares Ergebnis und wurden in der Folge aufgegeben.

Letzten Sommer gab uns Herr d'Oliveira, damals portugiesischer Gesandter in Bern, den Wunsch seiner Regierung bekannt, mit der Schweiz nicht nur einen einfachen Vergleichsvertrag, sondern einen Vertrag zur Erledigung von Streitigkeiten im Vergleichs-, Gerichts- und Schiedsverfahren von der Art des schweizerisch-belgischen Vertrages vom 5. Februar 1927 abzuschliessen. Der Bundesrat nahm diese Eröffnungen günstig auf und nach kurzer Verhandlung unterzeichneten der Vorsteher des Politischen Departementes und der portugiesische Gesandte am 17. Oktober abhin den Vertrag, dessen Wortlaut der gegenwärtigen Botschaft beigefügt ist.

*) Vergi. Gesetzsammlung, Bd. 24, S. 989.

1327 Die Bestimmungen dieser Vereinbarung sind fast durchwegs, eine wörtliche Wiedergabe der entsprechenden Vorschriften unseres Vertrages mit Belgien.

,8ie weichen davon nur in drei mehr oder weniger wichtigen Punkten ab.

1. Während für Streitigkeiten juristischer Art der schweizerisch-belgische Vertrag in seinem Artikel 3 vorsieht, dass sie im gemeinsamen Einverständnisse den Gegenstand jines vorgängigen Vergleichsverfahrens bilden können, bestimmt Artikel 3 des Vertrages mit Portugal, dass sie auf Verlangen auch nur eines Teiles der Vergleichskommission zu unterbreiten sind. Diese Bestimmung nähert sich mehr den Auffassungen, die der Bundesrat den eidgenössischen Bäten in seinem Bericht vom 11. Dezember 1919 über seine Politik auf dem Gebiete der Schiedsverträge auseinandergesetzt hatte und die zum ersten Male in dem Vertrag zur Erledigung von Streitigkeiten im Vergleichs- und Gerichtsverfahren mit Italien. vom 20. September 1924 ihren Ausdruck gefunden hatten. Nach diesem letztern Vertrage geht das Vergleichsverfahren obligatorischerweise : jeder Anrufung eines auf die endgültige Beilegung von Streitigkeiten gerichteten Verfahrens voraus, während nach der,Ordnung des schweizerisch-belgischen Vertrages es nur auf Grund eines im gemeinsamen Einverständnisse der Parteien gefassten Beschlusses eingeleitet wird und deshalb nur einen fakultativen Öharakter hat. Nach dem Vertrag mit Portugal ist das Vergleichsverfahren ebenfalls nicht schlechthin obligatorisch, : da die vertragschliessenden Teile ein Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren anrufen können, ohne sich vorher an die Vergleichskommission zu wenden. Das Vergleichsverfahren ist aber von dem Augenblick an obligatorisch, wo eine der Parteien seine Eröffnung verlangt. Das dem neuen Vertrage zugrunde liegende System hält also die Mitte zwischen demjenigen des Vertrages mit Italien und demjenigen des Vertrages mit Belgien.

2. Wahrend Artikel 5, .Absatz 2, des Vertrages mit Belgien vorsieht, dass, «wenn die Ernennung der gemeinsam zu bezeichnenden Kommissare in der genannten Frist (sechs Monate) oder im Falle einer Ersatzwahl innerhalb dreier Monate nach Freiwerden des Sitzes nicht stattgefunden hat, Ihre Majestät die Königin der Niederlande, in Ermangelung einer anderweitigen Verständigung gebeten werden soll1, die erforderlichen Ernennungen
vorzunehmen», bestimmt die entsprechende Vorschrift des Vertrages mit Portugal (Artikel 5, Absatz 2) diesfalls, dass die Ernennungen einer dritten Macht anvertraut werden sollen und, im Falle von Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Wahl dieser Macht, zwei je von einer der Parteien bezeichneten Mächten, unter der Voraussetzung, dass, wenn diese zwei Mächte nicht einig werden, zur Bezeichnung durch das Los nach einer Liste von Kandidaten geschritten werden soll, die von jeder .der Parteien vorgelegt wird. Diese Art des Vorgehens ist offensichtlich komplizierter. Da sie aber durch zahlreiche Schiedsabkommen *) eingeführt wurde, glaubten wir nicht Widerspruch gegen sie erheben zu sollen.

