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Bundesblatt

95. Jahrgang.

Bern, den 18. Februar 1948.

Band I.

Erscheint in der Segel alle 14 Tage. Preis SO Frankem im Jahr, 10 Franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr.

Einrückungsgebür : 60 Happen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an Stämpfli & de, in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines neuen Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege.

(Vom 9. Februar 1943.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Am 1. Oktober 1898 war das Bundesgesetz vom 22. März 1893 über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) in Kraft getreten. Schon durch B G vom 28. Juni 1895 betreffend die Übertragung der Oberaufsicht über das Schuldbetreibungs- und Konkurswesen an das Bundesgericht wurde es abgeändert ; zur Erfüllung der dem Gerichtshof neu überbundenen Aufgabe wurde die Richterzahl von 14 auf 16 erhöht und eine Schuldbetreibungs- und Konkurskammer gebildet. Nach wenigen Jahren erforderte der Andrang der Geschäfte eine weitere Vermehrung der Richterzahl; diese wurde durch B G vom 24. Juni 1904 betreffend Vermehrung der Zahl der Mitglieder des Bundesgerichts auf 19 festgesetzt. .

Das schweizerische ZGB brachte eine neue Erweiterung der Aufgaben des Bundesgerichts. Sobald die Referendumsfrist für das ZGB unbenutzt abgelaufen war, wurde das Bundesgericht eingeladen, sich über die infolge des Inkrafttretens dieses Gesetzbuches notwendige Eevision des OG zu äussern.

In seinem Gutachten vom März 1909 nahm das Bundesgericht den Standpunkt ein, der Anlass der Eevision müsse dazu benützt werden, den ganzen Inhalt des OG einer Durchsicht zu unterziehen und die im Laufe der praktischen Anwendung als notwendig oder wünschenswert erwiesenen Änderungen und Neuerungen anzubringen; im Gutachten wurden in grossen Zügen die Eichtungen für eine Totalrevision des OG gewiesen. Im Auftrage des Justizdepartements arbeitete Herr Bundesrichter Jaeger einen solchen Gesetzesentwurf nebst einem erläuternden Bericht aus (September 1909). Hiezu holte das Justizdepartement wiederum ein Gutachten des Bundesgerichts ein, das im März Bundesblatt.

95. Jahrg.

Bd. I.

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98 1910 erstattet wurde; die Mehrheit der Bundesrichter schlug statt der Berufung und sonstiger Rechtsmittel der Zivilrechtspflege einen einheitlichen Zivilrekurs vor, der die Nachprüfung des Bundesgerichts auf die geltend gemachten Bekursgründe beschränken solito. Der schweizerische Juristentag 1910 behandelte die Frage der Weiterziehung von Zivilsachen an das Bundesgericht nach dem Inkrafttreten des ZGB und sprach sich mit grosser Mehrheit für Beibehaltung der Berufung im wesentlichen in ihrer bisherigen Gestalt aus.

Da jedoch die bis zum Inkrafttreten des ZGB noch zur Verfügung stehende Zeit als für eine Gesamtrevision nicht mehr ausreichend erschien, wurde der Weg einer Teilrevision beschritten, die sich auf die infolge des ZGB notwendigen und auf wenige sonstige Änderungen beschränkte. Diese Teilrevision erfolgte durch das BG vom 6. Oktober 1911, das namentlich eine zweite Zivilabteilung schuf, die Eichterzahl auf 24 erhöhte, an Stelle der früheren Amortisationsbeschwerde und Zivilkassation sowie für einige Fälle aus dem ZGB die zivilrechtliche' Beschwerde einführte, ferner das Anwendungsgebiet des staatsrechtlichen Rekurses an das Bundesgericht durch Übertragung der Rekurse wegen Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit usw. erweiterte.

Die infolge des ersten Weltkrieges eingetretene Geldentwertung hess eine Erhöhung der Streitwertgrenzen als geboten erscheinen, um der Überlastung des Gerichtshofes abzuhelfen. Dies geschah durch das BG vom 25. Juni 1921, das im übrigen noch einzelne Änderungen anbrachte.

Durch das B G vom 11. Juni 1928 über die eidgenössische Verwaltungsund Disziplinarrechtspflege (VDG) wurden dem Bundesgericht die Funktionen des im Art. 114bls der Bundesverfassung vorgesehenen eidgenössischen Verwaltungs- und Disziplinargerichts übertragen. Dies machte gerichtsorganisatorische Änderungen erforderlich, für die Richterzahl wurde der gesetzliche Rahmen 26--28 aufgestellt, es wurden eine verwaltungsrechtliehe Kammer (innerhalb der Staats- und verwaltungsrechtlichen Abteilung) und eine Kammer für Beamtensachen gebildet ; zugleich wurden noch wenige andere Bestimmungen des OG abgeändert.

Das Bundesgesetz vom 15. Juni 1984 über die Bundesstrafrechtspflege (BStrP) hat den ganzen, die Strafrechtspflege betreffenden Abschnitt des OG (Art. 105--174) aufgehoben. und ersetzt.
In der vorstehenden Übersicht sind nicht angeführt die Bundesgesetze, die bloss je einen Artikel des OG abgeändert haben; Art. 197 (Richterbesoldung) wurde zunächst durch BG vom 24. Juni 1919 und sodann durch BG vom 18, Juni 1928 abgeändert, Art. 151 war durch das BG vom 1. Juli 1922 über die Umwandlung der Geldbusse in Gefängnis abgeändert worden und wurde dann durch den Bundesstrafprozess ersetzt. Dazu kommen noch die Gesetze, die bloss einzelne Artikel des OG aufgehoben haben; so sind Art. 9, Abs. 2, 198 und 201 durch Art. 80 des Bundesbeamtengesetzes vom 80, Juni 1927 und Art. 15, Abs. 2, durch Art. 16, lit. c, des Garantiegesetzes vom 26. März 1934 aufgehoben worden. Ferner sind nicht erwähnt die Bundesgesetze, die einzelne Bestimmungen des OG aufgehoben haben, ohne dass dies in einer speziellen

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Aufhebungsbestimmung zum Ausdruck gelangte; so sind beispielsweise vom Art. 50 0 G die Ziff. 13 durch die Novelle vom 21. Dezember 1928 zum Patentgesetz und die Ziff. 8 und 9 durch das Enteignungsgesetz vom 20. Juni 1980 dähingefallen.

Am 25. September 1985 hat der Nationalrat folgendes Postulat seiner Geschäftsprüfungskommission angenommen : «Der Bundesrat wird eingeladen, über die Frage der Eeorganisation des Bundesgerichts Bericht und Antrag einzubringen. Es ist dabei zu prüfen die teilweise oder vollständige Abänderung des Bundesgesetzes vom 22. März 1898 über die Organisation der Bundesrechtspflege und des Bundesbeschlusses vom 25. Juni 1920 über die Buhegehalte der Mitglieder des Bundesgerichts und des eidgenössischen Versicherungsgerichts. » Im gleichen Jahre wurde die Frage der Eevision der Organisation der Bundesrechtspflege auch am schweizerischen Juristentag erörtert (Verhandlungen des Schweizerischen Juristonvereins 1935, S. 217 a---482 a und 582 a bis 569 a). Das vom Justizdepartement um seine Ansichtsäusserung ersuchte Bundesgericht regte an, zunächst eine sogenannte «Kleine Bevision» vorzunehmen, die die nötige Entlastung des Gerichtshofes bringen solle und sich in kurzer Zeit durchführen lasse, während die Gesamtrevision längere Zeit beanspruchen werde. Der Bundesrat schloss sich dieser Auffassung an und unterbreitete mit Botschaft vom 12. Mai 1986 (BEI 1986 I 875) den eidgenössischen Bäten eine vom Bundesgericht ausgearbeitete Vorlage für eine kleine Bevision.

Vorgeschlagen wurden die Herabsetzung der gesetzlichen Mindestzahl der Richter auf 24 und mehrere Massnahmen, die den Gerichtshof entlasten und seinen Geschäftsbetrieb erleichtern sollten. Der Ständerat stimmte der Vorlage zu und ging in den Bationalisierungsmassnahmen sogar noch bedeutend weiter.

In der nationalrätlichen Kommission stiess jedoch die Vorlage auf starken Widerstand, der schliesslich dazu führte, dass durch Schlussnahine der beiden Bäte vorn 7./8. Oktober 1936 das Geschäft von der Traktandenhste gestrichen wurde (StenBull 1936, StB S. 267--288 und 461, NatB S. 1386/1387). Dabei wurde wiederum die Notwendigkeit einer Totalrevision des OG betont.

Nachdem das schweizerische Strafgesetzbuch (StGB) in der Volksabstimmung angenommen worden war, drängte sich die Aufnahme der Arbeiten für die Bevision des OG auf,
damit das Bundesgericht in der Lage sei, die ihm aus dem neuen Gesetzbuch erwachsende Aufgabe zu erfüllen. Das Justizdepartement beauftragte im Herbst 1989 Herrn Bundesrichter Ziegler mit der Ausarbeitung des Vorentwurfs für eine Gesamtrevision des OG. Schon im Mai 1940 lag der Vorentwurf nebst einem erläuternden Bericht vor. Er wurde sofort dem Bundesgericht unterbreitet, das im Januar 1941 seine Abänderungsvorschläge mit Begründung einreichte. Zur weiteren Abklärung hat das Justizdepartement eine Expertenkommission eingesetzt, der neben einer Delegation des Bundesgerichts insbesondere auch Vertreter der Anwaltschaft, der Wissenschaft und der kantonalen Bechtspflege angehörten. Sie behandelte in einer ersten Tagung vom 14./15. Juli 1941 die Hauptfragen der Bevision. Die Weiter-

100 ziehung von Strafaachen an das Bundesgericht nach dem Inkrafttreten des StGB war auch Gegenstand der Beratungen am schweizerischen Juristontag 1941 (Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins 1941, S. l a--220 a und 426 a--473 a). Da es jedoch ausgeschlossen war, dass die Gesamtrevision noch vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des StGB zum Abschluss gelangen könnte, musste zunächst für die Zwischenzeit eine vorläufige Eegelung getroffen werden. Dies geschah durch den BB vom 11. Dezember 1941 über vorläufige Änderungen in der Bundesrechtspflege (A. S. 57, I486), der infolge der Zeitknappheit dringlich erklärt wurde und auf Neujahr 1942 in Kraft trat; seine Geltungsdauer läuft Ende Dezember 1944 ab. Er beschränkt sich im Gebiete der Zivil-, Staats- .und Verwaltungsrechtspflege auf zwei Massnahinen, die von den Bestimmungen des 0 G abweichen, nämlich einerseits auf die Herabsetzung des Quorums in den Zivilabteilungen auf 5 Eichter und in der Staats- und verwaltungsrechtlichen Abteilung in der Begel ebenfalls auf 5 Bichter, anderseits auf die Ausbildung des Vorprüfungs Verfahrens. Im Gebiete der Strafrechtspflege hat er insbesondere in der Begelung der Nichtigkeitsbeschwerde die zur Anpassung an das StGB als geboten erscheinenden Änderungen eingeführt.

Die Erfahrungen, die unter der Herrschaft dieses Provisoriums gesammelt werden, können bei der Gesamtrevision des OG verwertet werden.

Im Jahre 1942 hat die Expertenkommission in zwei Tagungen vom 11./12. März und 11./12. November ihre Arbeit fortgesetzt und abgeschlossen.

Durch ihre Beratungen haben die Bevisionsprobleme eine wertvolle Abklärung erfahren, und unser Gesetzesentwurf stimmt im. wesentlichen mit der Auffassung der Expertenkommission überein.

Das Bedürfnis nach einer Gesamtrevision des 0G ist wohl allseitig anerkannt. Nachdem es ja schon seinerzeit auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des ZGB, somit vor mehr als 80 Jahren, bejaht worden war, erscheint heute die Gesamtrevision des schon so oft durch Teilrevisionen geflickten Gesetzes wahrlich nicht als verfrüht.

In gesetzestechnischer Beziehung ist eine Umarbeitung des ganzen Stoffes nötig, damit das Ganze eine systematisch aufgebaute und übersichtlich gegliederte Begelung bilde. Der jetzige Bechtszustand ist sehr unübersichtlich.

Wichtige Grundsätze -- insbesondere beim
staatsrechtlichen Bekurs -- gelangen im Gesetz gar nicht zum Ausdruck und haben sich einfach in der Praxis des Bundesgerichts entwickelt. Der Eechtsuchende muss sie mühsam aus der veröffentlichten Judikatur zusammensuchen. Auch die Abgrenzung zwischen den einzelnen Bechtsmitteln geht nicht mit genügender Klarheit aus dem Gesetz hervor; auch führt sie vielfach zu subtilen Unterscheidungen, die nach der Natur der Sache nicht gerechtfertigt sind und den Eechtsuchenden oft über die Wahl des zutreffenden Eechtsmittels unsicher machen. In den Formalien weist das geltende OG eine Beihe von sachlich kaum begründeten Unterscheidungen auf; wir erinnern z. B. an die Verschiedenheit der Einlegungsstelle für Berufung und zivilrechtliche Beschwerde, ferner an unnötigerweise ungleiche Fristen (wie einerseits die für die Begründung der Anschlussberufung und ander-

101 seits für die Antwort auf die Hauptberufung), sowie daran, dass der Begründungszwang bei der Berufung von der Anwendbarkeit des schriftlichen oder des mündlichen Berufungsverfahrens abhängt. Alljährlich geht eine beträchtliche Anzahl von Weiterziehungen an das Bundesgericht fehl, weil diese nicht fristoder formgerecht sind. Dazu kommen die Fälle, in denen der Eechtsuchende sich in der Wahl des zutreffenden Rechtsmittels vergreift oder wesentliche Grundsätze übersieht, die bloss durch die Gerichtspraxis ausgebildet worden sind. Dies führt zu Forumsverschlüssen, bei denen der Eechtsuchende zu kurz kommt und die zugleich das Bundesgericht mit unfruchtbarer Arbeit belasten.

Vom Standpunkt des Bechtsuchenden muss überdies eine Eeihe von Punkten als verbesserungsbedürftig bezeichnet werden. So hat auch der Grundsatz, dass die Berufung in Zivilsachen nur gegen Haupturteile zulässig ist, die unbefriedigende Folge, dass selbst, wenn ein selbständiger Zwischenentscheid der letzten kantonalen Instanz vorliegt, das Bundesgericht noch nicht angerufen werden kann, sondern vorerst der Prozess über die Hauptsache zu Ende geführt werden muss, obwohl die ganze weitere Prozessführung, namentlich ein weitläufiges und kostspieliges Beweisverfahren sich nachträglich als überflüssig erweist, wenn das Bundesgericht anlässlich der gegen das Haupturteil erklärten Berufung dazu gelangt, die Zwischenfrage in einem andern Sinne als die kantonale Instanz zu beantworten. Ferner wird in Patentstreitigkeiten, deren Beurteilung häufig vom richtigen Verständnis der technischen Seite des Falles abhängt, eine freiere Stellung des Bundesgerichts in tatbeständlicher Hinsicht gewünscht. -Unbefriedigend ist auch, dass die Eevision bundesgerichtlicher Urteile nicht auch auf Grund nachträglich neu entdeckter Tatsachen beantragt werden kann, die seinerzeit im Prozess nicht vorgebracht worden waren. Mitunter werden weitergehende Wünsche nach einem Ausbau der Eechtsmittel an das Bundesgericht geäussert. In gewissen Gebieten des Zivilrechts kommen relativ selten Streitigkeiten vor, bei denen die Berufungssumme erreicht wird; es wird bemängelt, dass in solchen Materien (z. B. Dienstvertrag, Mietvertrag) die Einheit der Rechtsanwendung fehle. Ferner wird postuliert, dass die Fälle aus dem ZGB, die durch zivilrechtliche Beschwerde angefochten
werden können, erweitert werden und sodann namentlich dass gegen richterliche Entscheidungen im Gebiete des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts und des Nachlassvertrages ein Eechtsmittel an das Bundesgericht eingeführt werde.

Im Geschäftsbetriebe des Bundesgerichts wird nach der bisherigen Ordnung manches mit einem unverhältnismässigen Aufwand behandelt. Dadurch werden Zeit und Arbeitskraft der Bundesrichter über Gebühr für eine Tätigkeit in Anspruch genommen, die dies nicht verdient. Insbesondere wird das Bundesgericht allzustark mit aussichtslosen Eechtsmitteln in Anspruch genommen; oft geschieht es bloss, um die endgültige Erledigung eines Falles hinauszuziehen und weitere Zahlungsfristen zu erlangen, mitunter ist es wohl auch darauf zurückzuführen, dass der Eechtsuchende über die Natur des in Frage stehenden Eechtsmittels irrtümliche oder unklare Vorstellungen hat.

102 Unmittelbare Veranlassung der Eevision des OG ist das Inkrafttreten des StGB, das den Bereich der Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht in Strafsachen bedeutend erweitert und damit die Geschäftslast des Gerichtshofes erheblich vermehrt hat. Während vorher die Mitglieder des Kassationshofes ihre Arbeitskraft hauptsächlich einer zivilrechtlichen oder der Staats- und verwaltungsrechtlichen Abteilung widmeten und nur nebenbei im Kassationshof tätig waren, braucht nun der Kassationshof Mitglieder, die ihre Arbeitskraft hauptsächlich ihm widmen. Ferner muss die Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen ihrem nunmehrigen ausgedehnten Anwendungsbereich angepasst werden. Schon dies zeigt, dass die Eevisionsfrage sich nicht einfach durch eine Vermehrung der Eichterzahl lösen liesse; denn die Eegelung der Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen müsste gleichwohl revidiert werden, und zudem wäre damit dem in den übrigen Zweigeh der Bundesrechtspflege zutage getretenen Eevisionsbedürfnis in keiner Weise Eechnung getragen. Ebensowenig kann es sich darum handeln, eine Entlastung des Bundesgerichts durch Erhöhung der bisherigen Streitwertgrenzen herbeiführen zu wollen, da diese ohnehin recht hoch sind und ihre Erhöhung auf eine unerwünschte Einschränkung des Eechtsschutzes hinauslaufen würde.

Der Anlass der Eevision ist dazu benutzt worden, den ganzen Inhalt des OG einer gründlichen Durchsicht zu unterziehen und die Verbesserungen vorzuschlagen, die als angezeigt erscheinen. Die wesentlichen Grundlagen werden beibehalten, insbesondere bleiben die eingelebten Eechtsmittel in ihren grossen Zügen die gleichen wie bisher. Wohl aber wird die Abgrenzung zwischen der Berufung in Zivilsachen und der zivilrechtlichen Beschwerde,, die nunmehr als «Nichtigkeitsbeschwerde» bezeichnet werden soll, neu geordnet, um zu einer der Sache besser entsprechenden einfachen und klaren Ausscheidung zu gelangen (Art. 44--46 und 68). Auch im übrigen ist der Entwurf bestrebt, das Verhältnis der verschiedenen Eechtsmittel untereinander möglichst deutlich zum Ausdruck zu bringen. Beseitigt wird die Doppelspurigkeit, die bisher für die Weiterziehung von Adhäsionsurteilen in Bundesstrafsachen bestanden hat ; der Entwurf will hiefür nur die Nichtigkeitsbeschwerde ini Zivilpunkt an den Kassationshof zulassen und die Berufung ausschliessen
(Art. 168 des Entwurfs: rev. Art. 271 BStrP). Die Ordnung der Bechtsmittel ist, vor allem beim staatsrechtlichen Eekurs, durch die Aufnahme wichtiger Grundsätze der bisherigen Praxis ergänzt worden, um nach Möglichkeit die «Geheimnisse der Bundesrechtspflege» zu lüften. Die bisher in einer bvindesgerichtlichen Verordnung enthaltenen Vorschriften über die Beschwerde gegen kantonale Aufsichtsbehörden für Schuldbetreibung und Konkurs an das Bundesgericht wird mit einzelnen Änderungen in das Gesetz aufgenommen (Art. 75 ff.). Allgemein wurde bei den Bechtsmitteln darauf Bedacht genommen, unnötige Differenzierungen in den Formalien zu vermeiden; ferner wurden über dea Inhalt der Eechtsschriften eingehende Bestimmungen aufgenommen, damit der Bechtsuchende aus dem Gesetz ersehen könne, was in die Eechtsschrift hineingehört.

Der Verdeutlichung dient auch, dass der bisher übliche irreführende Ausdruck

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«aktenwidrige Feststellungen» (bisheriger Art. 67, Abs. 2) durch den präziseren «offensichtlich auf Versehen beruhende Feststellungen» (einer nach dem Bundesrecht zu beurteilenden Tatsache) ersetzt wird; vgl. neben Art. 55, lit. d, noch den Art. 63, Abs. 2, der die Möglichkeit einer Berechtigung solcher Feststellungen von Amtes wegen vorsieht. Das Kechtsmittel der Berufung wird namentlich dadurch verbessert, dass es unter gewissen Voraussetzungen auch gegen selbständige Vor- oder Zwischenentscheide zugelassen wird (Art. 49 und 50) ; ferner wird vorgesehen, dass in Patentstreitigkeiten das Bundesgericht einen Augenschein vornehmen und einen Bachverständigen anhören kann, wenn sich dies für das genaue Verständnis des Tatbestandes als notwendig erweist (Art. 67). Auch die Bevision bundesgerichtlicher Urteile wird verbessert (vgl. namentlich Art. 137, lit. 6, und Art. 165: rev. Art. 192, Ziff. 2, BZP).

Wünsche nach einem Ausbau durch Ausdehnung der Bundesrechtspflege auf weitere Materien können im gegenwärtigen Gesetzentwurf nicht berücksichtigt werden und sind übrigens in der Expertenkommission von keiner Seite aufgegriffen worden. Andererseits ist Vorschlägen, die darauf abzielten, die Möglichkeit der Anrufung des Bundesgerichts oder dessen Überprüfungsbefugnis einzuschränken, so namentlich den staatsrechtlichen Rekurs wegen Willkür (Art. 4 BV) bei Anwendung des Zivilrechts, Strafrechts, Zivil- und Strafprozessrechts und Schuldbetreibungs- und Konkursrechts auszuschliessen und bei der Berufung in Zivilsachen die bundesgerichtliche Überprüfung der Auslegung rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen zu unterdrücken, keine Folge gegeben worden, denn es soll nicht der Eechtsschutz abgebaut werden.

Ebensowenig nimmt der Entwurf die anlässlich der gescheiterten kleinen Bevision im Jahre 1936 vorgeschlagenen Massnahmen auf, die -- z. B. durch Berechnung der Berufungssumme nach dem vor Bundesgericht noch streitigen Betrage, durch Beseitigung der Aktenwidrigkeitsrüge :-- die Möglichkeit, an das Bundesgericht zu gelangen oder dessen Überprüfungsbefugnis eingeschränkt hätten. Unbedenklich kann dagegen eine kleine Verminderung der Zahl der direkten Prozesse dadurch herbeigeführt werden, dass für Klagen gegen den Bund aus Automobilhaftpflicht und aus dem B G über die Haftpflicht der Eisenbahnen und der Post die
bisher bei einem Streitwert von wenigstens Fr. 4000 bestehende ausschliessliche Zuständigkeit des Bundesgerichte abgeschafft wird (Art. 41, lit. 6). Ferner kann den Übelständen begegnet werden, die sich daraus ergeben haben, dass in zwei Kantonen bisher die Bezirksgerichte die einzige kantonale Instanz in Ehe- und Vaterschaftssachen waren und deshalb die Berufung an das Bundesgericht direkt gegen diese bezirksgerichtlichen Urteile ergriffen werden konnte; Art. 48 will in diesen Fällen die Berufung gegen Urteile von Bezirksgerichten nicht mehr zulassen.

Eine organisatorische Massnahme, die zu einer Entlastung des Gerichtshofs führt, ist die Eegel, dass die Zivilabteilungen und die Staats- und verwaltungerechtliche Abteilung in der Besetzung mit 5 Bichtern urteilen; immerhin wird diese Begel dadurch gemildert, dass für Geschäfte von groeser Tragweite oder von wesentlicher grundsätzlicher Bedeutung die Mitwirkung von 7 Bichtern

104 in Aussicht genommen wird. Bei der Staats- und verwaltungsrechtlichen Abteilung und beim Kassationshof wird für die Erledigung aussichtsloser Beschwerden ein Dreieraussehuss eingesetzt, der aber nur bei Einstimmigkeit entscheiden kann. In den Zivilabteilungen sind auch die Erledigungen im Vorprüfungsverfahren der Abteilung selbst vorbehalten. Durch die Ausbildung des Vorprüfungsverfahrens erhält das Gericht die Möglichkeit, aussichtslose Fälle in einfachem Verfahren ausserhalb der öffentlichen Sitzung zu behandeln, das weniger Zeit und Arbeitskraft in Anspruch nimmt, ohne deswegen an Zuverlässigkeit einzubüssen (wofür das Erfordernis der Einstimmigkeit noch eine besondere Garantie schafft). Durch diese arbeitsökonomische Behandlung von aussichtslosen Fällen (Art. 60,72, Abs. 2, 92 und 143, Abs. 1) werden die Bundesrichter in die Lage versetzt, um so mehr ihre Aufmerksamkeit den wichtigen Fällen widmen zu können. Übrigens haben auch die Parteien ein Interesse daran, dass aussichtslose Fälle in einem Verfahren erledigt werden, das nicht viel Kosten verursacht.

Als eine arbeitsökonomische Verbesserung des Verfahrens erscheint auch das Obligatorium einer schriftlichen Begründung in allen Fällen der Berufung (Art. 55). Die Verfahrensökonomie erfordert auch eine gewisse Korrektur der Voraussetzungen, unter denen bei der Berufung eine mündliche Parteiverhandlung stattfindet (Art. 62).

Ein wirksames Mittel zur Eindämmung missbräuchlicher oder leichtfertiger Ergreifung von Rechtsmitteln ist auch in der Einführung der Sicherstellungspflicht für Prozesskosten und Parteientschädigung zu erblicken (Art. 150); allerdings rechtfertigt es sich, Ausnahmen von der Sicherstellungspflicht vorzubehalten und auch die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege (Art. 152) in weitherziger Weise zu ordnen.

Der Entwurf ist übersichtlich aufgebaut. Er enthält in einem ersten Abschnitt allgemeine Bestimmungen und behandelt dann in den Abschnitten II bis VI die einzelnen Zweige der bundesgerichtlichen Rechtspflege, jedoch ohne die Strafrechtspflege. Die Abschnitte VII und VIII haben die Staats- und Verwaltungsrechtspflege durch den Bundesrat und die Behandlung von Disziplinarfällen durch Disziplinarkommissionen zum Gegenstand. Der Abschnitt IX befasst sich mit, der Revision und Erläuterung bundesgerichtlicher Entscheide. Es
folgen dann im Kapitel X die Vergütungen und Prozesskosten und im letzten Abschnitt XI verschiedene Bestimmungen sowie Schluss- und Übergangsbestimmungen. Das VDG ist in den Entwurf eingegliedert und damit in einen organischen Zusammenhang mit den andern Materien gebracht worden.

Die Strafrechtspflege des Bundesgerichts bleibt weiterhin abschliessend im BStrP geordnet; Art. 168 des Entwurfs ändert eine Reihe von Bestimmungen des BStrP ab, insbesondere erhält sein ganzer Abschnitt über die Nichtigkeitsbeschwerde gegen kantonale Entscheide an den Kassationshof des Bundesgerichts eine neue Fassung.

Der Gesetzesentwurf ist mit Bandtiteln versehen, die dazu bestimmt sind, dem Leser die Orientierung zu erleichtern. Der bisherige Gesetzestext ist,

105 wo er sich als ungenügend erwiesen hat, verbessert, sei es verdeutlicht oder vervollständigt worden. Anderseits wird der bisherige Text da, wo keine hinlängliche Veranlassung zu einer Änderung besteht, unangetastet gelassen, um nicht Zweifel darüber heraufzubeschwören, ob die Ergebnisse der bisherigen Eechtsprechung auch unter der Herrschaft des neuen Gesetzes noch verwertet werden können. Einer bereits bewährten gesetzestechnischen Maxime folgend (vgl. Botschaft zum VDG, BEI 1925 II 2S9) lässt der Entwurf alle Vorschriften des bisherigen OG weg, die bloss andere bereits bestehende Gesetzesvorschriften wiederholen oder die solche bloss vorbehalten, um eine vollständige Bevue sämtlicher Kompetenzen des Bundesgerichts zu geben. Dies ist jedenfalls nicht Aufgabe der Gesetzgebung, und jede derartige Aufzählung ist schon deshalb unnütz, weil sie alsbald wegen Änderungen bisheriger Gesetze unrichtig oder infolge neuer Gesetze unvollständig wird. Die im bisherigen OG enthaltene Aufzählung war übrigens von Anfang an unvollständig, indem z. B. ein Hinweis auf die im Garantiegesetz und im Wasserbaupolizeigesetz vorgesehenen Kompetenzen des Bundesgerichts fehlte, ohne dass dies jedoch je zu Schwierigkeiten Anlass gegeben hätte, was eben der beste Beweis für die Bedeutungslosigkeit solcher blosser Aufzählungen ist. Ferner ist zu erwähnen, dass gewisse Einzelheiten mehr untergeordneter Natur, die im allgemeinen Teil des bisherigen OG oder im Abschnitt über die Kosten enthalten waren, in ein Kanzleireglement des Bundesgerichts oder in Tarife verwiesen werden. So erklärt es sich, dass der Entwurf in der äusseren Gestalt vom gegenwärtigen Gesetz nicht unerheblich abweicht und trotz semer grösseren Vollständigkeit bedeutend kürzer gehalten ist. Er enthält bloss 171 Artikel, während er 150 Artikel des bisherigen OG, 52 des VDG und die neun Artikel der Verordnung über die Beschwerdeführung in Betreibungs- und Konkurssachen, im ganzen also 211 Artikel aufhebt.

Durch den vorliegenden Entwurf wird das oben erwähnte Postulat des Nationalrates vom 25. September 1985 ganz erledigt, nachdem es zum Teil schon durch den BB vom 30. September 1942 über die Ruhegehälter der Mitglieder des Bundesgerichts und des eidgenössischen Versicherungsgerichts verwirklicht worden ist.

I. Allgemeine Bestimmungen.

1. Organisation des
Bundesgerichts.

Zu Art. 1: Für die Zahl der Bundesrichter stellt das geltende Gesetz den Bahmen 26--28 auf. Innerhalb dieses Rahmens hat der BB vom 26. September 1928 über die Zahl der Mitglieder, der Gerichtsschreiber und der Sekretäre des Bundesgerichts (A. S. 44, 716) die Zahl der Gerichtsmitglieder auf 26 festgesetzt.

Der Entwurf behält den bisherigen gesetzlichen Rahmen bei. Abschhessend wird sich erst dann, wenn der Inhalt des neuen Gesetzes definitiv feststeht, beurteilen lassen, wie viele Richter es braucht, um die dem Bundesgericht zugewiesenen Aufgaben zu bewältigen; denn dies hängt von der Ausgestaltung

106 der Eechtsmittel und von der praktischen Auswirkung der Neuerungen und verfahrensökonomischen Verbesserungen ab, die eingeführt werden. Auch werden die Erfahrungen berücksichtigt werden können, die in der Bundesrechtspflege seifl dem Inkrafttreten des StGB gemacht werden. Sollte sich, bevor die Vorlage von den eidgenössischen Bäten zu Ende beraten ist, zeigen, dass der gesetzliche Bahmen für die Bichterzahl erhöht werden muss, so wird man auf diese Frage zurückkommen können. Jedenfalls muss auch das neue Gesetz bloss einen Bahmen aufstellen und nicht eine starre Mitgliederzahl festsetzen; denn es muss eine gewisse Marge offen bleiben, um eine leichte Anpassung an die künftige Entwicklung der Geschäftslast möglich zu machen, ohne dass hierzu der schwerfällige Weg einer Gesetzesrevision beschritten werden muss.

MUSS das Bundesgericht beim Zusammentreffen von längere Zeit dauernden Beurlaubungen (Krankheitsfällen usw.) oder Vakanzen Ersatzmänner in Anspruch nehmen, so lassen sich solche in der Begel wegen ihrer anderweitigen Tätigkeit höchstens zur Teilnahme an einzelnen Sitzungen aufbieten, während in solchen Fällen eine wirkliche Aushilfe die Übernahme von Beferaten erfordern würde. Der Entwurf sucht dem durch zwei Mittel abzuhelfen. Einerseits wird die Zahl der (ordentlichen) Ersatzmänner von 9 auf 11 erhöht in der Meinung, die so gebotene grössere Auswahl werde es eher ermöglichen, einen Ersatzmann zu finden, der für längere Zeit zur Verfügung stehen kann. Anderseits werden die vom Amte zurückgetretenen Bundesrichter zur Aushilfe als ausserordentliche Ersatzmänner --- also erst hinter den ordentlichen Suppleanten -- herangezogen. Es ist zu erwarten, dass im Bedarfsfall unter den zurückgetretenen Bundesrichtern jederzeit und abwechslungsweise ein oder zwei taugliche Arbeitskräfte für mehrere Wochen zur Verfügung stehen würden.

Diese Begelung läuft darauf hinaus, die Amtsdauer eines seinerzeit von der Bundesversammlung auf sechs Jahre gewählten Mitgliedes des Bundesgerichts durch den Bücktritt, der während dieser Amtsdauer oder auf deren Ende erfolgt, von Gesetzes wegen für die Eigenschaft als ausserordentlicher Ersatzmann auf Lebenszeit zu verlängern. Deshalb erscheint diese Ordnung als mit dem Art. 107 BV vereinbar, wonach das Gesetz die Amtsdauer der Ersatzmänner des Bundesgerichts bestimmt
und diese von der Bundesversammlung gewählt werden.

Art. 2 und 3, Abs. l, des Entwurfs stimmen mit den bisherigen Art. 2 und 3, Abs. l, überein (vgl. auch Art. 108 BV). Der Wortlaut von Abs. 2 des Art. 3 wird den im revidierten OB bei der Aktiengesellschaft, Kommanditaktiengesellschaft, Genossenschaft und G. m. b. H. verwendeten Ausdrücken angepasst und auf die Bevisoren ausgedehnt, letzteres in Anlehnung an die für das eidgenössische Versicherungsgericht bestehende Ordnung. Art. 4 stimmt mit dem bisherigen Art. 12 überein. Art. o entspricht dem bisherigen Art. 4.

Art. 6 gibt in Abs. l den unveränderten bisherigen Art. 5 wieder; Abs. 2 und 8 ersetzen die bisherigen Art. 87, Abs. l und 2, und 38, Abs. 1.

Art. 7 tritt an die Stelle der bisherigen Art. 6--9. Der bisherige Art. 6 sah 5 Gerichtsschreiber und 7 Sekretäre vor, bestimmte aber zugleich, dass die

107 Bundesversammlung durch BB deren Zahl erhöhen könne. Durch den oben erwähnten BB vom 26. September 1928 -wurde die Zahl der Gerichtsschreiber auf 6 und die der Sekretäre auf 8 erhöht. Durch Art. 17 des BB vom 11. Dezember 1941 über vorläufige Änderungen in der Bundesrechtapflege wurde das Bundesgericht ermächtigt, je einen weiteren G-erichtsschreiber und Sekretär oder zwei weitere Sekretäre anzustellen, Art. 7, Abs. l, des Entwurfs behält die Festsetzung der Zahl der Gerichtsschreiber und Sekretäre einem BB vor; wegen der nicht zu übersehenden künftigen Entwicklung der Geschäftslast ' ist nämlich eine bewegliche Ordnung nötig, damit gegebenenfalls auf dem Wege eines einfachen Bundesbeschlusses einem sich zeigenden Bedürfnis nach Personalvermehrung Eechnung getragen werden könne. Zum Abs. 2 von Art. 7 ist zu bemerken, dass es nicht nötig erscheint, für die periodische Wiederwahl der Gerichtsschreiber und Sekretäre eine geheime Abstimmung vorzuschreiben.

