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II. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Wintersession 1916).

(Vom 1. Dezember 1916.)

Wir beehren uns, unter Vorlage der Akten Ihnen über nachfolgende Begnadigungsgesuche Bericht zu erstatten und über deren Erledigung Antrag zu stellen.

53. Christian Lischer, geb. 1892, Lokomotivführer in Echallens.

(Eisenbahngefährdung.)

Christian Lischer wurde am 4. Mai 1916 vom Amtsgericht Sursee wegen fahrlässiger Gefährdung der Sicherheit des Eisenbahnverkehres in Anwendung von Art. 67 des Bundesstrafrechtes zu einem Monat Gefängnis und den sämtlichen Kosten verurteilt.

Am 4. Januar 1916 sollte der Zug Nr. 49 der SurseeTriengen-Bahn einen bei km 5,4oo zwischen den Stationen Geuensee und Büron stehenden Schotterwagen nach der Station Büron verbringen, und es waren dem Zugspersonal in Geuensee die vorgeschriebenen Haltekarten ausgehändigt worden. Der die Lokomotive dieses Zuges führende Christian Lischer vergase dann aber, an der ihm bezeichneten Stelle anzuhalten, beachtete auch die von einem Streckenarbeiter mit der Signalflagge abgegebenen Haltsignale nicht und fuhr mit unverminderter Fahrgeschwindigkeit auf den Schotterwagen. Der an der Bremse dieses Wagens stehende Bahnarbeiter Häfliger erlitt bei dem Anprall einen Schädelbruch und wurde auf .der Stelle getötet.

Lischer ist nach Verbüssung der Hälfte der ihm auferlegten Haftstrafe wieder auf freien FUSS gesetzt worden und hat eine gut bezahlte Anstellung gefunden, deren Verlust er befürchtet für den Fall, dass ihm der Rest der Strafe nicht durch Begnadigung erlassen würde. Zur Begründung eines vom ihm eingereichten diesbezüglichen Gesuches ist er jedoch nicht in der Lage, Tat-

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Sachen anzuführen, die sein strafbares Verhalten entschuldigen!

würden oder doch in milderem Lichte erscheinen Hessen. Die Nachteile aber, die ihm aus der Vollstreckung des Urteils erwachsen könnten, bilden keinen hinlänglichen Grund zur Herabsetzung der im Verhältnis zur schweren Verfehlung keineswegs zu hoch bemessenen Strafe.

A n t r a g : Christian Lischer sei mit seinem Begnadigungsgesuche abzuweisen.

54. Joseph Strebel, geboren 1894, Dragoner, Landwirt in Merenschwand (Aargau).

(Übertretung des Bundesgesetzes betr. die Fischerei.)

Joseph Strebel wurde vom Bezirksgericht Muri am 14. Juni 1916 wegen Anwendung eines verbotenen Fischgerätes (Fischgabel) beim Fischfange gemäss Art. 5, Ziffer 2 und 31, Ziffer 2, des Bundesgesetzes betreffend die Fischerei zu Fr. 50 Busse verurteilt, gleichzeitig aber der zuständigen Behörde zur teilweisen Begnadigung empfohlen mit der Begründung, dass die auf das gesetzliche Mindestmass festgesetzte Strafe im Verhältnis zum Vergehen Strebeis, der nicht vorbestraft und offenbar nur ein einziges Mal unerlaubtem Fischfange obgelegen sei, zu hoch erscheine. Dem entsprechend stellt Strebel das Gesuch um Nachlass von mindestens zwei Drittel der ihm auferlegten Busse.

Es kann dem urteilenden Gericht darin nicht beigestimmt werden, dass der vorliegenden Übertretung nur geringe Bedeutung zukomme, weil Strebel ein einziges Mal verbotenerweise gefischt habe, denn das Bundesgesetz bezeichnet ausdrücklich bestimmte Fangweisen, zu denen die Verwendung der Fischgabel gehört, wegen ihrer Gefährlichkeit für den Fischbestand als besondersverwerflich und verlangt unter allen Umständen deren strenge Bestrafung.