*) Insbesondere in dem Vertrag zur Erledigung von Streitigkeiten im Vergleichs-, Gerichts- und Schiedsverfahren, den Portugal am 9. Juli 1927 mit Belgien abgeschlossen hat.

1328 3. Nach Artikel 17 des schweizerisch-belgischen Vertrages werden die Streitigkeiten, die nicht juristischer Art sind, ohne Ausnahme vor ein Schiedsgericht gebracht, während nach der Ordnung des Vertrages mit Portugal solche Streitigkeiten statt den Gegenstand eines schiedsgerichtlichen Verfahrens zu bilden, im gemeinsamen Einverständnisse vor den Ständigen Internationalen Gerichtshof gebracht werden können, der ex aequo et bono (Artikel 17, Absatz 2) entscheiden wird. Es dürfte dies ein neuer Vorzug des Vertrages sein, da es in gewissen Fällen möglich sein wird, die mit Verzögerungen und Komplikationen verbundene Anwendung eines Verfahrens vor einem Schiedsgericht, das erst noch errichtet werden müsste, zu vermeiden.

Der Artikel 23 des Vertrages bestimmt, dass «der gegenwärtige Vertrag nur Anwendung finden wird auf Streitigkeiten, die nach dem Austausch der Ratifikationen des gegenwärtigen Vertrages sich erheben sollten mit Bezug auf Verhältnisse und Tatsachen, die nach diesem Zeitpunkt entstanden sind».

Es ist zwischen den beiden Eegierungen vereinbart worden, dass der abgeschlossene Vertrag trotzdem nicht den Zweck haben soll, in irgendeiner Beziehung die Verpflichtungen einzuschränken, welche die beiden Länder auf Grund ihrer Teilnahme an der fakultativen Klausel des Statuts des Ständigen Internationalen Gerichtshofes gegenseitig binden. Es folgt daraus, dass die Streitigkeiten, deren Ursprung auf die Zeit vor dem Abschluss des Vertrages zurückgeht, wie bisher der fakultativen Klausel unterworfen bleiben würden. Die Übereinstimmung der beiden Eegierungen über diesen Punkt ist in einem Notenwechsel, dessen Wortlaut ebenfalls in der Beilage enthalten ist, niedergelegt.

In jeder Beziehung befriedigend, ist der mit Portugal zur Erledigung von Streitigkeiten im Vergleichs-, Gerichts- und Schiedsgerichtsverfahren abgeschlossene Vertrag eine neue, greifbare Kundgebung der fortschrittlichen Politik, die der Bundesrat mit Zustimmung der gesetzgebenden Behörden auf dem Gebiete der friedlichen Beilegung internationaler Streitigkeiten verfolgt. Er ist auch geeignet, wie seine Präambel es hervorhebt, die Beziehungen «traditioneller Freundschaft», die zwischen der Schweiz und Portugal bestehen, noch zu verstärken. Wir bitten Sie daher, seine Bestimmungen zu genehmigen und zu diesem Zwecke den beigefügten
Bundesbeschluss anzunehmen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, sehr geehrte Herren, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

Bern, den 17. Dezember 1928.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Schulthess.

Der Bundeskanzler:

Kaeslin.

1329

(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

die Genehmigung des am 17. Oktober 1928 zwischen der Schweiz und Portugal abgeschlossenen Vertrages zur Erledigung von Streitigkeiten im Vergleichs-, Gerichts- und Schiedsverfahren.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 17. Dezember 1928, beschliesst: Artikel 1.

Der am 17. Oktober 1928 zwischen der Schweiz und Portugal abgeschlossene Vertrag zur Erledigung von Streitigkeiten im Vergleichs-, Gerichts- und Schiedsverfahren wird genehmigt.

Artikel 2.

Der Bundesrat wird mit dem. Vollzuge dieses Beschlusses beauftragt.

1330

Vertrag zwischen

der Schweiz und Portugal zur Erledigung von Streitigkeiten im Vergleichs-, Gerichts- und Schiedsverfahren.