Mit weiteren Fragen als mit der Amtsdauer der Gerichtsschreiber und Sekretäre sowie mit dem übrigen Personal der Bundesgerichtskanzlei braucht sich hier das OG nicht mehr zu befassen, da hiefür das Bundesbeamtengesetz alles Erforderliche vorsieht. Art. 8 überlässt die Feststellung der .Obliegenheiten der einzelnen Beamten und Angestellten des Bundesgerichts einem von ihm zu erlassenden Kanzleireglement.

Art. 9 ersetzt den bisherigen Art. 18 und ordnet die Beeidigung der Gerichtspersonen in Anlehnung an neuere Erlasse etwas freier; er nimmt Bücksicht auf die ständig gewordene Gepflogenheit, die Untersuchungsrichter durch die Obergerichtspräsidenten ihres Wohnsitzkantons beeidigen zu lassen, und erhebt die ständig gewordene Gepflogenheit, den Untersuchungsrichtern selbst die Beeidigung ihrer Schriftführer zu überlassen, zur gesetzlichen Eegel, die vermeidet, dass deswegen ohne Not jemand anders derangiert werde.

Art. 10 (Abstimmung) entspricht dem bisherigen Art. 35, Abs. l, mit der Abänderung, dass bei gleichgeteilten Stimmen -- ausser bei Wahlen -- die Stimme des Präsidenten entscheidet. Denn es erscheint als unbefriedigend, dass bei Stimmengleichheit ein Mitglied kein Stimmrecht haben solle oder dass die Zahl der Anwesenden immer eine ungerade sein müsse. Der bisherige Abs. 2 von Art. 85, wonach die Eichter verpflichtet sind, an allen Beratungen
und Abstimmungen bis zum Schlüsse der Sitzung teilzunehmen, braucht nicht aufgenommen zu werden, weil sich diese Verpflichtung ohnehin aus den Vorschriften über die Besetzung des Gerichts ergibt und deren Verletzung daher einen Nichtigkeitsgrund nach Art. 186, lit. a, darstellt.

Art. 11 (Gesamtgericht) entspricht in Abs. l dem bisherigen Art. 28, Abs. l, der durch den Hinweis auf den neuen Art. 16 ergänzt wird; Abs. 2 ersetzt den bisherigen Art. 24, Abs. l, und fordert für die Verhandlungen des Gesamtgerichte die Anwesenheit von wenigstens a/s der nicht beurlaubten Mitglieder.

Art. 12 regelt die Bildung der Gerichtsabteilungen (vgl. die bisherigen Art. 16 und 18 OG sowie Art. 2 und 33 VDG). Die bisherige Kammer für

108 Beamtensachen wird fallen gelassen, weil die Erfahrung gezeigt hat, dass für diese Sachen keine besondere Kammer notwendig ist. Sie geht nun in der verwaltungsrechthchen Kammer auf, nachdem sie schon seit Jahren mit ihr durch Personalunion verbunden war. Für den Kassationshof in Strafsachen werden zwei verschiedene Besetzungen vorgesehen, nämlich eine für die Beurteilung der Nichtigkeitsbeschwerden gegen kantonale Entscheide (Abs. l, lit. g) und die andere für die Beurteilung von Nichtigkeitsbeschwerden und Revisionsgesuchen gegen Urteile der Bundesassisen, der Kriminalkammer und des Bundesstrafgerichts sowie für die Entscheidung von Kompetenzkonflikten zwischen den Bundesassisen und dem Bundesstrafgericht (Abs. 2), Für die Eälle dieser zweiten Art wird der Kassationshof jeweilen aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und den 5 amtsältesten Mitgliedern des Bundesgerichts gebildet, die weder der Anklagekammer noch dem Bundesstrafgericht angehören.

Diese stärkere Besetzung mit 7 Richtern wird hier deshalb verlangt, weil Rechtsmittel gegen eine andere Abteilung des Bundesgerichts zur Beurteilung stehen.

Für die Anklagekammer, die Kriminalkammer, das Bundesstrafgericht und die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer kann die Zahl der Mitglieder im Gesetz selbst festgelegt werden (Abs. l, ht. c--/), und zwar bleibt ihre Mitgliederzahl die gleiche wie bisher. Dagegen kann die Zahl der Mitglieder der Hauptabteilungen (staats- und verwaltungsrechtliche Abteilung, Zivilabteilungen, Kassationshof in Strafsachen für Nichtigkeitsbeschwerden gegen kantonale Entscheide) schon deshalb nicht im Gesetz selbst beziffert werden, weil die Gesamtzahl der Bichter nicht ein für allemal gänzlich festgelegt ist. Bei diesen Hauptabteilungen bestimmt der Entwurf nur, wie viele Bichter im Einzelfall mitzuwirken haben (Art. 15). Die bisherige Bestimmung von Art. 18, Abs. 2, über die Unvereinbarkeit der Zugehörigkeit zu mehreren Strafgerichtsbehörden wird nur noch in beschränktem Umfang in Abs. l, lit. d, und im Abs. 2 beibehalten. Insbesondere wird nicht ausgeschlossen, dass ein Bichter sowohl dem ordentlichen Kassationshof als auch dem Bundesstrafgericht angehöre.

Wie schon bisher verwaltungsrechtliche Geschäfte, die mit zivilrechtlichen Verhältnissen zusammenhängen, den Zivilabteilungen zugewiesen werden konnten,
so wird das Geschäftsreglement gegebenenfalls z. B. Strafsachen aus Urheberrecht und gewerblichem Rechtsschutz den Zivilabteilungen übertragen können. In ähnlicher Weise kann auch im Verhältnis von Kassationshof und verwaltungsrechtlicher Kammer eine entsprechende Zuweisung von Geschäften in Frage kommen.

Abs. 8, wonach jeder Richter zur Aushilfe in andern Abteilungen verpflichtet ist, tritt an die Stelle des bisherigen Art. 20.

Art. 13 ersetzt die bisherigen Art. 19, 37, Abs. 3 und 4, und 88, Abs. 2.

Das Bundesstrafgericht und die Kriminalkammer sollen künftig selber für jeden Straffall ihren Präsidenten bezeichnen. Art. 14 entspricht den bisherigen Art. 21 und 17, Abs. 1.

109 Art. 15 regelt das Quorum in den Gerichtsabteilungen. Nach der Fassung, die Art. 25 0 G durch das VDG erhalten hat, haben bei den Beratungen und Abstimmungen in der staatsrechtlichen Abteilung und in den Zivilabteilungen 7 Eichter mitzuwirken, für verwaltungsrechtliche Sachen und für staatsrechtliche Eekurse aus Art. 4 BV gegen kantonale Verfügungen genügt jedoch die Mitwirkung von 5 Eichtern. Ein auf Grund der ausserordentlichen Vollmachten ergangener BEB vom 17. Oktober 1989 (A. S. 55, 1130) hat das Bundesgericht bis auf weiteres ermächtigt, soweit der Geschäftsbetrieb unter den gegenwärtigen Verhältnissen es erfordert, anzuordnen, dass bei den Beratungen und Abstimmungen in seinen Abteilungen nur 5 Eichter statt 7 mitwirken. Der bis Ende 1944 befristete BB vom 11. Dezember 1941 über vorläufige Änderungen in der Bundesrechtspflege hat dann für seine Geltungsdauer den Art. 25 OG dahin abgeändert, dass in den Spruchabteilungen je 5 Eichter mitzuwirken haben, soweit das Gesetz nicht eine andere Zahl vorsieht ; ausnahmsweise haben bei staatsrechtlichen Geschäften von grosser allgemeiner Bedeutung auf Anordnung des Präsidenten oder auf Verlangen von zwei Mitgliedern der Abteilung 7 Eichter mitzuwirken. Gegen die Überführung dieser provisorischen Eegelung in die definitive sind Bedenken geäussert worden. Es wM. befürchtet, dass bei einer Fünferbesetzung die Konstanz der Eechtsprechung leide; auch sei es nicht wünschbar, dass ein Entscheid, der eine vielleicht langjährige Praxis umstürze, durch nur 5 Eichter gefällt werde. Bei Fragen von prinzipieller Tragweite sei eine Besetzung mit 7 Eichtern am Platze, damit möglichst viele Gesichtspunkte in die Diskussion geworfen werden und möglichst viele Auffassungen im Gericht zum Worte kommen. Femer wird darauf hingewiesen, dass auch die Zivilabteilungen in den Fall kommen, Entscheide von ausserordentlicher Tragweite zu fassen.

Diese Einwände erscheinen insoweit als berechtigt, als für gewisse Fälle eine Besetzung mit 7 Eichtern den Vorzug verdient. Aber für die Grosszahl der Fälle erscheint doch die Mitwirkung von 5 Eichtern als genügend, und es entstehen daraus auch keine Gefahren für die Qualität der Eechtsprechung. Auch in den vielen Kantonen, wo die obergerichtlichen Spruchkollegien mit 5 Eichtern besetzt sind, werden durchaus gute Erfahrungen
gemacht. Der Entwurf ist daher dazu gelangt, die Fünferbesetzung als Eegel vorzusehen, aber zu bestimmen, dass ausnahmsweise bei zivil-, Staats- und verwaltungsrechtlichen Geschäften von grosser Tragweite oder von wesentlicher grundsätzlicher Bedeutung auf Anordnung des Präsidenten oder auf Verlangen von zwei Mitgliedern der Abteilung 7 Eichter mitzuwirken haben.

Für den ordentlichen Kassationshof (Art. 12, Abs. l, ht. g), der seit jeher aus 5 Eichtern bestanden hat, hegt kein Grund vor, eine ausnahmsweise stärkere Besetzung in Aussicht zu nehmen.

Art. 16 (vereinigte Abteilungen) tritt an die Stelle des bisherigen Art. 23, Abs. 2. Zur Bereinigung von widersprechenden Entscheidungen der verschiedenen Abteilungen hat sich das Gesamtgericht als ein zu grosser und schwer-

110 fälliger Apparat erwiesen, auf den nur noch als ultima ratio gegriffen werden soll. Bestehen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Zivilabteilungen, deren Mitgliederzahl zusammen voraussichtlich weniger als die Hälfte ausmachen wird, so erscheint es nicht angezeigt, den Austrag einem Kollegium zu überlassen, das in seiner Mehrheit der Bechtsprechung in Zivilsachen fernsteht. Ebensowenig sollen z. B. die mit der Zivilrechtspflege betrauten Bichter bei Meinungsverschiedenheiten über die Abgrenzung von Strafrechts- und Staatsrechtspflege den Ausschlag geben.

Art. 17 behält den Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlungen vor Bundesgericht und der gerichtlichen Beratungen und Abstimmungen bei (vgl.

die bisherigen Art. 86, Abs. l und 2, OG, Art. 15 und 89, Abs. 3, VDG und Art. 24 BStrP). In Übereinstimmung mit der Passung, die Art. 24 BStrP durch Art. 5 des provisorischen BB vom 11. Dezember 1941 erhalten hat, wird vorgeschrieben, dass die Beratung und Abstimmung aller Strafgerichte des Bundes nicht öffentlich sind. Nachdem nämlich dem Kassationshof die Bechtsprechung im ganzen Gebiete des kriminellen Strafrechts übertragen ist, sind die Gründe, aus denen schon vorher bei den andern Strafabteilungen des Bundesgerichts -- wie übrigens auch bei den Strafgerichten der Kantone -- die geheime Beratung und Abstimmung vorgesehen wurde, auch hier massgebend. Im übrigen bringt die Einführung der Möglichkeit, gewisse Fälle im Vorprüfungsverfahren zu erledigen (Art. 60, 72, Abs. 2, 92 und 143, Abs. 1), mit sich, dass Art. 17 den Grundsatz der Öffentlichkeit mit einem Vorbehalt abweichender Gesetzesbestimmungen versieht.

Die bisherige Vorschrift von Art. 15 VDG, wonach die Beratung und Abstimmung in Kriegs- und Militärsteuersachen nicht öffentlich sind, jedoch die Parteien und deren Vertreter anwesend sein dürfen, wird allgemein erweitert auf « Steuersachen, bei denen die Wahrung des Steuergeheimnisses durch das Bundesrecht vorgeschrieben ist». In diesen Fällen soll Unbeteiligten der Zutritt zu den gerichtlichen Verhandlungen in Steuersachen versagt werden, dagegen die Parteienöffentlichkeit gewährleistet bleiben.

In Abs. 2 wird die Möglichkeit, durch Gerichtsbeschluss die Öffentlichkeit ganz oder teilweise auszuschliessen, erweitert, um Fälle zu berücksichtigen, in denen eine Partei oder ein beteiligter
Dritter ein schutzwürdiges Interesse daran haben kann, dass nicht jedermann zu den Verhandlungen Zutritt habe.

Art. 18 (Bechtshilfe der Kantone) stimmt in Abs. l und 2 mit dem bisherigen Art, 44 überein. Neu ist Abs. 3, der den kantonalen Vorinstanzen, die ihre Gerichtskosten eintreiben müssen, die Pflicht auferlegt, auf Ersuchen der Bundesgerichtskanzlei als deren Vertreter die bundesgerichtlichen Kosten gleichzeitig einzutreiben. Die Eintreibung durch die Bundesgerichtskanzlei selbst kann naturgemäss nur mangelhaft sein, insofern als es ihr viel weniger als den kantonalen Instanzen bekannt sein kann, ob dabei im Einzelfall Strenge oder Milde am Platze sei. Hebt sie nicht ungesäumt Betreibung an, so verliert sie oft die Teilnahme an früheren Pfändungsgruppen, während anderseits die sofortige Betreibung mitunter eine unangebrachte Härte wäre. Für die kan-

Ili tonalen Instanzen, die ohnehin ihre Kosten eintreiben müssen, bedeutet die Übernahme dieser Vertretung keine wesentliche Mehrarbeit. Selbstverständlich muss sich die Bundesgerichtskasse dann auch mit dem gleichen Verhältnismassigen Ergebnis befriedigen, das die kantonale Instanz für sich selbst herausbringt.

Art. 19 (Gerichtssitz) gibt in Abs. l den bisherigen Art. 14 wieder. Abs. 2 ersetzt den bisherigen Art. 15 und bezieht sich nurmehr auf die Mitglieder des Bundesgerichts, da für die Gerichtsbeamten Art. 8 des Beamtengesetzes bereits eine entsprechende Vorschrift enthält. Die Passung von Abs. 2 («am Amtssitz oder in dessen Umgebung») bringt deutlich zum Ausdruck, dass die Besidenzpflicht der Bundesrichter nicht in der Gemeinde Lausanne lokalisiert ist. Art. 20 (Ferien und Urlaub) entspricht dem bisherigen Art. 46. Art. 21 (Verhältnis zur Bundesversammlung) gibt den Inhalt der bisherigen Art. 47 und 26 wieder.

2. Ausstand von Gerichtspersonen.

Dieser Unterabschnitt, der die Art. 22--28 umfasst, übernimmt die bisherige Ordnung (Art. 27--84 OG) mit einzelnen Änderungen. Der Kreis der Gerichtspersonen, der unter die Ausstandsordnung fällt, bleibt der gleiche wie bisher.

Die Klarstellung, dass jeder Vertreter des Bundesanwalts und der Schriftführer des Untersuchungsrichters in diesen Kreis einbezogen sind, wird in Anlehnung an den bisherigen französischen Text schon in Art. 22 und 23 angebracht.

In der Umschreibung der Ausschliessungsgründe weicht Art. 22 teilweise vom bisherigen Art. 27 ab. In lit. a wird nur noch das Bestehen eines unmittelbaren Interesses der Gerichtsperson oder emer daselbst genannten ihm nahestehenden Person am Ausgang des Streites zum Ausschliessungsgrund gemacht.

Ein bloss mittelbares Interesse erscheint als zu weit abliegend, um die Gerichtsperson zum vornherein als ungeeignet erschemen zu lassen; ist das mittelbare Interesse wirklich in erheblichem Masse vorhanden, so kann dem im Eahmen des Ablehnungsgrundes der Befangenheit (Art. 23, lit. e) Eechnung getragen werden. Ferner wird in Abweichung von der bisherigen Ziff. 3 des Art. 27 davon abgesehen, eine Gerichtsperson bei Beschwerden auszuschliessen, die gegen die gesetzgebenden Organe oder die Eegierung ihres Heimatkantons gerichtet sind. Es besteht nämlich kein Grund, weshalb dort, wo der Begierungsrat bloss urteilende Behörde war, etwas anderes gelten sollte als im Falle, wo das Obergericht einen Entscheid gefällt hat. Im letzten Absatz von Art. 22 wird der Ausschliessungsgrund der Verwandtschaft oder Schwägerschaft zum Bevollmächtigten oder Anwalt einer Partei erweitert auf die Seitenlinie bis zum zweiten Grade.

Art. 23 weicht in der Umschreibung der Ablehnungsgründe teilweise von Art, 28 OG ab. Während nach der bisherigen Ziff. l des Art. 28 ein Eichter in Sachen einer juristischen Person, deren Mitglied er ist, abgelehnt werden kann, folgt der Entwurf einem Vorschlage des Bundesgerichts, an die Mitglied-

112 schaft bei einer Aktiengesellschaft nicht unter allen Umständen die Ablehnbarkeit zu knüpfen. Denn es ist nicht anzunehmen, dass der Besitz einer einzigen Aktie oder auch einiger den Kichter in seinem Urteil zu beeinflussen vermöchte ; besitzt, ein Eichter aber eine grosse Zahl von Aktien einer Gesellschaft, so trifft auf ihn der Ausschliessungsgrund von Art. 22, Ut. a (unmittelbares Interesse), ohnehin zu. Deshalb werden in Art. 28, lit. a, die Arten von juristischen Personen unter Ausschluss der Aktiengesellschaft aufgezählt. In lit. c des Art. 23 wird für die Umschreibung des Ablehnungsgrundes der Befangenheit die Fassung gewählt: «wenn Tatsachen vorliegen, die ihn (Richter usw.) in bezug auf den zu beurteilenden Fall als befangen erscheinen lassen.» Während bisher die Gerichtsperson nur im Falle der Ziff. 2 von Art. 28 (Freundschaft oder Feindschaft, Pflicht oder Abhängigkeitsverhältnis) selbst den Ausstand verlangen konnte, gibt ihr der Entwurf dieses Eecht auch hinsichtlich der übrigen Ablehnungsgründe. Denn es kann dem Eichter unter Umständen peinlich sein, bei der Beurteilung eines Falles mitwirken zu müssen, wenn er selber das Gefühl hat, befangen zu sein. Die einheitliche Behandlung sämtlicher Ablehnungsgründe bringt eine entsprechende Vereinfachung der Bestimmungen über die Anzeigepflicht mit sich (Art. 24).

Art. 25 (Ablehnungsgesuch) entspricht dem bisherigen Art. 30 mit einer Vereinfachung im Abs. l und mit der Beifügung eines Abs. 3, wonach die Säumnis in der Geltendmachung eines Ablehnungsgrundes den Säumigen kostenersatzpflichtig" macht. Art. 26--28 entsprechen den bisherigen Art. 81--84.

3. Gemeinsame Verfahrensvorschritten (Art. 29--40).

In diesem Unterabschnitt werden Verfahrensbestimmungen zusammengefasst, die als allgemeine Vorschriften für die verschiedenen Zweige der Eechtsprechung des Bundesgerichts Anwendung finden. Sie waren bisher z. T. im Abschnitt des OG- über die allgemeinen Bestimmungen (Art. 22, 85, Abs. 3, 39--43 und 45) und z. T, in anderen Kapiteln des Gesetzes zerstreut. Neu sind aufgenommen Art. 29, Abs. 2--5, und Art. 34.

Art. 29, Abs. l, übernimmt die Vorschrift über die Vollmacht der Parteivertreter (bisher Abs. l von Art. 75, dessen Abs. 2 heutzutage entbehrlich ist).

Das Fehlen einer schriftlichen Vollmacht soll zunächst nichts schaden; findet sich
aber ein nicht derart Bevollmächtigter zu einer mündlichen Verhandlung ein, so wird diese natürlich ohne seine Beteiligung abgehalten. Abs. 2 erfüllt ein altes, auch im Interesse des Bundesgerichts gelegenes Postulat der Rechtsanwaltschaft, indem er in Anlehnung an Art. 35 BStrP als Parteivertreter vor Bundesgericht in Zivil- und Strafsachen nur Personen zulässt, die nach dem kantonalen Eecht zur berufsmassigen Ausübung der Prozessvertretung befugt sind, sowie die Bechtslehrer an schweizerischen Hochschulen; ausnahmsweise können gemäss Abs. 8 unter Vorbehalt des Gegenrechts auch ausländische Eechtsanwälte zugelassen werden. Abs. 4 verpflichtet im Ausland wohnende Parteien, ein Zustellungsdomizil in der Schweiz zu verzeigen. In Anlehnung

113 an einige kantonale Prozessordnungen sieht Abs. 5 vor, dass das Gericht eine Partei, die offenbar nicht imstande ist, ihre Sache selber zu führen, anhalten kann, einen Vertreter beizusdehen. Wird dieser Aufforderung keine Folge geleistet, so bezeichnet das Gericht einen solchen auf Kosten der Partei.

Art. 30 (Bechtsschriften) ersetzt die bisherigen Art. 40 und 39, Abs. 3.

Art. 31 (Disziplin) entspricht den bisherigen Abs. l und 2 von Art. 34; für den Eückfall ist im Abs. 2 ein erhöhtes Bussenmaximum vorgesehen.

Art. 32 (Fristenberechnung) stimmt mit dem bisherigen Art. 41 überein; im Abs. 2 wird der Ausdruck «ein staatlich anerkannter Feiertag» präzisiert durch die Fassung «ein vom zutreffenden kantonalen Eecht anerkannter Feiertag» (vgl. BGE 632 333).

Im Gegensatz zum OG lassen der B2P, das SchKG und das Enteignungsgesetz die Fristen schon um 18 Uhr des letzten Tages ablaufen, was darauf hinausläuft, dass die Fristen um % Tag kürzer sind als angegeben. Freilich mag dies in denjenigen Kantonen, deren Prozessordnungcn eine solche Vorschrift ebenfalls aufstellen, allgemein bekannt sein. Dagegen wäre eine derartige Anordnung im OG für die Bewohner und insbesondere auch für die Eechtsanwälte anderer Kantone geradezu unerträglich. Da das Nebeneinanderhestehen verschiedener bundesrechtlicher Begeln über die Fristenberechnung keine zureichenden Gründe für sich hat und nur zu Verwirrungen führen kann, wird in Art. 165 und 169 vorgeschlagen, den 18-Uhr-Schluss auch aus dem BZP, SchKG und Enteignungsgesetz auszumerzen, wodurch ja niemand benachteiligt wird, auch wenn er nach wie vor eine nicht abgeänderte Textausgabe dieser Gesetze benützt.

Art. 33 entspricht dem bisherigen Art. 42 ; es wird nun ausdrücklich verlangt, dass ein Gesuch um Verlängerung einer richterlich bestimmten Frist vor Ablauf der Frist beim Bundesgericht eintreffe.

Art. 34 (Gerichtsferien) führt neu einen Stillstand der gesetzlich oder richterlich bestimmten Fristen während der meist als Ferien benützten Zeit ein, was von der Eochtsanwaltschaft als Wohltat empfunden wird und für die Bundesrechtspflege ebenso erträglich sein dürfte wie im kantonalen Prozesswesen. Dieser Stillstand der Fristen vom 15. Juli bis 15. August erstreckt sich nicht auf Strafsachen und Schuldbetreibungs- und Konkurssachen. Hingegen wird er durch Art. 180,
183 und 166 auch auf das Verfahren beim Bundesrat und auf das Beschwerdeveri'ahren in der Bundesverwaltung ausgedehnt.

Durch Art. 35 wird der bisherige Art. 43 einerseits dahin ergänzt, dass innert der lOtägigen Frist für das Gesuch um Wiederherstellung gegen Fristversäumnis auch die versäumte Bechtsvorkehr nachgeholt werden muss. Anderseits wird das Wiederherstellungsverfahren dadurch wesentlich verbessert, dass wer den Nachweis der Voraussetzungen und der Bechtzeitigkeit des Bestitutionsgesuches nicht schon mit dem Gesuch rechtsgenüglich leistet oder wenigstens antritt, vom Nachweis nicht ausgeschlossen wird, sondern dass nötigenfalls die Aufklärung des Sachverhalts durch die erforderlichen Beweisaufnahmen von Amtes wegen in Gang gesetzt wird. Hiezu eignet sich das Instruktionsverfahren, Bundesblatt. 95. Jahrg. Bd. I.

9

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wie es für den staatsrechtlichen Bekurs geordnet ist. Art. 35 gilt auch für die bundesgerichtliche Rechtspflege in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen (vgl. BGE 673 71), wobei allerdings der Wiederherstellung insofern gewisse Grenzen gesetzt sind, als das Vollstreckungsverfahren inzwischen seinen Fortgang in einer Weise genommen haben kann, die jede spätere Restitution aussohliesst. Dagegen soll Art. 85 nicht für den direkten Zivilprozess gelten, der ja in Art. 69--72 BZP seine eigene Ordnung hat. Wenn es zum System jenes Gesetzes gehört, dass mit Einwilligung der Gegenpartei immer Wiederherstellung gegen Fristversäumnis stattfinden kann, so ist nicht einzusehen, warum das neue OG etwas daran ändern sollte. Zudem gelten die Vorschriften des BZP sowohl für die Versäumung von Rechtstagen als von Fristen, und es geht nicht an, sie für den einen Teil zu ersetzen und für den andern nicht.

Zu Art,. 36: Die Vorschriften über die Streitwertberechnung werden aus Art. 53, 54 und 59, Abs. 2, OG, in den allgemeinen Teil versetzt, weil sie nicht nur für die ganze Zivilrechtspflege, sondern auch für verwaltungsrechtliche Klagen in den Fällen des Art. 112 ihre Bedeutung haben. Dem mitunter fühlbar gewordenen Übelstand, dass durch eine die Wirklichkeit übersteigende Schätzung des Streitwertes, über die beide Prozessparteien einig sind, die bundesgerichtliche Zuständigkeit begründet werden konnte, begegnet Abs. 2 des Art. 30 dadurch, dass die Bestimmung des Streitwertes, wenn die Klage nicht auf eine bestimmte Geldsumme geht, dem Parteiwillen entzogen und in die Hand des Gerichts gelegt wird. In Abs. 8 werden als den Streitwert nicht beeinflussende Mebenforderungeii auch angeführt die Vorbehalte -- z. B. der Bektifikationsvorbehalt nach Art. 10 des Eisenbahnhaftpflichtgesetzes -- und entsprechend der Praxis (BGE 422 694) der Anspruch auf ürteilsveröffentlichung.

Art. 37 über die Eröffnung der bundesgerichtlichcn Entscheidangen ersetzt die bisherigen Art. 100, 102, 103 und 187. Art. 38, der die bisherigen Art. 101 und 195 ersetzt, lässt die Rechtskraft des bundesgerichtlichen Entscheides mit der Ausfällung eintreten. Es dürfte sich von selbst verstehen, dass mit dieser Vorschrift in der Staats- und Verwaltungsrechtspflege nicht in gleicher Weise wie in der Zivilrechtspflege die materielle, sondern nur die formelle
Rechtskraft gemeint sein kann. In Art. 39 wird der bisherige Art. 45 unverändert herübergenommen. Art. 40 enthält die im bisherigen Art. 22 untergebrachte Verweisung auf den BZP; auch auf den BStrP zu verweisen ist nicht mehr am Platze, nachdem das OG von jeglichen strafprozessualen Vorschriften entlastet worden ist.

II. Zivilrechtspflege.

1. Das Bundesgerioht als einzige Instanz (Art. 4l und 42).

Vom entsprechenden Abschnitt des geltenden Gesetzes (Art. 48--54) scheiden die Bestimmungen über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten aus, da sie in den Abschnitt über die Staats- oder die Verwaltungsrechtspflege versetzt werden. So wird der bisherige Art. 49 in Art. 83, lit. c, verwiesen, und die Ziff. l bis 4,14 und 15 des bisherigen Art. 50 werden entsprechend Art. 18, lit. c, VDG,

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in Art. 111, lit. c--li, untergebracht. Als überflüssige Wiederholungen oder als durch neue Gesetze überholt kommen in Wegfall Ziff. 5--13 des bisherigen Art. 50 und Art. 51. In diesem Zusammenhang sei bemerkt, dass auch der bisherige Unterabschnitt über das Bundesgericht als Beschwerdeinstanz gegenüber eidgenössischen Behörden (alter Art. 55) aus den gleichen Gründen wegfällt. Art. 53 und 54 über die Streitwertberechnung gind in den allgemeinen Teil als Art. 86 verwiesen worden. Vom ganzen Kapitel über den direkten Zivilprozess bleiben also nur die bisherigen Art. 48 und 52, und zwar beschränkt auf Zivilrechtsstreitigkeiten.

Um dem mit den bisherigen Art. 48 ff. verfolgten Zweck gerecht zu werden, hat sich das Bundesgericht veranlagst gesehen, dem in Art. 48 ff. gebrauchten Ausdruck «zivilrechtliche Streitigkeiten» eine bedeutend weitere Auslegung zu geben, als dem in Art. 56 ff. (Berufung) vorkommenden Begriff der Zivilrechtsstreitigkeiten, nämlich dahin, dass darunter fast jeder vermögensrechtliche Anspruch einer Privatperson gegen den Staat subsumiert wurde. Ja anlässlich der Teilrevision des OG von 1921 wurde Art. 52 OG- ausdrücklich auf andere Rechtsfälle zugeschnitten, «auch wenn es sich nicht um rein zivilrechtliche Streitigkeiten handelt». Dies alles ist durch die seitherige Entwicklung der Gesetzgebung, zumal durch das VD G, zu einem guten Teil überflüssig geworden und für die Zukunft nur mehr notwendig für die fakultative Bundesgerichtsbarkeit bei Streitigkeiten zwischen Kantonen einerseits, Korporationen oder Privaten anderseits gemäss Art. 48, Ziff. 4, OG. Denn eine Klage, die nicht eine Zivilklage im engern eigentlichen Sinne ist, ist eben eine Klage aus öffentlichem Eecht. Wird eine solche Klage vom Bund gegen einen Kanton oder aber von einem Kanton oder Korporationen oder Privaten gegen den Bund erhoben, so ergibt sich die Zuständigkeit des Bundesgerichts als einziger Instanz -- und zwar ohne jede Streitwertbegrenzung -- aus Art. 110 des Entwurfs (Art. 17 VDG), vorausgesetzt, dass es sich um einen m der Bundesgesetzgebung begründeten Anspruchh handelt (und etwas "anderes lässt sich kaum vorstellen). Wird eine solche Klage voneinem Kanton gegen einen andern erhoben, so folgt die bundesgerichtliche Zuständigkeitaus Art. 88, lit." b, "des Entwurfs (bisherige Ziff. 2 von Art. 175). Die
Prorogation solcher Streitigkeiten sodann wird durch Art. 112 des Entwurfs (Art. 18, lit. d, VDG) vorgesehen, und durch Art. 114bis B V (vgl. Art. 11.6 des Entwurfs) werden die Kantone ermächtigt, mit Genehmigung der Bundesversammlung ihre administrativen Streitigkeiten dem Bundesgericht als Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuzuweisen.

Der erweiterte, uneigentliche Begriff der zivilrechlichen Streitigkeit ist somit für die Bundesgerichtsbarkeit nur noch von Belang in den Fällen der bisherigen Ziff. 4 von Art. 48 OG. Dem wird am zutreffendsten dadurch Eechnung getragen, dass jene Fälle mit dem engen Begriff in einem einzigen Artikel zusammengefass werden (Art. 41) und ihm dieser Fall mit dem weiteren Begriff gegenübergestellt wird (Art. 42).

Das Eisenbahnrückkaufsgesetz hatte für die beim Bundesgericht als einziger Instanz anzubringenden Zivilklagen gegen die Bundesbahnen den Streitwert

116 auf Fr. 30 000 erhöht. Durch Art. 25 des BG vom 28. März 1905 über die Haftpflicht der Eisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen und der Post wurde dann bestimmt, dass für die aus diesem Gesetz gegen den Bund gerichteten Klagen Art. 48, Ziff. 2, OG, sowie die erwähnte Vorschrift des Bückkaufsgesetzes keine Anwendung finden ; für diese Klagen wurde somit die Möglichkeit der einseitigen direkten Anrufung des Bundesgerichts gänzlich ausgeschaltet.

Diese Sonderregelung wurde folgendermassen begründet (BEI 1901 I 687) : Die Ausnahmegerichtsbarkeit des Bundesgerichts als direkt erkennendes Gericht sei eher überall zu beschränken, wo keine besondern Gründe vorliegen, den kantonalen Gerichten die erstinstanzhche Beurteilung zu entziehen. Die einheitliche Bechtsanwendung sei durch das Eechtsmittel der Berufung hinreichend gesichert. Dazu komme, dass das Verfahren vor Bundesgericht nach dem BZP von 1850 ziemlich schwerfällig sei, während man doch von den Kantonen die Einführung eines beschleunigten Verfahrens in Haftpflichtprozessen verlange. Gerade die Beweisführung in derartigen Prozessen sei häufig umständlich und kompliziert und lasse sich vor den kantonalen Gerichten an Ort uiid Stelle leichter vollziehen als vor Bundesgericht, das seine Instruktionsrichter aussenden müsse.

Ersichtlicherweise bloss aus Vergesslichkeit (vgl. BB1 1907 I 758) wurde dann diese Vorschrift, die den ausschliesslichen Gerichtsstand des Bundes vor Bundesgericht in allen Haftpflichtstreitigkeiten aus Eisenbahn- und Postbetrieb beseitigt hatte, in den Gesetzen über das Postwesen von 1910, Art. 118, und dann über den Postverkehr von 1924, Art. 55, in keiner Weise vorbehalten, sondern es wurde im letztern Gesetz sogar ausdrücklich, wenn auch ohne ein-; lässliche Prüfung, wieder zum gegenteiligen Bechtszustand zurückgekehrt.

Für Klagen gegen die Bundesbahnen ist dagegen Art, 48, Ziff. 2, OG, durch das BG von 1923 über die Organisation und Verwaltung der SBB sogar überhaupt gänzlich ausgeschaltet worden.. Die Gründe, die seinerzeit zur Aufstellung dèsArt. 25 des Eisenbahnhaftpflichtgesetzes geführt haben, treffen auch jetzt noch zu.und sprechen sogar für eine Ausdehnung dieser Vorschrift auf die Haftpflichtklagen gegen den Bund aus dem Autoniobilgesetz. Nachdem seit Ja-hrzehnten sämtliche Eisonbahnhaftpflichtklagen gegen die
SBB und seit mehr als 15 Jahren überhaupt sämtliche Klagen gegen die SBB nur letztinstaiizlich vor Bundesgericht gebracht werden, ohne dass sich deswegen Kachteile gezeigt hätten, die die unverkennbaren Vorteile auch nur einigennassen aufwiegen würden, erscheint das gleiche auch als angebracht für Klagen gegen den Bund als Inhaber der Postanstalt aus dem Eisenbahnhaftpflichtgesetz, sowie für l Klagen gegen den Bund als Halter von Motorfahrzeugen. Art. 41, Ut, 1), schaltet Idaher für diese Klagen die direkte Anrufung des Bundesgerichts als einziger llnstanz aus. Über die dadurch erforderliche Abänderung von Art. 55 des Post-Iverkehrsgesetzes vgl. Art. 167.

