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So konnte der Präsident des Bundesgerichtes in seinem Nachruf an den Verstorbenen sagen: ,,Jeder mit Herrn Clausen in Verbindung Tretende musste ihn achten, und wer ihn näher kannte, konnte ihm seine Zuneigung nicht versagen.a Herr Clausen hat die ihm während seiner ganzen Laufbahn als Richtschnur dienenden Eigenschaften aus seiner religiösen Überzeugung geschöpft. Er war eine sehr fromme, einem Mystizismus bester Art ergebene Seele. Seinem teuren Wallis stets ergeben, liebte er seine schweizerische Heimat von ganzem Herzen und bedauerte alles, was in letzter Zeit die Eidgenossen zu trennen Anlass geben konnte.

Ich ersuche Sie, meine Herren, zur Ehrung des Andenkens an den verehrten Magistraten und um seiner Familie unsere Sympathie zu bezeugen, sich von den Sitzen erheben zu wollen.

# S T #

Aus den Verhandlungen des Bundesrates.

(Vom 13. September 1916.)

Verzeichnis der Teilnehmer an der Vertrauensmännerversammlung zur Besprechung eines Finanzprogramms (s. Seite 579 hiervor) : Albisser, J., Grossrat, Luzern ; Billeter, R., Nationalrat, Stadtpräsident, Zürich; Blumer, E., Nationalrat, Landammann, Schwanden (Glarus) ; Cailler, A., Nationalrat, Fabrikant, Broc ; Châtelain, Direktor der Neuenburger Kantonalbank, Neuenburg; Chuard, E., Nationalrat, Regierungsrat, Lausanne; Clottu, Regierungsrat, Neuenburg; Düring, J., Ständerat, Regierungsrat und Präsident der ständerätlichen Finanzkommission, Luzern; Fazy, H., Nationalrat, Regierungspräsident, Genf; Frey, Dr. A., Nationalrat, Vizepräsident des schweizerischen Handels- und Industrievereins, Zürich ; Frey, Dr. Julius, Präsident des Verwaltungsrates der schweizerischen Kreditanstalt, Zürich; Garbani-Nerini, E., Nationalrat, Grossrat, Lugano; Gaudard, E., Nationalrat, Fürsprecher, Vevey ; Georg, Dr. A., Präsident der Genfer Handelskammer, Genf; Hauser, Dr. F., Grossrat, Basel; Hofmann, Dr. E., Nationalrat, Regierungsrat, Frauenfeld ; Jöhr, Dr. A., Mitglied des Direktoriums der schweizerischen Nationalbank, Zürich; Landmann, Prof. Dr., Universitätsprofessor, Basel ; Laur, Prof. Dr. E.,

620 Sekretär des schweizerischen Bauernverbandes, Brugg; Lorenz, J., Direktor des Lebensmittelvereins, Zürich; Messmer, A., alt Landammann, St. Gallen ; Milliet, Prof. Dr. E., Direktor der eidgenössischen Alkoholverwaltung, Bern; Müller, Gustav, Nationalrat, Finanzdirektor der Stadt Bern, Bern ; Musy, J., Nationalrat, Staatsrat, Freiburg ; Obrecht, Regierungsrat, Solothurn ; Perini, Peter, Präsident der Graubündner Kantonalbank, Chur; Scheurer, K,, Nationalrat, Regierungsrat, Bern ; Schmid, M., Regierungsrat, Aarau ; Seiler, H., Regierungsrat, Sitten ; Sigg, J., Nationalrat, französischer Adjunkt des schweizerischen Arbeitersekretärs, Genf; Speiser, Prof. Dr., Nationalrat, Basel; von Streng, Dr. A., Nationalrat, Bankpräsident, Sirnach; Sträuli, Dr. H., Nationalrat, Stadtpräsident, Winterthur; Tschumi, Dr., Regierungsrat, Präsident des schweizerischen Gewerbevereins, Bern; Wagner, E., Nationalrat, Präsident der nationalrätlichen Finanzkommission, Ebnat.

(Vorn 16. September 1916.)

Zugunsten der Pestalozzi-Neuhofstiftung bei Birr wird für das Jahr 1917 ein Bundesbeitrag von Fr. 2500 bewilligt.

Das kantonale Mädchenlyzeum in Freiburg wird auf das Verzeichnis der anerkannten schweizerischen Gymnasien aufgenommen. Demgemäss werden die von demselben ausgestellten Reifezeugnisse bei der Anmeldung zu den eidgenössischen Medizinalprüfungen anerkannt.