Der Schweizerische Bundesrat und

Der Präsident der Portugiesischen Republik, geleitet von dem Wunsche, die Bande traditioneller Freundschaft, welche die Schweiz mit Portugal verbinden, zu festigen und die etwa zwischen den beiden Ländern entstehenden Streitigkeiten auf dem Wege des Vergleichs-, Gerichts- und Schiedsverfahrens beizulegen, sind übereingekommen, zu diesem Zwecke einen Vertrag abzuschliessen und haben zu ihren Bevollmächtigten ernannt: Der Schweizerische Bundesrat: Herrn Bundesrat Giuseppe M o t t a , Vorsteher des eidgenössischen Politischen Departements, Der Präsident der Portugiesischen Republik: Seine Exzellenz Herrn Alberto d ' O l i v e i r a , ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister Portugals in der Schweiz, die, nachdem sie sich ihre Vollmachten mitgeteilt und in guter und gehöriger Form befunden haben, über folgende Bestimmungen übereingekommen sind: Artikel 1.

Alle Streitigkeiten, die ein Eecht, welcher Natur es auch sei, betreffen, das von dem einen vertragscbliessenden Teil behauptet und von dem andern bestritten wird, und insbesondere die in Artikel 13 des Völkerbundspaktes erwähnten Anstände, die nicht binnen angemessener Frist durch die gewöhnlichen diplomatischen Mittel haben geschlichtet werden können, sind dem Ständigen Internationalen Gerichtshofe zur Beurteilung zu unterbreiten.

1331 Artikel 2.

Die \ertragschliessenden Teile setzen in jedem Einzelfalle eine besondere Schiedsordnung fest, worin der Streitgegenstand, die etwaigen dem Ständigen Internationalen Gerichtshofe zu übertragenden besondern Befugnisse, sowie die andern zwischen ihnen vereinbarten Bedingungen genau umschrieben werden.

Die Schiedsordnung wird durch Notenaustausch zwischen den Eegierungen der vertragschliessenden Teile festgesetzt. Zu deren Auslegung ist in allen Stücken der Gerichtshof zuständig.

Kommt die Schiedsordnung nicht binnen drei Monaten, nachdem einer Partei der Antrag auf Einleitung eines Gerichtsverfahrens unterbreitet worden ist, zustande, so kann jede Partei auf dem Wege eines einfachen Begehrens den Gerichtshof anrufen.

Artikel 3.

Vorgängig jedem Verfahren vor dem Ständigen Internationalen Gerichtshofe soll die Streitigkeit auf Ersuchen der einen oder der andern Partei zur Herbeiführung eines Vergleiches einer Ständigen Internationalen Kommission, der sogenannten Ständigen Vergleichskommission, die gemäss dem gegenwärtigen Vertrag gebildet wird, unterbreitet werden.

Artikel 4.

Die ständige Vergleichskomrnission besteht aus fünf Mitgliedern. Die vertragschliessenden Teile ernennen jeder für sich, nach freier Wahl, einen Kommissar und bezeichnen im gemeinsamen Einverständnisse die drei übrigen, unter diesen letztern den Präsidenten der Kommission. Diese drei Kommissare sollen nicht Angehörige der vertragschliessenden Teile sein, noch sollen sie auf deren Gebiet ihren Wohnsitz haben oder in deren Dienste stehen. Alle drei müssen verschiedenen Staaten angehören.

Die Kommissare werden für drei Jahre ernannt. Wenn beim Ablaufe des Mandats eines Mitglieds der Kommission dessen Ersetzimg nicht vorgenommen wird, so gilt sein Mandat für einen Zeitabschnitt von drei Jahren als erneuert: die Parteien behalten sich jedoch vor, das Amt des Präsidenten beim Ablaufe der dreijährigen Frist einem andern der im gemeinsamen Einverständnis ernannten Kommissionsmitglieder zu übertragen.

Ein Mitglied, dessen Mandat während der Dauer eines Verfahrens erlischt, nimmt weiterhin an der Prüfung des Streitfalles teil bis zur Beendigung des Verfahrens, auch wenn sein Xachfolger bezeichnet worden ist.

Im Falle von Ableben oder Eücktritt eines der Mitglieder der Vergleichskommission ist seine Ersetzung für
den Best der Dauer seines Mandats vorzunehmen, wenn möglich innert der drei folgenden Monate und jedenfalls, sobald ein Streitfall der Kommission unterbreitet wird.