Was die Prorogationsgerichtsbarkeit anbelangt, wird in Art. 41, ht. c, des Entwurfs klargestellt, dass der Prorogation in zivilrechtlichen Streitigkeiten nur dann Folge zu geben ist, wenn für die Klage ohnehin ein Gerichtsstand in

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der Schweiz begründet ist, nämlich wenn das Bundesgericht «an Stelle der kantonalen Gerichte» angerufen wird.

Art. 42 stimmt mit der bisherigen Ziff. 4 von Art. 48 überein.

2. Das Bundesgericht als Berufungsinstanz (Art. 43--67).

Seit der Teilrevision von 1911 kennt das 0 G in der Zivilrechtspflege zwei Bechtsmittel an das Bundesgericht gegen kantonale Entscheidungen, nämlich die Berufung und die zivilrechtliche Beschwerde. Die Berufung kann nur gegen «Haupturteile » ergriffen werden, die in Zivilrechtsstreitigkeiten ergehen. Die zivilrechtliche Beschwerde setzt weder ein Haupturteil noch eine Zivilrechtsstreitigkeit voraus, findet daher auch Anwendung gegenüber Vor- oder Zwischenentscheiden in Zivilsachen, und zwar auch in solchen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit. Mit der zivilrechtlichen Beschwerde nach Art. 86 OG kann in den daselbst (Ziff. l---4) der Materie nach aufgezählten Zivilsachen Verletzung von Bundesrecht geltend gemacht werden. Die zivilrechtliche Beschwerde nach Art. 87 steht gegen der Berufung nicht unterliegende Entscheide in Zivilsachen offen, ist aber auf die in Ziff. l--3 dieses Artikels umschriebenen Anfechtungsgründe beschränkt. In den Fällen des Art. 86 entscheidet das Bundesgericht in der Sache selbst, während in denjenigen des Art. 87 die Gutheissung der Beschwerde in der Eegel bloss zur Kassation und zur Bückweisung an die Vorinstanz führt (Art. 98 OG). Ihrem Wesen nach unterscheidet sich die zivilrechtliche Beschwerde in den Fällen des Art. 86 weniger weitgehend von der . Berufung als von der zivilrechtlichen Beschwerde in Fällen des Art. 87.

Der Entwurf unterstellt die Fälle des bisherigen Art. 86 der Anfochtung durch Berufung, so dass für dio zivilrechtliche Beschwerde nur noch die Fälle des bisherigen Art. 87 in Frage kommen. Auf diese Weise erhält man eine einfachere und übersichtliche Ordnung, die das ordentliche Bechtsmittel klar vom außerordentlichen unterscheidet. Die Berufung ist das ordentliche Bechtsmittel mit Suspensiveffekt und weitgehendem Devolutiveffekt ; für dieses Bechtsmittel wird die eingelebte Bezeichnung «Berufung» (recours en réforme) beibehalten, während allerdings im italienischen Text die bisherige Bezeichnung (appello), die dem Wesen des Bechtsmittels in keiner Weise gerecht wird, auszumerzen ist. Die zivilrechtliche Beschwerde, die
nunmehr die ihrem Wesen besser entsprechende Bezeichnung « Nichtigkeitsbeschwerde » (recours en nullité) erhalten soll, ist das ausserordentliche Bechtsmittel ohne Suspensivwirkung und mit meist bloss kassatorischer Funktion. Die Berufung wird nicht bloss in Zivilrechtsstreitigkeiten zugelassen, sondern auch in denjenigen Zivilsachen, die bisher in Art. 86 OG aufgezählt waren (Art. 44, lit. a--c, 45, lit. 6).

Ferner wird die Berufung auch gegen Zwischenentscheide über die Zuständigkeit (Art. 49) und in beschränktem Umfang auch gegen andere selbständige Zwischenentscheide (Art. 50) zugelassen. Das ausserordentliche Bechtsmittel wird auf Zivilsachen beschränkt, die in keinem Stadium dem ordentlichen unterliegen. In berufungsfähigen Zivilsachen kann somit nach dem Entwurf jede

118 Bundesrechtsverletzung, inbegriffen diejenige von Gerichtsstandsbestimmungen, nur auf dem Wege der Berufung gerügt werden (einzig der staatsrechtliche Eekurs wegen Verletzung verfassungsmässiger Eeehte bleibt vorbehalten), also nicht wie bisher bald durch das eine und bald durch das andere Rechtsmittel, je nachdem ein End- oder ein Zwischenurteil vorliegt. Also gibt es in den Zivilsachen der Art. 44--46 nur die Berufung und Art. 68 (Nichtigkeitsbeschwerde) gelangt nur in. nicht berufungsfähigen Zivilsachen zur Anwendung, während bisher z. B. ein selbständiger, positiver Zwischencntscheid über die Gerichtsstandsfrage, auch wenn die Hauptsache berufungsfähig war, durch · zivilrechtliche Beschwerde anzufechten war (BGE 66 3 182; 57 2 134); künftig wird hier die Berufung das zutreffende Eechtsmittel sein. Eine weitere Vereinfachung wird dadurch herbeigeführt, dass für die Berufung und die Nichtigkeitsbeschwerde die Fristen und Formen aneinander angeglichen worden, auch die Einlegungsstelle wird die gleiche sein, und für beide Eechtsmittel wird die schriftliche Begründung vorgeschrieben.

Art. 43 umschreibt den Zweck der Berufung und gehört deshalb an die Spitze des Kapitels über dieses Eechtsmittel. Wie nach dem bisherigen Art. 57 kann die Berufung nur auf eine Verletzung von Bundesrecht gestützt werden.

In Abs. l wird zur Verdeutlichung dem Bundesrecht auch ein Hinweis auf die Staatsverträge des Bundes beigefügt. Denn irgendwelche Verletzung Staatsvertraglicher Bestimmungen -- und zwar auch in Präjudizialpunkten anderer als zivilrechtlicher Xatur, also insbesondere auch die Verletzung von staatsvertraglichen Gerichtsstandsbestiminungen -- soll künftig in berufungsfähigeu Zivilsachen nur durch Berufung gerügt werden. Dies empfiehlt sich, da in der Eegel die Entscheidung staatsvertraglicher Gerichtsstandsfragen mit der Entscheidung materiellrechtlicher Fragen nicht weniger zusammenhängt als diejenige anderer bundesrechtlicher Gerichtsstandsfragen.

Zu den Verletzungen von Bundesrecht, die in Zivilsachen mit der Berufung geltend zu machen sind, gehört nicht die Verletzung verfassungsmässiger Eeehte der Bürger. Diese schon bisher bestehende Ausnahme zugunsten des staatsrechtlichen Eekurses wird im zweiten Satz von Abs. l ausdrücklich vorbehalten. Die Fassung stellt ausser Zweifel, dass alle andern
Verletzungen der Bundesverfassung -- z. B. die Frage nach der Gesetzmassigkeit einer Verordnung ·-- in berufungsfähigen Zivilsachen nur auf dem Wege der Berufung vor Bundesgericht gebracht werden können. Dementsprechend ist auch bei der Umschreibung der Bundesrechtsverletzung im Abs. 2 nicht mehr von einem eidgenössischen Gesetz, sondern allgemein von einer eidgenössischen Vorschrift die Eede.

Abs. 8 spricht ausdrücklich aus (was oft übersehen wurde), dass das Bundesrecht durch Feststellungen über tatsächliche Verhältnisse nicht verletzt ist, es wäre denn, dass sie unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriiten zustande gekommen sind. Selbstverständlich bleibt dem Bundesgericht nach wie vor die freie rechtliche Würdigung der Tatsachen offen (Abs. 4, wie bisher Art. 57, Abs. 3).

119 Es war vorgeschlagen worden, eine ähnliche Bindung des Bundesgerichts an dio vorinstanzliche Auslegung rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen (sei es generell oder doch bei Verträgen) vorzusehen wie an die vorinstanzliche Tatbestandsfeststelhmg, wobei die bundesrechtlichen Auslegungsregeln vorbehalten würden und dio rechtliche Würdigung des Ergebnisses der vorinstanzlichen Auslegung von Willenserklärungen dem Bundesgericht offen bliebe. In Übereinstimmung mit dem schweizerischen Juristentag von 1985 und mit der Expertenkommission sind wir diesem Vorschlage nicht gefolgt. Es besteht auf diesem Gebiete ein praktisches Bedürfnis nach einheitlicher Eechtsprechung, insbesondere bei Verträgen, die nach einheitlichem Formular abgeschlossen werden (Versicherungspolicen usw.), aber auch z. B. bei Garantieverpflichtungen. Gewiss bereitet die Abgrenzung zwischen Tat- und Rechtsfrage bei der Auslegung rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen Schwierigkeiten. Der Rechtsuchende ist sich oft über diese Abgrenzung im unklaren, so dass manche Berufung sich als nutzlos erweist, weil sich im Einzelfall herausstellt, dass die mit der Anfechtung der vorinstanzlichen Auslegung von Willenserklärungen aufgeworfene Frage keine Rechts- sondern eine Tatfrage ist und das Bundesgericht sie dann nicht überprüft. Aber wo das Bundesgericht die Auslegung rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen überprüfen konnte, ist seine Rechtsprechung für das Rechtsleben von grossem Werte gewesen. Der Entwurf lässt es beim bisherigen Zustand bewenden, so dass die Abgrenzung zwischen Tat- und Rechtsfrage weiterhin dem Bundesgericht überlassen bleibt.

Dem gelegentlich geäusserten Wunsch, dass die Berufung auch auf die Überprüfung der richtigen Anwendung ausländischen Rechts ausgedehnt werde, kann keine Eolge gegeben werden. Es kann nicht Aufgabe des Bundesgerichts sein, aus ausländischen Büchern und Präjudiziensammlungen mühsam tastend und mit mehr oder weniger Treffsicherheit zusammenzusuchen, was irgendwo , im Ausland rechtens sei, wobei übrigens ganz unmöglich wäre, dass es in jedem vorkommenden Falle jeder Richter der ganzen Spruchabteilung mit emigermassen gleicher Sorgfalt tun könnte. Das Bundesgericht ist zur einheitlichen Anwendung des Bundesrechts berufen, wobei ihm ganz anders geartete Erkenntnisquellen zur Verfügung stehen, nämlich
die fortgesetzte Beschäftigung mit diesem Rechtsstoff und die Betrachtung der einzelnen Rechtsfragen im Rahmen des ihm dadurch vertraut gewordenen Rechtssystems, dessen Ausgestaltung nach allen Richtungen ihm obliegt. Es zeigt sich denn auch, dass ausländischen Gerichten bei der Anwendung schweizerischen Rechts Fehlentscheide sehr oft unterlaufen. Das Bundesgericht soll nicht ohne Not einer ähnlichen Lage ausgesetzt werden. Am allerwenigsten kann m der heutigen Zeit daran gedacht werden, die Berufung auf die Nachprüfung von Auslandsrecht auszudehnen; denn gegenwärtig ist es wegen des raschen Wandels in der Gesetzgebung des Auslandes und weil die Orientierungsmittel hierüber nicht oder schlecht funktionieren, schwierig zu ermitteln, ob ein bestimmter ausländischer Gesetzes Paragraph noch gilt odor abgeändert worden ist. Diese und ähnliche Schwierigkeiten werden auch m der Nachkriegszeit noch viele Jahre andauern.

120 Art. 44--46 beantworten die Frage, was für Zivilsachen berufungsfähig sind (vgl. die bisherigen Art. 56, 59, 61, 62, wozu noch Art. 86 kommt). Es ·wird unterschieden zwischen dein Begriff der Zivilsachen, der sowohl die streitige als auch die freiwillige Gerichtsbarkeit umfasst, und dem der Zivilrechtsstreitigkeiten, der bloss die streitige Gerichtsbarkeit, nämlich ein Zweiparteienverfahren, umfasst. Zivilrechtsstreitigkeiten sind nicht nur solche, die von Gerichten entschieden werden, sondern -- wie die neuere Praxis festgestellt hat (BGE 582 442) ·-- auch solche, die von Verwaltungsbehörden entschieden werden.

In Art. 44 kommen zunächst die nicht vermögensrechtlichen Zivilsachen an die Eeihe. Es sind dies die nichtvermögensrechtlichen Zivilrechtsstreitigkeiten und die Fälle des bisherigen Art. 86, Ziff. 1--8. Letztere Fälle sind insofern nicht Zivilrechtsstreitigkeiten, als das ZGB keinen kontradiktorischen Zweiparteienprozess voraussetzt. In lit. b wird in Anlehnung an die Eechtsprechung (BGE 38 2 769; 65Z 118) klarer als bisher gestellt, dass die Anwendung von Art. 286 ZGB nicht an das Bundesgericht weitergezogen werden kann (was bisher wegen des Zitates von Art. 288 ZGB nicht deutlich war).

Sachlich ist es richtig, das Bundesgericht nicht nachprüfen zu lassen, ob im Falle der Wiederverheiratung des Elternteils, der die elterliche Gewalt innehat, die Verhältnisse es erfordern, den Kindern einen Vormund zu bestellen. In lit. c wird Ordnung in die Zitate aus dem ZGB zu bringen versucht. Das Zitat des Art. S68 hat sich als Versehen erwiesen (BGE 52 2 295) ; ferner ist nicht erfindlich, warum die Art. 896, 397 und 439 für die Beistandschaft zitiert sind, während die entsprechenden Vorschriften für die Vormundschaft nicht zitiert sind. Es genügt vollkommen, die Art. 369--372 und 392--395 für die Entmündigung und Stellung unter Beistandschaft zu zitieren und daneben die Aufhebung dieser Verfügungen anzuführen.

Art. 45 führt diejenigen vermogonsrechtlichen. Zivilsachen auf, die ohne Eücksicht auf den Streitwert berufungsfähig sind. Er übernimmt einfach die bisherigen Vorschriften von Art. 62 und 86, Ziff. 4, OG.

Art. 46 betrifft die Zivilrechtsstreitigkeiten über andere Vermögensrecht liehe Ansprüche. Hier ist wie nach dem bisherigen Art. 59, Abs. l, die Berufung nur zulässig, wenn der Streitwert
nach Massgabe der Bechtsbegehren vor der letzten kantonalen Instanz -wenigstens Fr. 4000 beträgt. Für die Berufungsfähigkeit wird also nach wie vor auf den vor der Vorinstanz streitigen Betrag abgestellt. Infolgedessen lässt sich die Berufungsfähigkeit schon von vornherein und nicht erst nach Abschluss des kantonalen Verfahrens feststellen.

Art. 47 regelt die Berechnung der Berufungssumme in den Fällen, wo in einer Klage mehrere Ansprüche geltend gemacht werden oder wo eine Widerklage erhoben wird. Er stimmt mit dem bisherigen Art. 60 überein, immerhin ·wird Abs. l dahin verdeutlicht, dass er sich nur auf vermögensrechtliche Streitigkeiten bezieht. Da nämlich vermögensrechtliehe und nicht vermögensrechtliche Ansprüche ihrer Natur nach inkommensurabel sind, lässt sich zum streitwertfremden nicht vermögensrechtlichen Anspruch nichts «hinzurechnen».

121 Art. 48--50 bestimmen, was für Entscheide in berufungsfähigen Zivilsachen durch Berufung an das Bundesgericht weitergezogen werden können, nämlich bis «u welchem Stadium die Zivilsache vorgerückt sein muss, um Anlass zu diesem Eechtsmittel geben zu können. Dabei sind die beiden Fragen zu beantworten, gegen die Entscheide welcher kantonalen Instanz die Berufung an das Bundesgericht geht und gegen welche Entscheide dieser Instanz in berufungsfähigen Zivilsachen dieses Eechtsmittel eingelegt werden kann.

Nach dem bisherigen Art. 58, Abs. l, ist die Berufung zulässig, wenn ein in der letzten kantonalen Instanz erlassenes Haupturteil vorliegt. Letzte kantonale Instanz ist diejenige, deren Entscheid durch kein ordentliches kantonales Eechtsmittel angefochten werden kann, wie nun in Art. 48, Abs. l, klargestellt wird (in Anlehnung an BGE 63 2 326). In den Fällen, wo ein unteres Gericht, z. B. ein Bezirksgericht, als letzte kantonale Instanz geurteilt hat, findet nach bisherigem Becht die Berufung an das Bundesgericht direkt gegen das Urteil dieses Gerichts statt. Die Kantono Graubünden und Waadt übertragen die Beurteilung ihrer Matrimonialsachen und «Extramatrimonialsachen», Waadt auch dio der Entmündigungssachen, ihren Bezirksgerichten als einziger kantonaler Instanz, schliessen also in diesen Sachen das ordentliche Eechtsmittel an daa Kantonsgericht aus. Diese Ordnung führt zu einer ungerechtfertigten starken Belastung des Bundesgerichts, so liefert der Kanton Waadt durchschnittlich jährlich ca. 30 derartige Geschäfte, insbesondere Ehescheidungssachen. Das Bundesgoricht ist nicht daxni da, damit der Kanton sein gegen Urteile der unteren Gerichte regelmässig gewährtes ordentliches Eechtsmittel im Hinblick darauf unterdrücken könne, dass ja die Berufung an das Bundesgericht offenstehe. Zudem sind bei dieser Übergehung der ordentlichen kantonalen Eechtsmittelinstanz auch die Parteien minderen Eechts, da das Urteil des untern Gerichts auch an ganz andern Mängeln leiden kann, die im bundesgerichtlichen Berufungsverfahren gar nicht überprüft werden können. Der Entwurf lässt eine derartige Übergehung der ordentlichen kantonalen Bochtsmittelinstanz nicht zu. Daher stellt Art. 48, Abs. l, die Eegel auf, dass die Berufung regelmässig nur gegen Entscheide der oberen kantonalen Gerichte oder der sonstigen
oberen kantonalen Spruchbehörden zulässig ist; diese sonstigen Spruchbehörden müssen deshalb erwähnt werden, weil es auch berufungsfähige Zivilsachen gibt, die in einigen Kantonen durch Verwaltungsbehörden entschieden werden. Von der Hegel des Abs. l macht Abs. 2 zwei Ausnahmen, in denen die Berufung an das Bundesgericht direkt gegen Entscheide unterer kantonaler Gerichte geht. Die eine Ausnahme berücksichtigt die Ordnung, wie sie z. B. in Freiburg in Erbteilungssachen besteht, wo die Friedensrichter als erste Instanz entscheiden und ein ordentliches Eochtsmittel an die Bezirksgerichte geht. Hier besteht also auch in diesen Sachen im Kanton eine ordentliche Bechtsmittelinstanz ; der Bund hat keinen Grund, in diese Ordnung einzugreifen, und es stehen da sogar verfassungsrechtliche Gründe einem Eingriff entgegen. Deshalb lässt lit. a des Art. 48, Abs. 2, die Berufung gegen Urteile unterer kantonaler Gerichte zu, wenn diese als letzte, aber nicht

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einzige kantonale Instanz entschieden haben. Lit. b betrifft die Fälle, für die das Bundesrecht eine einzige kantonale Instanz vorschreibt, vgl. z. B. Art. 49 des Patentgesetzes, Art. 33 des Muster- und Modellgesetzes, Art. 29 des Markenschutzgesetzes und Art. 45 des Urheberrechtsgesetzes ; hat ein Kanton ein unteres Gericht als solche bundesrechtlich vorgesehene einzige kantonale Instanz bezeichnet, so geht die Berufung an das Bundesgericht gegen die Entscheidung des unteren Gerichts. Abgesehen von den in lit. a und b angeführten Ausnahmen wird die Berufung nur noch gegen Entscheide der oberen kantonalen Gerichte oder Spruchbehördon zugelassen.

Der Entwurf gibt den Begriff des Haupturteils zugunsten desjenigen des Endurteils auf. Jener knüpft an die materielle, die Hauptstreitfrage an; aber von allem Anfang an hat die Berufung auch zugelassen werden müssen, wenn eia Prozesshindernis, eine peremptorische Einrede das Eintreten auf die materielle Beurteilung verunmöglichte. Ein solches Urteil ist zwar kein Haupturteil (jugement au fond), wohl aber, ebensogut wie das Haupturteil, ein Endurteil.

Nach dem bisherigen Art. 58, Abs. 2, konnten Vor- und Zwischenentscheide erst mit der Berufung gegen das Haupturteil vor Bundesgericht gezogen werden (ausgenommen in Fällen, wo die Anfechtung durch zivilrechtliche Beschwerde nach Art. 87 zu geschehen hatte). Art. 49 und 50 lassen nun die Berufung unmittelbar gegen gewisse selbständige Vor- und Zwischenentscheide zu, und zwar kommen nur solche der oberen kantonalen Spruchbehörden oder in den Fällen von Art. 48, Abs. 2, lit. a und &, solche unterer Gerichte in Frage. Ist in einer berufungsfähigen Sache die Zuständigkeitsfrage vom kantonalen Gericht vorweggenommen und zum Gegenstand eines Entscheides gemacht worden, so soll sie -- gleichviel ob sie bejaht oder verneint worden sei. -- sofort definitiv abgeklärt werden. Art. 49 erreicht dies durch die Zulassung der Berufung gegen selbständige Vor- oder Zwischenentscheide über die Zuständigkeit.

Diese Ordnung hat zwar zur Folge, dass bis zur Beurteilung der Berufung, die ja Suspensiveffekt hat, der kantonale Siebter den Prozess nicht fortsetzen kann ; aber das tut er aus prozessökonomischen Gründen ohnehin nicht, sondern, er wartet das Urteil des Bundesgcrichts ab, wenn einmal sein Entscheid an das Bundesgericht
weitergezogen werden kann und weitergezogen worden ist.

Nehmen die Parteien von der zulässigen Berufung gegen den Zwischenentscheid über die Zuständigkeit Umgang, so können sie die Zuständigkeitsfrage später in der Berufung gegen das Endurteil (Sachurteil) nicht mehr vor Bundesgoricht aufwerten (Art. 48, Abs. 3).

Art. 50 gestattet unter besondern Voraussetzungen die Berufung gegen andere selbständige Vor- und Zwischenentscheide als die über die Zuständigkeit.

FJS ist ein unbefriedigender Zustand, dass es nach geltendem Hecht unter Umständen nicht möglich ist, einen Vorentscheid des Bundesgerichts über den Grund des Klageanspruchs, ja nicht einmal über die jeden Anspruch von vornherein ausschliessende Verjährung zu erwirken, ohne zuvor ein langwieriges und teures Beweisvorfahren über die Höhe des Anspruchs durchgeführt zu haben, das sich als völlig unnütz erweist, wenn dann das Bundesgericht den

123 \ Grund des Anspruchs verneint oder die Verjährungseinrede als begründet erklärt. Dom in zahlreichen Fällen vorhandenen Bedürfnis, vorweg eine endgültige Beurteilung der Vor- oder Zwischenfrage herbeizuführen, trägt Art. 50 Bechnung; allerdings muss die Begrenzung der durch selbständige Berufung weiterziehbaren Zwischenentscheide eng gezogen werden, um von vornherein .jeglichem Missbrauch zu begegnen. Deshalb ist vorgesehen, dass Vor- oder Zwischenentscheide (andere als über die Zuständigkeit) nur ausnahmsweise an das Bundesgericht weitergezogen werden können, und zwar nur wenn die umgekehrte Lösung der ira Entscheid beurteilten Frage das Endvirteil ergibt und wenn ein so bedeutender Aufwand an Zeit und Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahreu erspart werden kann, dass die separate Anrufung des Bundosgerichts gerechtfertigt erscheint. Ob letzteres der Fall sei, ist Ermessenssache; daher muss zur Vermeidung von Missbräuchen das Bundesgericht gogebcnonialls. die Möglichkeit haben, das Eintreten auf die Berufung abzulehnen. Es -entscheidet über das Vorhandensein dieser Voraussetzung ohne öffentliche Beratung und nach freiem Ermessen. Da hier die Möglichkeit der selbständigen Berufung nicht ein für allemal feststeht, sondern letzten Endes vom Ermessen der Berufungsinstanz abhängt, rechtfertigt es sich nicht, die Parteien zu solcher abgesonderter Weiterziehung zu verpflichten. Es steht den Parteien frei, von -der abgesonderten Berufung gegen solche Zwischenentscheide nach Art. 50 abzusehen und sie dann mit der Berufung gegen das Sachurteil vor Bundesgoricht zu bringen; nur dann, wenn die Berufung gegen einen derartigen Zwischenentscheid ergriffen wurde und auch beurteilt worden ist,, kann er nicht mehr in der Berufung gegen das Endurteil wieder aufgegriffen werden (Art. 48, Abs. 3, am Ende, im Gegensatz zur Ordnung, die für Zwischenentscheide über die Zuständigkeit getroffen wird).

Art. 51 über die Anforderungen an das kantonalo Verfahren in borufungsfähigen Zivilsachen lehnt sich an den bisherigen Art. 63 (vgl. ebenfalls den bisherigen Art. 88) an. In lit. a wird bei vermögensrechtlichen Klagen ohne bestimmte Bezifferung einer geforderten Geldsumme allgemein verlangt, nicht nur, dass der Kläger angebe, ob er den Streitwert auf mindestens Fr. 4000 (Berufungsgrenze) oder auf mindestens Fr. 10
000 veranschlage, sondern es wird den kantonalen Instanzen auch die Pflicht auferlegt, den Streitwert festzustellen,, soweit es ohne erhebliche Weiterung möglich ist. Dies wird in den meisten Fällen zutreffen, und dadurch werden sich oftmals bei Beginn des bundesgerichtlichen Verfahrens Zeit und Kosten für die Einholung eines Schätzungsgutachtens ersparen lassen. Die Feststellung der kantonalen Instanz, dass der Streitwert den Betrag von Fr. 10 000 erreicht, ergibt allerdings noch nicht, ob das mündliche B erufungs verfahr en Platz greift, da Art. 62 hiefür a,uf den vor Bundesgericht noch streitigen Wert abstellt. Lit. b stimmt mit, der entsprechenden bisherigen Vorschrift überein. Im neuen zweiten Satz von lit. c wird für den Fall, dass die Beweisführung durch Sachverständige unterbleibt, weil sie dem kantonalen Gericht wegen der besondern Sachkunde einzelner Eichter entbehrlich scheint,' vorgeschrieben, dass über die Voten dieser Kichter

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ein Protokoll aufzunehmen sei (vgl. BGE 59 2 824). Aus lit. d folgt nun insbesondere, dass auch ein selbständiger Zwischenentscheid, um gemäss Art. 49 oder 50 weitergezogen werden zu können., zunächst der schriftlichen Mitteilungsamt Motiven des Entscheides bedarf. Der zweite Satz von lit. d nimmt den letzten Absatz des bisherigen Art. 63 auf, beschränkt ihn aber nicht mehr auf das ordentliche Verfahren, da seit der Kevisiori von 1921 im beschleunigten Verfahren vor Bundesgericht keine verkürzte Eechtsmittelfrist mehr gilt. Die neue lit. e sieht ausdrucklich vor, dass die kantonale Instanz die Akten nicht vor Ablauf der Berufungsfrist zurückgeben darf.

Für den Fall, dass sich der angefochtene Entscheid als formell mangelhaft erweist, (vgl. den bisherigen Art. 64), gibt Art. 52 schon dem Abteilungspräsidenten die Befugnis, Verbesserung zu verlangen, wozu unter Umständen eine blosse Auskunftserteilung genügt. Geht es jedoch nicht ohne Aufhebung des Entscheides ab, so kann diese schon anlässlich der Vorprüfung (Art. 60, Abs. l, ht. V), insbesondere ohne öffentliche Beratung, stattfinden. In diesem Fall ergeht die Bückweisung nicht notwendigerweise zu neuer 'Verhandlung, sofern nämlich, die Neubeurteilung ohne solche möglich ist.

Art. 53 über die Nebenparteien tritt an die Stelle des unklaren bisherigen.

Art. 66. Zunächst wird aktive Teilnahme der .Nebenpartei im Verfahren vor der Vorinstanz als Voraussetzung ihres Berufongsrechts aufgestellt. Ist die Nebenpartei von der Vorinstanz zur Teilnahme zugelassen worden, so ist damit auch entschieden, dass Streitverkündung und Intervention nach dem kantonalen Eecht zulässig waren, und dies ist für das Bundesgericht schlechthin massgebend. Im übrigen aber wird für ihre Bechtsstellung auch im Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht das kantonale Eecht als massgebend erklärt.

Streitverkündung und Nebenintervention erst vor Bundesgericht werden als unzulässig erklärt. Wird bedacht, wie wenig wirksam eine erst jetzt einsetzende Teilnahme des Nebenintervenienten sein kann, so erscheint es ohne weiteresbegründet, dass der Litisdenunziant sich nicht mehr durch solche Streitverkündung in letzter Stunde soll entlasten können. Aber auch der Nebenintervenient, der erst jetzt vom Prozess erfährt, könnte ja jetzt mit seiner Teilnahmesozusagen nichts mehr ausrichten
(vgl. BGE 652 242). Zudem müssten zur Entscheidung über die Statthaftigkeit dieser Vorkehren zunächst noch tatsächliche Weiterungen stattfinden, die das Verfahren vor Bundesgericht doch nur beschweren sollen, wenn zureichende Gründe dafür bestehen, was hier nicht der Fall ist.

Art. 54 (bisher Art. 65) hält an der 20tägigen Berufungsfrist fest und stellt klar, dass diese durch Einlegung eines ausserordentlichen kantonalen Eechtsmittels nicht verlängert wird. Die 20tägige Frist hat sich bisher auch im schriftlichen Verfahren als ausreichend für gründliche Ausarbeitimg erwiesen. Gegen ihre Erweiterung auf 30 Tage in Angleichung an die Beschwerdefristen der Staats- und Verwaltungsrechtspflege spricht namentlich die Erwägung, dass die Berufungsfrist den Eintritt der Eechtskraft hemmt ; auch würde sich im

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Fall ihrer Verlängerung die Frage stellen, ob man dann nicht für das beschleunigte Verfahren eine kürzere Frist vorsehen müsste. Auch an der Einlegung der Berufung bei der kantonalen Stelle, die den angefochtenen Entscheid gefällt hat, hält Art. 54 fest, was wegen der sofortigen zuverlässigen Orientierung der Parteien über den Eintritt oder die weitere Hemmung der Eechtskraft als geboten erscheint. Die gleiche Einlegungsstelle wird -- abweichend vom bisherigen Art. 90 ·-- in Art. 69 auch für die Nichtigkeitsbeschwerde vorgesehen.

In Abs. 2 wird klargestellt, dass die Hemmung der Eechtskraft durch die Be-.

rufung nichts an der Zulässigkeit ausseror deutlicher kantonaler Eechtsmittel ändert, welche die Eechtskraft voraussetzen. Auch wird die Hemmung der Eechtskraft ausdrücklich auf den Umfang der Abänderungsanträge reduziert, sobald diese einmal vorliegen. Ferner sei noch daran erinnert, dass in den .Zivilsachen des bisherigen Art. 86 künftig die Weiterziehung an das Bundesgericht durch Berufung zu geschehen hat (Art. 44, lit. a--c, und 45, lit. V), so dass die Hemmung der Eechtskraft auch für diese Sachen gelten soll (abweichend vom bisherigen Art. 89) ; sachlich bestehen keine Bedenken dagegen.

Art. 55 stellt Vorschriften darüber auf, was die Berufungsschrift enthalten müsse, aber auch was sie enthalten dürfe. Durch lit. a wird der oft übersehene bisherige Art. 67, Abs. 3, über die Streitwertangabe in den Vordergrund gestellt, damit er künftig nicht mehr übersehen werden könne. Die Bestimmung ist unter Berücksichtigung von Art. 51, lit. a, und 62 ergänzt worden. Lit. l verlangt, dass die Berufungsanträge neu formuliert werden müssen. Ausserdem wird die Vorschrift, dass nur solche Berufungsanträge zulässig sind, die sich im Eahmen früher gestellter Parteibegehren halten, an diese Stelle vorgerückt.

Bisher stand sie erst weiter hinten in Art. 80 und wurde infolgedessen von den Parteien oft in dem für sie massgebenden Moment nicht beachtet.

Lit. c führt die Pflicht zu schriftlicher Begründung der Berufung auch in den Fällen ein, in denen eine mündliche Parteiverhandlung stattfindet. Es ist dies ein altes Postulat des Bundesgerichts, dem auch der schweizerische Juristentag von 1935 zugestimmt hat. Die vorgeschlagene Neuerung bringt auch dem Bechtsuchenden wesentliche Vorteile. Denn ein Berufungsverfahren,
in dem die Parteien ihre Gründe für die Anfechtung oder Bestätigung des kantonalen Urteils so rechtzeitig darlegen können, dass die Eichter sie bereits beim Studium des Falles kennen und in Erwägung ziehen können, bietet bessere Garantien für ein gründliches Eingehen auf ihre Darlegungen als das bisherige System, bei dem die Eichter diese erst unmittelbar vor der Urteilsberatung, -also erst in einem Zeitpunkt vernehmen, da die richterliche Überzeugung bereits weitgehend gebildet ist. Es ist denn auch nicht von ungefähr, dass schon jetzt viele Anwälte mit der Berufung eine schriftliche Begründung einreichen.

Gerade auf diese Weise können, atich neue Standpunkte voll zur Geltung kommen, zu denen vielleicht die Betrachtungsweise der Vorinstanz im angefochtenen Urteil erstmals Anlass gibt. Die Ordnung, wonach die Berufung in allen Fällen schriftlich begründet werden muss, bietet auch den Vorteil, dass ein allMliger .Irrtum über die Anwendbarkeit des schriftlichen oder mündlichen Verfahrens,

126 wie er jedes Jahr mindestens ein dutzendmal unterläuft, nicht mehr den Verlust des "Weiterziehungsrechts zur Folge hat. Durch den Zwang zur schriftlichen Begründung wird an der freien rechtlichen NachprüfungdurchdasBündesgericht natürlich nichts geändert; die Eichter berücksichtigen auch andere als die geltend gemachten Bundesrechtsverletzungen, sofern sie auf solche stossen.

Ebensowenig ist ausgeschlossen, dass der Berufungskläger in der mündlichen Verhandlung bei der näheren Entwicklung seiner Angriffspunkte auch solche einflechte, die ihm erst in letzter Stunde eingefallen sind.

In lit. c des Art. 55 wird nicht bloss gesagt, worin die Begründung bestehen, muss, sondern auch worin sie nicht bestehen darf -- - j e nach der gegebenen oder 3'ber fehlenden Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts. Die Kechtsschrift wird von allein. Ballast befreit, der von vornherein unbeachtlich bleiben, muss und es auch bleibt. Es wird darauf gedrungen, dass die Begründung kurz: gefasst werde. Sie soll kein diktiertes Plädoyer sein.