Zu einem auch nur teilweisen Erlass der Busse, die Strebel übrigens ohne Schwierigkeit zu bezahlen imstande ist, liegt somit keine Veranlassung vor.

A n t r a g : Das Begnadigungsgesuch abzuweisen.

des Joseph Strebel sei

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55. Gottlieb Suter, geb. 1886, Hans Suter, geb. 1883, beide Fabrikarbeiter in Suhr.

(Übertretung des Bundesgesetzes betreffend die Fischerei.)

Das Bezirksgericht Aarau verurteilte am 8. April 1916 Gottlieb Suter wegen Zuwiderhandlung gegen Art. 5, Ziffer 2, des Bundesgesetzes betreffend die Fischerei (Verwendung einer Schusswaffe zum Fischfange), Diebstahl an Fischgeräten im Werte von Fr. 14 und unberechtigtem Fischen zu Fr. 150 Busse und Hans; Suter wegen Trockenlegen eines Wasserlaufes zum Zwecke des Fischfanges im Sinne von Art. 5, Ziff. 7, des genannten Bundesgesetzes und unberechtigtem Fischen zu einer solchen von Fr. 100..

Dabei wurde in beiden Fällen der ausgesprochenen Strafe die Übertretung des Bundesstrafrechtes als schwerstes Vergehen zugrunde gelegt und die Verletzungen kantonalen Rechtes als besondere Schärfungsgründe gewürdigt (Art. 33 Bundesstrafrecht)..

Gottlieb und Hans Suter bitten um Erlass dieser Bussen unter Hinweis auf ihre ärmlichen Verhältnisse; ihre Gesuche sind dem urteilenden Gerichte zur Vernehmlassung vorgelegt worden, worauf dieses erklärte, an seinem Urteile festzuhalten.

Es ist selbstverständlich, dass Dürftigkeit an sich nicht als hinreichender Grund zu einer Begnadigung anerkannt werden kann, wenn nicht andere Tatsachen hinzukommen, die das Verhalten des Bestraften milder beurteilen und ihn der Berücksichtigung seiner Notlage würdig erscheinen lassen. Solche Entschuldigungsmomente anzurufen, sind die Gesuchsteller indessen nicht im Falle. Die verhängten Bussen, die Gesamtstrafen für drei, beziehungsweise zwei verschiedene Übertretungen darstellen, sind nicht zu hoch bemessen; auch ist nicht zu übersehen, dass beide Gesuchsteller vorbestraft sind, Hans Suter zweimal wegen Diebstahl und Gottlieb Suter einmal wegen eines in.

· den Akten nicht näher bezeichneten Vergehens.

A n t r a g : Gottlieb und Hans Suter seien mit ihren Begnadigungsgesuchen abzuweisen.

56. Ferdinand Bätscher, geb. 6. Juli 1900, Fritz Hänni, geb. 6. Juli 1900, (Übertretung des Bundesgesetzes Die Vorgenannten wurden am als sie im Wydibach bei Worb

beide Handlanger in Worb, betreffend die Fischerei.)

20. Juli 1916 dabei ertappt, mittels eines engmaschigen

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Netzes aus Drahtgeflecht, das den Bach in seiner ganzen Breite versperrte, dem Fischfange oblagen. Der Polizeirichter von Konolfingen verhängte über sie je eine Busse von Fr. 50 in Anwendung des Art. 31, Ziffer 2, des Bundesgesetzes betreffend die Fischerei, um deren Erlass die Fehlbaren mit der Begründung einkommen, sie seien sich einer strafbaren Handlung nicht bewusst gewesen und hätten kein eigenes Vermögen.

Die Forstdirektion des Kantons Bern empfiehlt Herabsetzung der Busse auf Fr. 20 mit Rücksicht auf das jugendliche Alter der Bestraften, welchem Antrage beigestimmt werden kann.