Im Falle, dass eines der gemeinsam durch die vertragschliessenden Teile berufenen Mitglieder der Vergleichskommission zeitweise durch Krankheit

1332 oder irgendwelchen andern Umstand verhindert sein sollte, an den Arbeiten der Kommission teilzunehmen, kommen die Parteien überein, einen Stellvertreter zu bezeichnen, der vorübergehend dessen Platz einnehmen wird.

Wenn die Ernennung dieses Stellvertreters nicht binnen drei Monaten nach dem zeitweiligen Freiwerden des Sitzes erfolgt, so wird gemäss Artikel 5 des gegenwärtigen Vertrages verfahren.

Artikel 5.

Die Vergleichskommission ist innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrages zu bilden.

Hat die Ernennung der gemeinsam zu bezeichnendeil Mitglieder in der genannten Erist oder, im Ealle einer Ersatzwahl, innerhalb dreier Monate nach Freiwerden des Sitzes nicht stattgefunden, so ist sie einer dritten Macht, die von den Parteien im gemeinsamen Einverständnisse bezeichnet wird, anzuvertrauen. Wenn dieses Einverständnis nicht zustande kommt, so bezeichnet jede Partei eine verschiedene Macht, und die Ernennungen erfolgen gemeinschaftlich durch die auf diese Weise bezeichneten Mächte. Wenn innerhalb einer Frist von zwei Monaten diese beiden Mächte sich nicht haben einigen können, so schlägt jede von ihnen eine gleiche Zahl von Kandidaten zur Ernennung als Mitglieder vor; das Los wird entscheiden, welche der auf diese Weise vorgeschlagenen Kandidaten ernannt sind.

Artikel 6.

Die Anrufung der ständigen Vergleichskommission erfolgt im Wege eines Begehrens, das von den beiden Parteien im gemeinsamen Einverständnis oder,, in dessen Ermangelung, von der einen oder andern Partei an den Kommissionsvorsitzenden gerichtet wird.

Das Begehren enthält nach einer summarischen Darstellung des Streitgegenstandes die Einladung an die Kommission, alle Massnahmen zu ergreifen, die zu einem Vergleiche zu führen geeignet sind.

Geht das Begehren von einer einzigen Partei aus, so hat diese es unverzüglich der andern Partei zur Kenntnis zu bringen.

Artikel 7.

Innerhalb eines Zeitraumes von vierzehn Tagen nach dem Tage, wo einer der vertragschliessenden Teile eine Streitigkeit der Vergleichskommission unterbreitet hat, kann jede der Parteien für die Behandlung dieser Streitigkeit das von ihr ernannte ständige Mitglied durch eine auf diesem Gebiet besonders sachkundige Persönlichkeit ersetzen. Die Partei, die von diesem Eechte Gebrauch machen will, wird unverzüglich die andere Partei davon verständigen; diese ist befugt, innerhalb des Zeitraums von vierzehn Tagen nach Empfang der Mitteilung von dem gleichen Eechte Gebrauch zu machen.

1333 Jede Partei behält sich vor, unverzüglich einen Stellvertreter zu ernennen zur zeitweiligen Ersetzung des von ihr bezeichneten ständigen Mitgliedes, das wegen Krankheit oder aus irgendwelchen andern Gründen vorübergehend an der Teilnahme an den Kommissionsarbeiten verhindert sein sollte.

Artikel 8.

Der ständigen Vergleichskommission liegt ob, die streitigen Fragen aulzuhellen, zu diesem Zwecke im Wege einer Untersuchung oder auf andere Weise alle nützlichen Auskünfte beizubringen und die Herbeiführung eines Vergleichs zwischen den Parteien anzustreben. Nach Prüfung der Angelegenheit kann sie den Parteien die Bestimmungen de? ihr angemessen erscheinenden Ausgleichs vorschlagen und ihnen für die Bekanntgabe ihrer Stellungnahme eine Frist ansetzen.

Beim Abschluss ihrer Arbeiten errichtet die Kommission ein Protokoll, worin je nachdem festgestellt wird, dass die Parteien sich geeinigt haben, gegebenenfalls unter welchen Bedingungen, oder dass ein Vergleich nicht zustande gekommen ist.