Lit. d betrifft die sogenannte Aktenwidrigkeitsrüge (bisherige Art. 81 und 67, Abs. 2). Die Bestimmung des bisherigen Art. 81, wonach das Bundesgericht ausnahmsweise an die tatsächlichen Feststellungen des kantonalen Urteils nicht gebunden ist, soweit sie mit dem Inhalt der Akten in "Widerspruch stehen, ist dazu da, damit, falls im kantonalen Urteil bei der Feststellung eines nach dem Bundesrecht zu beurteilenden Tatbestandes ein Versehen unterlaufen ist, das Bundesgericht nicht in die Lage gedrängt sei, seinem Urteil eine derartige fehlerhafte Feststellung zugrunde zu legen. Diese Bestimmung wird aber vielfach imssbräuchlich benützt, um irgendwie unbequeme Tatsachenfeststellungen des kantonalen Urteils vor Bundesgericht als aktenwidrig anzugreifen. Solche Anfechtungen sind fast ausnahmslos unbegründet, zum grossen.

Teil sind sie missbräuchliche Versuche, das Bundesgericht zu einer ihm nicht zustehenden neuen Feststellung des Tatbestandes zu veranlassen. Nur ganz, selten kommt das Bundesgericht in den Fall, eine erhebliche tatsächliche Feststellung der Vorinstanz berichtigen zu müssen. Eine Aktenwidrigkeit im Sinne des bisherigen Art. 81 liegt nur vor, wenn eine für die rechtliche Entscheidimg des Falles bedeutsame tatsächliche Annahme der kantonalen Instanz mit einem ganz
bestimmten Aktenstück in unverträglichem Widerspruch steht. Feststellungen des kantonalen Urteils, die auf.einer, wenn auch vorweggenommenen,.

Würdigung der Beweismittel oder Indizien beruhen, können nicht als aktenwidrig angefochten werden (vgl. das Kreisschreiben des Bimdesgerichts vom.

27. Februar 1937, B GB 63 2 39). Der bisherige Ausdruck «aktenwidrige Feststellungen» ist irreführend, weil er beim Eechtsuchenden die Vorstellung erwecken kann, es könne jede unrichtige Beweiswürdigung gerügt werden. Deshalb ersetzt ihn der Entwurf durch die den Sinn der Bestimmung deutlicher ausdrückende Bezeichnung «offensichtlich auf Versehen beruhende Feststellungen». Zugleich wird verdeutlicht, dass es sich um eine Feststellung handeln muss, die für die dem Bundesgericht obliegende Anwendung des Bundesrechts (Art. 48) von Bedeutung ist. Art. 63, Abs. 2, sieht vor, dass das Bundesgericht, falls es auf derartige Tatsachenfeststellungen stösst, die offensichtlich

127 auf Versehen beruhen, sie von Amtes wegen berichtigt. Lit. d von Art. 55 gibt dem Berufungskläger Gelegenheit, in der Berufungsschrift auf allfällige derartige versehentliche Feststellungen aufmerksam zu machen (der Berufungsbeklagte kann dies nach Art. 61, Abs. l, in seiner Antwort tun).

Gemäss lit, e ist in der Berufungsscbrift auch ein allfälliges Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege anzubringen.

Entspricht die Begründung nicht den gemäss Abs. l an sie zu stellenden formellen Anforderungen, so gibt Abs. 2 Gelegenheit zur nachträglichen Verbesserung.

Art. 56 (Mitteilung, Akteneinsendung) ersetzt den bisherigen Art. 68.

Die Frist zur Einsendung der Akten an das Bundesgericht wird auf eine Woche festgesetzt. Kommt eine Vernehmlassung der kantonalen Sprachbehördo in Frage, die ihr z. B. auch bei Aktenwidrigkeitsrügen in Zivilrechtsstreitigkeiten nicht verwehrt werden kann, so wird diese Frist auch hiefür ausreichen; sie soll zur Vermeidung von Zeitverlust auch hiefür benützt werden. Nötigenfalls mag bei dieser Gelegenheit eine besondere Fristansetzung dafür verlangt worden.

Bei der Einsendung der Akten hat die kantonale Instanz dem Bundesgericht auch die Daten der Zustellung des angefochtenen Entscheides, des Einganges oder der Postaufgabe der Berufung und der Kenntüisgabe an die Gegenpartei mitzuteilen.

Art. 57 nimmt in Abs. l die Vorschrift des bisherigen Art. 77 über die Aussetzung der Beurteilung der Berufung im Falle, dass gegen den angefochtenen Entscheid ein ausserordentliches kantonales Bcchtsmittel anhängig ist, auf.

In diesem Fall unterbleibt inzwischen die Einsendung der Akten des kantonalen Verfahrens an das Bundesgericht (bisher konnte sie unterbleiben). Neu sind Abs. 2--5. Falls zwar noch kein Bevisionsgesuch bei den kantonalen Behörden gestellt ist, sondern erst ein Strafverfahren schwebt, soweit ein solches Voraussetzung der Bevision ist, kann die Aussetzung des Berui'ungsverfahrens unter Umständen ebenfalls gerechtfertigt sein; deshalb sieht Abs. 2 in derartigen Fällen' die Möglichkeit der Sistierung vor. Bisher hatte die Aussetzung des Berufungsverfahrens bloss den Zweck, zunächst abzuwarten, ob das angefochtene Urteil nicht infolge Gutheissung des ausserordentlichen kantonalen Bechtsmittels aufgehoben -\verde, in welchem Falle die Berufung gegenstandslos
wurde. Es erweckt jedoch keine Bedenken (vgl. BGE 632 183/184), vorzuschreiben, die Akten und der Entscheid in einem kantonalen Bevisionsverfahren, sofern er auf einlässliche, materielle Abweisung lautet, seien vom Bundesgericht bei seiner Beurteilung mitzuberücksichtigen (Abs. 3 und 4). Ist neben der Berufung eine staatsrechtliche Beschwerde anhängig, so ist regehnässig die Aussetzung der Beurteilung der Berufung geboten (Abs. 5).

Art. S8 über die einstweiligen Verfügungen stimmt mit dem bisherigen Art. 78 überein.

Art. 59 erset/t den bisherigen Art. 70. Die Frist für die Anschlussberufung bleibt auf 10 Tage bemessen, weil sie nur zur Stellung der Anträge gesetzt wird,

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damit das Gericht so rasch als möglich -- insbesondere im eigenen Interesse des Berufungsbeklagten -- darüber orientiert werde, ob bei der Vorprüfung auch eine Alischlussberufung zu berücksichtigen sei. Die schriftliche Begründung der Anschlussberufung wird erst in Verbindung mit der Antwort auf die Hauptberufung eingereicht. Auf diese Weise wird die bisherige Inkongruenz beseitigt, dags diese Bechtsvorkehren nicht miteinander verbunden werden konnten.

Art, 60 regelt die Vorprüfung. Nach dem bisherigen Art. 71 hatte der Abteilungspräsident vor allem die Zulässigfceit der Berufung zu prüfen; stellte sich diese sofort als unzulässig dar, so legte er die Akten dem Gericht mit dem Antrag auf Nichteintreten vor, während andernfalls ein Eeferent oder Instruktionsrichter bezeichnet wurde. In Übereinstimmung mit Art. 2 des BB vom 11. Dezember 1941 über vorläufige Änderungen in der Bundesrechtspflege dehnt Art. 60 des Entwurfs die Vorprüfung auf alle Fälle aus, wo es gar nicht oder doch nicht zu einer umfassenden einlässlichen Beurteilung der Sache kommen kann (Abs. 1). Hieher gehören die Fälle des Nichteintretens wegen Unzulässigkeit der Berufung, wobei der Fall, dass Entscheidungsgründe des kantonalen oder ausländischen Eechts unter allen Umständen ausschlaggebend sind, ausdrücklich erwähnt wird. Ferner soll die Behebung von Mängeln der Akten oder des angefochtenen Urteils, die gemäss Art. 52 durch Aufhebung des Urteils und Bückweisung an die kantonale Instanz veranlagst wird oder die, sofern sie nicht schon durch den Abteilungspräsidenten verfügt wurde, zur Verbesserung in der kantonalen Instanz angeordnet wird, im Vorprüfungsverfahren geschehen. Dasselbe gilt auch für die Aufhebung des Urteils und Bückweisung an die kantonale Instanz zu.neuer Beurteilung in den Fällen, wo die ganz oder teilweise nach Bundesrecht entschiedene Sache ausschliesslich nach kantonalem oder ausländischem Becht zu beurteilen ist (vgl. den bisherigen Art. 79, Abs. 2). Ausserdem kann nach Abs. 2 im Vorprüfungsverfahren eine aussichtslose Berufung abgewiesen werden, wenn diese ohne irgendwelchen Zweifel als unbegründet befanden wird. Eine besondere Garantie liegt in der sowohl in Abs. l wie in Abs. 2 geforderten Einstimmigkeit. Die Voraussetzungen einer Erledigung im Vorprüfungsverfahren sind derart eng umschrieben, dass keinerlei
sachliche Bedenken dagegen vorgebracht werden können. Die Vereinfachung des Verfahrens ermöglicht es, ganz aussichtslose Berufungen ohne unverhältnismässigen Aufwand und ohne öffentliche Gerichtsberatung zu erledigen.

Führt die Vorprüfung nicht zur. Erledigung der Berufung, so wird die Berufungsschrift gemäss Art. 61 dem Berufungsbeklagten mitgeteilt, der binnen 20 Tagen eine schriftliche Antwort einreichen kann. Im bisherigen Art. 70 war die Antwortfrist auf bloss 10 Tage bemessen, was als zu kurz erscheint. Die schriftliche Begründung der Anschluss berufung ist mit der Antwort auf die Hauptberufung zu verbinden. An der schriftlichen Antwort als solcher ist weniger die Widerlegung der Berufungsgründe von Belang, soweit sie sich bereits im angefochtenen Entscheid findet, als vielmehr der Hinweis auf allfällige andere Gründe, die, selbst wenn die Berufungsgründe gebilligt werden sollten, doch der

129 Abänderung des angefochtenen Entscheides entgegenstehen. Darum kann die Antwortschrift als solche fakultativ erklärt werden, Eeicht der Berufungsbeklagte keine solche ein, so verwirkt er immerhin das Eecht zum mündlichen Vortrag für den Fall, dass der Berufungskläger spätestens 10 Tage vor der angesetzten Verhandlung erklärt, auf den mündlichen Vortrag zu verzichten.

Die Bestimmungen über den zulässigen Inhalt der schriftlichen Antwort entsprechen denjenigen über den Inhalt der Berufungsschrift.

Wie aus Art. 60 hervorgeht, kann das Bundesgericht schon während des Vorprüfungsverfahrens die Antwort des Berufungsbeklagten einholen, wenn die Umstände dies als angezeigt erscheinen lassen.

Art. 62 regelt die mündliche Parteiverhandlung. ' Nach dem bisherigen Art. 71, Abs. 3, findet eine solche statt, wenn der vor der Vorinstanz streitige Wert wenigstens Fr. 8000 beträgt oder die Streitsache ihrer Natur nach keiner vermögensrechtlichen Schätzung unterliegt. Bei geringerem Streitwert kann das Bundesgericht nach dem bisherigen Art. 73, Abs. 2, von Amtes wegen eine mündliche Verhandlung anordnen. Mit Bezug auf die Fälle, in denen die Weiterziehung nach bisherigem Eecht durch zivilrechtliche Beschwerde geschah, nach dem Entwurf aber durch Berufung zu geschehen hat, ist zu bemerken, dass die zivilrechtliche Beschwerde ohne mündliche Parteiverhandlung beurteilt wird (Art. 92 OG). Nebenbei sei darauf hingewiesen, dass das Bundesgericht zurzeit ermächtigt ist, auch in Fällen, für die das Gesetz das mündliche Berufungsverfahren vorschreibt, das schriftliche Verfahren anzuordnen und von einer mündlichen Parteiverhandlung Umgang zu nehmen, wenn eine solche als entbehrlich erscheint; dies ist aber bloss eine vorübergehende Massnahme für die Geltungsdauer des auf den ausserordentlichen Vollmachten beruhenden EBB vom 17. Oktober 1939 (A. S. 55, 1130).

Nach dem Entwurf kommen die Fälle, die im Vorprüfungsverfahren nach Art. 60 erledigt werden, für das mündliche Verfahren nicht in Betracht. Hievon abgesehen findet nach Art. 62, gleichviel ob die Berufung gegen einen Endentscheid (Art. 48) oder gegen einen Zwischenentscheid nach Art. SO gerichtet ist, eine mündliche Parteiverhandlung statt: 1. in allen nicht vermögensrechtlichen Zivilrechtsstreitigkeiten (Art. 44 am Eingang); 2, in den vermögensrechtlichen
Zivilrechtsstreitigkeiten (Art. 45, Ut. a, und 46), sofern der vor Bundesgericht noch streitige Wert wenigstens Fr. 10 000 beträgt.

In den übrigen Fällen stellt Art. 62 die Anberaumung einer mündlichen Parteiverhandlung in das freie Ermessen des Bundesgerichts, nämlich: 1. in vermögensrechtlichen Streitigkeiten (Art. 45, ht. a, und 46) mit einem vor Bundesgericht noch streitigen Wert von weniger als Fr. 10000; 2. bei Berufungen gegen Zwischenentscheide über die Zuständigkeit (Art. 49) ; 8. in den Zivilsachen, die nicht Zivilrechtsstreitigkeiten sind, d. h. in den in Art. 44, lit. o--c, und 45, lit. fc, aufgezählten Zivilsachen.

Bundesblatt. 95. Jahrg. Bd. I.

10

130 Für vermögensrechtliche Zivilstreitigkeiten wird somit in betreff der mündlichen Verhandlung eine andere Abgrenzung getroffen als bisher. Das Verfahren vor dem Bundesgericht soll dem noch vorhandenen Streitwert angepasst werden. Es soll nicht mehr vorkommen, dass wegen einer noch streitigen Bagatelle eine mündliche Verhandlung vor Bundesgericht mit ihrem erhöhten Aufwand an Zeit und Kosten stattfinden muss. Aufwand und Kosten sollen in einem vernünftigen Verhältnis stehen zu dem, was vor Bundesgericht noch streitig ist. Art. 62 stellt daher nicht auf den für die Berufungsfähigkeit massgebenden Wert ab, der in der kantonalen Instanz noch streitig war, sondern berücksichtigt nur den vor dem Bundesgericht streitig gebliebenen Wert, nämlich die Differenz zwischen den zulässigen Berufungsanträgen und dem angefochtenen Urteil oder den Anschlussberufungsanträgen. Es dürfte am Platze sein, die für die mündliche Parteiverhandlung erforderliche Wertdifferenz auf Fr. 10 000 anzusetzen.

Abs. 8--5 des Art. 62 entsprechen dem bisherigen Art. 74. Abs. 6 war im.bisherigen Art. 73, Abs. l, enthalten. Der bisherige Art. 76 über das Kosten-.

Verzeichnis ist für das Berufungsverfahren entbehrlich.

Art, 63 über den Umfang der Nachprüfung im allgemeinen entspricht dem bisherigen Art. 79, Abs. 3, und 81. In bezug auf die Berichtigung von offensichtlich auf Versehen beruhenden Tatsachenfeststellungen durch das Bundesgericht von Amtes wegen verweisen wir auf die Ausführungen zu Art. 55, ht. d.

Art. 64 regelt den Fall, dass der kantonale Tatbestand der Vervollständigung bedarf. Der bisherige Art. 82 stellt darauf ab, ob die neuen Feststellungen auf Grund der vorhandenen Akten geschehen können oder aber eine Aktenergänzung nötig machen. Im ersteren Falle nimmt das Bundesgericht die neuen Feststellungen selbst vor, während es im letzteren Falle mit rechtlicher Begründung das angefochtene Urteil aufhebt und die Sache zur Aktenvervollständigung und zu neuer Entscheidung an das kantonale Gericht zurückweist. Gegen die Ordnung, wonach das Bundesgericht die neuen Feststellungen selbst vornimmt, sofern dies auf Grund der vorhandenen Akten möglich ist, wird eingewendet, dass solche Feststellungen eine Beweiswürdigung erfordern können, für die richtigerweise das kantonale Becht nicht ausser acht gelassen werden dürfe, sowie
dass die Parteien keine Gelegenheit haben, sich zu den neuen Tatsachenfeststellungen zu äussern, die das Bundesgericht selbst vornimmt. Diesen Bedenken lässt sich eine gewisse Berechtigung nicht absprechen. Anderseits ist die bisherige .Ordnung geeignet, Bückweisungen mögliehst zu vermeiden. Häufig hat man es nur noch mit Kleinigkeiten zu tun., deretwegen eine Bückweisung mit den damit für die Parteien verbundenen Umtrieben und Kosten sich nicht rechtfertigen lässt. Deshalb gelangt Art. 64 zur Lösung, dass nur dann, wenn der Tatbestand der Vervollständigung in bloss nebensächlichen Punkten bedarf, das Bundesgericht die notwendigen neuen Feststellungen selbst vornehmen soll, sofern dies auf Grund der vorhandenen Akten möglich ist. In den übrigen Fällen hat das Bundesgericht mit rechtlicher Begründung das angefochtene

131 Urteil aufzuheben und die Sache zu allfälliger Aktenergänzung und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Art. 65 stimmt mit dem bisherigen Art. 83 überein.

Art. 66 über die Wirkung der Bückweisung ergänzt die im bisherigen Art. 84 enthaltene Vorschrift, indem er eine alte Streitfrage über den zulässigen Umfang der neuen Verhandlung vor der kantonalen Instanz zugunsten der Massgeblichkeit des kantonalen Prozessrechts entscheidet und indem er die Berufung gegen den auf das Bückweisungsurteil hin gefällten neuen kantonalen Entscheid (entgegen der bisherigen Bechtsprechung) schlechthin einräumt, ungeachtet allfälliger Beduktiori des Streitwerts unter die Berufungssumme. Durch letztere Bestimmung wird volle Gewähr für die Bindung der Vorinstanz an die rechtliche Begründung des Bückweisungsentscheides geboten.

Art. 67 führt für Patentprozesse eine neue Bestimmung ein. Die Berufung an das Bundesgericht wird seit vielen Jahren als ein für Patentprozesse unzulängliches Rechtsmittel bezeichnet. Blosse Beschreibungen und selbst Zeichnungen und Modelle taugen nicht immer zur Vermittlung einer klaren Vorstellung über das Wesen der Erfindung, die doch erste Voraussetzung einer zutreffenden rechtlichen Beurteilung ist. Art. 67 gibt nun der Berufungsinstanz die Möglichkeit, sich das Verständnis des Tatbestandes durch Augenschein zu erleichtern und zu diesem Zwecke den Sachverständigen der Vorinstanz oder erforderlichenfalls einen neuen Sachverständigen beizuziehen. Hingegen bleibt die Beweiswürdigung Sache des kantonalen Bichters; das Bundesgericht kann nicht zum Appellationsgericht werden. Einem andern Wunsche der interessierten Kreise, als Voraussetzung der Anrufung des Bundesgerichts sei nicht ein Haupturteil auch über die Höhe des Schadenersatzes zu verlangen, trägt bereits Art. 50 Bechnung.

3. Das Bundesgerieht als Besehwerdeinstanz (Art. 68--74), Für die Nichtigkeitsbeschwerde verbleiben nach ihrer neuen Abgrenzung gegenüber der Berufung nur noch die Fälle der bisherigen zivilrechtlichen Beschwerde nach Art. 87 OG, und zwar beschränkt auf diejenigen Zivilsachen, die in keinem Stadium berufungsfähig sind. Zulässig ist die Nichtigkeitsbeschwerde gegen Entscheide -- gleichviel ob End- oder. Vor- oder Zwischenentscheide -- der letzten kantonalen Instanz. Das sind solche Entscheide,
die nicht durch ein ordentliches kantonales Bechtsmittel angefochten werden können. Mit der Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht kann aber nicht jegliche Verletzung von Bundesrecht gerügt werden, sondern die Anfechtung ist auf bestimmte in Art. 68, lit. a und b, umschriebene Verletzungen von Bundesrecht beschränkt.

Nach der Ziff. l des bisherigen Art. 87 war die zivilrechtliche Beschwerde gegeben «wegen Anwendung kantonalen oder ausländischen anstatt eidgenössischen Bechts». Das Bundesgericht ist in seinem Urteil BGE 481 233 vom 5. Mai 1922 dazu gelangt, die Beschwerde auch im umgekehrten Fall, nämlich wegen Anwendung eidgenössischen statt kantonalen Bechts zuzulassen, und es

132 hat an dieser Praxis seither festgehalten (vgl. 50 2 413 und 60 z 26). Der Entwurf lässt dio "Nichtigkeitsbeschwerde wegen Anwendung eidgenössischen statt kantonalen Eechts nicht zu. Mochte vielleicht früher ein gewisses Bedürfnis bestehen, dass auch in derartigen Fällen die zivilrechtliche Beschwerde offenstehe, so ist nunmehr doch kein solches Bedürfnis vorhanden. Es ist zu beachten, dass die zivilrechtlichen Beschwerden wegen Anwendung eidgenössischen statt kantonalen Eechts oft Gerichtsstandsfragen betrafen; seitdem das VDG von 1928 den Art. 87 0G durch eine Ziff. 3 ergänzt hat, ist wegen Verletzung von Gerichtsstandsbestimmungen des eidgenössischen Bechts ohnehin die zivilrechtliche Beschwerde offengestanden. Dazu kommt, dass nach dem Entwurf die Nichtigkeitsbeschwerde sich ja nur noch auf nichtberufungsfähige Sachen erstreckt. Es ist schwerlich einzusehen, wieso es Aufgabe des Bundes sein sollte, für die Wahrung des kantonalen an Stelle des zu Unrecht angewendeten eidgenössischen Eechts in nicbtberufungsfähigen Sachen besorgt zu sein, statt den Kantonen selbst die Wahrung ihres Eechts zu überlassen. Um zum Ausdruck zu bringen, dass wegen Anwendung eidgenössischen statt kantonalen Eechts die Nichtigkeitsbeschwerde nicht zulässig ist, übernimmt lit. a des Art. 68 nicht den Wortlaut des bisherigen Art. 87, Ziff. l, sondern sie lehnt sich an den ursprünglichen, bis zur Novelle von 1911 in Kraft gewesenen Text von Art, 89 OG an, wonach die Kassation beim Bundesgericht verlangt werden konnte, «wenn das kantonale Gericht statt des eidgenössischen kantonales oder ausländisches Eecht zur Anwendung gebracht hat». Wie das Bundesgericht in BGE 20 78 'festgestellt hatte, war. nach dem klaren Wortlaut dieser Gesetzesbestimmung das Eechtsmittel nicht zur Sicherung der richtigen Anwendung des eidgenössischen Privatrechts, sondern lediglich dazu bestimmt, die Anwendung kantonalen oder ausländischen Eechts zu verhindern, wo eidgenössisches Eecht zur Anwendung kommt. Nur diese Funktion der Wahrung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts auf dem Gebiete des Zivilrechts (oder der Wahrung des massgebenden Bundesrechts gegenüber dem Auslandsrecht) kommt, der Nichtigkeitsbeschwerde zu, wenn sie auf Grund von lit. a des Art. 68 erhoben wird. Sie it,t nicht gegeben, wenn Bundesrecht da angewendet worden ist,
wo richtigerweise kantonales oder ausländisches Eecht massgebend ist.

Lit. 'b des Art. 68 ersetzt die bisherige Ziff. 3 von Art. 87. Der bisherige Ausdruck « Gerichtsstandsbestimmungen des eidgenössischen Eechts» war zu eng, weil nicht nur die örtliche Zuständigkeit gemeint ist, sondern auch die sachliche, ja die «Gerichtsbarkeit» überhaupt, und zwar nicht nur im Verhältnis zu andern Gerichten, sondern allgemein von Behörden aller Art. Lit, fc stellt dies klar, indem sie allgemein von Vorschriften über die sachliche oder örtliche Zuständigkeit der Behörden spricht. Ferner wird verdeutlicht, dass dazu auch die Zuständigkeitsvorschriften der Staatsverträge des Bundes gehören (vgl. in Art. 43 die entsprechende Bestimmung bezüglich der Berufung). Endlich wird die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 59 BV ausdrücklich vorbehalten. Wie bei der Berufung, gilt auch bei der Nichtigkeitsbeschwerde der . Grundsatz, dass selbständige

133

Entscheide über die Zuständigkeit, die unangefochten gelassen wurden, nicht mehr später zusammen mit dem Endentscheid angefochten werden können.

Die im bisherigen Art. 87, Ziff. 2, vorgesohene zivilrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Bestimmungen des B G vom 25. Juni 1891 über die zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter wird fallen gelassen. Es besteht kein Grund mehr, warum dieses Gesetz vor den übrigen Gesetzen dadurch privilegiert bleiben sollte, dass. der Bund seine richtige Anwendung sogar in Bagatellfallen kontrolliert.

Art. 69 tritt an die Stelle des bisherigen Art. 90, der aber die Beschwerde. frist gleich der Berufungsfrist von der schriftlichen Mitteilung des kantonalen Entscheides an laufen Hess, für dessen Abfassung der bisherige Art. 88 besondere Kegeln aufgestellt hat. Dies trägt dem Umstand nicht Bechnung, dass die Frage der Anwendung des einen oder andern Eechts oder einer bundesrechtlichen Vorschrift über die Zuständigkeit im kantonalen Verfahren gar nicht Gegenstand der Erörterung gewesen zu sein braucht, so dass der Bichter, wenn das Verfahren mündlich war, mit mündlicher Urteilseröffnung, gar keine Veranlassung hatte, im Hinblick auf eine zivilrechtliche Beschwerde Verfahren und Urteilseröffnung nach Vorschrift von Art. 88 und 90 zu gestalten. Hat er aber seinen Entscheid mündlich eröffnet, so setzt die Beschwerdefrist nicht ein; die Beschwerde ist also praktisch unbefristet. Darum bleibt nur übrig, wie bei der staatsrechtlichen Beschwerde die Frist von der nach dem kantonalen Kecht massgebenden Eröffnung des Entscheides an laufen zu lassen. Immerhin ist wie dort der Fall vorzubehalten, dass nachträglich von Amtes wegen schriftliche Eutscheidungsgründe zugestellt werden. Geschieht es nicht, so werden die Gründe der angefochtenen Entscheidung der Vernehmlassung des Bichters zu entnehmen sein, auf die hin nötigenfalls Gelegenheit zur Ergänzung der Beschwerde zu geben ist (Art. 72, Abs. 4).

Als Einlegungsstelle wird -- abweichend vom bisherigen Art. 90 -- die Behörde bezeichnet, die den angefochtenen Entscheid gefällt hat. Damit wird Übereinstimmung mit der entsprechenden Vorschrift bei der Berufung hergestellt.

Art. 70 über die Eechtskraft und Vollziehbarkeit entspricht dem bisherigen Art. 89, Es wird ausdrücklich beigefügt, dass eine
Sistierungsverfügung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden kann. Art. 71 stellt präzisere Vorschriften über den Inhalt der Beschwerdeschrift auf (vgl. den Schluss des bisherigen Art. 90). Art. 72 ersetzt den bisherigen Art. 91 und baut die Vorschriften über das Verfahren aus. Sein Abs. 2 führt auch hier die Möglichkeit ein, im Vorprüfungsverfahren einstimmig als unzulässig oder unbegründet befundene Beschwerden ohne öffentliche Beratung zu erledigen. Art. 73 über den Entscheid nimmt in Abs. l den bisherigen Art. 92 auf. Sein Abs. 2 ersetzt den bisherigen Art. 93, Abs. 2. Wird die Nichtigkeitsbeschwerde als begründet erklärt, so wird im Falle des Art. 68, lit. a, die Sache immer zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen, im Falle der lit. b von Art. 68

134 * kann das Bandesgericht von einer Bückweisung absehen und selbst über die Gerichtsstandsfrage entscheiden, sofern diese spruchreif ist. Art. 74 über die ergänzende sinngemässe Anwendung der Vorschriften, die für die Berufung gelten, stimmt mit dem bisherigen Art. 94 überein.

III. Rechtspflege in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen.

(Art. 75--82.)

Art. 19 SchKG hat die Weiterziehung gesetzwidriger Entscheide der kantonalen Aufsichtsbehörden über Schuldbetreibung und Konkurs an das Bundesgericht binnen 10 Tagen seit der Mitteilung, sowie die jederzeit mögliche Be-schwerde gegen diese Behörden wegen Bechtsverweigerung und Bechtsver-.

zögerung vorgesehen. Über das Verfahren beim Bundesgericht enthält das OG nur den Art. 196Ws, der die für das staatsrechtliche Bekursverfahren geltenden Art. 183--187 mit einzelnen Ausnahmen als entsprechend anwendbar erklärt.

Näher geregelt ist das Verfahren durch die Verordnung des Bundesgerichts vom 3. November 1910 über die Beschwerdeführung in Schuldbetreibungsund Konkurssachen (A. B. 36, 1121).

Die nötigen wesentlichen Verfahrensbestimmungen sollen nun im neuen OG selbst aufgestellt werden; dadurch wird es möglich, in Art. 169 die bundesgerichtliche Verordnung aufzuheben. Wie diese beschränkt sich der Entwurf auf Vorschriften über das Verfahren beim Bundesgericht (Art. 78---82) sowie auf solche, die eigentlich Voraussetzungen für dieses Verfahren sind (Art. 75 bis 77). Der Entwurf übernimmt die Verordnungsvorschriften, die sich bewährt haben, und braucht deshalb nur an gewissen Einzelheiten Änderungen anzubringen.

Art. 75 gibt im wesentlichen die Art. l und 2 der Verordnung wieder.

Art. 76 entspricht dem ersten Satz von Art. 5 der Verordnung. Als Einlegungsstelle für die Weiterziehungen wird in Art. 78 wie bis anhin die kantonale Aufsichtsbehörde bezeichnet. Die Erist, innerhalb der sie die Akten -- und zwar auch die der allfälligen unteren Aufsichtsbehörde -- zurückbehalten soll, wird auf die drei auf den Ablauf der Beschwerdefrist folgenden Werktage ausgedehnt.

Da nämlich die kantonale Aufsichtsbehörde von Weiterziehungen, die unrichtigerweise direkt beim Bundesgericht eingereicht werden, in der Begel erst 1--2 Tage nach Ablauf der Beschwerdefrist etwas erfährt, ist es geboten, die Herausgabe der Akten solange hinauszuschieben.

Art. 77 ersetzt den Art. 3 der Verordnung, schreibt immerhin nicht mehr vor, dass die Zustellung des motivierten Entscheides gebührenfrei erfolgen müsse. Die neue Verweisung auf Art. 51, lit. b und c, erscheint als nötig, obwohl sie angesichts des in den meisten Kantonen geltenden schriftlichen
Beschwerdcverfahrens und des Umstandes, dass zur Abklärung bestrittener Behauptungen verhältnismässig selten auf andere Auskunftspersonen als die Parteien und das Amt gegriffen werden muss, nur in wenigen Fällen praktische Bedeutung erlangt.

135 Art. 7S und 79 entsprechen dem Art. 6 der Verordnung. Die Vorschrift über die Einlegung der Weiterziehung beim judex a quo kann hier -- im Gegensatz zur entsprechenden Eegelung für andere Bechtsmittel, die ausschliesslich und eindeutig nur im OG geordnet sind -- bloss den Charakter einer Ordnungsvorschrift haben. Die neuere Rechtsprechung hat es als zu rigoros empfunden, an deren Nichtbeachtung die Unwirksamkeit der Weiterziehung zu knüpfen, da der Wortlaut von Art. 19 SchKG den Eechtsuchenden zur direkten Einreichung beim Bundesgericht verleiten kann. Die Bestimmungen über die Beschwerdeschrift werden präzisiert durch das Erfordernis eines bestimmten Antrages und durch Angabe der Art der zulässigen und tauglichen Begründung.

Dass zum Zwecke der Begründung einfach auf die Eingaben an die Vorinstanzen Bezug genommen werden könne, entspricht dem Zwecke des Begründungszwanges regelmässig nicht, zumal da mit dem Bekurs vor Bundesgericht oft nur ein Teil der Beschwerdepunkte wieder aufgenommen wird. Wie bei der Berufung sind nova regelmässig -- wenn die Anhörung im kantonalen Verfahren nicht vernachlässigt wird --· auszuschliessen, was die Bechtsprechung längst getan hat.

Vom Art. 80 entspricht Abs. l den Art. 7 und 5 (Schlußsatz) der Verordnung und Abs. 2 ihrem Art. 8.

Art. 81 stimmt mit dem bisherigen Art. 196bls OG darin überein, dass die Einholung von Vernehmlassungen dem Bundesgericht freigestellt ist. Hingegen verweist er mit Bezug auf das Verfahren der Weiterziehung auf weitere Bestimmungen des Abschnittes über die Berufung. Dass auch noch im bundesgerichtlichen Verfahren neue Akten aus dem Betreibungs-, Konkurs- oder allfälligen Nachlassverfahren beigezogen werden können, entspricht der Natur der Sache und ständiger Bechtsprechung.

Eür Eechtsverweigerungs- und Eechtsverzögerungsbeschwerden ·-- Art. 82 ·-- erscheint dagegen das für staatsrechtliche Eekurse geltende Instruktionsverfahren als passend.

IV. Staatsrechtspflege durch das Bandesgericht.

.

.

' ·

(Art. 83--96.)

Diesem Abschnitt ist äusserlich die grösste Umgestaltung zuteil geworden.

Die bisher ziemlich systemlos aneinander gereihten Vorschriften über die staatsrechtliche Gerichtsbarkeit des Bundesgerichts sind neu gruppiert worden.

Zugleich sind sie, soweit es im Interesse der Bechtssicherheit als unerlässlich erscheint, in Anlehnung an die bisherigen Ergebnisse der Bechtsprechung ergänzt worden. Es muss darauf Bedacht genommen werden, im neuen OG die staatsrechtliche Beschwerde -- entsprechend ihrer hervorragenden Bedeutung für die Eechtsentwicklung und für die Garantie der Ereibeitsrechte -- in einer auch für den Eechtsuchenden möglichst durchsichtigen Weise zu regeln

136

und einige durch die Praxis ausgebildete wichtigere Grundsätze aufzunehmen,die im bisherigen Gesetzcstext nicht ausgesprochen waren. Dadurch können dem Eechtsuchenden manche Irrtümer, Enttäuschungen und Forumsverschlüsse erspart werden.

Der Entwurf ist einem Vorschlage nicht gefolgt, wonach der staatsrechtliche Eekurs aus Art. 4 BV nicht mehr wegen willkürlicher Anwendung des Zivilrechts, Strafrechts, Zivil- und Strafprozessrechts und Schuldbetreibungsund Konkursrechts zugelassen würde. Eine solche Einschränkung des Willkürrekurses -- einer seit mehr als 60 Jahren eingelebten Bechtsschutzeinrichtung -- rechtfertigt sich nicht und würde auf einen empfindlichen Abbau des bis anhin bestehenden Rechtsschutzes hinauslaufen. Gewiss wird von den staatsrechtlichen Beschwerden, mit denen eine materielle Bechtsverweigerung in den erwähnten Bechtsgebieten behauptet wird, bloss ein geringer Prozentsatz gutgeheissen. Es kommt aber vor, dass elementarste Bechtsgrundsätze missachtet wurden, und derartige krasse Fälle werden so korrigiert. Dazu kommt, dass dieser Beschwerdemöglichkeit eine bedeutende vorbeugende Wirkung zukommt ; die Verhütung willkürlicher Entscheidung ist nicht weniger wichtig als die nachträgliche Korrektur. Allerdings wird der Willkürrekurs häufig raissbräuchlich benützt ; dem ist aber durch andere Mittel zu begegnen. Aussichtslose Bekurse sollen ohne unverhältnismässigen Aufwand in einfachem Verfahren erledigt werden; dies kann nach Art. 92 durch einen Dreierausschuss der Staats- und verwaltungsrechtlichen Abteilung im Vorprüfungsverfahren geschehen. Ferner kann das Bundesgericht Trölerei und andere Missbräuche durch eine strenge Handhabung der Kostenvorschriften sowie allenfalls auf Grund von Art. 31 durch Ordnungsbussen eindämmen; zudem kann die Pf hebt zur Sicherstellung der Kosten (Art. 150) ebenfalls in diesem Sinne wirken.