Dem Kanton B e r n wird an die zu Fr. 29,600 veranschlagten Kosten der Entwässerung und Güterzusammenlegung der Flurgenossenschaft im Spiezmoos, Gemeinde Spiez, ein Bundesbeitrag von 25 °/o oder höchstens Fr. 7400 zugesichert.

(Vom 18. September 1916.)

Die von Herrn H a r t j e eingereichte Demission als schweizerischer Konsul in Para (Brasilien) wird unter Verdankung der geleisteten Dienste angenommen.

Dem von den Kantonen Freiburg, Neuenburg und Waadt am 17. April 1916 abgeschlossenen revidierten Konkordat für

621 die Fischerei im Neuenburgersee wird die bundesrätliche Genehmigung erteilt.

Die sämtlichen hülfsdienstpflichtigen Zahnärzte sind auf Pikett gestellt.

Die auf Pikett gestellten Zahnärzte dürfen das Land ohne Erlaubnis der Abteilung für Sanität des schweizerischen Militärdepärtements nicht verlassen.

Der Bundesrat hat die Eingaben der Regierungen der Kantone Freiburg,, Waadt, Wallis, Neuenburg und Genf betreffend die für den 3. September getroffenen Massnahmen folgendermassen beantwortet : An die Regierung des Kantons Waadt.

Mit Schreiben vom 12. September bescheinigen Sie uns den Empfang unseres Zirkulars vom 30. August betreffend die für den 3. September gegen die Landesverteidigung geplanten Manifestationen. Sie erklären dazu, dass im Kanton Waadt kerne Gründe vorgelegen haben, welche für den 3. September Manifestationen oder Vorkommnisse, wie solche in Zürich vorgekommen sind, voraussehen Hessen. Wenn gegen alles Erwarten im letzten Augenblicke etwas Derartiges versucht worden wäre, so würden die kantonalen und Gemeindebehörden ohne Mühe in der Lage gewesen sein, mit Hülfe der Polizei jeder Ausschreitung zu begegnen.

Um so mehr seien Sie überrascht gewesen, am 2. September einen deutschen Befehl der Armeeleitung zu erhalten, der im Einverständnisse mit dem Bundesrate eine eventuelle militärische Intervention in Ihrem Kanton und in ändern vorsah. Dieser Befehl sei von einer Instruktion an die Truppenkommandanten begleitet gewesen, nach der diese zu selbständiger Intervention ermächtigt würden, falls ihnen eine solche nötig erscheinen würde.

So seien also nicht nur militärische Vorbereitungen getroffen worden, ohne dass die kantonale Regierung überhaupt eine Intervention verlangt hatte, und ohne dass sie nur über die Situation befragt worden wäre, sondern es hätte sogar geschehen können, dass, dem Willen der kantonalen Behörde zuwider, ein Vertreter des Armeekommandos mit seiner Truppe interveniert und dadurch wirkliche Störungen der öffentlichen Ordnung provoziert hätte, auch da, wo die bürgerliche Polizei vollständig ausgereicht hätte.

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Sie halten es für Ihre Pflicht, uns zu erklären, ,,de la manière la plus ferme, tant pour le présent que pour l'avenir", dass Sie eine derartige direkte Intervention der Armee nicht zugeben könnten. Eine solche Unterordnung der bürgerlichen unter die militärische Gewalt wäre nicht nur verfassungswidrig und verletzend für die betroffene bürgerliche Behörde, sondern unter Umständen auch geeignet, statt die Geister zu beruhigen, einer gefahrlichen Agitation und Störung der öffentlichen Ordnung zu rufen.

Sie wünschen schliesslich, dass in Zukunft die kantonalen Regierungen befragt werden, bevor Massnahmen getroffen werden, wie für den 3. September geschehen ist. Auch versichern Sie, dass der Bundesrat das Vertrauen zu den Kantonen haben dürfe, dass diese ihre Pflicht tun werden.

Wir müssen Ihnen hierauf folgendes erwidern : Ï. Der Bundesrat weiss sehr wohl, dass die Aufrechthaltung von Ruhe und Ordnung in den Kantonen in erster Linie Sache der Kantone ist. Immerhin enthält auch der Art. 16 der Bundesverfassung die Bestimmung, dass die kompetente Bundesbehörde von sich aus einschreiten soll, wenn die Sicherheit der Schweiz gefährdet wird. Der Bundesrat ist denn auch schon wiederholt von sich aus eingeschritten, wenn in einzelnen Kantonen Ruhestörungen stattgefunden hatten, und die Bundesversammlung hat solches Einschreiten jeweilen gutgeheissen.