Die Arbeiten der Kommission müssen innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten, nachdem die Kommission in einer Streitigkeit angerufen worden ist, abgeschlossen sein, es sei denn, dass die Parteien, darüber eine anderweitige Vereinbarung treffen.

Haben die Parteien sich nicht verglichen, so kann die Kommission, wenn nicht der eine oder andere der beiden von den Parteien nach freier Wahl ernannten Kommissare widerspricht, selbst bevor der mit der Streitigkeit befasste Ständige Internationale Gerichtshof endgültig entschieden hat, die Veröffentlichung eines Berichtes anordnen, in dem die Ansicht eines jeden der Kommissionsmitglieder angeführt ist.

Artikel 9.

Unter Vorbehalt entgegenstehender, besonderer Vereinbarung setzt die standige Vergleichskommission selbst ihr Verfahren fest, das in allen Fallen kontradiktorisch sein muss. Für die Untersuchungen hat sich die Kommission an die Bestimmungen des dritten Titels (Internationale Untersuchungskommissionen) des Haager Abkommens vom 18. Oktober 1907 zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfalle zu halten, es sei denn, dass sie hierüber einstimmig anders beschliesst.

Artikel 10.

Die Vergleichskommission tritt unter Vorbehalt entgegenstehender Vereinbarung zwischen den Parteien an dem von ihrem Vorsitzenden bezeichneten Orte zusammen.

Artikel 11.

Die Arbeiten der Vergleichskommission sind nur dann öffentlich, v wenn die Kommission mit Zustimmung der Parteien dies beschliesst.

1334 Artikel 12.

Die vertragschliesbenden Teile lassen sich bei der ständigen Vergleichskommission durch Agenten vertreten, denen obliegt, als Mittelsperson zwischen den Parteien und der Kommission zu wirken : die Parteien können ausserdem von ihnen zu diesem Zwecke ernannte Berater und Sachverständige zur Mitarbeit heranziehen und die Anhörung aller Personen verlangen, deren Aussage ihnen nützlich erscheinen sollte.

Die Kommission ist ihrerseits befugt, von den Agenten, Beratern und Sachverständigen der beiden Parteien, sowie von allen Personen, die sie mit Zustimmung ihrer Eegierung glaubt vorladen zu sollen, mündliche Auskünfte zu verlangen.

Artikel 13.

Unter Vorbehalt einer entgegenstehenden Bestimmung des gegenwärtigen Vertrages trifft die Vergleichskommission ihre Entscheidung mit Stimmenmehrheit.

Artikel 14.

Die vertragschliessenden Teile verpflichten sich, die Arbeiten der Vergleichskommission zu fördern und ihr insbesondere in möglichst weitgehendem Masse alle nützlichen Dokumente und Auskünfte zukommen zu lassen, sowie alle zu ihrer Verfügung stehenden Mittel anzuwenden, um es der Kommission zu ermöglichen, auf ihrem Gebiet und entsprechend ihrer Gesetzgebung Zeugen und Sachverständige vorzuladen und zu vernehmen, sowie Augenscheine durchzufuhren.

Artikel 15.

Während der Dauer der Arbeiten der Vergleich&kommission erhält jeder Kommissar eine Entschädigung, deren Höhe zwischen den vertragschliessenden 'Teilen zu vereinbaren ist und die von diesen zu gleichen Teilen übernommen wird.

Jede Eegierung übernimmt ihre eigenen Kosten und einen gleichen Teil der gemeinsamen Kosten der Kommission. In diesen gemeinsamen Kosten sind die in Absatz l vorgesehenen Entschädigungen Inbegriffen.

Artikel 16.

Alle nicht unter Artikel l fallenden Streitigkeiten, die zwischen den veiiragschliessenden Teilen entstehen und nicht binnen angemessener "Frist durch die gewöhnlichen diplomatischen Mittel haben geschlichtet werden können, sind der ständigen Vergleichskommission zu unterbreiten. In diesem Falle wird gemäss Artikel 6 und 15 des gegenwärtigen Antrages verfahren.

Artikel 17.

Kommt kein Vergleich zustande, so ist die Streitigkeit, auf Ersuchen einer der Parteien, einem Schiedsgerichte zum Entscheide zu unterbreiten, das, mangels anderweitiger Vereinbarung zwischen den Parteien, aus fünf Mitgliedern

1335 besteht, die für jeden Einzelfall nach dem in den Artikeln 4 und 5 des gegenwärtigen Vertrages betreffend die Vergleichskommission vorgesehenen Verfahren ernannt werden.