A n t r a g : Es seien die Ferdinand Bätscher und Fritz Hänni auferlegten Bussen auf je Fr. 20 herabzusetzen.

57. Arsène Chavanne, geb. 1868, Uhrmacher in Coeuve (Bern).

58. Julius Schwendimann, geb. 1857, Kutscher in Pohlern (Bern).

(Übertretung des Jagdgesetzes.)

Wegen Jagens ohne Berechtigung wurden verurteilt: a. Arsène Chavanne, vom Polizeirichter von Delsberg, am 27. September 1916, gemäss Art. 21, Ziff. 5, lit. a, des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz, zu Fr. 40 Busse ; *. Julius Schwendimann, vom Polizeirichter von Thun, am 27. September 1916, gemäss Art. 21, Ziff. 4, lit. ô, des genannten Gesetzes (Gemsjagd), zu Fr. 50 Busse.

Beide kommen um gnadenweisen Erlass der Bussen ein und glauben, ihr Verhalten mit der Tatsache entschuldigen zu können, dass sie vor Ausübung der Jagd das Patent bestellt, Chavanne auch bezahlt, aber dessen Eintreffen zur Vermeidung von Zeitverlust nicht abgewartet haben.

Diesem Einwände ist selbstverständlich kein Wert beizulegen : Wer, ohne sich eine Bewilligung rechtzeitig verschafft zu haben, auf die Jagd geht, verdient nicht anders beurteilt zu werden, als jeder andere Jagdfrevler, insbesondere dann nicht, wenn die Verspätung ihm allein zur Last fällt, wie dies hier der Fall ist.

A n t r a g : Arsène Chavanne und Julius Schwendimann seien mit ihren Begnadigungsgesuchen abzuweisen.

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59. Christian Grossglauser, geb. 1863, Landwirt in Wählern (Bern).

(Übertretung des Jagdgesetzes.)

Der Polizeirichter von Schwarzenburg verurteilte am 23. Oktober 1916 Christian Grossglauser, der am 8. gleichen Monates, einem Sonntage, auf Eichhörnchen geschossen hatte, in Anwendung von Art. 21, Ziff. 4, lit. a, des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz zu Fr. 50 Busse, um deren gnadenweisen Erlass der Bestrafte mit der Begründung einkommt, diese Tiere hätten ihm bedeutenden Kulturschaden verursacht; auch habe er eine zahlreiche Familie und müsse mit finanziellen Schwierigkeiten kämpfen.

Die Gemeindebehörde und der Regierungsstatthalter von Schwarzenburg empfehlen dieses Gesuch.

Ganz abgesehen davon, dass Bewilligungen zum Abschuss von schädlichem Wild, wenn ein zwingendes Bedürfnis vorliegt, auf gestelltes Begehren erteilt werden, entschuldigt der angeblich erlittene Schaden den Gesuchsteller schon aus dem Grunde nicht, weil er sich gegen das Verbot der Sonntagsjagd vergangen hat, eine Übertretung, die ohne Rücksicht auf den Zweck der Jagd streng bestraft werden soll. Die Begnadigung muss daher verweigert werden ; die wirtschaftliche Lage Grossglausers ist nicht derart, dass ihr hier eine entscheidende Bedeutung beigemessen werden konnte.

A n t r a g : Christian Grossglauser sei mit seinem Begnadigungsgesuche abzuweisen.

60. Adolf Gerber, geb. 1895, Schuster und Landarbeiter in Belp.

(Nichtbezahlung der Militärsteuer.)

Adolf Gerber wurde wegen schuldhafter Nichtbezahlung des TVlilitärpflichtersatzes für 1916 im Betrage von Fr. 22. 30, einschliesslich Gebühren, vom korrektionellen Richter von Seftigen in Belp, am 23. Oktober 1916, zu drei Tagen Gefangenschaft, Entzug des Stimmrechtes auf die Dauer eines Jahres und den Kosten verurteilt.