Nach Art. 102, Ziff. 10, der Bundesverfassung hat der Bundesrat die Aufgabe, für die innere Sicherheit der Eidgenossenschaft, für Handhabung von Ruhe und Ordnung zu sorgen. Für die gegenwärtige Kriegszeit kommen überdies die ausserordentlichen Vollmachten in Betracht, welche die Bundesversammlung dem ßundesrate am S.August 1914 erteilt hat. Es dürfte demnach wohl kein Zweifel darüber bestehen, dass der Bundesrat befugt war, von sich aus Massnahmen zu treffen, wenn er solche für nötig hielt.

2. Für den 3. September waren von den sozialistischen Jugendorganisationen in der ganzen Schweiz Demonstrationen geplant, die hauptsächlich antimilitaristischen Charakter tragen und sich auch gegen unsere eigene Landesverteidigung richten sollten. Bereits am 1. und 25. August hatten in Zürich ähnliche Demonstrationen zu bedauerlichen Vorkommnissen geführt, bei denen Ruhe und Ordnung in arger Weise gestört, der öffentliche Verkehr gehemmt, Offiziere der Armee bedroht und beschimpft wurden. Es war zu befürchten, dass am 3. September, dem mit

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grossen Worten angekündigten sog. ,,roten Sonntag*, ähnliche Störungen auch an ändern Orten des Landes stattfinden würden.

Gewiss war diese Gefahr nicht überall in gleicher Weise vorhanden, aber es war nicht vorauszubestimmen, wo Unruhen am ehesten stattfinden könnten. Wir betonen aber nochmals, dass es sich um Demonstrationen handelte, die an ein und demselben Tage in der ganzen Schweiz stattfinden sollten und dass man somit einer Manifestation gegenüberstand, die im ganzen Lande organisiert wurde.

Unter diesen Umständen entschloss sich der Bundesrat, die Kantonsregierungen auf diese Vorgänge in einem Kreisschreiben aufmerksam zu machen und sie einzuladen, die erforderlichen Massnahmen zu treffen, um weitere Störungen der öffentlichen Ordnung zu verhüten. Dabei ersuchte er die Regierungen insbesondere, dafür sorgen zu wollen, dass die geplanten Manifestationen auf öffentlicher Strasse unterbleiben. Der Bundesrat durfte wohl erwarten, dass seinem Ersuchen ohne weiteres Folge geleistet werde, nachdem er noch besonders betont hatte, dass die schwierige Lage, in der sich unser Land befindet, dass das Ansehen des Landes gebieterisch fordern, dass dem geschilderten Treiben ein Ende gemacht werde.

Zu einer vorherigen Befragung der Kantone fehlte die Zeit.

Sie hätte auch nur dazu geführt, die Verschiedenheit der Auffassung in den einzelnen Kantonen zu demonstrieren. Dem Bundesrate aber musste daran gelegen sein, dass der für das ganze Land geplanten Manifestation nach einheitlichen Grundsätzen entgegengetreten werde. Nicht aus mangelnder Rücksicht gegenüber den Kantonen, sondern weil ihn die Umstände dazu nötigten, hat der Bundesrat die vorherige Befragung der Kantone unterlassen.

3. Da zu befürchten stand, dass dem Verbote der Manifestation auf öffentlicher Strasse von seiten der Manifestanten Widerstand entgegengesetzt werden und dass die bürgerliche Polizeigewalt unter Umständen nicht genügen könnte, um diesen Widerstand zu brechen, setzte sich der Bundesrat auch mit der Armeeleitung in Verbindung und traf mit ihr die nötigen Verabredungen zum Zwecke der Bereitstellung von Truppen. Die rechtzeitige Bereitstellung von Truppen bot die beste Gewähr dafür, dass Exzesse vermieden oder doch im Keime erstickt werden konnten.

Es ist zu beachten, dass die Armee zurzeit entweder aufgeboten im aktiven Dienst steht oder auf Pikett gestellt ist. Auch die nur auf Pikett gestellten Truppen müssen aber jeden Augen-

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blick zur Verfügung des ßundesrates stehen. Die Kantone können also dermalen über die Wehrkraft ihres Gebietes nicht verfügen, es sei denn, dass ihnen diese Truppen vom Bunde zur Verfügung gestellt werden. Es war daher naheliegend und übrigens auch durchaus zulässig, von den zum Grenzschutz aufgebotenen Truppen einzelne Teile für den eventuellen Zweck der Aufrechthaltung von Ruhe und Ordnung zu bestimmen. Dies geschah in der ausgesprochenen Meinung, dass diese Truppen sich zur Verfügung der bürgerlichen Behörden halten sollten, um auf deren Ersuchen den Ordnungsdienst zu übernehmen. Darüber bestand zwischen dem Bundesrate und der Armeeleitung vollständige Übereinstimmung; niemand hatte auch nur entfernt den Gedanken an eine a y)Depossedierung der bürgerlichen Behörden.

