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II. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Junisession 1928).

(Vom 15. Mai 1928.)

Wir beehren uns, unter A^orlage der Akten. Ihnen über weitere 21 Begnadigungsgesuche Bericht zu erstatten und über deren Erledigung Antrag zu stellen.

86. Mathias von Rotz, geb. 1892. Koch und Wirt, Dietikon (Zürich).

(Verfälschung von Bundesakten.)

86. Mathias von Botz ist am 12. November 1927 vom Obergericht des Kantons Solothurn gemäss Art. 61 des Bundesstrafrechtes zu 3 Wochen Gefängnis und Fr. 30 Busse verurteilt worden.

von Botz, über den im Februar abhin der Konkurs eröffnet worden ist.

hat im März, Mai und August 1927 der Konkurseröffnung in drei Fällen dadurch vorgebeugt, dass er durch Verfälschung von Postquittungen die Begleichung der in Betracht kommenden Forderungen vortäuschte, während in Wirklichkeit nur Teilzahlungen erfolgt waren. Auf Vorstellungen der Gläubiger hin bezahlte er nachträglich in allen Fällen, so dass die Verfälschungen keine Schädigung herbeigeführt haben.

von Rotz ersucht durch seinen Verteidiger um Erlass der Gefängnisstrafe, die hier eine grosse Härte darstelle. Die Verfälschungen seien einzig erfolgt, um der Schande des Konkurses zu entgehen. Eine betrügerische Absicht habe nicht vorgelegen. Die Notlage des Gesuchstellers, sein unbescholtener Leumund seien im Begnadigungsweg zu berücksichtigen.

Das Obergericht des Kantons Solothurn hätte von Botz, falls dies zulässig gewesen wäre, den bedingten Straferlass ohne weiteres zugebilligt. Das Polizeidepartement des Kantons Solothurn beantragt die bedingte Begnadigung.

Unserseits halten wir dafür, es solle bei einer teilweisen Begnadigung sein Bewenden haben. Anders als im Falle Schell, den das Gesuch erwähnt, handelt es sich hier um mehrere Verfälschungen, wobei erschwerend in Betracht fällt, dass sich die dritte Verfehlung im Verlauf des hängigen Strafverfahren-ereignete. Im übrigen erscheint der Gesuchsteller in personlicher Beziehung

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einer teilweisen, Begnadigung nicht unwürdig, auch mag berücksichtigt werden.

dass er seither sein Geschäft in Solothurn aufgeben musste.

"Wir b e a n t r a g e n Herabsetzung der Gefängnisstrafe bis zu 8 Tagen.

87. Marie Julie Debaz, geb. 1871, gew. Barrierenwärterin, St. Saphorin (Waadt), 88. Hans Schibli, geb. 1898, Mechaniker, Freienbach (Schwyz), 89. Walter Gerber, geb. 1908, Mechaniker, Genf.

(Eisenbahngefährdung.)

Gemäss Art. 67 rev. des Bundesstrafrechtes sind verurteilt worden: 87. Marie Julie D e b a z , verurteilt am 25. Januar 1928 vom Tribunal Criminel du District de Vevey zu 15 Tagen Gefängnis.

Marie Julie Debaz bediente Sonntag, den 24. Juli 1927, 07.15 Uhr den Bahnübergang les Gonelles bei Corseaux. In einem Zeitpunkt, da nach Fahrplan und Glockensignal ein Zug von Vevey fällig war, hob die Wärterin die Barrieren und gestattete einem Automobil die Durchfahrt, worauf dieses vom herannahenden Zug erfasst wurde. Infolge des heftigen Zusammenstosses landen drei Insassen des Automobils den Tod, fünf weitere erlitten Verletzungen.

Der Zug, der jäh gestoppt werden musste, war erheblich gefährdet.

Der Verteidiger der Verurteilten stellt für diese das Gesuch um bedingte Begnadigung. Angesichts des Umfanges der Eingabe können die Gesuchsanbringen hier einzig resümierend wiedergegeben werden. Der Verfasser des Gebuches nennt folgende Umstände, die zum Vorkommnis beigetragen haben: 1. Die Wärterin sei vom Chauffeur ersucht worden, die Schranken zu öffnen.

2. Infolge der zeitlich zusammenfallenden Signale zweier kreuzender Züge habe sie irrtümlich geglaubt, der Zug ab Vevey sei noch nicht fällig. 3. Die einen Monat vorher erfolgte Anstellung als Hilfswärterin sei in reglementswidriger Weise vorgenommen worden, insbesondere habe es an der nötigen Instruktion geiehlt. 4. Die nahezu 60jährige Gesuchstellerin sei für den verantwortungs·<; ollen Posten ungeeignet gewesen. Im übrigen wird, namentlich angesichts der schweren Folgen des Zusammenstosses, mit Nachdruck betont, dass die Wärterin nur ein leichtes Verschulden treffe. Ihre Begnadigung dränge sich auf.

Es handle sich um eine rechtschaffene, unglückliche Frau, die infolge des Vorkommnisses ausserordentlich gelitten habe, die keine Verbrecherin sei und der die Schande des Gefängnisses erspart werden sollte.