Die im bisherigen OG im Abschnitt, über die Staatsrechtspflege aufgezählten Kompetenzen des Bundesgerichts betreffen teils staatsrechtliche Klagen (Art. 175, Abs. l, Ziff. l und 2, 180, Ziff. 1--4), teils staatsrechtliche Beschwerden (Art. 175, Abs. l, Ziff. 8, nebst 178, Ziff. 1; Art. 180, Ziff. 5 und 6, und 189, Abs. 8). Der Entwurf regelt die Zuständigkeit des Bundesgerichts für staatsrechtliche Klagen in Art. 83 und sodann für staatsrechtliche Beschwerden in
Art. 84 und 85. Es folgen dann in Art. 86--89 die Voraussetzungen der staatsrechtlichen Beschwerde mit Bezug auf die Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges (nebst einer Sonderbestimmung über ein weiteres Erfordernis für Beschwerden aus Art. 4 BV), die Legitimation und die Beschwerdefrist. Daran schliessen sich in Art. 90--96 die Verfahrensvorschriften an. Für staatsrechtliche Klagen ist das Vorfahren wie bisher das gleiche wie für staatsrechtliche Beschwerden, soweit nicht die Vorschriften (wie z. B. die Befristung) ihrer Natur nach eine Beschwerde voraussetzen.

Der bisherige Art. 175, Abs. 3, der nur den letzten Absatz von Art. 113 BV (vgl. auch Art. 114Ms, Abs. 8, BV) wiedergibt und übrigens die ganze Bechtspflege beherrscht, braucht nicht wiederholt zu werden. Der bisherige Art. 188

137

erübrigt sich wegen des IX. Kapitels über die Revision und Erläuterung. Die bisherigen Art. 187 und 195 fallen wegen Art, 37 und 38 weg.

Art. 83 führt in lit. a und b dio bisher in Ziff. l und 2 von Art. 175, Abs. l, vorgesehenen Fälle der staatsrechtlichen Klage an. Die kurze ergänzende Vorschrift des bisherigen Art. 176 ist infolge des Art. 21, Abs. 3, überflüssig, ebenso kann die nichtssagende beispielsweise Aufzählung einiger, und zwar nicht einmal der häufigsten, staatsrechtlichen Streitigkeiten zwischen Kantonen im bisherigen Art. 177, Abs. 2, ohne Schaden gänzlich weggelassen werden. Abs. l des letztem Artikels wird in lit. fc des Art. 83 untergebracht, die zugleich einen Vorbehalt zugunsten der Zuständigkeit des Bundesrates anbringt, der dadurch bedingt ist, dass vereinzelte Spezialgesetze gewisse derartige Streitigkeiten der Beurteilung des Bundesrates unterstellen.

Als lit. o wird der bisherige Art. 49 aus der Zivilrechtspflege herübergenommen, der zwar bloss eine Wiederholung aus Art. 110 BV und aus dem Heimatlosigkeitsgesetz vom 3. Dezember 1850 ist. Da er aber durch Art. 43 BZP in das Zivilprozessverfahren hineingestellt worden ist, soll nun durch lit. c zum Ausdruck gebracht werden, dass hinfort das staatsrechtliche Streitverfahren, das sich hiefür besser eignet, massgebend sein solle.

Als lit, d und e werden Ziff. 8 und 4 des bisherigen Art. 180 aufgenommen; dessen Ziff. l und 2 werden als blosse Wiederholung ausdrücklicher Vorschriften anderer Gesetze weggelassen, und auch Art. 181 ist entbehrlich, da er bloss ein wörtlicher Auszug aus dem B G über die Auslieferung nach dem Auslande ist.

Zu Art. 84 und 85: Die staatsrechtlichen Beschwerden wegen Verletzung von verfassungsmässigen Rechten, von Konkordaten und von Staatsverträgen (bisher Art. 175, Abs. l, Ziff. 3) und die aus dem alten Art. 189, Abs. 3, herausgewachsene staatsrechtliche Beschwerde in Gerichtsstandsfragen eidgenössischen Eechts unterscheiden sich von den Beschwerden des Art. 180, Ziff. 5 und 6, OG-, dadurch, dass jene nur subsidiäre Eechtsbehelfe sind, d. h. dass wegen der in Frage stehenden Rechtsverletzungen bloss dann staatsrechtliche Beschwerde geführt werden kann, wenn kein anderer Rechtsbehelf besteht, um deswegen die Entscheidung des Bundesgerichts oder einer andern Bundesbehördo anzurufen. Dies kommt im
bisherigen G-esetzestext nicht zum Ausdruck (ausser für Staatsverträge in Art. 182). Der Entwurf fasst die Fälle der staatsrechtlichen Beschwerde, in denen diese subsidiärer Rechtsbeholf ist, im Art. 84 zusammen und stellt ihnen im Art. 85 die Fälle gegenüber, in denen die staatsrechtliche Beschwerde eigentliches (prinzipales) Rechtsmittel ist.

Wegen Verletzung von zivil- und strafrechtlichen Bestimmungen der Staatsverträge kann gegen kantonale Verfügungen (Entscheide) überhaupt nie staatsrechtliche Beschwerde geführt werden, womit nicht geradezu gesagt sein soll, dass eine staatsrechtliche Beschwerde nicht etwa zur Prüfung einer daherigen Präjudizialfrage Anlass geben könne. Einleuchtenderweise ist in ständiger Praxis entschieden worden, zivilrechtlichen Staatsvertragsbestimmungen komme im Verhältnis der Privaten untereinander keine andere Bedeutung zu,

138 als irgendwelchen zivilrechtlichen Vorschriften unserer internen Eechtsordnung, und daher könne wegen deren Verletzung das Bundesgericht nur in gleicher Weise angerufen werden wie sonst wegen Verletzung von Zivilrecht (in vermögensrechtliehen Streitigkeiten also nur bei einem Streitwert von mindestens Fr. 4000, und zwar auf dem Wege der Berufung). Dementsprechend rnuss der bisherige Art. 182, Abs. 2, wegfallen, der geradezu das Gegenteil aussprach, und in Art, 84, Abs. l, lit. c, muss die subsidiäre staatsrechtliche Beschwerde gegen kantonale Verfügungen (Entscheide) auf staatsvertragliche Bestimmungen anderen Inhalts beschränkt werden. Auf Beschwerden gegen kantonale Erlasse erstreckt sich diese Beschränkung nicht.

Der Begriff der Gerichtsstandsfragen eidgenössischen Eechts (Art. 189, Abs. 8, OG) hat in ständiger Eechtsprechung eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung erhalten. Er umfasst nämlich nicht nur die Abgrenzung der örtlichen, sondern auch der sachlichen Zuständigkeit der Gerichte, sowie die Abgrenzung der ordentlichen und der freiwilligen Gerichtsbarkeit, der Gerichtsbarkeit und des Verwaltungsweges. Dem trägt lit. d von Art. 84, Abs. l, Rechnung durch eine allgemeinere Fassung, wonach die subsidiäre staatsrechtliche Beschwerde gegen kantonale Erlasse oder Verfügungen erhoben werden kann «wegen Verletzung bundesrechtlicher Vorschriften über die Abgrenzung der sachlichen oder örtlichen Zuständigkeit der Behörden». Da bei Verwaltungsverfügungen in der Regel sogar die materielle Frage, ob die Verfügung richtig sei, als eine Frage der sachlichen Zuständigkeit konstruiert werden könnte, "spricht lit. d nicht einfach von «bündesrechtlichen Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit», damit man nicht darin eine Generalklausel erblicke, durch die fast jegliche kantonale Verwaltungsverfügung, die angeblich bundesrechtliche Bestimmungen verletzt, beim Bundesgericht angefochten werden könnte.

Um deutlich zum Ausdruck zu bringen, dass dies nicht der Sinn der lit. d ist, ist der Wortlaut «Abgrenzung der sachlichen Zuständigkeit» gewählt worden.

Zu Art. 86: Das geltende OG lässt es an jeglicher Abgrenzung der staatsrechtlichen Beschwerde gegenüber dem kantonalen Bechtsmittelsystem fehlen.

Die Praxis hat die Eegel aufgestellt, dass zunächst die kantonalen Instanzen zu durchlaufen sind,
bevor das Bundesgericht mit einer staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte angerufen wird.

Sie sieht aber in einer Reihe von Fällen vom Erfordernis der Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges ab. Würde doch der Schutz des verfassungsmässigen Rechts des aufrechtstehenden Schuldners mit festem Wohnsitz in der Schweiz darauf, dass er für persönliche Ansprachen vor .keinem Richter ausserhalb des eigenen Wohnsitzkantons gesucht werden dürfe (Art. 59 BV), empfindlich verkümmert, wenn der Beklagte sich zunächst vor den Gerichten aller Instanzen jenes andern Kantons gegen seine dortige Inanspruchnahme verteidigen müsste, bevor er das Bundesgericht anrufen könnte. Ähnlich verhält es sich in andern Fällen, wo der Beschwerdeführer geltend machen will, er unterstehe nicht der Hoheit des Kantons, der ihn in Anspruch nehmen will. Auch müsste die Niederlassungsfreiheit erheblich an Wert einbüssen, wenn deswegen unter Um-

139

ständen erst lange nach Vollzug der Ausweisung beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden könnte.

Durch Art. 86 soll der Kechtsuchende soweit möglich vor eine klare Situation gestellt werden. Denn wenn er einmal zu Unrecht glaubt, dass er die kantonalen Instanzen nicht vorerst durchlaufen müsse, und direkt das Bundesgericht anruft, so geht ihm in der Zwischenzeit das kantonale ^Rechtsmittel und dann letzten Endes auch die staatsrechtliche Beschwerde verloren. Abs. 2 fordert für die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Eechte (Art. 84, Abs. l, lit. a) die vorgängige Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges, nimmt aber die Verletzung gewisser bundesverfassungsmässiger Eechto aus und zählt diese -- in der Eechtsprechung feststehenden -- Ausnahmen auf, wo die Durchlaufung der kantonalen Instanzen nicht notwendig ist. Damit soll nicht geradezu ausgeschlossen sein, dass das Bundesgericht auch Beschwerden wegen Verletzung anderer verfassungsmässiger Eechte unter Umständen, wenn ein dringendes Bedürfnis dafür anerkannt wird, ungesäumt materiell erledigen könne, wie dies aus Zweckmässigkeitsgründen verschiedener Natur schon bisher geschah. Unrecht widerfährt wegen solcher ausnahmsweiser Vergünstigung ja niemandem, da dies in Fällen eines eigentlichen Zweiparteienprozesses kaum vorkommen wird ; um so besser wenn der Beschwerdeführer auf diese Weise unmittelbare Abhilfe durch das Bundesgericht erlangen kann. Es ist aber für die Eechtssicherheit von grossem Wert, wenn der Beschwerdeführer aus dem Gesetz ersehen kann, er führe eine solche direkte Beschwerde auf die Gefahr hin, dass sie als verfrüht zurückgewiesen werde. Denn dies wird ihn veranlassen, deswegen nicht das ihm offenstehende kantonale Eechtsmittel zu versäumen, auf dass er nicht damit -- und infolgedessen auch mit späterer staatsrechtlicher Beschwerde -- ausgeschlossen sei, wenn keine zureichenden Gründe dafür gefunden werden, ihm die regehnässig vorgeschriebene Erschöpfung der kantonalen Instanzen zu erlassen.

Auch Beschwerden gemäss Art. 85 sind, wie nach bisheriger Praxis, nur gegen letztmstanzliche Entscheide zulässig (Abs. 1). Für Beschwerden wegen Verletzung von Konkordaten, von Staatsverträgen oder von bundesrechtlichen Vorschriften über die Abgrenzung der Zuständigkeit (Art. 84, Abs. l, lit. b---d) wird
Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges nicht gefordert.

Auch wo die Durchlaufung der kantonalen Instanzen nicht vorgeschrieben ist, steht es dem Beschwerdeführer frei, zunächst die kantonalen Eechtsmittel durchzuführen (Abs. 8).

Art. 87 lehnt sich an die bisherige Eechtsprechung an, wonach die Willkürbeschwerde nur in engst umschriebenen Ausnahmefällen schongegen letztinstanzliche Zwischenentscheide (und nicht erst gegen letztmstanzliche Endentscheide) zulässig ist.

In Art. $#-wird die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde mit den gleichen Worten umschrieben wie bisher in Art. 178, Ziff. 2; einzig der durch

140

den Sprachgebrauch inzwischen allzu farblos gewordene Ausdruck «betreffende» wird durch «treffende» ersetzt.

Zu Art. 89: Die Befristung der staatsrechtlichen Beschwerde bedarf im Interesse der Bechtssicherheit einer eingehenderen Ordnung. Als Ausgangspunkt wird die nach kantonalem Eecht massgebende Eröffnung oder Mitteilung genannt, um nicht die Meinung aufkommen zu lassen, es eile nicht, solange nicht die schriftliche Begründung bekannt sei, mindestens wo eine solche überhaupt stattfindet. Da der Fristenlauf die Vollziehung nicht hemmt, muss auch die Beschwerde sofort zulässig sein. Wird derart Beschwerde geführt, bevor die Entscheidungsgründe bekannt sind, so wird durch Art. 89, Abs. 2, und allenfalls durch Art. 98, Abs. 2, dafür gesorgt, dass der Beschwerdeführer nachträglich noch zum Worte komme. Wo von Amtes wegen nachträglich Entscheidungsgründe zugestellt werden, soll der Beschwerdeführer, falls er kein Bedürfnis empfindet, vorher Beschwerde zu erheben, nicht zu einer Beschwerdebegründung ins Blaue hinein verpflichtet werden, sondern er kann noch binnen 80 Tagen seit dem Eingang der Ausfertigung der Entscheidungsgründe Beschwerde führen.

In Abs. 3 wird ausdrücklich ausgesprochen, dass bei Beschwerden wegen interkantonaler Kompetenzkonflikte erst die Aktualität eines solchen Konflikts für den Ablauf der Beschwerdefrist von Bedeutung ist.

Zu Art. 90: Auch im übrigen ist Art. 178, Ziff. 3, OG des Ausbaues bedürftig.

Insbesondere ist die Umschreibung dessen nötig, was als Beschwerdebegründung tauglich ist. So wird hervorgehoben, dass die Beschwerdefrist angeben muss, inwiefern die Vorschriften, deren Verletzung gerügt wird, nicht oder unrichtig : angewendet wurden.

Art. 91 stimmt mit dem bisherigen Art. 183 überein.

Zu Art. 92: Die Möglichkeit, staatsrechtliche Beschwerden, die einstimmig als unzulässig oder unbegründet befunden werden, im Vorprüfungsverfahren ohne öffentliche Beratung zu erledigen, ist durch Art. 3 des BB vom 11. Dezember 1941 über vorläufige Änderungen in der Bundesrechtspflege eingeführt worden. Art. 92 sieht einen Ausschuss von 3 Mitgliedern der Staats- vind verwaltungsrechtlichen Abteilung vor, der bei Einstimmigkeit offensichtlich unzulässige oder unbegründete Beschwerden im Vorprüfungsverfahren erledigen kann. Beim Kassationshof ist ein solcher Dreierausschuss durch
Art. 4 des obenerwähnten BB eingeführt worden, und eine solche Einrichtung erscheint auch bei der Staats- und verwaltungsrechtlichen Abteilung als wünschenswert. Der Ausschuss hat seine Entscheidung summarisch zu begründen.

Ari,. 93 über den Schriftenwechsel ergänzt den bisherigen Art, 184. Mit der Aufforderung zur Einsendung der Akten will Abs. l die Vernehmlassungen von überflüssigem Tatsachenstoff entlasten. Über Abs. 2 vgl. die obigen Bemerkungen zu Art. 89.

· Art. 94 über vorsorgliche Verfügungen stimmt mit dein bisherigen Art. 185 überein. Art. 95 über das Beweis verfahren nimmt in Abs. l den bisherigen

141

Art. 186 auf; Abs. 2 will klarstellen, dass das Beweisrecht des BZP nicht anwendbar ist. Art. 96 (Verhältnis zu andern Bundesinstanzen) entspricht dem alten Art. 194 mit einer Erweiterung auf die endgültig entscheidenden Spezialinstanzen der Verwaltungsrechtspflege des Bundes.

T, Verwaltimgsrechtspflege durch das Bundesgericht.

1. Das Bundesgericht als Beschwerdeinstanz (Art. 97--109).

Von der Revision des OG kann das VDG nicht unberührt bleiben. Überall da, wo es auf das OG verweist, müssten mindestens diese Verweisungen angepasst und daher in den Schlussbestinnnungen des neuen 0 G zahlreiche Artikel des VDG geändert werden. Um zu einer übersichtlichen Begelung zu gelangen, die ein organisches Ganzes bildet, empfiehlt sich, das VDG nicht neben einem revidierten OG weiterbestehen zu lassen, sondern es in dieses einzugliedern.

Bei diesem Anlass können einzelne Klarstellungen im Anschluss an die bisherige Rechtsprechung sowie Anpassungen an die seitherige Gesetzgebung vorgenommen werden, während allerdings kein Grund vorliegt, die erst vor 14 Jahren durch das VDG gelösten Fragen wieder neu aufzurollen.

Der Abschnitt über die Verwaltungsrechtspflege des Bundesgerichts übernimmt einfach die entsprechenden Bestimmungen des VDG (Art, 4--21 und 48) mit einzelnen kleineren Bereinigungen. Der Anhang dos VDG (Enumerationskatalog) wird als Art. 99 in das Gesetz selbst eingearbeitet. Die Form eines Anhanges hatte für das VDG ihre Berechtigung, würde dagegen für das revidierte OG nicht passen und mit dessen ganzerà Aufbau nicht harmonieren.

Art. 97 (Art. 4, lit, a, und 5 VDG) nimmt die generelle Klausel für Entscheide über bundesrechtliche Abgaben auf. Wie im bisherigen Art, 5, Abs. l, wird ausgesprochen, dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sowohl gegen Entscheide über Entrichtung oder Bückerstattung bundesrechtlicher Abgaben als auch gegen Entscheide über Abgabepflicht oder Abgabefreiheit zulässig ist.

Wie bisher soll damit nicht etwa das Beschwerderecht auf Entscheidungen über bestimmte Ansprüche aus dem Steuerrechtsverhältnis beschränkt werden, sondern bloss zum Ausdruck gelangen, dass nicht nur Entscheide über einzelne konkrete Leistungen, sondern auch solche über bloss mögliche Ansprüche -- nämlich Feststellungsentscheide über die Steuerpfhcht an sich, die namentlich für das Verkehrssteuerrecht bedeutsam sind -- der bundesgerichtlichen Überprüfung unterstehen sollen (vgl. die Botschaft zum VDG, BEI 1925 II 223).

Die Sicherstellungsverfügungen brauchen im Art. 97 nicht erwähnt zu werden, um so weniger als die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen alle Sicherstellungsverfügungen
in Bundossteuersachen bereits in den Steuererlassen vorgesehen ist. Es ist auch nicht angezeigt, im Art. 97 den Gegenstand der Entscheidung im einzelnen zu bezeichnen; denn wenn man hier spezifizieren wollte, so müsste man noch verschiedene andere Entscheidungen, die das Steuerrechtsverhältnis betreffen, ebenfalls anführen.

142 Auch über die Bussen enthalten die Steuererlasse "bereits alles Nötige.

Die neuen Steuererlasse verwenden nicht mehr die Bezeichnungen «Nachsteuern», «Steuerbussen» und «Ordnungsbussen». Verschiedene Steuererlasse sehen Bussen vor, die im Verfahren nach Art. 280--320 B StrP ausgefällt werden ; gegen solche Bussen ist die Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 310 BStrP gegeben. Für eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde kommen daher nur Bussen bei der Krisenabgabe, beim Wehropfer und bei der Wehrsteuer in Frage, und bei diesen Abgaben ist diese Beschwerde bereits durch die Steuergesetzgebung gewährleistet.

Abs. 2 dient nur dazu, Beispiele anzuführen, um über die konkrete Tragweite der generellen Klausel des Abs. l ein anschaulicheres Bild zu geben. Die Aufzahlung der einzelnen beim Erlass des VD G- bestehenden Bundessteuern ist durch die seitherige Entwicklung überholt. Von den heutigen Bundessteuern, deren Erhebung zu Beschwerden an das Bundesgericht Anlass geben kann (Militärpflichtersatz, Stempelabgaben, Kriegsgewinnsteuer, Wehropfer, Ausgleichssteuer, Wehrsteuer, Auswanderer-Wehrbeitrag,- Warenumsatzsteuer, Luxussteuer, sowie die für noch zu liquidierende alte Fälle in Betracht fallende Krisenabgabe), sind viele vorübergehender Natur ; an ihre Stelle dürften über kurz oder lang andere Abgaben treten. Deshalb empfiehlt sich nicht, vermehrte Anschaulichkeit durch Anführung der einzelnen derzeit zur Erhebung gelangenden Bundessteuern anzustreben, wohl aber kaiin die wünschenswerte Verdeutlichung durch Anführung der nach Steuerobjekten gegliederten Steuergattungen erzielt werden («die nach Massgabe der Bundesgesetzgebung erhobenen Einkommens-, Vermögens-, Verkehrs- und Verbrauchssteuern, Ersatzabgaben»).

Abs. 3 von Art. 97 spricht nicht mehr bloss von Beschwerdekosten, sondern von Verfahrenskosten (rgl. BGE 581 328).

Art. 98 enthält die generelle Klausel für Entscheide der Bundesverwaltung über öffentlich-rechtliche Kautionen (Art. 4, lit. 6, und 6 VDG).

Art, 99 nimmt den bisherigen Anhang zum VDG- auf, unter .Weglassung desjenigen, was in neuen Spezialerlassen bereits enthalten ist, die nach dem Inkrafttreten des VDG ergangen sind. Abgesehen von. kleinen Bereinigungen soll es beim bisherigen Bnuinerationskatalog im wesentlichen das Bewenden haben. Um unter Berücksichtigung der seitherigen
Gesetzgebung auf den gegenwärtigen Stand nachzuführen, empfiehlt sich nicht und ist auch nicht nötig, weil jene Gesetze schon alles Erforderliche enthalten. Die bisherige Eeihenfolge der Aufzählung wird beibehalten. In Ziff. I, lit. a, wird entsprechend BG-E 621 168 eine Präzisierung angebracht («vom eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement angeordnete Löschung einer. Marke von Amtes wegen»). In Ziff. II fällt der bisherige erste Absatz und in Ziff. III fallen die bisherigen Abs. 3--5 weg, weil die inzwischen erlassenen neuen Gesetze über die gebrannten Wasser und über die Kontrolle des Verkehrs mit Edelmetallen bereits das Nötige vorsehen. In Ziff. IV wird allgemein von Entscheiden der Departemente des Bundesrates, nicht mehr bloss vom Departement des Innern gesprochen,

143

weil auch andere Departeinente in den Fall kommen, die Aufsicht über gewisse Stiftungen zu besorgen. In Ziff. V wird an Stelle des Departements des Innern das Post- und Eisonbahndepartement angeführt, um inzwischen, eingetretene Änderungen in der Verteilung der Geschäfte unter die Departeinente zu berücksichtigen. In Ziff. VI wird auch der lotterieähnlichen Unternehmungen gedacht, um Zweifel darüber auszuschhessen, dass auch diese Begriffsbestimmung der bundesgerichtlichen ' Kontrolle untersteht. In Ziff. VII (Privatversicherung) wird auch das Sicherstellungsgesetz ausdrücklich erwähnt, woil es seinerseits in Art. 40 auf den Enumerationskatalog verweist. Ziff. VIII über Ordnungsbussen bei der ausserordentlichen Kriegssteuer fällt nun weg, deshalb rücken die folgenden Ziff. IX--XII um je eine Ziffer vor.

Art. 100 enthält einen allgemeinen Vorbehalt für bundesrechtliche Erlasse, die selber für weitere Fälle die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulassen. "Weil die Enumeration (Art. 99) ihrem Wesen nach eine limitative ist, erscheint ein solcher Vorbehalt am Platz. Eine ganze Eeihe von Bundesgesetzen aus der Zeit nach dem VDG sehen die. Verwaltungsgerichtsbeschwerde vor, ebenso ist dies in gewissen Noterlassen der Eall.

Art. 101 entspricht dem Art. 7 VDG-, dessen lit. b nur die Zollrekurskommission anführte und nun erweitert werden inuss, weil seither noch die Alkoholrekurs- und die Getreidekommission geschaffen worden sind. In diesem Zusammenhang kann bemerkt werden, dass der bisherige Art. 82 VDG in das neue OG nicht aufgenommen wird, weil das ZoUgesetz bereits die erforderlichen Vorschriften über die Zollrekurskommission enthält.

Als Art. 102, 103, 105, 106 und 108 sind Art. 8, 9, 11, 12 und 14 VDG unverändert herübergenommen worden. Art, 15 VDG fällt hier weg, da er bereits in Art. 17, Abs. l, des Entwurfs enthalten ist.

Art. 104 entspricht dem Art. 10 VDG. Im Abs. l ist das Wörtchen «nur» gestrichen worden; über das Bedenken, dieses Wörtchen passe nicht recht mit, der dem Bundesgericht eingeräumten Sachprüfungskompetenz, kann man allerdings verschiedener Ansicht sein.

Abs. 2 bezog sich nur auf Kriegs- und Militärsteuersachen; er wird nun allgemein auf «Steuersachen» erweitert. Ermessensschätzungen sind zwar bei Vermögens- und Einkommenssteuern häufiger als bei andern Steuern, es bestehen aber
keine Bedenken, den Beschwerdegrund der offensichtlich unrichtigen Berechnung der dem. Steuerpflichtigen auferlegten Steuerleistung allgemein in Steuerangelegenheiten zuzulassen.

Art. 107 ersetzt den Art. 18 VDG. Der Beginn der Beschwcrdcfrist wird präzisiert durch den Zusatz «vom Eingang der schriftlichen Ausfertigung des Entscheides an»; ferner wird auch hier -- analog zu Art. 69, 89 usw. -- ein Hinweis auf die Beobachtung der Art. 30 und 90 aufgenommen. Die Verweisung auf Bestimmungen über das staatsrechtliche Bekursverfahren wird dem neuen OG angepasst und erstreckt sich auch auf Art. 92 (Erledigung aussichtsloser Boschwerden im Vorprüfungsverfahren durch einen Dreierausschuss).

144

Art. 109 weicht von Art. 16 VDG nur insofern ab, als dieser die reformatio in pejus nur in Kriegssteuersachen zuliess; durch neuere Steuererlasse wurde sie dann auch auf die Krisenabgabe, das Wehropfer, die Wehrsteuer usw. ausgedehnt. Art. 109 will sie allgemein in Steuersachen zulassen. Der Grundsatz, dass das verwaltungsgerichtliche Urteil ohne Eücksicht auf die Parteianträge den der wirklichen ^Rechtslage entsprechenden Zustand herbeizuführen hat, rechtfertigt sich nämlich nicht nur für die genannten, sondern auch für die übrigen Bundessteuern. Die Bekursinstanz soll z. B. im Palle der Anfechtung einer bestimmten Steuerfestsetzung auf Grund des von ihr ermittelten Tatbestandes die objektiv richtige Veranlagung herbeiführen und nicht nur die beantragte Änderung der angefochtenen Entscheidung, sondern die Steuerfestsetzung in ihrem ganzen Umfang zum Gegenstand der Überprüfung machen.

Werden im Beschwerdeverfahren neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt, die eine Abänderung der angefochtenen Verfügung rechtfertigen, oder erscheint eine solche Änderung durch eine abweichende rechtliche Beurteilung begründet, so erscheint es als stossend, wenn der vorinstanzliche Entscheid nicht der materiellen Steuerrechtsordnung entsprechend'berichtigt wird. Dient die reformatio in pejus dazu, dass dem Fiskus zuteil werde, was ihm gebührt, so wirkt sie sich andererseits manchmal zugunsten des Steuerpflichtigen aus, indem sie eine Steuerfestsetzung durch eine für ihn günstigere ersetzt.

2. Das Bundesgericht als einzige Instanz (Art. 110--115).

Dieser Unterabschnitt entspricht den Art. 17--21 VDG. Art. 110 stimmt mit Art. 17 VDG überein, Art. 113 mit Art. 19 VDG -- wobei in lit. a ähnlich wie in Art. 97, Abs. 8, der Ausdruck «Beschwerdekosten» ersetzt wird durch «Verfahrenskosten» --, Art. 114 mit Art. 20 VDG und Art. 115 mit Art. 21 VDG, dessen Zitate im Abs. 2 dem neuen OG angepasst werden.

Art. 111 entspricht dem Art. 18, lit. a--c und e, VDG. An Stelle der in der bisherigen lit. c enthaltenen Verweisung auf die in.Art. 50, Ziff. l--4,14 und 15, des geltenden OG aufgezählten Fälle werden diese in Art. 111, lit. c--h, aufgeführt. Dies geschieht, weil diese Fälle bis 1929 im Zivilprozessverfahren behandelt wurden, während nun das verwaltungsrechtliche Streitverfahren Platz greift.

Lit. a betreffend Anstände
über eine bundesrechtliche Befreiung von kantonalen Abgaben oder Beschränkung kantonaler Abgaben bleibt unverändert. In einzelnen bundesrechtlichen. Abgabenerlassen ist auch eine gewisse Amnestie in bezug auf kantonalrechtliche Steuerstrafen vorgesehen; da nach der Praxis auch solche Fälle von der lit. a erfasst werden, ist es nicht nötig, die Formulierung zu erweitern.

Während bisher lit. b Anstände zwischen Kantonen über Militärpflichtersatz und die Kriegssteuer betraf, wird sie nun allgemein auf Anstände zwischen Kantonen über Bundessteuern erweitert. Und zwar erstreckt sich lit. b nicht nur auf Anstände über die Verteilung der kantonalen Anteile am Abgabenertrag,

145 sondern auch auf Anstände über den Veranlagungsort eines Steuerpflichtigen, im Gegensatze zur bisherigen Ordnung bei der allgemeinen Wehreteuer und beim Auswanderer-Wehrbeitrag, wonach die eidgenössische Steuerverwaltung über Anstände zwischen Kantonen betreffend den Veranlagungsort zu entscheiden hat. Solche Anstände sind zwar recht selten, aber die dabei auftauchenden Rechtsfragen eignen sich durchaus für die Beurteilung durch das Bundesgericht.

In lit. d wird die bisherige Ziff. 2 von Art. 50 entsprechend BGE 581 271 auch auf Streitigkeiten aus Abs. l von Art. 15 des Eisenbahngesetzes von 1872 ausgedehnt.

Art. 112 entspricht der bisherigen lit. d von Art. 18 VDG, soweit darin auf Art. 52, Ziff. l, OG, nämlich auf die Prorogationsgerichtsbargkeit verwiesen wurde.

3. Kantonale verwaltungsrechtliche Streitigkeiten (Art. 116).

Art. 116 führt den Abs. 4 von Art. 114bis BV aus und entspricht dem Art. 48 VDG und zugleich der lit. d von Art. 18 VDG, soweit darin auf Art. 52, Ziff. 2, OG, verwiesen wurde.

VI. Disziplinarrechtspfleg durch das Bundesgericht (Art. 117--123.)

Die bisherige Ordnung (Art. 38--42 VDG) wird beibehalten, jedoch werden die Geschäfte der bisherigen Kammer für Beamtensachen von der verwaltungs. rechtlichen Kammer übernommen (vgl. oben zu Art. 12, Abs. l, lit. a). Der Entwurf übernimmt in Art. 117--123 die Art. 34--40 VDG. In Art. 118 wird der Beginn der Beschwerdefrist präzisiert, indem er an eine schriftlich begründete Eröffnung der Verfügung angeknüpft wird. Die in Art. 37, Abs. 3, VDG, enthaltene Verweisung auf den BZP kann hier wegfallen, da sie bereits in Art. 40 des Entwurfs aufgestellt ist. Art. 39, Abs. 3, VDG, ist im neuen Art. 17, Abs. l, enthalten. Art. 41 VDG wird durch den IX. Abschnitt über die Revision überflüssig. Art. 42 VDG wird in den Abschnitt über die Kosten versetzt (Art. 159, Abs. 4, und 156, Abs. 5).

TU. Staats- und Verwaltungsrechtspflege durch den Bundesrat.

1. Der Bundesrat als Beschwerdeinstanz (Art. 124--132).

Das VDG hat die frühere staatsrechtliche Beschwerde an den Bundesrat gegen kantonale Erlasse und Entscheide (Art. 189 OG) und die Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat gegen Entscheide eidgenössischer Instanzen (Art. 23 des BG vom 26. März 1914 über die Organisation der Bundesverwaltung) zu einem Rechtsmittel verschmolzen, das «Verwaltungsbeschwerde» benannt wurde. In Art. 22, lit. d, VDG, wird zwar nur von «Entscheiden» der letzten kantonalen Instanz, nicht auch von kantonalen Erlassen gesprochen. Es ist Bundesblatt.

95. Jahrg.

Bd. I.

11

146

jedoch klar, dass das VDG keineswegs die schon vorher auch gegen kantonale Erlasse zulässige Beschwerde an den Bundesrat aus Art. 189 OG beseitigen wollte, weshalb die Praxis weiterhin die Beschwerde nach Art. 22, lit, d, VDG, auch gegen kantonale Erlasse zugelassen hat. Da dies ein Stück Staatsrechtspflege ist, erhält der VII. Abschnitt des Entwurfs den Titel «Staats- und Verwartungsrechtspflege durch den Bundesrat». Der erste Unterabschnitt ersetzt die Art. 22--29 VDG und Art. 189 OG. Der Natur des hier geregelten Eechtsmittels entspricht die bisherige Bezeichnung «Verwaltungsbeschwerde» nicht ganz, soweit kantonale Erlasse angefochten werden. 'Namentlich aber empfiehlt sich aus einer praktischen Erwägung eine Änderung der Bezeichnung. Denn der Name «Verwaltungsbeschwerde» scheint auf eine Beschränkung hinzuweisen, die gar nicht gemeint ist; er verleitet den Bechtsuchenden zur Frage, ob im Einzelfall eine verwaltungsreehtliche Sache vorliege, und damit unrichtigerweise zu Unterscheidungen, die dem Gesetze fernliegen. Da die Beschwerde gemäss Art. 189, Abs. 2, OG, ein allgemeines Kechtsniittel an den Bundesrat wegen Verletzung von Bundesgesetzen ist, das immer offensteht, wo nicht eine Ausnahme vorgesehen ist, erscheint es als angebracht, dieses Eechtsmittel · schlechthin. «Beschwerde» (recours) an den Bundesrat zu nennen.

Art. 124 (Beschwerde gegen eidgenössische Entscheide) entspricht dem Art, 22, lit. a--c, VDG, mit der einzigen Änderung, dass in lit. a ein Vorbehalt zugunsten der Sonderbestimmungen angebracht wird, die gewisse Departementsentscheide als endgültig bezeichnen. Denn einzelne nach dem VDG erlassene Bundesgesetze erklären bestimmte Depart-ementsentscheide als end" gültig, so Art. 20, Abs. l, des BG vom 26. März 1981 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (A. S. 49, 285) und Art. 15, Abs. 3, des Motorfahrzeuggesetzes vom 15. März 1932 (A. S. 48, 517).