4. In der Instruktion, die der Chef des Generalstabes am 1. September an die für diesen Dienst bestimmten Vertreter des Armeekommandos erliess, wird dieser Grundsatz mit aller Bestimmtheit ausgesprochen mit den Worten : ,,Die bürgerlichen Organe haben mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln für Aufrechthaltung von Ruhe und Ordnung zu sorgen. Die vom Armeekommandanten bestimmten Vertreter halten die ihnen unterstellten Truppen ausserhalb der Ortschaften bereit, um auf Ersuchen der Behörden den Ordnungsdienst zu übernehmen."

Dass Truppen, wenn sie ,den Ordnungsdienst übernehmen müssen, nicht unter die Befehle der Behörden treten, sondern den Dienst nach den Befehlen ihrer Kommandanten vollführen, ist im Grunde selbstverständlich. Es musste aber betont werden, urn von vornherein eine klare · Kompetenz-Ausscheidung zu schaffen.

Die Truppenkommandanten selbst wurden dadurch nicht gehindert, mit den Behörden Fühlung zu halten und deren Wünsche entgegenzunehmen. Aber für ihr militärisches Handeln sind die Truppenkommandanten und nur sie verantwortlich ; es geht nicht an, dass eine Behörde ihre Befehle durchkreuzt.

Ebenso selbstverständlich scheint uns zu sein, dass sich die Truppenkommandanten rechtzeitig über die Sachlage orientieren mussten. Nur dann konnten sie sachgemäss handeln, wenn sie einmal zum Handeln berufen wurden.

Und was endlich die Ermächtigung zu selbständigem Eingreifen anbelangt, so ist es eben in solchen Fällen immer denkbar, dass eine Behörde gar nicht mehr in der Lage ist, um die militärische Hülfe nachzusuchen, so z. B. wenn die Verbindungen unterbrochen sind. Wird man in solchem Falle einem Offizier

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wirklich zumuten wollen, dass er nicht von sich aus eingreifen soll ? Wenn aber Demonstrationen sich gegen die Armee richten, wenn die Truppe angegriffen, verhöhnt, beleidigt wird, so soll sie sich dagegen wehren, das ist sie ihrer Ehre schuldig.

So ist die Instruktion des Generalstabschefs aufzufassen, so war sie gemeint und so ist sie auch von den Truppenkommandanten verstanden und gehandhabt worden. Man soll in diese Instruktion nicht Dinge hineinlegen, die sie nicht sagen wollte und auch nicht gesagt hat!

Die Instruktion entspricht durchaus dem, was zwischen dem Bundesrat und der Armeeleitung vereinbart worden war.

Dass die Kopie der Instruktion auch an die Regierungen der französischsprechenden Kantone in deutscher Sprache versandt wurde, erklärt sieh aus der Raschheit, mit der die Versendung erfolgen musste. Der Armeestab macht es sich im übrigen stets zur Pflicht, mit den kantonalen Behörden in der Sprache des betreffenden Landesteils zu verkehren.

Der Bundesrat hofft, dass diese Aufklärungen Ihnen zeigen werden, dass sowohl ihm als der Armeeleitung jede Absicht ferne lag, in die Kompetenzen der Kantone in unzulässiger Weise einzugreifen. Er hält die Vorwürfe, die Sie der Armeeleitung und auch ihm selbst machen, für unbegründet und wahrt sich das Recht, auch in Zukunft Massnahmen, die er im Interesse des Landes für nötig erachtet, nach freier Entschliessung zu treffen. Für seine Massnahmen ist der Bundesrat der Bundesversammlung und nur dieser verantwortlich.

An die Regierung des Kantons Wallis.

Mit Schreiben vom 13. September dieses Jahres bescheinigen Sie uns den Empfang unseres Kreisschreibens vom 30. August betreffend die für den 3. September gegen die Landesverteidigung geplanten Demonstrationen und der vom Generalstabschef bei diesem Anlasse den Truppenkommandanten erteilten Instruktionen.

Sie fügen bei, dass,Sie glücklicherweise nicht in die Lage gekommen seien, von den Ihnen vom Bundesrate erteilten Weisungen Gebrauch zu machen, da in Ihrem Kanton die Ruhe nirgends gestört worden sei.