Der Präsident des urteilenden
Gerichtes, der die Gesuchsanbringen in wesentlicher Hinsicht richtigstellt, spricht sich deshalb für die bedingte Begnadigung aus, weil das Gericht den bedingten Strafvollzug, sofern dieser zulässig gewesen wäre, ziemlich sicher zugebilligt hätte. Die kantonale Staatsanwaltschaft, auf deren Ausführungen wir hinweisen, hält dafür, nach den Umständen des Falles stehe der nachgesuchten Begnadigung kein Hindernis

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entgegen. Das kantonale Justiz- und Polizeidepartement spricht sich ebenfalls für die bedingte Begnadigung ans.

Die Polizeiabteilung hat im Einvernehmen mit der Bundesanwaltschaft Strafaufschub gewährt bis zum Entscheid der Begnadigungsbehörde.

Unserseits halten wir wie im Falle Elise Steffen (Antrag 5 des I. Berichtes vom 2. November 1927, Bundesblatt II., 349) dafür, dass das Mitleid mit der schwer geprüften kranken Gesuchstellerin den Ausschlag geben darf.

Mit der Eisenbahnabteilung, die sich den Anträgen der Kantonsbehörden anschliesst, machen \\ir allgemein geltend, dass die Sicherheit auf den Bahnübergängen in hohem Masse von der zuverlässigen Bedienung der Schranken abhängt, weshalb Nachlässigkeiten des Wärterpersonals nicht leicht genommen werden dürfen. Vorliegend ist zugunsten der Gesuchstellerin namentlich z« sagen, dass sie pflichtgemäss auf ihrem Posten stand und die Schranken rechtzeitig geschlossen hatte. Die verfrühte Öffnung der Schranken war fehlerhaft, jedoch steht das Verschulden der Hilfswärterin nicht, wie in anderen Fällen, mit mangelhafter Dienstbereitschaft (wie Schlafen im Wärterhaus und dgl.)

im Zusammenhang. Die Umstände des Vorfalles, das Bedauern mit der Verurteilten, die einhelligen Stellungnahmen der Kantonsbehörden legen die bedingte Begnadigung nahe.

Wir b e a n t r a g e n den bedingten Erlass der Gefängnisstrafe von 15 Tagen, unter Auferlegung einer Probezeit von 3 Jahren, und heben als Bedingung hervor, dass die Gesuchstellerin während der Probezeit kein vorsätzliches Vergehen verübe.

88. Hans Schibli, verurteilt am -24. September 1925 von der Corte delle Assise Correzionali del Distretto di Vallemaggia zu einem Monat Gefängnis.

Die Kassationsbeschwerde des Verurteilten hat das Bundesgericht am 9. Dezember 1925 abgewiesen.

Am 30. Mai 1923, 13. 30 Uhr, stiess bei Visletto ein von Funkenpionier Schibli geführter Militärlastwagen mit einem Zug der Vallemaggia-Bahn derart zusammen, dass dessen Motorwagen entgleiste und in die Maggia stürzte, wobei die 4 Mann der Zugsbedienung ertranken.

Der Verteidiger Schiblis stellt für diesen das Gesuch um Erlass der Geiangnisstrafe und der Kosten. Wie im Strafverfahren wird namentlich bestritten, dass Schibli mit zu grosser Geschwindigkeit gefahren sei, ferner wird das fehlerhafte Verhalten der Bahnverwaltung und des
Zugspersonals dargelegt und. unter Plinweis auf die Erwägungen des Bundesgerichts, gesagt, das Urteil des kantonalen Geschwornengerichtes sei einseitig und ungerecht, indem es die Entlastungsmomente im wesentlichen unberücksichtigt gelassen habe. Im übrigen "wird die Begnadigung deshalb nachgesucht, weil es sich um einen unbescholtenen Bürger handle, der als Wehrmann, in Erfüllung seiner militärischen Pflichten, durch unglückliche Umstände in ein tragisches Ereignis verwickelt worden sei.

Der Präsident des Geschwornengerichts von Vallemaggia beantragt Abweisung, ebenso das Justizdepartement des Kantons Tessin; die Art der Antragsbegründung lässt es als angemessen erscheinen, auf die Ausführungen der kantonalen Amtsstellen besonders hinzuweisen. Der Gerichtspräsident verwahrt sich gegen die Urteilskritik und setzt sich in diesem Zusammenhang mit den Gesuchsanbringen auseinander, wobei er seinerseits auf die Erwägungen des Bundesgerichtes Bezug nimmt. Die Begnadigung Schiblis würde von der einheimischen Bevölkerung nicht verstanden, umsoweniger, da seinerzeit die Strafe als zu mild bezeichnet worden sei.

Die Eisenbahnabteilung beantragt die bedingte Begnadigung und das eidgenössische Militärdepartement erklärt, das Begnadigungsgesuch des Bestimmtesten zu unterstützen.

Die Polizeiabteilung hat im Einvernehmen mit der Bundesanwaltschaft Strafaufschub erteilt bis zum Entscheid der Begnadigungsbehörde.