Zur Begründung eines von ihm gestellten Begnadigungsgesuches führt Gerber an, dass er im Jahre 1916 wöchentlich nur 4--r5 Franken verdient, wofür ein Zeugnis seines Arbeitgebers vorliegt, und im September dieses Jahres nur gegen Ge-

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Währung von Kost und Logis gearbeitet habe. Seit seiner Verurteilung hat er eine Anstellung gefunden und die Steuer bezahlt..

Der Regierungsstatthalter von Seftigen äussert sich zur Eingabe Gerbers folgendermassen : ,,Das Begnadigungsgesuch kann hierseils bestens empfohlen werden, die Verhältnisse des Gerber, der geistig etwas beschränkt ist, sind dem Unterzeichneten persönlich bekannt und kann deshalb aus eigener Wahrnehmung bestätigt werden, dass die verspätete Bezahlung der Steuer seinen Grund nicht etwa in Böswilligkeit oder dergleichen, sondern wirklich in den ärmlichen; Verhältnissen und geringem Verdienst hat."

Die besondern Umstände des Falles rechtfertigen den Erlass der Strafe.

A n t r a g : Es sei die dem Adolf Gerber auferlegte Gefängnisstrafe und die damit verbundene Nebenfolge des Entzuges desStimmrechtes zu erlassen.

61. Fritz Gerber, geb. 1856, Käsehändler in Ostermundigem (Bern).

(Überschreitung von Höchstpreisen.)

Fritz Gerber hat im Juli und August 1916 dem Küsehändler G. Graf in Locle 4038 kg Fettkäse in drei Posten von je über 800 kg zum Preise von Fr. 2.25 geliefert und ist hierfür vom Polizeirichter von Bern, am 28. September 1916, wegen Widerhandlung gegen den Bundesratsbeschluss betreuend Verkauf von Butter und Käse vom 27. November 1915, bzw. 27. Mai 1916, zu Fr. 220 Busse verurteilt worden. Der Höchstpreis beträgt nämlich nach diesen Bestimmungen für Fettkäse bei Bezügen von* 800--2500 kg Fr. 2.20 für l kg.

Gerber stellt nun das Gesuch um Herabsetzung der Busseauf das gesetzliche Mindestmass (Fr. 25) mit der Begründung, die Strafe sei zu hoch ausgefallen, da der Richter zu Unrecht auf das Gesamtgewicht des veräusserten Käses abgestellt, dieses um 1000kg zu hoch angenommen und ausserdem der Tatsache nicht genügend Rechnung getragen habe, dass der Übertretung mehr Unachtsamkeit als böswillige Absicht zugrunde gelegen sei.

Demgegenüber ist folgendes zu bemerken: Nach den Feststellungen der durchgeführten Untersuchung, die durch die gegenteiligen unbegründeten Behauptungen Gerbers nicht widerlegt ·werden, hat dieser einen unerlaubten Gewinn von Fr. 202 erzielt,

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·einen Betrag, unter welchen bei Ausmessung der Busse selbstverständlich nicht gegangen werden durfte, wenn die Strafe ihren .Zweck erreichen soll. Dass sich der Richter an dieses Mindestmass mit einer nur ganz unbedeutenden Schärfung hielt, bedeutet «eine ausserordentliche Milde, die zur Folge hat, dass Gerber, der die gesetzlichen Vorschriften bewusst und aus Gewinnsucht übertreten hat, trotz der Bestrafung finanziell nicht wesentlich anders gestellt ist, als wie wenn er sich den Höchstpreisbestimmungen unterzogen hätte. Eine Begnadigung, die ihm einen Teil seines unrechtmässigen Gewinnes sichern würde, ist nicht am Platze.

A n t r a g : Fritz Gerber sei mit seinem Begnadigungsgesuche ·abzuweisen.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den I.Dezember 1916.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Decoppet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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II. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Wintersession 1916). (Vom 1. Dezember 1916.)

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06.12.1916

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