An diese ^Mitteilungen knüpfen Sie eine Kritik der Instruktionen des Generalstabschefs. Diese haben, so führen Sie aus^ bei Ihnen ein Gefühl der Beunruhigung erweckt, da sie auf nichts Geringeres als eine Unterdrückung (main-mise) der Polizei-

626 gewalt der Kantone durch die militärische Gewalt hinzielten, indem sie die Truppenkommandanten anwiesen, zur Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung einen besondern Überwachungsdienst einzurichten und, wenn nötig, auch ohne die Zustimmung der bürgerlichen Behörden einzugreifen. Darin liege eine vom Standpunkte unseres öffentlichen Rechts aus unzulässige Einmischung, die zugleich gegen den Grundsatz der Vorherrschaft der Zivilgewalt vor der Militärgewalt und gegen die Souveränität der Kantone verstosse. Wenn auch diese Weisungen nach der Meinung ihrer Urheber eine ,bloss ausnahmsweise und augenblickliche Tragweite haben sollten, so stehen sie nichtsdestoweniger im Widerspruche mit unserem Verfassungsrecht und würden einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen, wenn sie für die Zukunft nicht verhütet würden.

Sie benutzen die Gelegenheit, um ein Gefühl des Unbehagens (malaise) zum Ausdruck zu bringen, das Ihnen, seit einiger Zeit namentlich, gewisse Tendenzen der Bundesbehörde einflössen.

Diese scheine sich allzuhäufig über die kantonale Regierung hinwegzusetzen (ignorer), in Fällen, wo deren Begrüssung angezeigt wäre. Sie seien bereits in die Lage gekommen, die Aufmerksamkeit des Bundesrates auf derartige bedauerliche Fälle zu lenken, die zu einer Quelle von Missverständnissen und Reibungen werden können. Ein engeres Zusammenarbeiten der Bundesbehörde mit der kantonalen wäre, so meinen Sie, von glücklichem Einfluss, sie würde das gegenseitige Vertrauen bestärken und zur bessern Aufklärung der verantwortlichen Organe beitragen. Abgesehen von diesen praktischen Vorteilen würde man im Rahmen und im Geist unserer nationalen Überlieferungen und Einrichtungen bleiben, die, wie Sie sich ausdrücken, aus der Souveränität der Kantone den Eckstein des Gebäudes der Eidgenossenschaft machen, was man allzuoft zu vergessen scheine.

Wir müssen Ihnen hierauf folgendes erwidern : (Gleichlautend wie im Schreiben an Waadt, s. Seite 621 hiervor.)

An die Regierung des Kantons Neuenburg.

Sie haben am 12. dies ein Schreiben an uns gerichtet, worin Sie auf unser Zirkular vom 30. August über Massnahmen gegen die auf den 3. September geplanten Demonstrationen Bezug nehmen und den Gang der Ereignisse bis zum Abend jenes Tages schildern.

Sie knüpfen daran eine Kritik des Vorgehens des Bundes-

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rates, unter Berufung auf Art. 16 der B.-V. Dieser Artikel sehe, ausser dem hier nicht zutreffenden Fall des Abs. 2 bei gestörter Ordnung im Innern ein Einschreiten der Bundesbehörde nur auf Verlangen der Regierung des bedrohten Kantons vor. Der Staatsrat habe aber im Hinblick auf die für den 3. September zu gewärtigenden Vorgänge nicht nur kein solches Verlangen gestellt, sondern umgekehrt darauf aufmerksam gemacht, dass die Entsendung von Truppen nach La Chaux-de-Fonds mehr schaden als nützen würde. Der Bundesrat habe daher in unzulässiger Weise in die kantonalen Kompetenzen eingegriffen.

Ebenso bezeichnen Sie die vom Generalstabschef den Truppenkommandanten erteilten Weisungen, einen eigenen Nachrichtendienst einzurichten und im Falle der Not selbständig einzugreifen, als eine Verletzung der kantonalen Souveränität, gegen die Sie energischen Protest erheben.

Schliesslich werfen Sie die Frage auf, ob der Bundesrat nicht trotz des Bundesbeschlusses vom 3. August 1914, auf den er sich in seinem Kreisschreiben vom 30. August dieses Jahres stützte, gut daran täte, soviel als möglich in den verfassungsmässigen Grenzen zu bleiben. Jedenfalls sei es am Platze, wenn der Bundesrat, bevor er derartige Massnahmen treffe, welche die Unzufriedenheit der ganzen Bevölkerung erregen können, die Ansicht der kantonalen Regierung einhole, die in der Lage sei, ihn über den Geisteszustand der Bevölkerung, über die Möglichkeit von Unruhen und insbesondere über die Wünschbarkeit eines Truppenaufgebotes aufzuklären. Sie sprechen demnach den Wunsch aus, der Bundesrat wolle Ihre Behörde in Zukunft jedesmal begrüssen, wenn er den Erlass einer Verfügung beabsichtige, die eine Einmischung der Militärgewalt mit sich bringen könne.