"Unserseits ziehen wir in Abwägung der verschiedenen Anträge und ihrer Begründung folgendes in Betracht: In erster Linie ist zu sagen, dass es auch im Falle Schibli nicht angängig sein kann, Tatbestands- und Schuldfragen im Begnadigungsweg neuerdings zu überprüfen. Die Begnadigungsbehörde soll sich hierin an den Entscheid des Bundesgericlites halten, in der Meinung,
Darnach liegt auf der Hand, dass das beklagenswerte Ereignis von Visletto keineswegs einzig von Schibli verschuldet worden ist, sondern dass ebensosehr zufällige Umstände sowie da? Verschulden der Bahnverwaltung und des Zugpersonals mitgewirkt haben. Das kantonale Geschwomengericht ist zwar hieran nicht vorbeigegangen, jedoch ist auf die einlässlichere Überprüfung diese;r Seite der Angelegenheit durch das Bundesgericht abzustellen,
in der Meinung, dass die Gesamtwürdigung des Vorkommnisses nicht nur die Strafau^messung bestimmt, sondern auch wegleitend ist für die davon v e r s c h i e d e n e , heute zur Entscheidung stehende Frage, ob aus Billigkeitserwägungen und Kommiserationsgründen ein G n a d e n a k t zu erfolgen habe.

So betrachtet nehmen wir zunächst Bezug auf die Ausführungen der Eisenbahnabteilung, die dafür hält, Schibli verdiene nach den Umständen des Falles besonderes Mitleid. Bereits die Eisenbahnabteilung legt Gewicht darauf, dass Schibli die Fahrt nicht aus freien Stücken unternommen habe, sondern bcfehlsgemäss, zu bestimmter Zeit, habe fahren müssen. Die Fahrt erfolgte bei äusserst schlechtem Wetter und wolkenbruchartigem Eegen. Das Militär-

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département fuhrt diese Gesichtspunkte näher aus und erklärt namentlich, ·was wesentlich ist, Schibli sei innerhalb der militärisch vorgeschriebenen Maximalgeschwindigkeit von 8--10 km gefahren. Wenn auch das Unglück als solches von bedauerlichem Umfang gewesen sei, so dürfe, besonders jetzt, wo die ruhige Beurteilung des Vorfalles längst Platz gegriffen habe, betont werden, class es unbillig wäre, den Wehrmann Schibli für die insgesamte Verkettung von Umständen büssen zu lassen. Beigefügt wird, dass die Hinterlassenen der verunglückten Eisenbahner voll entschädigt worden sind: sie erhalten die gesetzlichen Leistungen der Unfallversicherung, femer erfolgte eine freiwillige Zuwendung von insgesamt Fr. 5000.

Schibli wird durch die Behörden des Kantons Schwyz sehr günstig beurteilt. Er ist seit annähernd 10 Jahren in Bach, Gemeinde Ereienbach, niedergelassen, seit sechs Jahren verheiratet und Vater eines Kindes. Er betreibt in Zürich eine Veloreparaturwerkstätte. Seine Verhältnisse sind bescheiden, jedoch kommt er durch Fleiss und Häuslichkeit langsam vorwärts. Sein Leumund ist sehr gut. Die Verbüssung der Freiheitsstrafe würde den Manti und die Familie moralisch und finanziell schwer schädigen.

Gestützt auf die Ausführungen der Eisenbahnabteilung und des Militärdepartementes sowie in Erwägung, dass Schibli in persönlicher Hinsicht einer Begnadigung durchaus würdig ist, dass die strafbare Handlung des Gesuchstellers bereits fünf Jahre zurückliegt und neuere Verfehlungen nicht vorliegen, dass die normalen Voraussetzungen, die eine zunächst nur bedingt gewährte Begnadigung endgültig werden lassen, hier bereits erfüllt sind, b e a n t r a g e n wir, die Gefängnisstrafe gänzlich zu erlassen. Auf die Frage des Kostenerlasses ist mangels Zuständigkeit nicht einzutreten.

89. Walter G e r b e r , verurteilt ani 17. Dezember 1927 vom Gerichtspräsidenten von Burgdorf zu Fr. 50 Busse.

Gerber ist bei einem Strassenübergang mit seinem Motorrad in die Barriere einer Bahnanlage gefahren. Die Barriere wurde stark beschädigt.

Gerber ersucht um Erlass der Busse, deren Entrichtung ihm infolge längerer Arbeitslosigkeit schwer falle. Das Missgeschick sei ihm anlässlich einer Fahrt zugestossen, die der Arbeitssuche gedient habe.

Der Begierungsstatthalter von Burgdorf, die kantonalen Eisenbahnlind Polizeidirektionen können das Gesuch nicht empfehlen.

Da besondere Kornrniserationsgründe fehlen, b e a n t r a g e n wir mit der Eisenbahnabteilung, das Gesuch abzuweisen.

90. Mathilde Ruede-Stäuble, geb. 1899, Landwirtin, Sulz (Aargau), 91. Edouard Combaz, geb. 1880, Metzgermeister. Genf.

(Lebensmittelpolizei.)

90 Gernäss Bundesgesetz betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 8. Dezember 1905 nebst zudienenden Verordnungen sind verurteilt worden: 90. Mathilde Euede. verurteilt am 26. Januar 1928 vom Bezirksgericht Laufenburg zu 3 Tagen Gefängnis und "Fr. 100 Busse.

Da von der Milchgenossenschaft Sulz gewässerte Milch in den Verkehr gebracht wurde, fand bei den Lieferanten eine Probeentnahme statt. Hierbei wies die aus dem Stall der Mathilde Euede stammende Milch einen Wasserzusatz von annähernd 35,s % auf, ferner war die Milch der nachfolgenden Stallprobe ebenfalls verdächtig, während die dritte Probe normale Milch ergab. Das urteilende Gericht war einstimmig der Auffassung, die Wässerung sei vorsätzlich bewirkt worden ; ferner war das Gericht zur Annahme gezwungen, die Wässerung sei absichtlich durch die Beschuldigte erfolgt.