Die Parteien behalten sich jedoch das Eecht vor. die Streitigkeit im gemeinsamen Einverständnisse dem Ständigen Internationalen Gerichtshof zu unterbreiten, der ex aequo et bono entscheiden wird.

Artikel 18.

Die vertragschliessenden Parteien verpflichten sich, wenn zwischen ihnen zum Schiedsgerichtsverfahren gegriffen werden muss, innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten, nachdem eine der Parteien der andern ein Begehren um schiedsgerichtliche Austragung der Streitigkeit mitgeteilt hat. eine besondere Schiedsordnung betreffend den Streitgegenstand sowie die Einzelheiten des Verfahrens abzuschliessen.

JäjjKann diese Schiedsordnung innerhalb der oben vorgesehenen Frist nicht abgeschlossen werden, so ist dafür das Verfahren einzuschlagen, das im vierten Titel des Haager Abkommens vom 18. Oktober 1907 zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle angegeben ist.

Für den Fall, dass die Streitigkeit dem Ständigen Internationalen Gerichtshof unterbreitet wird, ist das Verfahren gemäss den Bestimmungen des Statuts dieses Gerichtshofes einzuschlagen.

Artikel 19.

Handelt es »ich um eine Streitigkeit, die gemäss der Landesgesetzgebung «iner der Parteien in die Zuständigkeit der Gerichte, die Verwaltungsgerichte Inbegriffen, fällt, so kann die belangte Partei es ablehnen, dass die Streitigkeit dem im gegenwartigen Vertrage vorgesehenen Vergleichs-, Gerichts- oder Schiedsverfahren unterworfen werde, bevor ein endgültiges Urteil von der zuständigen Gerichtsbehörde innert angemessener Frist erlassen worden ist.

Artikel 20.

Wenn der Standige Internationale Gerichtshof oder das Schiedsgericht feststellt, dass die Entscheidung einer den vertragschliessenden Parteien unterstehenden Gerichts- oder andern Behörde ganz oder teilweise mit dem Völkerrecht im Widerspruch steht, und wenn nach dem Verfassungsrechte der betreffenden Partei die Folgen dieser Entscheidung durch Verwaltungsmassnahmen nicht oder nur unvollkommen beseitigt -werden können, so hat das Gerichtsoder Schiedsgerichtsurteil Natur und Umfang der Wiedergutmachung, welche der verletzten Partei zu gewähren ist. zu bestimmen.

Artikel 21.

Wahrend des Vergleichs-,
Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahrens enthalten sich die vertragschliessenden Teile jeglicher Massnahme, die eine Buckwirkung aul die Annahme der Vorschläge der Vergleichskommission, auf die

1336

Ausführung des Urteils des Ständigen Internationalen Gerichtshofes oder des Spruches des Schiedsgerichts haben könnte. Zu diesem Zwecke ordnen die Vergleichskommission, der Gerichtshof und das Schiedsgericht eintretendenfalls an, welche vorsorglichen Massnahmen zu treffen sind.

Artikel 22.

Etwaige Anstände über die Auslegung oder Ausführung des gegenwärtigen Vertrages sind, unter Vorbehalt anderweitiger Vereinbarung, im "Wege eines einfachen Begehrens unmittelbar dem Ständigen Internationalen Gerichtshofe zu unterbreiten.

Artikel 23.

Der gegenwärtige Vertrag kommt nur zur Anwendung bei Streitigkeiten, die sich nach Austausch der Eatifikationsurkunden des gegenwärtigen Vertrages erheben sollten und Verhältnisse und Tatsachen betreffen, die nach diesem Zeitpunkt entstanden sind.

Die Streitigkeiten, für deren Schlichtung durch andere zwischen den vertragschliessenden Teilen bestehende Vereinbarungen ein besonderes Verfahren vorgesehen ist, werden nach den Bestimmungen dieser Vereinbarungen erledigt.

Artikel 24.

Der gegenwärtige Vertrag soll ratifiziert werden. Die Eatifikationsurkunden sollen so bald als möelich in Bern ausgetauscht werden.