Wir müssen Ihnen hierauf folgendes erwidern: 1. Was zunächst Ihre Bemerkungen über die Besprechung betrifft, die Herr Albert Calarne am Morgen des 2. September mit Herrn Müller hatte, so rnuss es sich hier, wie wir den Mitteilungen des Herrn Müller entnehmen, um ein Missverständnis handeln, das zwischen den beiden Herren offenbar gewaltet hat.

Dass Manifestationen auf öffentlicher Strasse nicht geduldet werden dürften, hat Herr Müller dem Herrn Calarne sofort erklärt.

Dagegen erörterten die Herren die Frage, inwieweit Versammlungen geduldet werden dürften. Auch mit Bezug auf diese hat Herr
Müller nur gesagt, dass nach seiner Auffassung gegen Versammlungen an Orten, wo der öffentliche Verkehr nicht gestört werde, nicht viel eingewendet werden dürfte, sofern Ruhe und

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Ordnung nicht gestört werden. Herr Müller wusste nicht, dass eine Versammlung auf dem Bahnhofplatz in La Chaux-de-Fonds und ein Demonstrationszug daselbst geplant waren, und er hatte daher auch gar keinen Anlass, sich hierüber zu äussern. Die ganze Unterhaltung dauerte nur wenige Minuten und fand im Gange des Parlamentsgebäudes unmittelbar vor Beginn einer Kommissionssitzung statt, an der die beiden Herren teilnehmen sollten. Als der Bundesrat am gleichen Tage abends zusammentrat, um über die wegen La Chaux-de-Fonds eingegangenen Berichte zu beraten, hat ihm Herr Müller sofort in der soeben dargestellten Weise über die Besprechung mit Herrn Calarne berichtet. (Schluss gleichlautend wie im Schreiben an Waadt, siehe Seite 621 hiervor.)

An die Regierung des Kantons Genf.

, Mit Schreiben vom 8. September beschweren Sie sich über die Instruktion des Generalstabschefs, welche dieser am 2. September an die mit der Stellvertretung der Armeeleitung für den 2. und 3. September beauftragten Truppenkommandanten erlassen hat und wovon Ihnen eine Kopie : in deutscher Sprache mitgeteilt worden sei. Sie sind der Ansicht, dass diese Instruktion zur Folge gehabt hätte ,,de dessaisir l'autorité civile de ses attributions de police intérieuretc. Nach der Bundesverfassung und der Verfassung des Kantons Genf sei die kantonale Regierung mit der Aufrechthaltung der Ordnung beauftragt und dafür verantwortlich. Der Bund habe nur zu intervenieren, wenn er nach Art. 16 der B.-V. darum ersucht werde. Tatsächlich habe aber in Genf am 3. September vollkommene Ruhe geherrscht, und der Staatsrat habe gar keine Veranlassung gehabt, den Bundesrat um Hülfe zu ersuchen.

Sie protestieren daher gegen alle militärischen Massnahmen, die zum mindesten unzeitgemäss gewesen seien. Indem Sie zwar die Kompetenz, des Bundesrates zum Erlass seines Kreisschreibens gemäss der ihm erteilten Vollmachten anerkennen, glauben Sie doch darauf hinweisen zu müssen, dass derartige Massnahmen > wenn sie nicht genügend motiviert seien, nur dazu dienen, Aufregung und Unruhen zu provozieren.

Wir müssen Ihnen hierauf folgendes erwidern : (Gleichlautend wie im Schreiben an Waadt, s. Seite 621 hiervor).

An die Regierung des Kantons Freiburg.

. Mit Schreiben vom 16. September bescheinigen Sie uns den

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Empfang unseres Zirkulars vom 30. August betreffend die für ·den 3. September von der jungsozialistischen Organisation geplanten Manifestationen. Sie erklären, dass Sie sich überzeugt hätten, dass in Ihrem Kanton am genannten Tage keine Manifestation stattfinden werde und dass Sie daher keine Veranlassung gehabt hätten, besondere polizeiliche Massnahmen zu treffen.