Mathilde Euede ersucht in nicht selbst verfasster Eingabe um Erlass der Gefängnisstrafe. Wie im Strafverfahren wird die Wässerung bestritten und geltend gemacht, die Veränderung der Milch sei namentlich auf die vorübergehend schlechte Fütterung zurückzuführen. Die erste, vom Gericht als nicht ordnungsgemäss abgelehnte Stallprobe sei in Wirklichkeit geeignet, die Gesuchstellerin zu entlasten. Ferner wird betont, dass Mathilde Euede ohne Vorstrafe sei.

Das eidgenossische Gesundheitsamt beantragt Abweisung. Die Gesuchstellerin werde nicht nur durch die andauernde starke Milchwässerung belastet, sondern auch durch die Wässerung der ersten Stallprobe zwecks Irreführung der Lebensmittelkontrolle. Der Einwand mangelhafter Fütterung oder Krankheit einer Kuh sei gänzlich unhaltbar..

Wir b e a n t r a g e n desgleichen Abweisung. Die Gesuchsanbringen betreffen im wesentlichen die Frage der Urheberschaft und des Vorsatzes. Der Verurteilten stand es frei, einen Entscheid des kantonalen Obergerichts herbeizuführen. Der Begnadigungsweg darf nicht ohne weiteres an Stelle eines ordentlichen Eechtsmittels treten.

91. Edouard Combaz, gemäss Strafentscheid des Département de l'Intérieur et de l'Agriculture du Canton de Genève vom 15. September 1927, bzw. des Officier de Police vom 12. Oktober 1927, mit Fr. 20 gebüsst.

Die Bestrafung erging, weil Combaz an einem Samstag im August 1927 eine Schweinefleischsendung von der Bahn behändigt hatte, ohne sie vorgängig der
Fleischschau zu unterbreiten.

Combaz ersucht um Erlass der Busse, da die Beschuldigung unrichtig sei, was er des nähern darzutun versucht.

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Genf beantragt Abweisung, da der Begnadigungsweg nicht an Stelle der Appellation oder Eevision zu treten habe; Combaz sei es frei gestanden, an obere Strafbehörden zu gelangen.

91 Mit dem eidgenössischen Veterinäramt b e a n t r a g e n wir ohne weiteres Abweisung. Angesichts der Eeihe von Vorstrafen wegen Zuwiderhandlung gegen die Lebensmittelpolizei sowie einer grösseren Zollbusse erweckt der Gesuchsteller von vorneherein kein besonderes Interesse. Über den zur Erörterung gebrachten Vorfall äussert sich ein Bericht des Office Vétérinaire cantonal vom 10. April 1928. Das Gesuch wäre besser unterblieben.

92. Berta Cohn, geb. 1893, Händlerin, Konstanz (Baden).

(Ausfuhrschmuggel.)

92. Berta Cohn ist am 4. Oktober 1919 vom Obergericht des Kantons Thurgau gernäss Bundesratsbeschluss betreffend die Bestrafung der Widerhandlung gegen das Ausfuhrverbot zu 2 Monaten Gefängnis, Fr. 5000 Busse und 5 Jahren Landesverweisung verurteilt worden.

Berta Cohn machte sich namentlich der Anstiftung zum Uhrenschmuggel schuldig.

Berta Cohn, die sich seit dem Strafverfahren ständig im Ausland befindet, ersucht von Konstanz aus um Brlass des Bestes der Landesverweisung. Seit dem 1927 erfolgten Tod ihres Vaters lebe sie in äusserst misslichen Verhältnissen. Ohne Landesverweisung könnte sie bei der in Kreuzungen verheirateten Schwester die Mahlzeiten einnehmen. Man möge die Landesverweisung wenigstens dahingehend mildern, dass sie in dem genannten Sinn in der Familie der Schwester verkehren könne.

Die Kantonspolizei des Kantons Thurgau und die Zollkreisdirektion Schaffhausen bestätigen die Gesuchsanbringen. Das Polizeidepartement des Kantons Thurgau und die eidgenössische Oberzolldirektion haben gegen eine Begnadigung nichts einzuwenden.

Da die Landesverweisung zum Teil vollstreckt und die anderweitigen Strafen verjährt sind, b e a n t r a g e n wir, den Eest der Landesverweisung kommiserationsweise zu erlassen.

93. Josef Binz, geb. 1893, Reisender, Selzach (Solothurn), 94. Jean Biche, geb. 1906, Kaufmann, Audincourt (Frankreich).

(Patenttaxengesetz.)

Gemäss Bundesgesetz betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden vom 24. Juni 1892 sind verurteilt worden: 93. Josef Binz, verurteilt am 28. September 1927 vom Amtsgericht Solothurn-Lebern zu Fr. 20 Busse.

Binz hat bei einem Privaten eine Bestellung auf "Wein aufgenommen, ohne eine Taxkarte gelöst zu haben.

92 Binz ersucht um Erlass der Busse, wozu er längere Arbeitslosigkeit und schwere Familienlasten geltend macht.

Das Polizeidepartement des Kantons Solothurn beantragt, dem Gesuch zu entsprechen.