Art. 125 über die Beschwerde gegen kantonale Erlasse und Entscheide ersetzt lit. d von Art. 22 VDG und gibt den Inhalt des in letzterer Bestimmung zitierten Art. 189 0G wieder. Zugleich wird die bisher in lit. d von Art. 23 VDG angeführte Ausnahme, die bloss auf Abs. 2 des bisherigen Art, 189 zutrifft, in Art. 125, lit. b, untergebracht, weshalb sie in Art. 126 wegfällt. Zur Fassung von lit. b ist zu bemerken, dass der
Ausdruck «privatrechtliche oder strafrechtliche Bundesgesetze» auch Verfahrensbëstimraungen treffen kann (vgl. z. B.

Art. 24--33 des Musterschutzgesetzes, Verwaltungsentscheide 4. Heft, Nr. 24).

In lit. c, die den bisherigen Art. 189, Abs. 4, ersetzt, werden die Staatsvertragsbestimmungen über die Befreiung vom Militärpflichtersatz weggelassen, da kein Grund besteht, Anstände über ihre Anwendung dem Bundesrat vorzubehalten. Unter die in lit. e erwähnten Staatsvertragsbestimraungen über Niederlassung fallen diejenigen über die Zulassung der Ausländer, jedoch nach feststehender Praxis nicht etwa auch Bestimmungen über die Eechtsstellung niedergelassener Ausländer (vgl. Verwaltungsentscheide 11. Heft, Nr. 84).

Abs. 2 von Art. 125 entspricht dem im bisherigen Art. 189, Abs. 8,. angebrachten Vorbehalt der Gerichtsstandsfragon ; der Wortlaut wird dem neuen Art. 84, lit. d, angepasst.

147 Art. 126 stimmt mit Art. 23 VDG (ohne dessen lit. d) überein, Ari. W mit Art. 24 VDG. Art. 128 entspricht dem Art. 25 VDG, wobei gemäss der Praxis auch die Möglichkeit, dass das mit der Instruktion betraute Departement durch vorsorgliche Verfügung der Beschwerde aufschiebende Wirkung erteile, erwähnt wird. Art. 129, 131 und 132 stimmen mit Art. 26, 28. und 29 VDG überein.

Art. 130 tritt an die Stelle des Art, 27 VDG. In Abs. l wird präzisiert, dass der Eingang der schriftlichen Ausfertigung des angefochtenen Entscheides der Ausgangspunkt der Beschwerdefrist ist. Ferner werden die Zitate dem neuen OG angepasst und auch auf Art. 29--35 ausgedehnt. Es sollen also auch Art. 29, Abs. l und 4, über die Vollmacht der Parteivertreter und über das Zustellungsdomizil von im Ausland wohnenden Parteien und Art. 30 über die Bechtsschriften sowie namentlich die Vorschriften der Art. 32--85 über die Fristen und über die Wiederherstellung gegen Fristversäumnis --- also auch der in Art. 84 vorgesehene Stillstand von Fristen in der Zeit vom 15. Juli bis 15. August -- auf das. Beschwerdeverfahren beim Bundesrat sinngemäss zur Anwendung gelangen. Einzelne Bestimmungen -- z. B. Abs. 2 und 3 von Art. 29 -- fallen schon nach ihrem Gegenstand im Verfahren vor Bundesrat ausser Betracht.

Der neue Abs. 2 nimmt eine Vorschrift über die Zustellung der Beschwerdeentscheide des Bundesrates auf.

2. Der Bundesrat als einzige oder erste Instanz (Art. 133 und 134).

Art. 133 ersetzt den Art. 30 VDG unter Anpassung und Erweiterung der Zitate in Analogie zum Art. 130. Art. 134 stimmt mit Art. 81 VDG überein.

VIII. Disziplinarkommissionen.

(Art. 135.)

Art. 135 gibt den Art. 43 VDG wörtlich wieder.

^

IX. Revision und Erläuterung bundesgerichtlicher Entscheide.

(Art. 186--145.)

Eevision heisst im Bundesprozessrech das ausserordentliche Rechtsmittel, das zwei sachlich ganz verschiedene Angriffe gegen Urteile des Bundesgerichts umasst, nämlich einerseitsdie. Nichtigkeitsklage. wegen V e r f a h t e n s v e r s t ö s s e n , also weil d a s Urteil a n f o l e i d e , a u f g e l n leide,..auf g zustande gekommen sei, anderseits d i e Wiederaufnahme d e s deckung von nova).

.,.

Die Revision von Urteilen der Strafgerichtsbehörden des Bundes ist im BStrP abschliessend geordnet. Die Eevision der im direkten Zivilprozess er-

148

.gangenen Urteile des Bmidesgerichts ist in Art. 192--196 BZP geregelt. Für Urteile, die das Bundesgericht als Berufungs- oder Beschwerdoinstanz gefällt hat, enthalten die bisherigen Art. 95--98 OG Vorschriften, die das Revisionsverfahren selbständig, und zwar abweichend vom BZP regeln, bezüglich der Revisionsgründe und der Frist für das Revisionsgesueh aber auf den BZP ·«erweisen. Für die Eevision von bundesgerichtrichen Urteilen in der Staatsund Disziplinarrechtspflege verweisen Art. 188 OG und Art. 41 VDG auf die für Berufungsurteile geltende Ordnung; für Urteile des Bundesgerichts in der Verwaltungsrechtspflege erklären Art. 18 und 21 VDG wiederum den Art. 188 OG als anwendbar. Diese Ordnung befriedigt nicht. An Stelle der Verweisungen und Weiterverweisungen sind allgemeine Vorschriften aufzustellen und zum Gegenstand eines besondern Abschnittes des Gesetzes zu machen. Der Entwurf hat die Materie umgearbeitet und stellt eine erschöpfende Begelung für die Revision auf, die aber die im direkten Zivilprozess gefällten bundesgerichtlichen Urteile und die Urteile der Strafgerichtsbehörden des Bundes im Strafpunkt nicht einbezieht, sondern es für sie beim BZP und BStrP bewenden lässt.Materiell war die bisherige Ordnung hauptsächlich deshalb ungenügend, weil die nachträgliche Entdeckung neuer Tatsachen keinen Revisionsgrund bildete.

Der Entwurf schafft hier Abhilfe.

Art. 136 regelt die Nichtigkeitsgründe in Anlehnung an Art. 192, Ziff. l, BZP. Lit. a wird auf den Fall erweitert, dass die Entscheidung über eine Berufung trotz Bangigkeit eines ausserordentlichen kantonalen Rechtsmittels nicht ausgesetzt \vorden ist (Art. 57) ; denn dieser Fehler kann nicht ohne erhebliche Weiterungen auf andere Weise wieder gutgemacht werden, weil das bundesgerichtliche Urteil an die Stelle des kantonalen getreten ist und dein hängigen ausserordentlichen kantonalen Rechtsmittel dadurch der Angriffspunkt entzogen wird. Lit. î> wird auf den Fall beschränkt, dass einer Partei mehr oder, ohne dass besondere Gesetzesvorschriften es erlauben, anderes zugesprochen, wird, als sie selbst verlangt, oder weniger als die Gegenpartei anerkannt hat. In ht. d wird die vielfach missverstandene Fassung der bisherigen lit. c («wenn das Gericht in den Akten liegende erhebliche Tatsachen aus Versehen gar nicht oder auf irrtümliche Weise
gewürdigt hat») durch eine neue Formulierung ersetzt, die den Sinn der Bestimmung klarer ersehen lässt («wenn das Gericht in den Akten liegende erhebliehe Tatsachen aus Versehen nicht berücksichtigt hat»). Denn es handelt sich dabei um eine die Revision zureichend rechtfertigende echte Aktenwidrigkeit, nämlich um die versehentliche Beurteilung eines -- vielleicht bloss infolge seiner Unvollständigkeit -- andern als des der Beurteilung unterstellten Tatbestandes, in der Meinung, jener sei dieser.

Art. 137 ordnet die Wiederherstellungsgründe, Lit. a erhält eine allgemeinere Fassung als Art. 192, Ziff. 8, BZP. Ferner wird klargestellt, dass es keiner strafrechtlichen Verurteilung, ja nicht einmal der Durchführung einer Strafuntersuchung bedarf, wobei insbesondere an den Fall der Geisteskrankheit oder des Todes des Fehlbaren zu denken ist. Bei Unmöglichkeit eines Straf-

149

Verfahrens kann der Gesuchsteller auf andere Weise nachweisen, dass durch ein Verbrechen oder Vergehen zu seinem Nachteil auf den Entscheid eingewirkt worden ist.

Art. 192, Ziff. 2, BZP, hat bloss das Auffinden neuer entscheidender Beweismittel für im früheren Verfahren"vorgebrachte Tatsachen als Revisionsgrund vorgesehen, nichtaber auch die nachträgliche Entdeckung neuer Tatsachen die zur Zeit des früheren Verfahrens dem Gesuchstellernoch gar nicht bekannt waren und die er daher nicht vorbringen konnte, In Übereinstimmung mit den moderner Prozessordnungen füllt lit, b diese Lücke aus, indem sie die nachträgliche Entdeckung neuer erheblicherTatsachen "die der Gesuchsteller im früheren Verfahren mit vorbringen konnte, ebenfalls als Revisionsgrund anerkennt.

" " " Art. 138 betrifft die Eevision eines den kantonalen Entscheid bestätigenden bundesgerichtlichen Urteils, Ist ein Eevisionsgrund, der im kantonalen Eevisionsverfahren geltend gemacht werden kann, noch.vor der Ausfällung des bundesgerichtlichen Urteils zutage getreten, so soll diese nicht abgewartet werden, sondern er soll sofort benützt werden, was zur Aussetzung der Entscheidung des Bundesgerichts führt. Denn wer über einen Revisionsgrund verfügt, soll es nicht dazu kommen lassen, dass das Bundesgericht zunächst auf Grund der fehlerhaften oder unvollständigen Urteilsgrundlage entscheide, sondern er soll sofort nach der sich aufdrängenden Ëemedur trachten.

Zu Art. 139: Für die Eevision von Urteilen des Bundesgerichts als einziger Zivilgerichtsinstanz sollen nur die Vorschriften des BZP gelten; dessen Art. 192, Ziff. 2, und 198 werden aber durch Art. 165 des Entwurfs abgeändert, um sie dem Art. 137, lit. b, und dem Art. 141, Abs. l, des Entwurfs anzupassen.

Für die Eevision von Urteilen der Strafgerichtsbehörden des Bundes im Strafpunkt sollen ausschliesslich die Vorschriften des BStrP massgebend sein; findie Eevision der Urteile des Kassationshofes über Nichtigkeitsbeschwerden gegen kantonale Entscheide im Zivilpunkt verweist der in Art. 168 des Entwurfs vorgeschlagene neue Text von Art. 271, Abs. 4, BStrP, auf Art. 186 ff., da hiefür die gleichen Revisionsvorschriften gelten sollen wie für Urteile des Bundesgerichts als Berufungsinstanz in Zivilsachen.

Art, 140 macht auf die Anforderungen aufmerksam, denen die Anträge und die Begründung
des Revisionsgesuches entsprechen müssen, um zweckdienlich zu sein Art. 141 setzt in Abs. l die Eevisionsfristen in Anlehnung an Art. 193 BZP fest; um einheitlich Fristen zu haben, die nach Tagen berechnet werden, sind hier die bisherigen Fristen von l und 3 Monaten durch solche von 80 und von 90 Tagen ersetzt worden. Die Fristen knüpfen wie bisher an den Empfang der schriftlichen Ausfertigung des Urteils an, wodurch jedoch ein früheres Bevisionsgesuch nicht ausgeschlossen sein soll, wenn der Eevisionsgrund ungeachtet der Art und Weise der Urteilsbegründung gegeben ist. Von Art. 194

150

BZP weicht Abs. 2 des Art. 141 darin ab, dass er die fünfjährige Fristauf 10 Jahre erstreckt.

Art. 142 befasat sich mit der Einstellung der Vollstreckung während des Bevisionsverfahrens (vgl, Art. 196 BZP). Art. 143 gibt die unerlässlichsteu Verfahrensvorschriften teils in Anlehnung an den bisherigen Art. 96 und an Art. 8 des BB vom 11. Dezember 1941 über vorläufige Änderungen inder Bundesrechtspflege (Erledigung aussichtsloser Gesuche im Vorprüfungsverfahren ohne öffentliche Beratung), teils unter Verweisung auf das staatsrechtliche Instruktionsverfahren (Art. 95 des Entwurfs) abweichend vom bisherigen Art. 97.

Art. 144 über den Eevisionsentscheid entspricht im wesentlichen dem bisherigen Art. 98, jedoch ohne dessen letzten Satz, der nicht zureichend begründet erscheint. Denn bei der Eevision eines Bückweisungsentscheides kann der Eall unter Umständen doch so liegen, dass dem Bundesgericht nichts anderes als wiederum die Bückweisung an die kantonale Instanz möglich ist. Abs. 3 schliesst gegen einen bundesgerichtlichen Entscheid über ein B e Visionsgesuch ein weiteres Bevisionsbegehren aus, da für diese weitere Bevisionsmöglichkeit kein Bedürfnis besteht.

Art. 145 über die Erläuterung entspricht dem bisherigen Art. 99 in Verbindung mit Art. 197 und 198 BZP,

X. Vergütungen und Prozesskosten.

1. Vergütungen (Art. 146--148).

Art. 146 (vgl. bisher Art. 199, 202--204 und 208) überläset die Begelung der Vergütungen an Gerichtsmitglieder und Gerichtsbeamte für amtliche Boisen, sowie die Vergütungen an Ersatzmänner, Untersuchungsrichter in Strafsachen und deren Schriftführer und an Geschworene einer Verordnung des Bundesrates, weil solche Vorschriften nicht in ein Gesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege gehören und weil auf diese Weise veränderten Verhältnissen Bechnung getragen werden kann, ohne dass der umständliche Weg der Gesetzgebung beschritten werden muss.

Zu Art. 147: In bezug auf die Zeugen genügt eine allgemeine Vorschrift, dass ihnen die notwendigen Auslagen zu ersetzen sind und eine angemessene Entschädigung für Zeitversäumnis auszurichten ist. Dem Bundesgericht bleibt es vorbehalten, über die Bemessung der Zeugengelder innert dieser Schranke» allgemeine Grundsätze durch ein Beglement aufzustellen (vgl. dagegen die bisherigen Art. 207 und 208). Dass das Bundesgericht die Entschädigung an Experten nach freiem Ermessen festsetzt, entspricht auch dem bisherigen Art. 206.

Art. 148 stimmt mit dem bisherigen Art. 209 überein.

Die Besoldungen der Bundesrichter werden in den Entwurf nicht aufgenommen. Daher wird in Art. 169 der Art. 197 OG (in der Fassung vom 13. Juni 1928) nicht aufgehoben.

151

2. Prozesskosten und Parteientschädigung (Art. 149--160).

Abweichend vom bisherigen Gesetz macht der Entwurf für die Prozesskosten nicht mehr besondere Unterabschnitte für einzelne Zweige der Bundesrechtspflege. Er nimmt nicht mehr die Bestimmung auf, dass bei staatsrechtlichen Streitigkeiten in der Begel weder Gerichtsgebühren noch Parteientschädigungen zugesprochen werden. Denn gerade diese Eegel (bisheriger Art. 221, Abs. 1) hat die unzähligen missbräuchlichen Bekurse wegen angeblicher Verletzung verfassungsmässiger Bechte grossgezogen. Es ist nicht gerechtfertigt, dass man sich grundsätzlich unentgeltlich zu Unrecht auf die Verfassung solle berufen können. Wohl aber sind in der Staatsrechtspflege gewisse Ausnahmen von der Kostenpflicht zuzulassen (vgl. namentlich Art. 154).

Für Strafsachen ist die Präge der Prozesskosten und Parteientschädigung im BStrP erschöpfend geordnet. Wie Art. 149 des Entwurfs feststellt, soll es dabei bleiben, da hier nach der Natur des Prozessgegenstandes besondere Grundsätze gelten müssen.

Art. 150 über die Sicherstellung für Prozesskosten und Parteientschädigungen führt eine wichtige Neuerung ein. Nach Art. 26 BZP kann im direkten Zivilprozess Sicherstellung der mutmasslichen Gerichtsgebühren und allenfalls auch der Entschädigung an die Gegenpartei verfügt werden, wenn der Kläger in der Schweiz keinen festen Wohnsitz hat oder erweislich zahlungsunfähig ist. Art. 213 OG hat für das Berufungs- und Beschwerdeverfahren beim Bundesgericht in der Zivilrechtspflege von diesen beiden Sicherstellungsfällen überhaupt nur den ersten aufgenommen. Es drängt sich eine Erweiterung der Sicherstellungspflicht für Prozesskosten und Parteientschädigungen auf, da der bestehende Zustand in hohem Masse der Trölerei Vorschub leistet.

Übrigens führt er auch zu jährlichen Verlusten von durchschnittlich mehr ala Fr. 20 000 auf den gesprochenen Gerichtsgebühren, dazu kommen noch, auch in Fällen, wo die Kostenrechnung schliesslich eingebracht werden kann, die Umtriebe, die mit der Überwachung und der sich mitunter sehr lange hinziehenden Eintreibung verbunden sind.

Der Entwurf schlägt eine allgemeine Vorschusspflicht für die Prozesskosten, die an keine besondere Voraussetzung gebunden ist, und für die Parteientschädigung auf Begehren der Gegenpartei bei fehlendem Wohnsitz in der Schweiz
sowie bei erwiesener Zahlungsunfähigkeit vor. In vielen Kantonen besteht im Zivilprozess die grundsätzliche allgemeine Vorschusspflicht für die mutmasslichen Prozesskosten; wo sie heute noch fehlt, haben eich immer wieder nachteilige Folgen gezeigt. Die allgemeine Kostenvorschusspflicht ist grundsätzlich auch für die Staatsrechtspflege durchaus angebracht und notwendig; ist doch hier die Zahl missbräuchlicher Beschwerden, die bei einer auch nur mässig bemessenen Vorschusspflicht unterbleiben würden, besonders gross. Die bei gewissen Staats- und verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten bestehenden besondern Verhältnisse berücksichtigt Art. ISO, Abs. l, dadurch, dass in solchen Streitigkeiten ohne Vermögensinteresse sowie, wo der Be-

152 sclrwerdegegenstand es rechtfertigt, auch bei einem Vermögensinteresse die Sicherstellungspflicht ganz oder teilweise erlassen werden kann. Dafür, dass auch, die bedürftige Partei, die eine nicht aussichtslose Sachs führt, zu ihrem Eechte komme, sorgt Art. 152. Die Gewährung des ".Rechtsschutzes wird unter der Kostenvorschusspflicht nicht leiden; es ist gewiss nicht zu befürchten, dass die Anrufung des Bundesgerichts in Fällen unterbleibe, die es verdienen,, vor diesen Gerichtshof gebracht zu werden. "Wohl aber ist die Kostenvorschusspflicht ein wirksames Mittel, um eine Reihe von aussichtslosen Rechtsmitteln wegfallen zu lassen, da die Partei, wenn sie vorerst einen Betrag hinterlegen muss, sich doch besinnen wird, bevor sie das Bundesgericht anruft.

Als Mittel der Sicherstellung lässt Abs. 8 nur die Barhinterlage zu. Wer dazu taugliche realisierbare Pfänder besitzt, wird wohl das zur "Vorschussleistung erforderliche Geld bei einem Kreditinstitut erhalten können. Die Gerichtskasse sollte mit der Verwaltung solcher Sicherheiten nicht belastet.

werden, ebensowenig mit der Eintreibung von Bürgschaften; übrigens wäre ·es dem Bundesgericht sehr häufig nicht möglich, die Zahlungsfähigkeit eines angebotenen Bürgen einigermassen zuverlässig zu beurteilen.

Sicherstellungspflichtig für die Prozesskosten und für die allfällige Parteientschädigung ist, wer das Bundesgericht anruft, nicht auch derjenige, gegen den es angerufen wird. "Wenn die Sicherstellung nicht innert der angesetzten Frist geleistet wird, so wird auf die Rechtsvorkehr nicht eingetreten (Abs. 4).

Art, 151 über den Vorschuss für Barauslagen entspricht den Art. 211 und 221 Abs. 3 OG sowie dem Art. 23 BZP. Bei Barauslagen, die durch gleichlautende Anträge beider Parteien oder von Amtes wegen durch das Gericht veranlasst werden, bestimmt das Gericht, wie der zu leistende Vorschuss sich auf die Parteien verteilt.

In Art. 152 wird die Gewährung der unentgeltlichen Bechtspflege -- bisher als «Armenrecht» bezeichnet -- in Anlehnung an Art. 212 und 223 OG und an die Praxis geordnet. Zugleich wird sie auf alle Zweige der bundes-gerichtlichen Bechtspflege ausgedehnt ; ausgenommen ist der Pali der Prorogation (letzter Unterabsatz von lit. c des Art. 41 und Art. 112). Der bedürftigen Partei muss auf Antrag die unentgeltliche Eechtspflege bewilligt
werden, es sei denn bei Aussichtslosigkeit ihrer Bechtsbegehren. Die unentgeltliche Bechtspflege umfasst die Befreiung von der Bezahlung der Gerichtskoeten und Auslagen, sowie von der Sicherstellung der Parteientschädigung und nötigenfalls die Bestellung eines Rechtsbeistandes durch das Bundesgericht. Entsprechend der bisherigen Praxis muss der vom Gericht beigegebene Anwalt im Falle des Obsiegens zunächst versuchen, die ausserrechtliche Entschädigung von der unterliegenden Gegenpartei einzutreiben, bevor er ein aus der Bundesgerichtskasse zu entrichtendes Anwaltshonorar zugesprochen erhält ; er wird nämlich leichter zu seiner Sache kommen können als die Gerichtskasse.

Art. 153 über die Höhe der Kosten lehnt sich an die bisherigen Art. 214, 215 und 218 an. Abs. l, lit. b, wonach in Staats- und verwaltungsrechtlichen

153 Streitigkeiten ohne Vermögensinteressen die Gerichtsgebühr in der Eegel nicht weniger als Fr. 25 und nicht mehr als Fr. 500 betragen soll, macht os mögh'ch, in ganz kleinen Sachen dieser Art auch noch unter den Mindestbetrag hinunterzugehen. Nach Abs. 2 soll bei Abstand und Vergleich die Gerichtsgobühr herabgesetzt werden können (nicht notwendigerweise auf einen Bruchteil reduziert werden müssen).

Art. 155 entspricht dem bisherigen Art. 217, jedoch unter Ermässigung des Mindestbetrages der Gerichtsgebühr von Fr. 500 auf Fr. 200. Der bisherige Art. 216 kann wegfallen (Art, 118 ff. des Enteignungsgesetzes).

Art. 154 berücksichtigt, dass es Staats- und verwaltungsrechtliche Streitigkeiten gibt, bei denen es sich rechtfertigt, von Gerichtsgebühren u"nd Parteientschädigung Umgang zu nehmen. Abs. l entspricht dem bisherigen Art. 221, Abs. 6. Nach Abs. 2 kann auch in andern Staats- und verwaltungsrechtlichen . Streitigkeiten, wenn keine Zivilsache und kein Vermögensinteresse in Frage steht, ausnahmsweise von Gerichtsgebühr und Parteientschädigung abgesehen werden.

Art. 106 enthält bisher fehlende Grundsätze über die Kostenverlegung und nimmt in Abs. 5 den Art. 42, Abs. 2 und 8, VDG, sowie in Abs. 2 den Art. 221, Abs. 4, OG, auf, der von allgemeiner Bedeutung ist (wodurch auch Art. 219 OG überflüssig wird). Nach Abs. 3 können die Kosten Verhältnismassig auf beide Parteien nicht nur dann verlegt werden, wenn keine vollständig obgesiegt hat, sondern auch -- anschliessend an eine Bestimmung der ZPO von Baselstadt -- wenn die unterliegende Partei sich in guten Treuen zur Prozessführung veranlasst sehen durfte. Von letzterer Möglichkeit wird freilich nur mit Vorsicht Gebrauch zu machen sein; die Bestimmung entspricht aber der Billigkeit in Anbetracht der immer wieder vorkommenden Fälle, wo die Belastung der unterhegenden Partei mit den vollen Kosten das Bechtsgefühl verletzt. Eine dem bisherigen Art. 224, Abs. 2, über die Parteientschädigung entsprechende Vorschrift stellt Art. 157 für die amtlichen Kosten der Vorinstanz auf.

Art. 158 regelt die Kosten im Verfahren vor dem Bundesrat. Für die Kosten von Expertisen wurde schon bisher auf Grund von Art. 221, Abs. 7, in Verbindung mit Abs. 3 ein Vorschuss verlangt. Im übrigen ist im Verfahren vor dem Bundesrat ein Bedürfnis nach der Möglichkeit, für die
Spruch- und Schreibgebühren einen Vorschuss zu verlangen, namentlich in Fällen zutage getreten, wo der Beschwerdeführer im Auslande wohnt. Abs. l von Art. 158 schafft hier Abhilfe. Abgesehen von den Barauslagen, auf die Art. 151 anwendbar erklärt wird, genügt im Verwaltungsverfahren die Einführung der Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen einen Kostenvorschuss zu verlangen/Für die Spruchgebühr stellt Abs. 2, lit. b, keinen Mindestbetrag auf; der Höchstbetrag wird auf Fr. 500 festgesetzt. Zudem gestattet Abs. 3, ausnahmsweise aus besondern Gründen von der Auferlegung von Verfahrenskosten ganz oder teilweise abzusehen.

154 Art. 159 und 160 ordnen die Parteientschädigung in Anlehnung an Art. 224 OG und in Abs. 4 an Art. 42, Abs. l, VDG. Die Ansätze für die Parteientschädigung einschliesslich der Vergütung für die Vertretung durch einen Anwalt waren bisher im Gesetz selbst bestimmt (Art. 225 und 222 OG). Art. 160 überläset die Bestimmung dieser Ansätze einem vom Bundesgericht zu erlassenden Tarif. Dies entspricht den neueren Eegelungen in den Kantonen und gestattet, zutage tretende Mängel der Ordnung jederzeit auf einfachem Wege zu beheben. Der Tarif gilt auch für ein aus der Gerichtskasse zu entrichtendes Honorar des einer bedürftigen Partei beigegebenen Anwalts (Art. 152, Abs. 2).

3. Anwaltsgebühren (Art. 161).

Art. 161 entspricht dem bisherigen Art. 222, Abs. 3.

XI. Verschiedene Bestimmungen, Schluss- und Übergangsbestimmungen (Art. 162--171).

Als Art. 162--164 werden Art. 45--47 VDG aufgenommen. Dadurch wird der Anwendungsbereich des Art. 46 VDG auch auf die bundesgerichtliche Zivilrechtspflege ausgedehnt (vgl. Art. 41), wogegen nichts einzuwenden ist.

Art. 47 VDG ist durch die Verordnung vom 15. Februar 1929/29. März 1940 über die Eekurskommission der Militärverwaltung ausgeführt worden (A. S.

45, 41 und 56, 296). Art. 44 VDG ist nach der Terminologie des Entwurfs entbehrlich (vgl. z. B. Art. 84).

Abänderung des Bundeszivilprozesses,

Art. 165 will einige Bestimmungen des B G vom 22. November 1850 über das Verfahren bei dem Bundesgericht in bürgerlichen Bechtsstreitigkoiten abändern. Die meisten vorgeschlagenen Abänderungen erscheinen zur Angleichung an das neue OG als notwendig. Wenn dieses Gesetz als Parteivertreter in Zivilsachen nur die in Art. 29, Abs. 2 und 3, des Entwurfs genannten Personen zulässt, so wäre es unverständlich, dass für die direkten Zivilprozesse vor dem Bundesgericht etwas anderes gelten sollte, nämlich dass weiterhin jede handlungsfähige Person als Prozessvertreter auftreten könnte; deshalb mues Art. 28 BZP angepasst werden. Ferner ist es nun an der Zeit, damit aufzuräumen, dass die Pristenberechnung im direkten Zivilprozess eine andere ist als in den übrigen bundesgerichtlichen Verfahren, namentlich dass eine nach Tagen bestimmte Frist in jenem Prozess schon um 18 Uhr des letzten Tages ablauft, während sie doch sonst um Mitternacht endigt. Auch dass im direkten Zivilprozess eine am l.zu laufen beginnende Monatsfrist bereits am 31. des gleichen Monats aufhört, wird heutzutage als ein Unding empfunden. Dazu kommt, dass nun die Einführung der Gerichtsferien (Art. 34) nicht vor dem direkten Zivilprozess Halt machen kann. Die vorgeschlagene Abänderung von

155

Art. 64 und Streichung des letzten Satzes von Art. 66 BZP führen die nötige Anpassung herbei. Und nachdem Art. 141, Abs. l, des Entwurfs die Fristen für das Eevisionsgesuch nach Tagen bestmimt, soll dies auch in Art. 198 BZP geschehen, ünerlässlich ist aber auch eine Angleichung von Art. 192, Ziff. 2, BZP an Art. 187, lit. b, des Entwurfs; denn nachdem man das Bedürfnis anerkennen muss, die nachträgliche Entdeckung neuer erheblicher Tatsachen als Grund für eine Eevision bundesgerichtlicher Urteile zuzulassen, geht es nicht an, dies für die im direkten Zivilprozess gefällten bundesgerichtlichen Urteile nicht ebenfalls gelten zu lassen.

Eine unmittelbare Folge von Art. 88, lit. c, des Entwurfs, wonach Klagen des Bundesrates auf Einbürgerung von Heimatlosen nicht mehr im Zivilprozessverfahren, sondern im Verfahren der staatsrechtlichen Klage behandelt "werden sollen, ist die Aufhebung des letzten Satzes von Art. 48 BZP.

Endlich erscheint es als zweckinässig, die gegenwärtige Gelegenheit auch noch zur Streichung des Art. 182 BZP zu benützen. Wird diese Bestimmung, wonach bei der Urteilsberatung der Präsident die Mitglieder der Beihe nach um ihre Ansicht anfragt, aufgehoben, ohne dass eine andere Gesetzesbestimmung an ihre Stelle tritt, so kann diese Frage als eine solche der Geschäftsordnung im Eeglement des Bundesgerichts geordnet werden. Insbesondere kann so die Möglichkeit vorbehalten werden, dass nach dem Beferenten zunächst das Mitglied das Wort erhalte, das einen Gegenantrag stellen will, und erst nachher die Umfrage einsetze. Das würde natürlich nicht ausschliessen, dass Gegenanträge auch noch bei der Umfrage und sogar nachher gestellt werden können.

Der Entwurf lässt es bei den hievor erwähnten Abänderungen bewenden.

Weitergehende Neuerungen sind einer Gesamtrevision des BZP vorzubehalten, die aber keineswegs als dringlich erscheint. Dieses schon mehr als 90 Jahre alte Gesetz wird vom Bundesgericht zwar sehr frei, doch stets so gehandhabt, dass keine Partei Anlass hat, sich über Beeinträchtigung ihrer Interessen und Hechte zu beklagen.

Abänderung des Art. 23^ des BG über die Organisation der Bundesverwaltung.

Art. 50, lit. b, VDG, hat dem BG vom 26. März 1914 über die Organisation der Bundesverwaltung einen Artikel 28We eingefügt, der sich mit den Beschwerden befasst, die gegen Entscheide
eidgenössischer Amtsstellen gerichtet "und von Departementen oder diesen untergeordneten Amtsstellen zu beurteilen sind. Der bisherige Art. 28bls verweist auf vier Artikel des VDG, und zwar auf Bestimmungen über das Beschwerdeverfahren beim Bundesrat, von denen eine ihrerseits auf eine Beihe von Artikeln des OG über das staatsrechtliche Eekursverfahren beim Bundesgericht weiterverweist. Art. 23tlis ist nun dem neuen OG anzupassen. Dabei drängt es sich auf, an Stelle blosser Verweisungen und Weiterverweisungen direkt die nötigen Vorschriften über das Beschwerdeverfahren vor Departementen und unteren Instanzen der Bundesverwaltung aufzustellen, damit die Eegelung für die Eechtsuchenden und für

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die Amtsstellen leichter verständlich sei. Art. 166 des Entwurfs will diesen.

Art. 28Ms in diesem Sinne abändern. Da die von Departementen und nachgeordneten eidgenössischen Amtsstellen zu entscheidenden Beschwerden nach der Materie sehr verschieden sind, beschränkt sieh die Regelung auf die notwendigen Bestimmungen, die allgemein aufgestellt werden können. Wie bisher kann der Bundesrat durch Verordnung ergänzende Verfahrengvorschriften erlassen (Abs. 2) ; auf diese Weise ist es insbesondere möglich, für gewisse Sachgebiete, wo es wegen deren Eigenart als angezeigt erscheint, durch Verordnung ergänzende Verfahrensnormen aufzustellen. Abs. l regelt in ht. a die Beschwerdegründe und in lit. fc die Beschwerdefnst, den notwendigen Inhalt der Beschwerdeschrift und die Einreichungsstelle, sowie die Weiterleitung unrichtig adressierter Beschwerden von Amtes wegen an die richtige Stelle. Lit. c bestimmt, dass die Beschwerde, soweit nicht gegenteilige bundesrechtliche Vorschriften bestehen, keine aufschiebende Wirkung hat, es sei denn, dass ihr eine solche durch vorsorgliche Verfügung der Beschwerdeinstanz verliehen werde. Lit. d enthält Vorschriften über den Schriftenwechsel und über die Instruktion der Beschwerde, lit. e solche über die Eröffnung des Beechwerdeentscheides. Lit. /, die auch eine Bestimmung über die Vollmacht der Parteivertreter enthält, erklärt in betreff der Fristenberechnung und dei; Wiederherstellung gegen Folgen einer Fristversäumnis Art. 32--35 des Entwurfs als entsprechend anwendbar; also werden auch hier die Fristen in der Zeit vom 15. Juli bis 15. August stillestehen (Art. 34). Auf die Kosten finden die Kostenvorschriften über das Verfahren beim Bundesrat (Art. 158) entsprechende Anwendung.

Abänderung von Art. 55 des Postverkehrsgesetzes.

Für die Klagen gegen die Postverwaltung aus dem Eisenbahnhaftpilichtgesetz und aus dem Automobilgesetz fällt durch Art. 41, lit. b, des Entwurfs die bisher bei einem. Streitwert von wenigstens Fr. 4000 bestehende Zuständigkeit des Bundesgerichts als einziger Instanz weg. Dies bringt eine Abänderung . von Art. 55 des BG vom 2. Oktober 1924 über den Postverkehr mit sich.

Für Klagen gegen die Postverwaltung mit einem Streitwert unter Fr. 4000 aus dem Eisenbahnhaftpflichtgesetz hat der bisherige Art, 55, Ziff. 2, lit. a, des Postverkehrsgesetzes
dem Kläger die Wahl zwischen dem Gericht am.