Kurz nach unserm Kreisschreiben hätten Sie dann eine vom 1. September datierte, vom Chef des Generalstabes der Armee unterzeichnete ,,Allgemeine Instruktion für die Vertreter des Armeekommandos"1 erhalten, die Ihnen Veranlassung gebe, uns aufmerksam zu machen auf die bei einem Teil der Bevölkerung ·der Westschweiz immer mehr zutage tretende Nervosität. Gewisse Zeitungen und zahlreiche Privatpersonen benutzen dann, ihrer unglücklichen Handlungen bewusst oder unbewusst, den geringsten Vorwand, Uneinigkeit und Unruhe unter die besten und treuesten Vaterlandsfreunde zu säen.

Die Instruktion, welche der Generalstab den Truppenkommandanten für den 3. September erteilt habe, habe nun zu den bedauerlichsten Interpretationen Anlass gegeben. Man habe sich gefragt, ob diese ,,Allgemeine Instruktion für die Vertreter des Armeekommandos" nicht weiter gehe, als der schweizerische Bundesrat in seinem Kreisschreiben vom 30. August an die Kantonsregierungen beabsichtigt habe und ob der Generalstab den Truppenkommandanten nicht das Recht übertragen wollte, im Falle von Ruhestörungen eigenmächtig und ohne Mitwirkung ·der kantonalen Behörden einzuschreiten.

Sie ersuchen uns daher, den Vertretern der Armee mehr Klugheit und Takt anempfehlen zu wollen, damit das gute Einvernehmen im Schosse der Bevölkerung des Landes erhalten bleibe.

Wir nehmen mit Genugtuung davon Akt, dass Sie die Kompetenz des Bundesrates zu dem Erlasse seines Kreisschreibens und der damit verbundenen Massnahmen nicht in Frage stellen, und dass Sie auch mit Bezug auf die Instruktion, welche deiChef des Generalstabes an die mit der Vertretung der Armeeleitung am 3. September beauftragten Kommandanten erlassen hat, nur rügen, dass sie zu bedauerlichen Interpretationen und zu Zweifeln darüber Veranlassung gegeben habe, ob nicht den 'Truppenkommandanteu durch diese Instruktion das Recht eingeräumt worden sei, bei Störung der öffentlichen Ordnung gänzìich unabhängig und ohne Mitwirkung der bürgerlichen Behörden .zu intervenieren.

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Die Instruktion des Generalstabschefs ist auf Grund einer Konferenz erlassen worden, welche zwischen einer Delegation des Bundesrates und der Armeeleitung (General und Generalstabschef) stattgefunden und an welcher man sich über die in der Instruktion niedergelegten Grundsätze geeinigt hatte. Wir können Sie des bestimmtesten versichern, dass sowohl dem Bundesrate und seiner Delegation als auch dem General und dem Generalstabschef jeder Gedanke an einen Eingriff in die Kompetenzen der bürgerlichen Behörden absolut ferne lag.

Die Instruktion des Generalstabschefs sagt daher in ihren ersten Sätzen ausdrücklich : ,,Die bürgerlichen Organe haben mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln für Aufrechthaltung von Ruhe und Ordnung zu sorgen. Die vom Armeekommandanten bestimmten Vertreter halten die ihnen unterstellten Truppen ausserhalb der Ortschaften bereit, um auf Ersuchen der Behörden den Ordnungsdienst zu übernehmen."

Wenn dann im weitern den Truppenkommandanten die Ermächtigung gegeben wurde, unter Umständen selbständig einzugreifen, so hatte man dabei in erster Linie den Fall im Auge, wo die Truppe selbst direkt angegriffen würde, dann aber musste man auch an die Möglichkeit denken, dass eine bürgerliche Behörde bei ausgebrochenen Unruhen unter Umständen gar nicht mehr in der Lage ist, um militärische Hülfe nachsuchen zu können, so z. B. wenn die Verbindungen unterbrochen sind. Dass in solchen Lagen ein Truppenführer zu selbständigem Handeln ermächtigt sein muss, scheint uns eigentlich ganz selbstverständlich.

Wir bedauern gewiss mit Ihnen, dass diese ,,Instruktion",.

welche von den allerbesten Absichten inspiriert war, so gänzlich verkannt und unrichtig ausgelegt worden ist. Wir können uns das nur erklären aus der grossen Nervosität, welche viele Kreise der Bevölkerung erfasst hat, und wir geben der Hoffnung Ausdruck, dass unsere Erklärung dazu beitragen möge, die erregten Gemüter zu beruhigen.

(Vom 19. September 1916.)

Es werden neuerdings aufgeboten: Verpflegungskompagnie 19 am 16. Oktober, 2 A., in Payerne.