Die Handelsabteilung hat Binz in Berücksichtigung der Gesuchs anbringen bereits die Taxnachzahlung erlassen. Den gänzlichen Erlass der Busse erachtet sie als zu weitgehend und kann lediglich Ermässigung bis Er. 5 oder 10 befürworten.

Wir b e a n t r a g e n , die Busse kommiserationsweise um die Hälfte, d. h.

um Er. 10 zu ermässigen. Als früherer Weinreisender wusste Binz genau, dass die in Betracht kommende Bestellungsaufnahme unzulässig war, weshalb die gänzliche Begnadigung unterbleiben sollte.

94. Jean E i c h e , verurteilt am 18. März 1928 vom Gerichtspräsidenten von Pruntrut zu Fr. 100 Busse.

Biche nahm als Ausländer für ein französisches Haus Bestellungen für Kunstdünger auf, ohne eine französische Gewerbelegitimationskarte und die inländische (grüne) Karte gelöst zu haben.

Riche ersucht um Erlass der Busse. Er versehe das ausländische Haus in der Schweiz mit 'Vertretern, die er jeweils in den Geschäftsbetrieb einführe.

Wegen Unpässlichkeit eines dieser Eeisenden habe er einen Tag lang die Bestellungen selbst aufgenommen. Da er nicht berufsmässig reise, könne er die französische Gewerbelegitimationskarte überhaupt nicht erwerben, so dass es ihm schwer falle, den Anforderungen des Bundesgesetzes nachzukommen.

Der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes und die kantonale Polizeidirektion beantragen Abweisung, da triftige Gründe für einen Bussennachlass nicht geltend gemacht würden.

Die Handelsabteilung beantragt Ermässigung der Busse bis zu einem Betrag, der den in ähnlich gearteten Fällen erkannten Bussen entspricht, d. h.

Fr. 10 bis 30. Eiche habe nicht den Fiskus schädigen wollen und bloss die Erfüllung einer Förmlichkeit unterlassen.

In Abwägung der verschiedenen Stellungnahmen b e a n t r a g e n wir Herabsetzung der Busse bis Fr. 60. Da sich Eiche am Aufsuchen von Bestellungen beteiligt, hat er sich hierzu in den Besitz der Legitimationskarten zu setzen.

Die teilweise Begnadigung mag gewährt werden, weil anscheinend Unkenntnis der einschlagigen Bestimmungen vorgelegen hat.

95. Ferdinand Mathys, geb. 1877, Landwirt, Alchenstorf (Bern).

(Forstpolizei.)

95. Ferdinand M a t h y s ist am 24. Februar 1928 vom Gerichtspräsidenten von Burgdorf gemäss Art. 46, Ziff. 7, des Bundesgesetzes vom 11. Oktober

93 1902 betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei, in der durch Bundesbeschluss vom 5. Oktober 1923 erhaltenen Passung, zu Fr. 500 Busse verurteilt worden.

Mathys hat in seinem Privatwald ohne Bewilligung einen Kahlschlag vorgenommen.

Mathys ersucht um Erlass oder doch Herabsetzung der Busse. Die kahlgeschlagene Fläche werde zurzeit wieder angepflanzt. Der Kahlschlag habe der Geldbeschaffung für Hypothekenzinsen und für die Aussteuer einer Tochter gedient. Bei der misslichen Lage in der Landwirtschaft sei es dem Gesuchsteller unmöglich gewesen, das benötigte Geld anderswie zu beschaffen. Auch die Bezahlung der Busse falle ihm schwer.

Der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes beantragt Herabsetzung der Busse um die Hälfte. Der Kreisoberförster, der Forstmeister des Mittellandes, der kantonale Forst- und Polizeidirektor beantragen einhellig Abweisung.

Mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei b e a n t r a g e n wir desgleichen Abweisung. Es handelt sich um einen ausgesprochenen Kahlschlag mit schädlicher Wirkung für andere Bestände. Die Kantonsbehörden betonen mit Nachdruck, dass die Unzulässigkeit unbewilligter Kahlschläge durchwegs bekannt sei.

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100.

Gottlieb Gerber, geb. 1882, Güterschaffner, Langnau i. E. (Bern), Werner Rudolî Zbinden, geb. 1911, Lehrling, Gunzwil (Luzern), Wilhelm Weber, geb. 1881, Bäckermeister, Laufenburg (Aargau), Beda Tremp, geb. 1898, Landwirt, Schanis (St. Gallen), Joseî Heimhoîer, geb. 1874, Landwirt und Mauser, Althäusern (Aargau).

(Jagdvergehen.)

Gemäss Bundesgesetz über Jagd und Vogelschutz vom 10. Juni 1925 sind verurteilt worden: 96. Gottlieb Gerber, verurteilt am 23. Februar 1928 vom Gerichtspräsidenten von Signau gemäss Art. 4, Ziff. 6, 50, 60 usw., des Bundesgesetzes zu Fr. 15 Busse und Einziehung des geschützten Vogels.

Gerber hat auf einem Dienstgang zwischen den Bahngeleisen eine tote Goldammer behändigt und sie hernach ausstopfen lassen.

Gerber ersucht um Erlass der Busse und Bückgabe des Vogels.

Der Eegierungsstatthalter des Amtsbezirkes, die kantonalen Forst- und Polizeidirektionen beantragen, dem Gesuch zu entsprechen.

Mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragen wir ebenso den gänzlichen Erlass der Busse. Das Behändigen tot aufgefundener Vögel ist im Gesetz ausdrücklich nicht erwähnt. Ob eine strafbare Handlung überhaupt vorliege, mag dahingestellt bleiben. Zur EinzieBundesblatt. 80. Jahrg. Bd. II.

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94 hung des Vogels hat sich die Begnadigungsbehörde nicht zu äussern, weil die Einziehung nach Art. 60, Abs. l, des Bundesgesetzes keine Strafe ist.

97. Werner Eudolf Zbinden, verurteilt am 18. Januar 1928 vom Statthalteramt Sursee gemäss den Art. 43, Ziff. 5, 54, 60 des Bundesgesetzes und § 76, lit. & des Polizeistrafgesetzes des Kantons Luzern betreffend fahrlässige, geringe Körperverletzung zu Fr. 60 Busse und Einziehung des Floberts.

Zbinden und ein anderer sind mit Ilobertpistolen im Wald herumgestrichen, in der Absicht, auf Wild zu schiessen. Beim Manipulieren mit der Waffe ging Zbinden ein Schuss los, der den Begleiter in die Brust traf.

Die Direktion der sozialen Fürsorge der Stadt Bern stellt für Zbinden das Gesuch um Erlass der Busse. Zbinden ist armenrechtlich in eine Lehre gegeben; seine Eltern sind Insassen einer Armenanstalt. Dem kaum Siebzehnjährigen droht die Umwandlungshaft.

Das Justizdepartement des Kantons Luzern beantragt der Bundesversammlung, sofern sie sich als zuständig erachte, Ermässigung der Busse bis zu Fr. 20. Die eidgenossische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei schliesst sich diesem Antrag an.

Da wegen Körperverletzung und Jagdvergehens eine Gesamtstrafe erkannt worden ist, erhebt sich hinsichtlich des Begnadigungsrechtes die Kompetenzfrage. Im Bundesgesetz und im kantonalen Polizeistrafgesetz sind für die zur Erörterung stehenden Tatbestände nur Bussen vorgesehen. Als ausschlaggebend erachten wir, dass das Jagdgesetz eine Mindestbusse von Fr. 100 androht, die hier für den Richter lediglich geniäss Art. 54 unverbindlich war; an sich ist die bimdesrechtlich angedrohte Busse, hinsichtlich des Mindestmasses, die schärfere Strafe, weshalb unseres Erachtens die Zuständigkeit der Bundesversammlung zu bejahen ist.

Die Begnadigung Zbindens liegt nicht besonders nahe. Das kantonale Justizdepartement bemerkt zutreffend, der Leichtsinn Jugendlicher beim Hantieren 'mit Waffen und der Hang zum widerrechtlichen Jagen dürfe nicht gefördert werden. Hinwiederum sollte dem sonst unbescholtenen Jugendlichen die Umwandlungshaft erspart bleiben.

Wir beantragen deshalb, was die Busse als solche anbetrifft, Abweisung des Gesuches; sollte es zur Anordnung der Umwandlungshaft kommen, so wird ihr bedingter Erlass zu erwägen sein.

98. Wilhelm Weber, verurteilt am 9. Februar
1928 vom Bezirksgericht Laufenburg gemäss Art. 39, Abs. 3, des Bundesgesetzes zu Fr. 50 Busse.

Weber hat im letzten Dezember in seinem Garten mit einem Flobertgewehr zwei Amseln abgeschossen.

Weber ersucht um Erlass der Busse. Die Amseln hätten ihm im Sommer und Herbst argen Schaden zugefügt. Bei der Harmlosigkeit des Vorfalles sei ihm die Straibarkeit seines Tuns nicht bewusst gewesen.

Das urteilende Gericht befürwortet die teilweise Begnadigung.

95 Mit der 'eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei b e a n t r a g e n wir Abweisung. Nach den kantonalen Bestimmungen darf der Grundeigentümer Amseln in der Zeit der Beerenreife abschiessen, wobei es sein Bewenden haben soll. Im Dezember erlitt Weber keinen Schaden. Es wurde die Mindestbusse'gesprochen.

99. Beda T r e m p , verurteilt am 18. Februar 1928 vom Bezirksgericht Gaster gernäss Art. 43, Ziff. 2; 56, Ziff. 1; 58, Abs. 3, des Bundesgesetzes zu Fr. 600 Busse und Ausschluss von der Jagdberechtigung für 3 Jahre.

Tremp hat ausser Jagdzeit eine Prügelfalle auf Füchse gestellt.

Tremp ersucht in nicht selbst verfasster Eingabe um Erlass ! oder doch Herabsetzung der Busse bis Fr. 50. Die Füchse hätten ihn arg geschädigt.

Die Vorschriften über die Zulässigkeit des Fallenstellens habe er nicht.beobachten können. Als belasteter Pächter bringe er Busse und Kosten unmöglich auf, ohne dass die Familie darunter leiden müsste.

Der Präsident des Örtsverwaltungsrates Maseltrangen bestätigt die Gesuchsanbringen, ebenso, das Bezirksamt Gaster. Das kantonale Justizdepartement wendet gegen eine teilweise Begnadigung nichts ein. Das urteilende Gericht bezeichnet die teilweise Begnadigung bereits in den Urteilserwägungen als sehr angebracht. .