Der gegenwärtige Vertrag tritt mit dem Austausche der Eatifikationsurkunden in Kraft und hat eine Dauer von fünf Jahren, gerechnet vom Tage des Inkrafttretens an. Wird er nicht sechs Monate vor Ablauf dieser Frist gekündigt, so gilt er als für einen neuen Zeitraum von fünf Jahren verlängert, und so fort.

Falls im Zeitpunkte des Ablaufs des gegenwärtigen Vertrages ein Vergleichs-, Gerichts- oder Schiedsverfahren hängig sein sollte, so wäre dieses.

Verfahren bis zu seinem Abschlüsse nach den Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrages durchzuführen.

O

o

Zu ürkund dessen haben die oben genannten Bevollmächtigten den, gegenwärtigen Vertrag unterzeichnet.

So geschehen in Bern, in doppelter Ursclnift, den siebzehnten Oktober eintausendneunhundertundachtundzwanzig.

(gez.) Motta.

(gez.) d'Oliveira.

1337 Legaçâo de Portugal na Suissa

Bern, den 17. Oktober 1928.

Herr Bundesrat!

Ich beehre mich, Eurer Exzellenz zu bestätigen, dass Einverständnis ·darüber besteht, dass Artikel 23. Absatz l, des am heutigen Tage zwischen den beiden Ländern abgeschlossenen Vertrages zur Erledigung von Streitigkeiten im Vergleichs-, Gerichts- und Schiedsverfahren die von Portugal und der Schweiz auf Grund ihrer Teilnahme an der fakultativen Klausel des Artikels 36 des Statuts des Ständigen Internationalen Gerichtshofes übernommenen Verpflichtungen in keiner Weise beschränkt.

Die Streitigkeiten juristischer Art, die in diesem Artikel 36 vorgesehen und aus Verhaltnissen und Tatsachen hervorgegangen sind, deren Entstehung in die Zeit vor dem Inkrafttreten des heute unterzeichneten Vertrages fällt, bleiben demzufolge ohne jeden Vorbehalt der fakultativen Klausel des Statuts des Ständigen Internationalen Gerichtshofes unterworfen.

Ich benutze diese Gelegenheit, um Eurer Exzellenz die Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung zu erneuern.

(gez.) A. d'Oliveira.

Seine Exzellenz Herrn Bundesrat Giuseppe Motta, Vorsteher des Eidgenössischen Politischen Departements, Bern.

1338

B 14/4 Port.-EM.

Bern, den 17. Oktober 1928.

Herr Minister!

Wir beehren uns, den Empfang der Note vom 17. d. 11. anzuzeigen, durch die Bure Exzellenz die Gefälligkeit hatte, uns zu bestätigen, dass Einverständnis darüber besteht, dass Artikel 23, Absatz l, des am gleichen Tage zwischen den beiden Ländern abgeschlossenen Vertrages zur Erledigung von Streitigkeiten imVergleichs-, Gerichts- und Schiedsverfahren in keinerWeise die von der Schweiz und Portugal auf Grund ihrer Teilnahme an der fakultativen Klausel des Artikels 36 des Statuts des Ständigen Internationalen Gerichtshofes übernommenen Verpflichtungen beschränkt. Sie haben beigefügt, dass die Streitigkeiten juristischer Art, die in diesem Artikel 36 vorgesehen und aus Verhältnissen und Tatsachen hervorgegangen sind, deren Entstehung in die Zeit vor dem Inkrafttreten des heute unterzeichneten Vertrages fällt, demzufolge ohne jeden Vorbehalt der fakultativen Klausel des Statuts des Ständigen Internationalen Gerichtshofes unterworfen bleiben.

Wir haben von dieser Mitteilung Vormerkung genommen und benützen diese Gelegenheit, um Ihnen, Herr Minister, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung zu erneuern.

?ez.) Motta.

Seine Exzellenz Herrn Alberto d'Oliveira, Portugiesischer Gesandter, Bern.

--Sa-C-J?-

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Genehmigung des am 17. Oktober 1928 zwischen der Schweiz und Portugal abgeschlossenen Vertrages zur Erledigung von Streitigkeiten im Vergleichs-, Gerichts- und Schiedsverfahren. (Vom 1...

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1928

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2408

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26.12.1928

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1326-1338

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