Sitze der Zentralverwaltung (Bern) und demjenigen am Hauptort des Kantons, in dem der Unfall sich zugetragen hat, gelassen; für Klagen gegen die Postverwaltung bis zum gleichen Streitwert aus dem -- erst nach dem Postverkehrsgeeetz erlassenen -- Automobilgesetz ist zuständig nach Wahl des Klägers das Gericht am Sitze der Zentralverwaltung oder das Gericht des Ortes, wo sich der Unfall ereignet hat (Art. 45 des Automobilgesetzes ; Strebel, Kommentar, Nr. 17 zu Art. 45; Oftinger, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bd. 2, S. 748), Art. 167 lässt es bei dieser Ordnung des Gerichtsstandes bewenden, die bisher für Klagen mit einem Streitwert unter Fr. 4000 bestanden hat, und dehnt

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diese Gerichtsstände einfach auf die Klagen mit höherem Streitwert aus.

Dass der Entwurf sich auf diese Änderung beschränkt, bringt mit sich, dass -- abgesehen vom Gericht am Sitze der Zentralverwaltang -- für Klagen gegen die Post aus dem Eisenbähnhaftpflichtgesetz das Gericht am Hauptort des Unfallkantons (Abs. 2), für solche aus der Automobilhaftpflicht aber das Gericht des Unfallortes (Abs. 3) zuständig ist.

Abänderung des Bundesstraïprozesses.

Art. 865, Abs. 2, StGB, behält für das Verfahren vor den kantonalen Behörden u. a. die Bestimmungen des BStrP über die Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts vor. Diese Nichtigkeitsbeschwerde als revisio in iure erweist sich als das geeignete Bechtsmittel zur Wahrung einer -einheitlichen Auslegung des StGB. Die Erweiterung des Gebietes des eidgenössischen Strafrechts, die eine starke Erhöhung der Zahl der Nichtigkeitsbeschwerden an den Kassationshof mit sich bringt, sowie der Umstand, dass nunmehr das grosse Gebiet des sogenannten gemeinen Strafrechts Bundesrecht ist, erfordern eine Anpassung des BG vom 15, Juni 1934 über die Bundesstrafrechtspflege. Hiezu sind einerseits organisatorische Massnahmen nötig -- so wird nun der Kassationshof zu einer Hauptabteilung des Bundesgerichts --, anderseits muss die Begelung .der Nichtigkeitsbeschwerde (Art. 268--278 BStrP) gegen kantonale Entscheide in Bundesstrafsachen einige Abänderungen erfahren. Durch Art. 4--14 des BB vom 11. Dezember 1941 über vorläufige Änderungen in der Bundesrechtspflege sind provisorisch -- bis Ende 1944 -- die dringendsten Ergänzungen und Abänderungen des BStrP getroffen worden.

Anlässhch der Bevision des OG muss nun dieses Provisorium durch eine Begelung auf dem ordentlichen Gesetzgebungswege abgelöst werden, Art. 168 des Entwurfs schlägt einerseits einzelne Abänderungen von Art. l, 2, 12, 17, 24, 132, Abs. l, 135, 245, Abs. 2 und 4, und 264 BStrP, anderseits eine Neufassung des Kapitels über die Nichtigkeitsbeschwerde gegen kantonale Entscheide in Bundesstrafsachen vor. Da der BStrP zwar keine Bandtitel enthält, aber mit einem Begister versehen ist, das eine stichwortartige Angabe über jeden einzelnen Artikel enthält, wird im Entwurf eine derartige Angabe bei den einzelnen Artikeln in Klammer beigefügt; dies dürfte bei der Beratung des Entwurfs nützlich sein,
im definitiven Gesetzestext können dann diese Angaben weggelassen und in das Begister verwiesen werden.

Art. l, 2 und 12 BStrP erfahren bloss die zur Angleichung an Art. 12 und 13, Abs. l und 5, des Entwurfs zum neuen OG erforderlichen Änderungen, In Art. 17 BStrP wird als letzter Absatz der Art. 8 des BB vom 21. Juni 1935 betreffend den Schutz der Sicherheit der Eidgenossenschaft (A. S. 51, 482) aufgenommen, auf dein der Polizeidienst der Bundesanwaltschaft beruht; nachdem Art. 1--7 schon durch die Bestimmungen des StGB ersetzt worden sind, kann nun dieser Bundesbeschluss ganz aufgehoben werden. Im Anachluss an die Eegel der Zusammenarbeit mit den zuständigen kantonalen Polizeibehörden wird noch ausdrücklich beigefügt, dass ihnen in jedem Falle

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von den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft Kenntnis zu geben ist, sobald es der Zweck der Untersuchung gestattet.

Art. 24 BStrP wird dem Art. 17 des Entwurfs zum neuen OG angepasst (vgl. auch Art. 5 der provisorischen Ordnung). Die Abänderung von Art. 182, Abs. l, und 135 ist bloss eine Folge davon, dass das Bundesstrafgericht und die Kriminalkammer künftig ihren Präsidenten von Pali zu Fall selber bezeichnen sollen. Die vorgeschlagene Abänderung von Art. 245, Abs. 2 und 4, über Zeugengelder und ausserrechtliche Entschädigung an die Gegenpartei ist nichts anderes als die gebotene Angleichung an die entsprechenden Bestimmungen für die übrigen Verfahren vor Bundesgericht (Art. 147 und 160 des OG-Entwurfs).

Nach Art. 264 BStrP bezeichnet die Anklagekammer, wenn in Bundesstrafsachen der Gerichtsstand unter den Behörden verschiedener Kantone streitig ist, den zur Verfolgung und Beurteilung zuständigen Kanton. Die neue Fassung bringt zum Ausdruck, dass der Beschuldigte ebenfalls die Entscheidung der AnMagekammer über die interkantonale Gerichtsstandsfrage anrufen kann, und zwar kann er dies auch dann tun, wenn unter den Behörden der in Frage kommenden Kantone der Gerichtsstand nicht streitig ist. Die Praxis hatte dies bereits zugelassen (BGE 671 152, 68 4 4). Dagegen besteht kein zureichender Grund, die gleiche Möglichkeit auch dem Privatstrafkläger einzuräumen.

Bei der Umschreibung der durch Nichtigkeitsbeschwerde anfechtbaren Entscheide verwendet der vorgeschlagene Art. 268 nicht mehr den Begriff des «Endurteils», der bisher zwar nur im deutschen Text vorkam. Die Praxis hat sich an den französischen und italienischen Text gehalten (BGE 68 4 113), so dass die Nichtigkeitsbeschwerde auch zulässig ist gegen kantonale Urteile,.

die das kantonale Strafverfahren nicht abschliessen. Vorausgesetzt ist bloss, dass sie nicht durch ein kantonales Bechtsmittel wegen Verletzung eidgenössischen Eechts angefochten werden können. Insbesondere wird die Nichtigkeitsbeschwerde zugelassen gegen Entscheide, durch die eine kantonale Kassationsinstanz die Sache aus Gründen des Bundesrechts an die Vorinstanz zurückweist, sowie gegen Entscheide über bundesrechthche Vor- oder Zwischenfragen -- wie Gerichtsstand, Antrag, Verjährung und Verantwortlichkeit --, auch wenn sie die Strafverfolgung nicht abschliessen, sondern zur
Fortsetzung reif machen (z, B. Verneinung der Verjährung). Die Nichtigkeitsbeschwerde steht also gegen jedes selbständige Urteil der letzten kantonalen Instanz über eine Frage des Bundesrechts offen, und zwar trifft dies auch für Entscheide des Strafrichters über adhäsionsweise geltend gemachte Zivilansprüche zu.

Ferner ist der Ausdruck « Strafbescheide der Verwaltungsbehörden » durch die klarere Bezeichnung « Straferkenntnisse der Verwaltungsbehörden » ersetzt worden.

Durch Art. 6 des Provisoriums sind dem Art. 268 drei weitere Absätze beigefügt worden, wodurch die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten und des Privatstrafklägers bei Verurteilung zu einer Busse von höchstens Fr. 100

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·wegen Beschimpfung oder einfacher Körperverletzung und bei Verurteilung zu einer Busse von höchstens Fr. 50 wegen Übertretungen ausgeschlossen wird; in diesen Strafsachen ist die Beschwerde des Privatstrafklägers auch bei Freisprechung und Einstellung ausgeschlossen, wenn bei ihrer Gutheissung nur eine Busse im genannten Ausmass in Frage kommt. Ohne diese Beschränkung ist die Nichtigkeitsbeschwerde zulässig wegen Anwendung kantonalen statt eidgenössischen Bechts sowie wegen Verletzung bundesrechtlicher Vorschriften über die sachliche oder örtliche Zuständigkeit. Durch diese provisorische Lösung wird die Frage, ob und, wenn ja, inwieweit nun bei der Gesetzesrevision die Nichtigkeitsbeschwerde in Bagatellfällen ausgeschlossen werden soll, in keiner Weise präjudiziert. Der provisorischen Lösung hat -- gerade wegen ihres vorübergehenden Charakters -- auch mancher Gegner jeglichen Ausschlusses von Bagatellsachen, ebenso aber auch mancher Anhänger eines viel weitergehenden Ausschlusses zugestimmt.

Grundsätzlich wird gegen jeglichen Ausschluss von Bagatellfällen geltend gemacht, dass die Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts gegenüber jedem Strafurteil der letzten kantonalen Instanz zugänglich sein sollte. Es befriedige nicht, dass die Weiterziehung eines Strafurteils von der Höhe der ausgefällten Busse abhängig gemacht werde, inn so weniger als nach Art. 48 StGB bei der Bemessung der Busse die Verhältnisse des Angeschuldigten zu berücksichtigen sind. Der Verurteilte werde nicht bloss durch die verhängte Busse beschwert, sondern schon durch die Schuldigerklärung an sich. Um einer übermässigen Belastung des Kassationshofes mit Fällen zu hegegrien, die der Weiterziehung nicht \vurdig sind, gebe es andere Mittel, wie die Erledigung aussichtsloser Fälle im Vorprüfungsverfahren, eine strenge Handhabung der Kostenvorschriften und gegebenenfalls die Verhängung von Ordnungsbussen.

Zugunsten des Ausschlusses von Bagatellsachen wird geltend gemacht, der Aufwand müsse zur Bedeutung der Entscheidung in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Man solle nicht wegen Kleinigkeiten an das Bundesgericht gelangen können, sondern es sei wie in andern Eechtsgebieten auch hier nach der Wichtigkeit der Sache abzustufen. Die provisorische Lösung unterscheide in erster Linie nach der Natur der strafbaren
Handlung, da der Ausschluss der Beschwerde sich ja nur auf Beschimpfungen, einfache Körperverletzung und Übertretungen erstrecke ; erst innerhalb dieses Bahmens werde nach der Höhe der Busse unterschieden. In diesem Eahmen könne die Höhe der Busso doch als Kriterium für die Wichtigkeit des Falles dienen; wenn auch jede Ziffernmassige Grenze unvollkommen sei und ihre Festsetzung als Ermessenssache erscheine, müsse man eben doch irgendwo eine Grenze ziehen. Auch rechtfertige es sich durchaus, dem Verantwortlichkeitsgefühl der kantonalen Gerichte Vertrauen entgegenzubringen und diesen in Bagatellfällen die abschhessende Entscheidung zu überlassen.

Bis jetzt sind weder Fälle namhaft gemacht worden, in denen sich als unbefriedigend herausgestellt hätte, dass eine durch die provisorische Ordnung

160

ausgeschlossene Bagatellsache nicht an den Kassationshof des Bundesgerichts weitergezogen worden kann, noch -- umgekehrt --· Fälle, in denen sich gezeigt hätte, dass das Provisorium im Ausschluss von Bagatellsachen zu wenig weit gehe.

Die Expertenkommission hat in ihrer letzten Tagung sich mehrheitlich gegen den Ausschluss der Nichtigkeitsbeschwerde in Bagatellsachen ausgesprochen. Mit Bücksicht auf ihre Stellungnahme hat der Entwurf davon abgesehen, solche Sachen auszuschliessen. Wir behalten uns immerhin vor, auf die Frage zurückzukommen, falls sich im Laufe der parlamentarischen Beratungen, ein Bedürfnis zeigen sollte.

Art. 269 hat durch Art. 7 des Provisoriums einen Abs. 2 erhalten, durch den klargestellt wird, dass eine Verletzung verfassungsmässiger Bechte nicht mit der Nichtigkeitsbeschwerde, sondern mit der staatsrechtlichen Beschwerde geltend zu machen ist. Der Entwurf behält diese Ordnung bei (vgl. auch die entsprechende Vorschrift für die zivilprozessuale Berufung, Art. 43, Abs. l, zweiter Satz des OG-Entwurfs).

Art. 270 über die Legitimation im Strafpunkt lehnt sich an die Fassung an, die ihm Art. 8 des Provisoriums gegeben hat. Abs. 2 bringt noch deutlicher zum Ausdruck, dass der Privatstrafkläger nur dann zur Nichtigkeitsbeschwerde legitimiert ist, wenn er im Verfahren vor der Vorinstanz allein, ohne Beteiligung des öffentlichen Anklägers, die Anklage vertreten hat,-nicht aber, wenn er bloss neben dem Staatsanwalt aufgetreten ist (vgl. BGE 621 55).

Neu aufgenommen wird eine Bestimmung für den Fall, dass der Angeklagte vor Ablauf der Frist für die Nichtigkeitsbeschwerde oder doch vor der Erledigung der Beschwerde stirbt. In diesem Fall wird den Verwandten und Verschwägerten in gerader Linie, den. Geschwistern und. dem Ehegatten des Angeklagten die Legitimation zur 'Nichtigkeitsbeschwerde eingeräumt. Auf diese Weise erhalten die Angehörigen die Möglichkeit, die diffamierenden Folgen einer -- in unrichtiger Anwendung des Bundesrechts erfolgten -- Verurteilung des Verstorbenen zu beseitigen (vgl. Art. 231 über die Bevision von Urteilen der Bundesassisen, der Kriminalkammer und des Bundesstrafgerichts).

Für die Nichtigkeitsbeschwerde der Angehörigen wird die Befristung im vorgeschlagenen Art. 272, Abs. 3, besonders geregelt.

Art. 271 befasst sich mit der Nichtigkeitsbeschwerde im
Zivilpunkt. Bis «um Inkrafttreten des Strafgesetzbuches spielte die Adhäsionsklage in den von kantonalen Behörden zu beurteilenden Bundesstrafsachen keine grosse Bolle, da Widerhandlungen gegen Polizeigesetze des Bundes am wenigsten zu adhäsionsweiser Geltendmachung von Zivilansprüchen Anlass geben. Das grosse Gebiet des sogenannten gemeinen Straf rechts war kantonales Becht, so dass in der Grosszahl der Fälle der Strafprozess mit dem kantonalen Verfahren abgeschlossen war. Daraus ergab sich in diesen Fällen die Notwendigkeit einer Abtrennung des Zivilpunktes im Verfahren vor Bundesgericht, da in kantonalen Strafsachen nur der Zivilpunkt (bei entsprechendem Streitwert) an das Bundesgericht weitergezogen werden konnte ; es musste hiefür die zivil-

161 prozessuale Berufung, offenstehen. Mit dem Inkrafttreten des StGB hat sich die Sachlage geändert, da nun in der grossen Zahl der Fälle der Strafprozess vor dem Bundesgericht weitergehen kann. Es ist daher in einer grossen Anzahl von Bundesstrafsachen mit Adhäsionsklagen zu rechnen.

Der BStrP von 1934 ist von der damaligen Sachlage ausgegangen und hat, wenn der Geschädigte seinen privatrechtlichen "Anspruch adhäsionsweise vor den kantonalen Instanzen verfolgte, die Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof im Zivilpunkt ohne Bücksicht auf den Streitwert zugelassen.

Ist der Zivilpunkt an sich berufungsfähig, so haben die Parteien die Wahl zwischen der Nichtigkeitsbeschwerde im Zivilpunkt an den Kassationshof und der zivilprozessualen Berufung.

Art. 9 des Provisoriums hat in einer Sichtung die Folgerung gezogen, die sich infolge der veränderten Sachlage aufdrängte. Wenn nämlich der zivilrechtliche Anspruch an sich nach den Segeln über die zivilprozessuale Berufung nicht berufungsfähig wäre, wird die Nichtigkeitsbeschwerde im Zivilpunkt nur zugelassen, sofern im Strafpunkt von einem dazu Legitimierten Nichtigkeitsbeschwerde erhoben worden ist. Ausgenommen ist bloss der Fall, dass mit der Nichtigkeitsbeschwerde im Zivilpunkt geltend gemacht wird, der angefochtene Entscheid habe statt des massgebenden eidgenössischen Bechts kantonales Hecht angewendet. Abgesehen von diesem Ausnahmefall kann, wenn der Zivilanspruch an sich nicht berufungsfähig wäre, die Nichtigkeitsbeschwerde im Zivilpunkt nur im Anschluss an eine solche im Strafpunkt erhoben werden und nur mit der Folge, dass das Urteil im Zivilpunkt vom Kassationshof aufgehoben und zu neuer Beurteilung an die kantonale Instanz zurückgewiesen werden kann. Denn die Adhäsion darf kein Mittel sein, einen Anspruch der bundesgerichtlichen Überprüfung zu unterstellen, der ihr sonst nicht unterstände. Anderseits darf natürlich die Entscheidung des Strafrichters im an sich nicht berufungsfähigen Zivilpunkt nicht endgültig sein, wenn die dafür präjudizielle Entscheidung im Strafpunkt noch der Überprüfung des Kassationshofes unterhegt und von diesem aufgehoben wird, sondern sie muss dann ebenfalls fallen, um zusammen mit dem Strafpunkt vom kantonalen Bichter neu beurteilt zu werden. Wenn allerdings die Beschwerde im Strafpunkt aus Gründen gutgeheissen wird,
die die Entscheidung im Zivilpunkt nicht berühren (z. B. wegen Anwendung einer unrichtigen Straf art oder wegen Überschreitung des Strafrahmens), so hätte es keinen Sinn, die Aufhebung auf das Zivilurteil zu erstrecken. Der Kassationshof weist die Zivilsache mit der Strafsache an die kantonale Instanz zu neuer Entscheidung zurück, wenn er die Beschwerde im Strafpunkt gutheisst und dessen abweichende Beurteilung auch für die Entscheidung im Zivilpunkt Bedeutung haben kann (Art. 277
12

162

auf die Beschwerde im Zivilpunkt nicht eingetreten, ebenso wenn die Gutheissung im Strafpunkt für die Entscheidung im Zivilpunkt keine Bedeutung haben kann. Mit Bezug auf die besondere Befristung der Nichtigkeitsbeschwerde für die Partei, die das von einem andern Beteiligten im Strafpunkt angefochtene Urteil nur im Zivilpunkt anfechten kann oder will, ist auf Art. 272, Abs. 4, zu verweisen.

Wäre der Zivilanspruch an sich berufungsfähig, so kann die Nichtigkeitsbeschwerde im Zivilpunkt, sei es allein oder in Verbindung mit der Beschwerde im Strafpunkt, erhoben werden. Das Provisorium hat die Eegelung beibehalten, wonach die Parteien zwischen der Nichtigkeitsbeschwerde im Zivilpunkt und der zivilprozessualen Berufung wählen können; nur für die Partei, die selber das eine Eechtsmittel ergreift, ist das andere ausgeschlossen. Es kann also vorkommen, dass gegen das gleiche Urteil die eine Partei Berufung, die andere aber Nichtigkeitsbeschwerde im Zivilpunkt einlegt. Diese Doppelspurigkeit führt zu verschiedenen Komplikationen. Art. 9, letzter Absatz, des Provisoriums sieht zwar vor, dass in einem solchen Fall beide Eechtsmittel gemeinsam beurteilt werden und dass das. Eeglement des Bundesgerichts die hiefür zuständige Abteilung bezeichnet. Dadurch werden jedoch nicht die Schwierigkeiten behoben, die aus dem Nebeneinanderbestehen von zwei verschiedenen Bechtsmitteln resultieren, von denen das eine den Eintritt der Eechtskraft hemmt, das andere dagegen, nur wenn es durch vorsorgliche Verfügung angeordnet wird, den Vollzug aufschieben kann. Eine besondere Schwierigkeit ergibt sich, wenn z. B. ein Angeklagter wegen Körperverletzung zu einer Gefängnisstrafe und zu Fr. 3000 Schadenersatz verurteilt worden ist und nun der Angeklagte Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung und auf Abweisung des Schadenersatzanspruchs erhebt, der Geschädigte aber Berufung einlegt mit dem Antrag auf Erhöhung des Schadenersatzes auf die geforderten Fr. 10000; dann geht eben das eine Eechtsmittel auf die ersten Fr. 8000 und das andere auf die restlichen Fr. 7000 desselben Schadenersatzanspruches, und jedes der beiden Eechtsmittel befasst sich nur mit einem Teil der einheitlichen Forderung, auch müssen beide Eechtsmittel für sich instruiert werden.

Der Entwurf verweist die Parteien für die Anfechtung des
strafgerichtlichen Urteils im Zivilpunkt ganz auf den Weg der Nichtigkeitsbeschwerde; die Berufung wird nicht mein- zugelassen. Mit dem Inkrafttreten des StGB ist der Grund, die Adhäsionsklage nach Schluss des kantonalen Verfahrens nicht mehr als solche zu behandeln, weggefallen. Es ist nicht mehr angebracht, an Stelle des strafprozessualen Verfahrens und des Strafrichters, 'die der Adhäsionskläger gewählt hat, in der Bundesinstanz das zivilprozessuale Verfahren und den Zivilrichter zur Verfügung zu stellen. Den Parteien erwächst aus dieser Neuordnung kein Nachteil. Der Umfang der Überprüfung ist bei der Nichtigkeitsbeschwerde im Zivilpunkt derselbe wie bei der zivilprozessualen Berufung (Bindung an den kantonalen Tatbestand, freie rechtliche Beurteilung).

Ferner hat schon Art. 9 des Provisoriums die Bestimmungen über die Anschluss-

163 bemfung und über dio Eevision von Berufungsurteilen als sinngemäss anwend. bar erklärt (ebenso Abs. 4 von Art. 271). Den Bedenken, dass den Parteien die mündliche Verhandlung vor dem Kassationshof unter den gleichen Voraussetzungen wie bei der Berufung gestattet werden solle, hat das Provisorium insofern Eechnung getragen, als ausnahmsweise eine mündliche Parteiverhandlung zugelassen werden kann. Der Entwurf geht hier noch weiter und gewährleistet die mündliche Parteiverhandlung im Zivilpunkt überall da, wo der vor dem Kassationshof noch streitige Wert wenigstens Fr. 10 000 beträgt (Art. 276, Abs. 2, in Analogie zu Art. 62 des OG-Entwurfs). Bei der Nichtigkeitsbeschwerde besteht die Möglichkeit, dass der Kassationshof oder sein Präsident den Vollzug des Urteils aufschiebe. Auf diese Weise wird für die Hemmung des Vollzuges in den Fällen gesorgt, wo es als gerechtfertigt erscheint. Die Erfahrung, dass Eechtsmittel oft nur eingelegt werden, um einen weiteren Zahlungsaufschub zu erlangen, lässt es nicht zu, weiterzugehen und der Nichtigkeitsbeschwerde im Zivilpunkt allgemein aufschiebende Wirkung beizulegen. Denn wo die Bestätigung des angefochteten Urteils von vornherein als sicher erscheint, geht es nicht an, den Vollzug zu hemmen. Was die Weiterziehungsfrist anbelangt, so muss allerdings bei der Nichtigkeitsbeschwerde die Beschwerdeerklärung innert 10 Tagen seit der nach kantonalem Hecht massgebenden Eröffnung des Entscheides eingereicht werden (vgl.

unten zu Art. 272), während bei der Berufung keine derartige Vorschrift besteht. Die Befürchtung, dass diese zehntägige Frist leicht übersehen werde, erscheint aber nicht als begründet, um so weniger, als ja nach Art. 251, Abs. 2, die Eröffnung der Entscheide mit einer Bechtsmittelbelehrung verbunden werden soll. Anderseits stellt sich, wer im Zivilpunkt Nichtigkeitsbeschwerde erhebt, insofern günstiger, als bei der zivilprozessualen Berufung der Berufungskläger zur Sicherstellung für die Prozesskosten und gegebenenfalls für die Parteientschädigung verpflichtet ist (Art. 150 des OG-Entwurfes), während bei der Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof dies nicht verlangt wird.

Durch die vorgeschlagene Ordnung fallen bisherige Weiterungen von selbst weg. Ob der kantonale Eichter den Zivilanspruch vollständig oder nur dem Grundsatz nach oder für
einen Teilbetrag (z. B. den liquiden Schadenersatzbetrag) beurteilt hat, ist für die Weiterziehung an das Bundesgericht nicht mehr von Bedeutung. Der Überprüfung durch den Kassationshof auf die richtige Anwendung des Bundesrechts unterhegt das strafgerichtliche Urteil über den Zivilanspruch in der Gestalt, die ihm der kantonale Strafrichter nach dem die Adhäsion regelnden kantonalen Strafprozessrecht gegeben hat. Das Teilurteil über die Adhäsionsklage wird alsdann rechtskräftig, sei es auf Grund des Urteils des Kassationshofes,, sei es infolge Unterlassung der offenstehenden Weiterziehung an ihn, und der nichtbeurteilte Teil bleibt Gegenstand eines selbständigen Zivilprozesses.

Die durch Art. 10 des Provisoriums dem Art. 272 gegebene Fassung hat entsprechend den Bedürfnissen der Praxis eingehende Vorschriften über dio Fristen für die Beschwerdeerklärung und für die Beschwerdebegründung auf-

164 gestellt. Wir erinnern daran, dass nach Abs. l die zehntägige Frist für die Beschwerdeerklärung mit der nach dem kantonalen Becht massgebenden Eröffnung des Entscheides beginnt und dass nach Abs. 2 die 20tägige Frist für die Beschwerdebegründung von der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Entscheides an läuft. Der Entwurf behält die provisorisch eingeführte Ordnung bei und ergänzt sie bloss durch einen neuen Abs. 3 mit Bücksicht auf die Beschwerdelegitiination der Angehörigen des verstorbenen Angeklagten.

Art. 273 nimmt die Vorschriften über den Inhalt der Beschwerdeschrift auf, die Art. 272Ms in der Fassung von Art. 11 des Provisoriums aufgestellt hat. Die Redaktion wird den Art. 30, Abs. l, und 55, lit. c, des OG-Entwurfs angepasst. Dem letzten Absatz wird noch eine Verweisung auf Art. 80, Abs. 2 und 3, des nämlichen Entwurfs beigefügt.

Durch Art. 274 werden die Vorschriften über die Obliegenheiten der kantonalen Instanz bei der Einsendung der Akten (Art. 272, Abs. l, letzter Satz der Fassung von 1934) in gleicher Weise ergänzt, wie dies für andere Bechtsmittel geschehen ist (vgl. Art. 56, 72, Abs. l, und 80 des OG-Entwurfs). Die kantonale Instanz soll ihre allfälligen Gegenbemerkungen gleich beilegen (abweichend vom alten Art. 273, Abs. 2), Ebenso wird durch Art. 275 die Bestimmung des bisherigen Art, 274 über die Einstellung des Entscheides des Kassationshofes des Bundesgeriehts wegen ausserordentlicher kantonaler Bechtsmittel erweitert in Anlehnung an die Vorschriften für die zivilprozessuale Berufung (vgl. die Bemerkungen zu Art. 57 des OG-Entwurfs).

Der vorgeschlagene Art. 275bls nimmt die durch Art. 4 des Provisoriums eingeführte Möglichkeit auf, durch einen Dreierausschuss des Kassationshofes bei Einstimmigkeit offensichtlich unzulässige oder unbegründete Beschwerden im Vorprüfungsverfahren zu erledigen; die Entscheidung ist summarisch zu begründen. Wir verweisen auf die Ausführungen über das Vorprüfungsverfahren bei andern Bechtsmitteln, insbesondere zu Art. 60 und 92 des OG-Entwurfs.

Art. 276 über das weitere Verfahren übernimmt, den bisherigen Art. 273 in der Fassung von Art. 12 des Provisoriums. Die Bedaktion von Abs. l wird der entsprechenden Vorschrift für andere Bechtsmittel (z. B. Art. 93 des OGEntwurfs) angepasst. Die in Abs. 2 neu aufgenommene Gewährleistung
der mündlichen Parteiverhandlung -bei Zivüanspruchen mit hohem Streitwert wurde bereits oben zu Art. 271 erwähnt.

Art. 277 über die Bückweisung der Sache wegen Mängeln des Entscheides, die eine Nachprüfung der Gesetzesanwendung unmöglich machen, entspricht im wesentlichen dem bisherigen Art. 277. Die Bückweisung kann verfügt werden, ohne dass die Beschwerdeschrift der Gegenpartei mitgeteilt werde.

Art. 277Ms über den Umfang der Nachprüfung stimmt mit dem gegenwärtig geltenden Art. 275 (Fassung von Art. 13 des Provisoriums) überein.

Der Ausdruck «offenbar irrtümliche Feststellungen» wird in Anpassung an

165 Art. 63 des OG-Entwurfs durch die Bezeichnung «offensichtlich auf Versehen beruhende Feststellungen» ersetzt.

Art. 277ter stimmt mit dem gegenwärtigen Art. 276, Abs. l und 2 (Fassung von Art. 14 des Provisoriums), überein, der die im Text von 1934 eingeführte Befugnis des Kassationshofes, in der Strafsache selbst zu entscheiden, wenn er zu einer Freisprechung gelangt, aufgehoben hat. Im Strafpunkt muss somit die Sache in allen Fällen bei Gutheissung der Beschwerde an die kantonale Instanz zu neuer Entscheidung zurückgewiesen werden.

Art. 277^ater über den Entscheid im Zivilpunkt stimmt mit dem gegenwärtigen Art, 276, Ahs. S und 4 (Fassung von Art. 14 des Provisoriums), überein.

Art. 278 bringt einzelne Änderungen gegenüber der bisherigen Fassung.

Bei Gutheissung der Beschwerde des Angeklagten im Strafpunkt sollen die Kosten dem unterliegenden Privatstrafkläger, ebenso bei Gutheissung der Beschwerde des Angeklagten im Zivilpunkt dem Geschädigten auferlegt ·werden. Dem Angeklagten, Geschädigten oder Privatstrafkläger soll eine Entschädigung nicht nur dann zugesprochen werden können, wenn seine Beschwerde begründet erklärt wird, sondern auch, wenn die gegnerische unbegründet erklärt wird. Eine solche Entschädigung soll der unterhegenden Partei nicht nur dann auferlegt werden können, wenn die Beschwerde einzig den Zivilpunkt betrifft ; wird nämlich dem obsiegenden Privatstrafkläger eine Entschädigung zugesprochen, so soll der unterliegende Angeklagte sie bezahlen. Wird die Entschädigung dem obsiegenden Angeklagten zugesprochen, so soll sie dem unterliegenden Privatstrafkläger auferlegt werden.

übrige Schluss- und Übergangsbestimmungen.

Zu Art. 169: Das gegenwärtige OG wird mit Ausnahme seines Art. 197 (vgl. oben zum Abschnitt X 1) aufgehoben, ebenso das VDG mit Ausnahme seiner Art. 50 und 51 (Abänderungen des BG über die Organisation der Bundesverwaltung und des B G über die Stempelabgaben) und die bundesgerichtliche Verordnung über die Beschwerdeführung in Schuldbetreibuugs- und Konkurssachen. Der BB vom 21. Juni 1935 betreffend den Schutz der Sicherheit der Eidgenossenschaft, dessen Art. l--7 durch Art. 898, lit, p, StGB, aufgehoben worden sind, kann nunmehr ganz aufgehoben werden, da sein Art. 8 in den vorgeschlagenen neuen Text des Art. 17 BStrP aulgenommen wird. Die Aufhebung der
Bestimmungen des SchKG und des Enteignungsgesetzes über den 18-Uhr-Schluss der Fristen ist geboten, um die sachlich unbegründete Verschiedenheit der Fristenberechnungen zu beseitigen (vgl. oben zu Art, 32 und 165). Aufgehoben wird auch Art. 88 des BG vom 25. Juni 1891 über die zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter, wonach das Bundesgericht die Streitigkeiten, zu denen die Anwendung dieses Gesetzes Anläse geben kann, nach dem für staatsrechtliche Entscheidungen vorgeschriebenen Verfahren beurteilt ; er kann bloss die Eechtsuchenden irreführen, da er seit der Teihrevision des OG von 1911 bloss noch für Streitigkeiten zwischen Kantonen gilt (ebenso nach Art. 83, ht. d, des Entwurfs).

166 Da die Geltungsdauer des BB vom 11. Dezember 1941 über vorläufige Änderungen in der Bundesrechtspflege auf Ende 1944 abläuft, nennt Art. 170 den 1. Januar 1945 als Zeitpunkt des Inkrafttretens.

Zu Art. 171 (Übergangsbestimmungen) : Für die beim Bundesgericht vor dem Inkrafttreten des neuen OG anhängig gemachten Geschäfte soll die bisherige Zuständigkeit begründet bleiben und, weil das Übergangsstadium nicht lange Zeit dauern wird, ist es am einfachsten, das Verfahren nach den bisherigen Vorschriften zu Ende zu führen. Das gleiche wird für Weiterziehungen an das Bundesgericht vorgesehen, wenn die Weiterziehungsfrist noch vor dem Inkrafttreten des neuen OG begonnen hat; denn in diesem Falle soll den Parteien nicht die Beobachtung der neuen Verfahrensvorschriften zur Pflicht gemacht werden. Freilich befriedigen nicht alle Folgerungen aus diesem Grundsatz, z. B. dass im direkten Zivilprozess, in Expropriations- und Schuldbetreibungssachen der 18-Uhr-Schluss der Fristen auch noch in das Jahr 1945 hinüberspielt, dass zivilrechtliche Beschwerden alter Observanz gegen Ende 1944 zugestellte Entscheide auch im Januar 1945 noch beim Bundesgericht eingereicht werden müssen usw.

Es entspricht der Gerechtigkeit, dass die Einführung des neuen Eevisionsgrundes wegen neuentdeckter Tatsachen sich auch auf Urteile erstrecke, die das Bundesgericht vor dem Inkrafttreten des neuen OG gefällt hat. Es liegt nahe, dies in den Fällen zuzulassen, wo die fünfjährige Frist des Art. 194 BZP noch nicht abgelaufen ist; demnach würden -- das Inkrafttreten des neuen OG auf Neujahr 1945 vorausgesetzt ·-- die in den Jahren 1940--1944 gefällten bundesgerichtlichen Urteile in Betracht fallen. Daher bestimmt Abs. 2, dass bei bundesgerichtlichen Urteilen aus den Jahren 1940--1944 die neunzigtägige Frist für ein Eevisionsgesuch wegen neu entdeckter erheblicher Tatsachen erst vom Inkrafttreten des neuen OG an laufen soll.

Wir empfehlen Ihnen den beiliegenden Gesetzesentwurf zur Annahme.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 9. Februar 1948.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Celio.

Der Bundeskanzler: G. Boret.

167 (Entwurf.)

Bundesgesetz über

die Organisation der Bundesrechtspflege.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Art. 103 und 106 bis 114bis der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 9. Februar 1948, beschliesst:

L Allgemeine Bestimmungen.

1. Organisation des Bandesgerichtes.

Art. 1.

Das Bundesgericht besteht aus 26 bis 28 Mitgliedern und 11 ordentliehen2 Ersatzmännern.

Die Mitglieder und die ordentlichen Ersatzmänner werden von der Bundesversammlung gewählt. Bei der Wahl soll darauf Bedacht genommen werden, dass alle drei Amtssprachen vertreten seien.

3 Zur Aushilfe kann das Bundesgericht ehemalige Gerichtsmitglieder als ausserordentliche Ersatzmänner beiziehen.

1

Mitglieder,

Art. 2.