: , 1 Mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragen wir Ermässigung der Busse bis zum. Mindestmass. von Fr. 300, unter Zubilligung erträglicher Teilzahlungen. Damit wird die wegen vorhandenenen Bückfalls vorgenommene Bussenverdoppelung erlassen, die hier in der Tat zu einer sehr hohen Busse geführt hat. Eine weitergehende Begnadigung drängt sich, in Beachtung der Vorstrafe und der Ausführungen eines Polizeiberichtes vom Mai 1927,'nicht auf.

, , .

· 100. Josef H e i m h o f e r , verurteilt am 13. Januar 1928 vom Obergericht des Kantons Aargau gemäss den Art. 43, Ziff. 2; 56, Ziff. 1; 58, Abs. 3, des Bundesgesetzes und den .Art. 19, 21, 22 des Bundesstrafrechtes zu 3 Wochen Gefängnis, Fr. 600 Busse und Ausschluss von der Jagdberechtigung für 3 Jahre.

. .

Heimhofer hat seinen Stiefbruder zum Schlingenlegen angestiftet; er lehrte ihn das Anfertigen :und Legen der Schlingen und zeigte ihm die zum Fang von Behwild günstigen Stellen.

.Heimhofer ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe. Die Busse .sei an sich
ausserordentlich hart. Sein kleines Heimwesen ernähre kaum die Familie.

Da er die landwirtschaftlichen Arbeiten selbst besorge, würde der Vollzug der Gefängnisstrafe von dem allerschwersten Folgen sein.

Das Bezirksgericht Brerngarten empfiehlt die teilweise : Begnadigung.

Das Obergericht hält eine Begnadigung nicht für gerechtfertigt.

: Mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragen wir Abweisung. Die erstinstanzlich erkannte Strafe Von 10

96 Tagen Gefängnis ist im Hinblick auf die zahlreichen Vorstrafen, wovon fünf wegen Jagdvergehen, verschärft worden, ferner wurde in Betracht gezogen, dass das Schlingenlegen eine arge Tierquälerei darstellt. Da das neue Bundesgesetz die Freiheitsstrafe gerade für derart hartnäckige Frevler aufgenommen hat, muss die Begnadigungsbehörde einen Straferlass solange ablehnen, als dieser nicht besonders nahegelegt werden kann. Im vorliegenden Fall drängt sich eine Begnadigung keineswegs auf, vielmehr ist zu sagen, dass der Gesuchsteller kein näheres Interesse erweckt.

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Ernst Känzig, geb. 1887, Schreiner, Wiedlisbach (Bern), Charles Wyss, geb. 1898, Winzer, Bevaix (Neuenburg), Emanuel Kaiser, geb. 1906, Magaziner, Lausen (Baselland), Friedrich Kaiser, geb. 1899, Hilfsarbeiter, Lausen (Baselland), Wilhelm Frech, geb. 1900, Zahnarzt, Neuallschwil (Baselland), Emil Scheller, geb. 1903, Uhrmacher, Bettlach (Solothurn).

(Militärpflichtersatz.)

Gemäss Ergänzungsgesetz vom 29. März 1901 über den Militärpflichtersatz sind wegen schuldhafter Nichtentrichtung des Militärpflichtersatzes verurteilt worden : 101. Ernst Känzig, verurteilt am 14. Dezember 1927 vom Gerichtspräsidenten von Wangen a. A. zu einem Tag Haft, den Militärpflichtersatz von Fr. 36.10 für 1927 betreffend.

Känzig ersucht um Erlass der Haftstrafe. Er verweist auf die am 29. November 1927 erfolgte Tilgung der Schuld. Die frühere Bezahlung sei wegen misslichen Verhältnissen ausgeschlossen gewesen.

Der Regierungsstatthalter und gleichzeitige Gerichtspräsident des Amtsbezirkes sowie der Kantonskriegskommissär beantragen Abweisung, die kantonale Polizeidirektion die bedingte Begnadigung.

Mit der eidgenössischen Steuerverwaltung beantragen wir den gänzlichen Erlass der Haftstrafe. Känzig ist als 1887er heute nicht mehr ersatzpflichtig.

Die neueren Berichte des Sektionschefs und des Gemeinderates bestätigen die Gesuchsanbringen. Der Gesuchsteller ist Epileptiker.

102. Charles Wyss, verurteilt am 3. März 1928 vom Tribunal de Police du District de Boudry zu 3 Tagen Haft, den Müitärpflichtersatz von Fr. 20. 95, Eestschuld, für 1927 betreffend.

Wyss, der die letzte Teilzahlung am 9. März entrichtet hat, ersucht um Erlass der Haftstrafe. Man möge seinen ärmlichen Verhältnissen und den Familienlasten Eechnung tragen.

Der Gerichtspräsident von Boudry, der Statthalter des Amtsbezirkes und das kantonale Justizdepartement beantragen Abweisung. Wyss musste schon

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letztes Jahr dem Eichter: überwiesen werden. Der Eichter betont, dass Wyss nicht den mindesten Beweis einer Notlage erbracht habe.

Die eidgenössische1 Steuerverwaltung erachtet die bedingte Begnadigung als zulässig, sieht jedoch davon ab, der übereinstimmenden Stellungnahme der.

Kantonsbehörden einen Gegenantrag gegenüberzustellen.

Wir b e a n t r a g e n , das Gesuch abzuweisen.