Verpflegungskompagnie 24 am 16. Oktober, 2 A., in St. Gallen.

Sämtliche Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten dieser Einheiten sind nach Bezeichnung durch das Oberkriegskommissariat persönlich aufzubieten.

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Der bisherige Gesandte Grossbritanniens bei der Schweiz, Sir Evelyn Grant Duff, hat am 13. September dem Bundespräsidenten sein Abberufungsschreiben überreicht.

(Vom 23. September 1916.)

Am 18. September hat Sir Horace R u m b o l d dem Bundespräsidenten sein Beglaubigungsschreiben als ausserordeiitlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister Grossbritanniens überreicht.

Mit Note vom 10. Dezember 1915 hatte die Argentinische Gesandtschaft in der Schweiz und in Italien, mit Sitz in Rom, dem Bundesrate mitgeteilt, dass ihre Regierung beschlossen habe, Herrn Legationsrat Carlos Z a v a l i a bei der schweizerischen Eidgenossenschaft als Geschäftsträger ad intérim mit Sitz in Bern zu ernennen.

Gemäss dem Beschlüsse der Argentinischen Regierung vom letzten Jahre übermittelt nun das Ministerium des Auswärtigen in Buenos Aires das Beglaubigungsschreiben des Herrn Carlos Zavalia.

Herrn Leo G o r n o s t a i e f f wird als russischem Konsul für Genf und Vevey, mit Sitz in Genf, das Exequatur erteilt.

Die Nestlé & Anglo-Swiss Condensed Milk Co. in Vevey hat dem Finanzdepartement die Summe von Fr. 50,000 zugunsten der unterstützungsbedürftigen oder kranken schweizerischen Soldaten übermittelt. Die Schenkung von Fr. 50,000 wird zuhanden der Sammlung für kranke schweizerische Wehrmänner entgegengenommen und der Nestlé & Anglo-Swiss Condensed Milk Co.

in Vevey der Dank durch den Bundesrat ausgesprochen.

Dem schweizerischen Landesmuseum ist von einer altert Zürcherfamilie, die.nicht genannt sein will, eine Sammlung schweizerischer Münzen und Medaillen, zu welcher der Grundstock schon vor mehr als 100 Jahren gelegt worden war, geschenkt worden.

Die Sammlung umfasst ungefähr 3741 Stücke, wovon ungefähr 2720 Münzen und 1020 Medaillen. Der Sammlung wurden zudem als wertvolle Beilage 33 Bände und Manuskripte, sowie eine Anzahl Drucksachen numismatischen Inhalts hinzugefügt. Der annähernde Wert der Sammlung beträgt Fr. 150,000.

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Dem Präsidenten der Landesmuseumskommission wird der Auftrag gegeben, das Geschenk namens des Bundesrates warm zu verdanken.

Das Volkswirtschaftsdepartement wird ermächtigt, der Vereinigung ,,Pro Ticino" an die Kosten der vom 24. September bis !.. Oktober 1916 unter dem Namen ,,Erste Tessiner-Woche" in der Tonhalle in Zürich stattfindenden Ausstellung tessinischer landwirtschaftlicher Erzeugnisse und solcher Industrieprodukte, die für die Landwirtschaft Interesse haben, einen Beitrag bis auf Fr. 1000 auszurichten.

"Wahlen.

(Vom 16. September 1916.)

Post- und Eisenbahndepartement.

Postverwaltung.

Kreispostadjunkt in Bern : Luder, Rud., von Buren zum Hof (Bern), bisher Postbureauchef in Bern.

(Vom 18. September 1916.)

Justiz- und Potizeidepartement.

Zentralpolizeibureau.

Kanzlisten II. Klasse : Hauser, Alfred, von Egnach (Thurgau) und Neuenburg, zurzeit Kanzleigehülfe des Zentralpolizeibureaus, und Nuotcla, Claudio, von Fetan (Graubünden), bisher prov.

Angestellter des eidg. statistischen Bureaus.

. (Vom 23. September 1916.)

Finanz- und Zolldepartement.

Zollverwaltung.

Kontrollgehülfe beim Hauptzollamt Genf G. V. : Lanz, Wilhelm, von Rohrbach, bisher Kassagehülfe beim Hauptzollamt Pruntrut.

Gehülfe H. Klasse der Zollverwaltung: Geiger, Adolf, von Ermatingen, seit 1914 provisorisch angestellt.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Aus den Verhandlungen des Bundesrates.

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Jahr

1916

Année Anno Band

3

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39

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

27.09.1916

Date Data Seite

619-632

Page Pagina Ref. No

10 026 158

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