103. Ernanuel Kaiser, verurteilt am 16. Februar 1928 vom Polizeigericht Liestal zu einem Tag Haft, den Militärpflichtersatz von Er. 36 für 1926/27 betreffend.

Kaiser, der den Pflichtersatz für 1926 am 28, September 1927, für 1927 am : :.

15. Februar 1928 bezahlt hat, ersucht um Erlass der; Haftstrafe. Verluste aus der misslungenen Gründung einer kleineren Buchdruckerei, unregelmässiger Verdienst, Arbeitslosigkeit, Unterstützungspflichten gegenüber ,der verwitweten Mutter und den Geschwistern hätten die rechtzeitige Zahlung verunmög' licht.

; , ; Die kantonalen Polizei- und Militärdirektionen können das Gesuch nicht empfehlen. Die eidgenössische Steuerverwaltung beantragt den bedingten Erlass der Haftstrafe. : Mit den kantonalen Begierungsdirektionen, beantragen wir Abweisung.

Saumseligkeit liegt vor. Zahlungsversprechen wurden nicht gehalten. Es fällt auf, dass Kaiser und zwei Brüder zu gleicher Zeit verurteilt werden mussten.

104. Friedrich Kaiser, Bruder, des Emanuel, y erurteilt : am 16. Februar 1928 vom Polizeigericht Liestal zu 3 Tagen Haft, den Militärpflichtersatz von Fr. 30 für 1926/27 betreffend.

Die Mutter des Bestraften ersucht für .den dermalen im Ausland weilenden Sohn.um Erlass der Haftstrafe. Kaiser, der seinerzeit die Eekrutenschule und einen Wiederholungskurs bestanden habe, sei wegen eines ausserdienstlichen Unglücksfalles ersatzpflichtig geworden. Als Opfer einer Explosion sei sein Gesundheitszustand seither geschwächt, namentlich auch in psychischer Hinsicht. Müsse er bei Rückkehr aus dem Ausland die Haftstrafe verbüssen, so könne dies für den unglücklichen Menschen und seine Angehörigen schwere .Folgen haben. Kaiser sei öfters arbeitslos gewesen, ferner habe er Mutter und Geschwister zu unterstützen.

Die kantonalen Polizei- und Militärdirektionen können das Gesuch nicht empfehlen.

Mit der eidgenössischen Steuerverwaltung b e a n t r a g e n wir Abweisung.

Obschon gewisse Komniiserationsgründe
zutreffen, rmiss anhand der Urteilserwägungen und Berichte der Kantonsbehörden die Saumseligkeit des Gesuchstellers in den Vordergrund gerückt werden. Kaiser hat bis heute nicht die · mindeste Teilzahlung geleistet, ferner ist er bereits für die Jahre 1922/24: dem Eichter überwiesen worden. Für die heute in Betracht kommenden Jahre 1926/27 haben ihm die Kantonsbehörden einen teilweisen Steuererlass gewährt, was die Begelung der Angelegenheit hätte bewirken sollen.

98 105. Wilhelm Frech, verurteilt am 20. März 1928 vom Polizeigerichtspräsidenten des Kantons Baselstadt zu einem Tag Haft, den Militärpflichtersatz von Fr. 72 für 1927 betreffend.

Frech stellt durch einen Anwalt das Gesuch um Erlass der Haftstrafe.

Frech sei 1918--1923 arbeitslos gewesen und in Schulden geraten, weil er nicht der öffentlichen Wohltätigkeit habe zur Last fallen wollen. Die Unterlassung ordnungsgemässer Bezahlung stehe damit in Zusammenhang. Ferner wird behauptet, Frech sei bloss eine Mahnung zugekommen, auch habe eine von ihm mit der Zahlung Beauftragte die Begehmg der Angelegenheit aus Vergesslichkeit nicht vorgenommen.

Das Polizeidepartement des Kantons Baselstadt beantragt Abweisung.

Mit der eidgenössischen Steuerverwaltung b e a n t r a g e n wir desgleichen Abweisung. Die beiden Mahnungen sind vorschriftsgemäss erfolgt. Die geltend gemachte frühere Erwerbslosigkeit berührt die Jahre 1927/28 nicht.

In Wirklichkeit hätte Frech mit seinem guten Einkommen den Pflichtersatz ohne weiteres bezahlen können. Triftige Begnadigungsgründe fehlen.

106. Emil Scheller, verurteilt am 31. März 1927 vom Gerichtsstatthalter von Solothurn-Lebern zu 5 Tagen Gefängnis, den Militärpflichtersatz von ,Fr. 36. 60 für 1926 betreffend.

Scheller, der Teilzahlungen anbietet, ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe. Der Strafvollzug gefährde seine Anstellung. Er habe für Frau und Kind zu sorgen.

Das Polizeidepartement des Kantons Solothurn beantragt Abweisung.

Dermalen sei Scheller von Bettlach verschwunden und unbekannten Aufenthaltes.

Mit der eidgenössischen Steuerverwaltung beantragen wir ohne weiteres Abweisung. Scheller weist vier weitere Freiheitsstrafen auf. Die Gesuchsanbringen treffen jedenfalls heute nicht mehr zu.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 15. Mai 1928.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident: Dr. Haab.

Der Vizekanzler:

Lei m grab er.

^SS~

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II. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Junisession 1928). (Vom 15. Mai 1928.)

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