In das Bundesgericht kann jeder Schweizerbürger gewählt werden, Wahlfähigkeit.

der in den Nationalrat wählbar ist.

2 Die Mitglieder der Bundesversammlung und des Bundesrates und die von diesen Behörden gewählten Beamten können nicht gleichzeitig Mitglieder des Bundesgerichtes sein.

1

Art. 8.

Die Mitglieder des Bundesgerichtes dürfen keine andere Beamtung, unvereinbarkeit sei es im Dienste der Eidgenossenschaft, sei es in einem Kanton, bekleiden noch irgendeinen andern Beruf oder ein Gewerbe betreiben.

1

168

Verwandtschaft.

Anitedauer.

Präsidium.

Gerichtsschreiber und Sekretäre.

2 Sie dürfen auch nicht bei Vereinigungen oder Anstalten, die einen Erwerb bezwecken, die Stellung von Direktoren oder Geschäftsführern oder von Mitgliedern der Verwaltung, der Aufsichtsstelle oder der Kontrollstelle einnehmen.

Art. 4.

1 Blutsverwandte und Verschwägerte, in gerader Lune unbeschränkt und in der Seitenlinie bis und mit dem vierten Grade, Ehemänner von Schwestern sowie durch Kindesannahme verbundene Personen können nicht gleichzeitig das Amt eines Mitgliedes, Ersatzmannes, Gerichtsschreibers oder Sekretärs des Bundesgerichts, eines eidgenössischen Untersuchungsrichters, des Bundesanwalts oder eines sonstigen Vertreters der Bundesanwaltschaft bekleiden.

2 Der Schriftführer eines eidgenössischen Untersuchungsrichters darf weder zu diesem noch zu dem Vertreter der Bundesanwaltschaft in einem der angeführten Ausschlussverhältnisse stehen.

3 Wer durch Eingehung einer Ehe in ein solches Verhältnis tritt, verzichtet damit auf sein Amt.

Art. 5.

Die Amtsdauer der Mitglieder und der ordentlichen Ersatzmänner des Bundesgerichtes beträgt sechs Jahre.

2 Frei gewordene Stellen werden bei der nächsten Session der Bundesversammlung für den Best der Amtsdauer wieder besetzt.

1

Art. 6.

Der Präsident und der Vizepräsident des Bundesgerichts werden von der Bundesversammlung aus den Mitgliedern desselben auf zwei Jahre gewählt.

2 Dem Bundesgerichtspräsidenten liegt die allgemeine Geschäftsleitung und die Überwachung der Beamten und Angestellten ob.

3 Im Falle der Verhinderung wird er durch den Vizepräsidenten und, wenn auch dieser verhindert ist, durch das amtsälteste, unter gleichzeitig gewählten durch das der Geburt nach älteste Mitglied vertreten.

1

Art. 7.

Die Zahl der Gerichtsschreiber und Sekretäre wird durch Bundesbeschluss bestimmt. An Stelle eines Gerichtsschreibers kann das Bundesgericht einen weitern Sekretär wählen.

2 Die Gerichtsschreiber und Sekretäre werden vom Bundesgericht jeweilen nach seiner Gesamterneuerung auf 6 Jahre oder während der Amtsdauer für deren Best gewählt.

1

169 Art. 8.

Die Obliegenheiten der einzelnen Beamten und Angestellten des Bundesgerichtes werden durch ein von ibm zu erlassendes Kanzleireglement festgestellt.

Art. 9.

1 Die Beamten der Bundesrechtspflege werden vor ihrem erstmaligen Amtsantritt auf getreue Pflichterfüllung beeidigt.

2 Die Mitglieder und Ersatzmänner des Bundesgerichts leisten den Eid vor der Bundesversammlung oder auf deren Anordnung hin vor dem Bundesgericht spätestens in der ersten Gerichtssitzung, der sie beiwohnen.

3 Die Gerichtsschreiber und Sekretäre werden durch das Bundesgericht beeidigt.

4 Die Beeidigung der Untersuchungsrichter kann das Bundesgericht einer kantonalen Amtsstelle übertragen.

5 Die Untersuchungsrichter beeidigen ihre Schriftführer.

6 Der Bundesanwalt und die übrigen Vertreter der Bundesanwaltschaft leisten den Eid vor dem Bundesrat.

* An Stelle des Eides kann ein Gelübde treten.

K.-mzleireglcment.

Amtseid,

Art. 10.

Die Entscheidungen, Beschlussfassungen und Wahlen des Bundes- Abstimmung, gerichtes und seiner Abteilungen erfolgen, wenn das Gesetz nichts anderes verfügt, mit der absoluten Mehrheit der Stimmen, 2 Sind die Stimmen gleichgeteilt, so gibt diejenige des Präsidenten den Ausschlag; bei Wahlen entscheidet das Los.

1

Art. 11.

Dem Gesamtgerichte bleiben vorbehalten: a, die Vornahme von Wahlen; &. die Erledigung von Angelegenheiten, welche die Organisation des Gerichtes und die Verwaltung betreffen; c, die Entscheidung in den ihm durch Gesetz oder Eeglement zugewiesenen Eechtssachen, sowie über Eechtsfragen gemäss Art. 16; d. der. Erlass von Verordnungen, Keglementen und Kreisschreiben für kantonale Behörden und Amtsstellen.

2 Damit das Gesamtgericht gültig verhandeln kann, müssen wenigstens zwei Drittel der nicht beurlaubten Mitglieder anwesend sein.

1

Geeamtg^riclit.

Art. 12.

Das Bundesgericht bestellt aus seiner Mitte für die Dauer von Abteilungen.

je zwei Kalenderjahren folgende Gerichtsabteilungen: 1

170

a. die staats- und verwaltungsrechtliche Abteilung und innerhalb derselben zwei Kammern, von denen die eine hauptsächlich die staatsrechtlichen, die andere hauptsächlich die verwaltungsrechtlichen Sachen mit Einschluss der Disziplinarbeschwerden erledigt; b. zwei Zivilabteilungen zur Erledigung der zivilrechtlichen und der ihnen durch das Geschäftsreglement übertragenen weiteren Geschäfte ; c. die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer von drei Mitgliedern zur Erledigung der dem Bundesgericht als Aufsichtsbehörde im Schuldbetreibungs- und Konkurswesen zufallenden Geschäfte; d. die Anklagekammer von drei Mitgliedern, die nicht dem Bundesstrafgericht angehören können; e. die Kriminalkammer von drei Mitgliedern, welche die drei Amtssprachen vertreten; /. das Bundesstrafgericht, bestehend aus den drei Mitgliedern der Kriminalkammer und zwei weitern Mitgliedern; g. den Kassationshof in Strafsachen zur Beurteilung der Nichtigkeitsbeschwerden gegen kantonale Straf- und Überweisungsbehörden, unter Vorbehalt abweichender Bestimmungen des Geschäftsreglements.

2 Zur Beurteilung von Nichtigkeitsbeschwerden und Eevisionsgesuchen gegen Urteile der Bundesassisen, der Kriminalkammer und des Bundesstrafgerichtes, sowie zur Entscheidung von Kompetenzkonflikten zwischen den Bundesassisen und dem Bundesstrafgericht wird der Kassationshof jeweilen aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und den 5 amtsältesten Mitgliedern des Bundesgerichts gebildet, die weder der Anklagekammer noch dem Bundesstrafgericht angehören.

3 Jeder Bichter ist zur Aushilfe in andern Abteilungen verpflichtet.

Abteilungvor»itz.

Art. 13.

Für die gleiche Dauer bestimmt das Bundesgericht, in welchen Abteilungen der Präsident und der Vizepräsident den Vorsitz fuhren, und ernennt es die Vorsitzenden der übrigen Abteilungen.

2 Art. 6, Abs. 8, findet entsprechende Anwendung.

3 Der Abteilungspräsident bezeichnet die Instruktionsrichter und Berichterstatter.

4 Personen, die sich seinen Verfügungen nicht unterziehen, kann er aus dem Sitzungssaal wegweisen, mit einer Ordnungsbusse bis auf Fr. 100 bestrafen und nötigenfalls bis auf 24 Stunden in Haft setzen lassen. Die gleiche Befugnis steht dem Instruktionsrichter an den von ihm angeordneten Bechtstagen zu.

1

171 5

Das Bundesstrafgericht und die Kriminalkammer bezeichnen für jeden Straffall ihren Präsidenten.

Art. 14.

Im einzelnen werden die Verteilung der Geschäfte und der innere Dienst durch ein vom Bundesgericht zu erlassendes Geschäftsreglement festgesetzt.

2 Soweit es Geschäfte betrifft, die einer Abteilung zufallen, ist überall, wo das Gesetz vom Bundesgericht oder dessen Präsidenten spricht, darunter diese Abteilung oder ihr Präsident verstanden.

1

Art. 15.

Bei Beratungen und Abstimmungen in den Abteilungen des Bundesgerichts haben je 5 Bichter mitzuwirken, soweit das Gesetz nicht eine andere Zahl vorsieht.

2 Ausnahmsweise haben bei zivil-, staats- und verwaltungsrechtlichen Geschäften von grosser Tragweite oder von wesentlicher grundsätzlicher Bedeutung auf Anordnung des Präsidenten oder auf Verlangen von zwei Mitgliedern der Abteilung 7 Bichter mitzuwirken.

1

Art. 16.

Wenn eine Gerichtsabteilung eine Bechtsfrage abweichend von einem frühern Entscheid einer andern Abteilung oder mehrerer vereinigter Abteilungen oder des Gesamtgerichtes entscheiden will, so darf es nur mit Zustimmung der andern Abteilung oder auf einen ohne Parteiverhandlung und in geheimer Beratung zu fassenden Beschluss der Vereinigung beider Abteilungen oder sämtlicher Abteilungen, die in den Fall kommen können, über die Bechtsfrage zu entscheiden, oder des Gesamtgerichtes geschehen; dieser Beschluss bindet die Abteilung bei der Beurteilung des Streitfalles.

2 Die Vereinigung mehrerer Abteilungen umfasst sämtliche ihnen zugeteilten Bichter unter dem Vorsitz des amtsältesten Abteilungspräsidenten, 3 Art. 11, Abs. 2, findet entsprechende Anwendung.

1

Art. 17.

Soweit das Gesetz nichts anderes vorschreibt, sind die Parteiverhandlungen vor dem Bundesgericht und seinen Abteilungen, sowie die gerichtlichen Beratungen und Abstimmungen öffentlich, ausgenommen die Beratungen und Abstimmungen der Strafgerichtsbehörden, der verwaltungsrechtlichen Kammer in Disziplinarsachoii und der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer. In Steuersachen, bei denen die Wahrung des Steuergeheimnisses durch das Bundesrecht vorgeschrieben 1

Geschäftsvcrteilung.

Quorum,

Vereinigte Abteilungen.

Öffentlichkeit.

172

ist, dürfen nur die Parteien und deren Vertreter den Verhandlungen ilnd Beratungen beiwohnen.

2 Wenn eine Gefährdung der Staatssicherheit, der öffentlichen Ordnung oder der Sittlichkeit zu befürchten ist oder das Interesse eines Beteiligten es erfordert, kann die Öffentlichkeit durch Gerichtsbeschluss ganz oder teilweise ausgeschlossen werden.

Beclitshilfe der Kantone.

Geiicbtssitz.

Ferien und Urlaub.

Verhältnis zur Bundesver-

sammiung.

Art. 18.

Die Behörden und Beamten der Bundesrechtspflege können Amtshandlungen, für die sie zuständig sind, auf dem ganzen Gebiete der Schweiz vornehmen, ohne einer vorherigen Einwilligung der Kantonsbehörden zu bedürfen.

2 Die Kantonsbehörden haben ihnen die zur Erfüllung ihrer Aufgabe erforderliche Unterstützung zu leisten.

3 Auf Verlangen der Bundesgerichtskanzlei sind die kantonalen Instanzen verpflichtet, die Kosten des Bundesgerichtes gemeinsam mit ihren Kosten einzuziehen.

1

Art. 19.

Der Sitz des Bundesgerichts ist die Stadt Lausanne.

2 Die Mitglieder des Bundesgerichts sind verpflichtet, am Amtssitz oder in dessen Umgebung zu wohnen.

1

Art. 20.

Das Bundesgericht kann jährlich bis auf 6 Wochen Ferien anordnen, während denen das Präsidium Vorsorge für die Erledigung der unaufschiebbaren Geschäfte trifft.

2 Daneben kann das Gericht aus zureichenden Gründen einzelnen seiner Mitglieder, Beamten und Angestellten Urlaub erteilen.

1

1

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TMi

Art. 21.

Das Bundesgericht steht unter der Aufsicht der Bundesver-

TO Sammlung.

2 Es erstattet ihr alljährlich Bericht über seine gesamte Amtstätigkeit.

3

Vorbehaltlich der Bestimmung des Art, 85, Ziff. 18, der Bundesverfassung über Kompctenzstreitigkeiten zwischen Bundesbehörden entscheidet das Bundesgericht in allen bei ihm anhängig gemachten Streitsachen selbst und von Amtes wegen über. seine Zuständigkeit und ist innerhalb seiner richterlichen Tätigkeit unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Seine Entscheidungen können nur von ihm selbst nach Massgabe der gesetzlichen Bestimmungen aufgehoben oder abgeändert werden.

173 2. Ausstand von Gerichtspersonen.

Art. 22.

1 Ein Mitglied oder Ersatzmann des Bundesgerichtes, der Bundesanwalt oder ein Vertreter desselben, ein Untersuchungsrichter, Schriftführer desselben oder Geschworener darf sein Amt nicht ausüben: a. in allen Angelegenheiten, in denen er selbst, seine Ehefrau, seine Verlobte, seine Verwandten oder Verschwägerten bis zu dem in Art. 4 bezeichneten Grade, oder in denen der Ehemann der Schwester oder die. Ehefrau des Bruders seiner Ehefrau oder eine Person, deren Vormund oder Beistand er ist oder mit der er durch Kindesannahme verbunden ist, am Ausgange des Streites ein unmittelbares Interesse haben; 6. in einer Angelegenheit, in bezug auf die er bereits in anderer Stellung, als Mitglied einer administrativen oder richterlichen Behörde, als Justizbeamter, als Bevollmächtigter oder Anwalt einer Partei, als Sachverständiger oder Zeuge gehandelt hat; c. in Streitfällen, in denen sein Heimatkanton oder seine Heimatgemeinde als Partei erscheint oder eine Eückgriffsklage zu gewärtigen hat, 2 Ausserdem darf ein Mitglied oder Ersatzmann des Bundosgerichtes oder ein Geschworener sein Amt nicht ausüben, wenn der Bevollmächtigte oder Anwalt einer Partei mit ihm in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis zum zweiten Grade verwandt oder verschwägert ist.

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Art. 23.

Ein Mitglied oder Ersatzmann des Bundesgorichtes, Vertreter der AUchnungsKtl e Bundesanwaltschaft, Untersuchungsrichter, Schriftführer desselben oder "' " Geschworener kann von den Parteien abgelehnt werden oder selbst seinen Ausstand verlangen: a. in Sachen eines Vereins, einer Genossenschaft oder einer Gesellschaft mit. beschränkter Haftung, deren Mitglied er ist; b. wenn zwischen ihm und einer Partei besondere Freundschaft oder persönliche Feindschaft oder ein besonderes Pflicht- oder Abhängigkeitsverhältnis besteht ; c. wenn Tatsachen vorliegen, die ihn in bezug auf den zu beurteilenden Fall als befangen erscheinen lassen, Art. 24.

. Trifft bei einer Gerichtsperson eine der Bestimmungen des Art. 22 Anzeigepaiciit.

oder des Art. 28 zu, so hat sie dies rechtzeitig dem Abteilungspräsidenten anzuzeigen, im Falle des Art. 28 mit der Erklärung, ob sie selbst ihren Ausstand verlange oder die Ablehnung den Parteien anheimstelle. Im letzteren Fall ist den Parteien zur Geltendmaehung der Ablehnung eine kurze Frist anzusetzen.

174

Ablehnungs gesuch.

Gerichtsentscheid.

Ausstand des

Bundesanwalts.

Art. 25.

Die Parteien, die vom Beeilte der Ablehnung Gebrauch machen wollen, haben ihre Erklärung sofort nach Entstehung oder Bekanntwerden des Ablehnungsgrundes dem Bundesgerichte schriftlich einzureichen.

2 In der Erklärung sind die Gründe der Ablehnung anzuführen und urkundlich zu bescheinigen. Wenn die urkundliche Bescheinigung nicht möglich ist, hat sich die abgelehnte Gerichtsperson über die angebrachten Ablehnungsgründe zu erklären. Ein weiteres Beweisverfahren ist nicht zulässig.

3 Wer bei der Ablehnung säumig ist-, kann in die dadurch verursachten Kosten verfällt werden.

1

Art. 26.

Ist das Vorhandensein eines Ausstandsgrundes (Art. 22 und 28) streitig, so entscheidet darüber die Gerichtsabteilung ohne Mitwirkung der betroffenen luchter, bei Untersuchungsrichtern und deren Schriftführern die Anklagekammer, bei Geschworenen die Kriminalkammer.

2 Der Entscheid über die Ausstandsfrage kann ohne Anhörung der Gegenpartei erfolgen. . · 3 Sollten so viele Mitglieder und Ersatzmänner in Ausstand kommen, dass keine gültige Verhandlung stattfinden kann, so bezeichnet der Bundesgerichtspräsident durch das Los aus der Zahl der Obergerichtspräsidenten der in der Sache nicht beteiligten Kantone so viele ausserordentliche Ersatzmänner, als erforderlich sind, um die Ausstandsfrage und nötigenfalls die Hauptsache selbst beurteilen zu können.

1

1

entscheiden.

2

Verletzung der

Partei Vertreter.

Domizil.

Art. 27.

Über den Ausstand des Bundesanwaltes hat der Bundesrat zu

Die Art. 24, 25 und 26, Abs. 2, finden entsprechende Anwendung.

Art. 28.

1 Das Verfahren und die Entscheidungen oder Verfügungen, an denen eine unfähige Gerichtsperson teilgenommen hat, können von jeder Partei gemäss Art. 136 angefochten werden.

2 Bei Ablehnung tritt die Nichtigkeit erst auf den Zeitpunkt des Ablehnungsbegehrens ein.

3. Gemeinsame Verfahrensvorschriften, Art. 29.

1 Parteivertreter haben als Ausweis eine Vollmacht zu den Akten zu legen; eine solche kann jederzeit nachgefordert werden.

175 2

In Zivil- und Strafsachen werden als Parteivertreter diejenigen Personen, welche nach dem betreffenden kantonalen Becht zur berufsmässigen Ausübung der Prozessvertretung befugt sind, sowie die Bechtslehrer an schweizerischen Hochschulen zugelassen.

3 Ausnahmsweise werden unter Vorbehalt des Gegenrechtes auch ausländische Bechtsanwalte zugelassen.

4 Parteien, die im Ausland wohnen, haben m der Schweiz ein Zustellungsdomizil zu verzeigen. Zustellungen an Parteien, die dieser Auflage nicht Folge leisten, können allfällig unterbleiben oder auf dem Ediktalweg erfolgen.

5 Ist eine Partei offenbar nicht imstande, ihre Sache selber zu führen, so kann das Gericht sie anhalten, einen Vertreter beizuziehen.

Leistet sie innert der angesetzten Frist keine Folge, so bezeichnet das Gericht einen solchen auf Kosten der Partei.

Art. 80.

Sämtliche für das Bundesgericht bestimmten Eechtsschriften RcchtsschnflTM.

sind mit Unterschrift versehen in genügender Anzahl für das Gericht und jede Gegenpartei einzureichen, mindestens jedoch im Doppel.

2 Fehlen notwendige Exemplare, so setzt die Bundesgerichtskanzlei eine Frist zu deren Einreichung oder zum Vorschuss der Kosten der Abschrift an mit der Androhung, dass die Bechtsschrift sonst unbeachtet bleibe.

3 Unleserliche Eingaben und solche von ungebührlichem Inhalt oder übermässiger Weitschweifigkeit sind in gleicher Weise zur Umänderung zurückzuweisen.

1

Art. 81.

Wer im mündlichen oder schriftlichen Geschäftsverkehr den durch die gute Sitte gebotenen Anstand verletzt oder den Geschäftsgang stört, ist mit einem Verweis oder mit Ordnungsbusse bis auf Fr. 100 zu belegen.

2 Wegen böswilliger oder mutwilliger Prozessführang kann sowohl die Partei als deren Vertreter mit einer Ordnungsbusse bis auf Fr. 200 und bei Bückfall bis auf Fr. 500 belegt werden, 1

Disziplin,

Art. 32.

Bei Berechnung der in diesem Gesetze vorgesehenen Fristen wird Fristen, der Tag, an dem die Frist zu laufen beginnt, nicht mitgezählt.

"' ercc ung' 2 Ist der letzte Tag einer Frist ein Sonntag oder ein vom zutreffenden kantonalen Becht anerkannter Feiertag, so endigt sie am nächstfolgenden Werktag.

3 Eine Frist gilt nur dann als eingehalten, wenn die Handlung innerhalb derselben vorgenommen wird. Schriftliche Eingaben müssen 1

176

spätestens am letzten Tag der Frist an das Gericht oder dessen Kanzlei gelangt oder der schweizerischen Post übergeben sein.

b. Verlängerung.

c. Gerichtsfenei1 '

d. wieaerhergoVn'versäumnis,

Streitwert.

Art. 83.

Die vom Gesetz bestimmten Fristen können nicht erstreckt werden.

3 Richterlich bestimmte Fristen können aus zureichenden und gehörig bescheinigten Gründen erstreckt werden, wenn das Gesuch vor Ablauf der Frist beim Bundesgericht eintrifft.

1

Art, 34.

* Fristen, deren Länge gesetzlich oder richterlich bestimmt ist, stehen in der Zeit vom 15. Juli bis und mit 15. August still.

2 Diese Vorschrift gilt nicht in Strafsachen und Schuldbetreibungsund Konkarssachen.

Art. 35.

"Wiederherstellung gegen die Folgen der Versäumung einer Frist kann nur dann erteilt werden, wenn der Gesuchsteller oder sein Vertreter durch ein unverschuldetes Hindernis abgehalten worden ist, innert der Frist zu handeln, und binnen 10 Tagen nach Wegfall des Hindernisses unter Angabe desselben die Wiederherstellung verlangt und die versäumte Eechtsvorkehr nachholt.

2 Die Entscheidung erfolgt auf Grundlage eines schriftlichen Verfahrens ohne Öffentliche Beratung. Art. 95 ist anwendbar. · 1

Art. 36.

Der Wert des Streitgegenstandes wird durch das klägerische Eechtsbegehren bestimmt.

2 Geht die Klage nicht auf Bezahlung einer bestimmten Geldsumme, so setzt das Bundesgericht zunächst von Amtes wegen auf summarischem Weg nach freiem Ermessen, nötigenfalls nach Befragung eines Sachverständigen, den Streitwert fest.

3 Zinse, Früchte, Prozesskosten und Prozessentschädigungen, die als Nebenrechte geltend gemacht werden, ferner Vorbehalte sowie die Urteilsveröffentlichung fallen bei der Bestimmung des Streitwertes nicht in Betracht.

4 Als Wert wiederkehrender Nutzungen oder Leistungen ist der mutmassliche Kapitalwert anzunehmen.

6 Bei Ungewisser oder unbeschränkter Dauer gilt als Kapitalwert der zwanzigfache Betrag der einjährigen Nutzung oder Leistung, bei Leibrenten jedoch der Barwert.

1

177 Art. 37.

Die Bundesgerichtskanzlei teilt die Entscheidungen des Blindes- Eröffnung der gerichts ohne Verzug im Dispositiv den Parteien mit, es sei denn, dass Entscheidungen.

diese bei der Verkündung anwesend waren.

2 Die vollständige Ausfertigung wird mit Angabe der mitwirkenden Richter den Parteien und der Behörde mitgeteilt, deren Entscheid angefochten worden war.

3 Die Ausfertigung erfolgt in der Regel in der Amtssprache, in der die Instruktion des Prozesses stattgefunden hat, sonst in der Sprache des angefochtenen Entscheides.

1

Art. 38.

Die Entscheidungen des Bundesgerichtes werden mit der Ausfällung Rechtskraft, rechtskräftig.

Art. 39.

1 Die Kantone sind verpflichtet, die Entscheidungen der mit der Vollziehung.

Bundesrechtspflege betrauten Behörden in gleicher Weise zu vollziehen wie die rechtskräftigen Urteile ihrer Gerichte.

2 Wegen mangelhafter Vollziehung kann beim Bundesrat Beschwerde erhoben werden. Der Bundesrat trifft die erforderlichen Verfügungen.

Art. 40.

Wo dieses Gesetz keine besondern Bestimmungen über das Verfahren enthält, finden die Vorschriften des Bundesgesetzes über das Verfahren bei dem Bundesgericht in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

Verhältnis zum Bundeszivilprozess,

II. Zivilrechtspflege.

1. Das Bundesgericht als einzige Instanz.

Art. 41.

Direkte Das Bundesgericht beurteilt als einzige Instanz: Prozesse: a. zivilrechtliche Streitigkeiten zwischen dem Bund und einem Kanton
oder Kantonen unter sich; fe. zivilrechtliche Ansprüche von Privaten oder Korporationen gegen den Bund, wenn der Streitwert wenigstens Fr. 4000 beträgt ; hievon sind ausgenommen Klagen aus den Bundesgesetzen vom 28. März 1905 betreffend die Haftpflicht der Eisenbahn- und Dampfschiffahrts-Unternehmungen und der Post und vom 15. März 1932 über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr, sowie sämtliche Klagen gegen die Schweizerischen Bundesbahnen; Bundesblatt. 95. Jahrg. Bd. I, 13

178 c. andere zivilreehtliche Streitigkeiten, ·wenn sie durch die Verfassung oder Gesetzgebung eines Kantons mit Genehmigung der Bundesversammlung an das Bundesgericht gewiesen werden, oder wenn das Bundesgericht von beiden Parteien an Stelle der kantonalen' Gerichte angerufen wird und der Streitwert wenigstens Fr. 10 000 beträgt.

b. zwischen Kantonen und Privaten im besoniiern.

Zweck der Berufung.

Sieht vermögensreebtlicho Zivilsachen.

Art. 42.

. ! Das Bundesgericht beurteilt als einzige Instanz zivilrechtliche Streitigkeiten zwischen einem Kanton einerseits und Privaten oder Korporationen anderseits, wenn eine Partei es rechtzeitig verlangt und der Streitwert wenigstens Fr, 4000 beträgt, ohne Unterschied, ob die Streitigkeiten nach der kantonalen Gesetzgebung im ordentlichen Prozessverfahren oder in einem besondern Verfahren vor besondern Behörden auszutragen wären.

2 Diese Bestimmung gilt nicht für Expropriationsstreitigkeiten.

2. Das Bundesgericht als Berufungsinstanz, Art. 48.

1 Mit der Berufung kann nur geltend gemacht werden, der angefochtene Entscheid beruhe auf einer Verletzung des Bundesrechtes mit Einschluss von Staatsverträgen des Bundes. Wegen Verletzung verfassungsmässiger Bechte der Bürger bleibt die staatsrechtliche Beschwerde vorbehalten.

z Das Bundesrecht ist verletzt, wenn ein in einer eidgenössischen Vorschrift ausdrücklich ausgesprochener oder daraus sich ergebender Kechtssatz nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

3 Das Bundesrecht ist durch Feststellungen über tatsächliche Verhältnisse nicht verletzt, es wäre denn, dass sie unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen sind.

4 Jede unrichtige rechtliche Beurteilung einer Tatsache ist als Bechtsverletzung anzusehen.

Art. 44.

Die Berufung ist zulässig in nicht vermögensrechtlichen Zivilrechtsstreitigkeiten, sowie in folgenden Fällen: a. Verweigerung der Einwilligung des Vormundes zur Bheschliessung (Art. 99 2GB); b. Entziehung und Wiederherstellung der elterlichen Gewalt gemäss Art. 285 und 287 ZGB; c. Entmündigung und Stellung unter Beistandschaft (Art. 869--872, 892--395 ZGB) sowie Aufhebung dieser Verfügungen.

179 Art. 45.

In vermögensrechtlichen Zivilsachen ist ohne Bücksicht auf den Vermögensrechtliche Streitwert die Berufung zulässig Zivilsachen: a. ohne Bea, in Streitigkeiten über den Gebrauch einer Geschäftsfirma, den ' ruf ungs Schutz der Fabrik- und Handelsmarken, der Herkunftsbezeichnung summe von Waren, der gewerblichen Auszeichnungen und der gewerblichen Muster und Modelle, sowie über die Erfindungspatente und das Urheberrecht an Werken der Literatur und Kunst; b. im Verfahren zur Kraftloserklärung von Pfandtiteln oder Zinscoupons (Art. 870 und 871 ZGB), von Wertpapieren (Art. 971 und 972 OK), insbesondere Namenpapieren (Art. 977 OB, Art. 9 der Übergangsbestimmungen), Inhaberpapieren (Art. 981--989 OE), Wechseln (Art. 1072--1080 und 1098 OE), Checks (Art. 1148, Ziff. 19, OE), wechselähnlichen und andern Ordrepapieren (Art. 1147, 1151 und 1152 OE), sowie von Versicherungspolicen (Art. 13 VVG).

Art. 46.

In Zivilrechtsstreitigkeiten über andere vermögensrechtliche An- b. Berufungssprüche ist die Berufung nur zulässig, wenn der Streitwert nach Massgabe summe.

der Rechtsbegehren, wie sie vor der letzten kantonalen Instanz noch streitig waren, wenigstens Fr. 4000 beträgt.

Art. 47.

Mehrere in einer vermögensrechtlichen Klage, sei es von einem c.

Kläger, sei es von Streitgenossen, geltend gemachte Ansprüche werden, auch wenn sie nicht den gleichen Gegenstand betreffen, zusammengerechnet, sofern sie sich nicht gegenseitig ausschliessen.

2 Der Betrag einer Widerklage wird nicht mit demjenigen der Hauptklage zusammengerechnet.

3 Wenn die in Hauptklage und Widerklage geltend gemachten Ansprüche einander ausschliessen, so ist die Berufung bezüglich beider Klagen zulässig, sofern nur für eine derselben die Zuständigkeit des Bundesgerichtes begründet ist.

1

Zusammenrechnung.

Widerklage.

Art. 48.

Die Berufung ist regelmässig erst gegen die Endentscheide der Anfechtbare : obern kantonalen Gerichte oder sonstigen Spruchbehörden zulässig, die a. Entscheide Endentscheide.

nicht durch ein ordentliches kantonales Rechtsmittel angefochten werden können.

2 Die Berufung ist gegen Endentscheide unterer Gerichte nur zulässig: 1

180 a. wenn diese als letzte, aber nicht einzige kantonale Instanz entschieden haben, oder b. wenn sie als die vom Bundesrecht vorgesehene einzige kantonale Instanz entschieden haben.

3 Die Berufung gegen den Endentscheid bezieht sich auch auf die ihm vorausgegangenen Entscheide ; ausgenommen sind Zwischenentscheide, die gemäss Art. 49 schon ftüher weiterziehbar waren, und solche, die gemäss Art. 50 weitergezogen und beurteilt worden sind.

Art. 49.

». Zwischenent- , Gegen selbständige Vor- oder Zwischenentscheide der in Art. 48, zCiïft'^ndigber Abs. l nnd 2, bezeichneten Instanzen über die Zuständigkeit ist wegen heit.

Verletzung bundesrechtlicher Vorschriften über die sachliche oder örtliche Zuständigkeit die Berufung zulässig. Vorbehalten bleibt die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 59 der Bundesverfassung.

Art. 50.

1 f. andere Gegen andere selbständige Vor- oder Zwischenentscheide der in ZwiBcheuArt. 48, Abs. l und 2, bezeichneten Instanzen ist ausnahmsweise die cntschcidc.

Berufung zulässig, wenn dadurch sofort ein Endentscheid herbeigeführt und ein so bedeutender Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren erspart werden kann, dass die abgesonderte Anrufung des Bundesgerichtes gerechtfertigt erscheint.

2 Über das Vorhandensein dieser Voraussetzung entscheidet das Bundesgericht ohne öffentliche Beratung nach freiem Ermessen.

Kantonales Verfahren.

. Anforderungen.

Art. 51.

Das Verfahren vor den kantonalen Behörden und die Abfassung der Entscheide richtet sich nach den Vorschriften der kantonalen Gesetzgebung; jedoch sind folgende Bestimmungen zu beobachten: a. Bei Streitigkeiten vermögensrechtlicher Natur ist, wenn nicht eine bestimmt bezifferte Geldsumme gefordert wird, in der Klage anzugeben und, soweit es ohne erhebliche Weiterung möglich ist, im Entscheid festzustellen, ob der Streitwert mindestens Er. 10 000 oder doch Fr. 4000 erreiche.

fe. Wenn das Verfahren vor den kantonalen Behörden mündlich ist und über die Parteiyerhandlungen, soweit sie für die Entscheidung massgebend sind, nicht ein genaues Sitzungsprotokoll geführt wird, so sind die Behörden verpflichtet, im Entscheid die Anträge der Parteien, die zu deren Begründung angeführten Tatsachen, die Erklärungen (Anerkennungen, Bestreitungen) der Parteien sowie die von ihnen angerufenen Beweis- und Gegenbeweismittel vollständig anzuführen.

1

181 Überdies steht in diesem Fall jeder Partei das Eecht zu, vor Schluss des kantonalen Verfahrens eine Zusammenfassung ihrer mündlichen Vorträge zu den Akten zu legen, in der die von ihr gestellten Anträge, die zu deren Begründung angeführten Tatsachen und rechtlichen Gesichtspunkte sowie die von ihr angerufenen Beweismittel und abgegebenen Erklärungen zu erwähnen sind.

Machen die Parteien von dieser Berechtigung Gebrauch, so kann in der Sachdarstellung des Entscheides auf die Eingaben der Parteien Bezug genommen werden. Steht die Sachdarstellung in einem Punkte mit den übereinstimmenden Eingaben der Parteien im Widerspruch, so ist auf die letztern abzustellen.

c. In den Entscheiden ist das Ergebnis der Beweisführung festzustellen und anzugeben, inwieweit die Entscheidung auf der Anwendung eidgenössischer, kantonaler oder ausländischer Gesetzesbestimmungen beruht. Wird wegen besonderer Sachkunde einzelner Richter vom Beweis durch Sachverständige Umgang genommen, so sind deren Voten zu protokollieren.

d. Die an das Bundesgericht weiterziehbaren Entscheide sind den Parteien von Amtes wegen schriftlich mitzuteilen. Als solche Mitteilung gilt auch die schriftliche Eröffnung, dass der Entscheid hei der Behörde zur Einsicht aufliege.

e. Die Akten dürfen nicht vor Ablauf der Frist zur Berufung an das Bundesgericht zurückgegeben werden.

2 In den Eechtsstreitigkeiten, die nach den Art. 148, 250 und 284 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs im beschleunigten Verfahren zu erledigen sind (Kollokationsstreitigkeiten im Pfändungs- und im Konkursverfahren und Streitigkeiten betreffend heimlich oder gewaltsam aus vermieteten oder verpachteten Bäumlichkeiten fortgeschaffte Gegenstände), hat die schriftliche Mitteilung des Urteils innerhalb zehn Tagen nach der Ausfällung zu erfolgen.

Art. 52.

Weisen die Akten oder der Entscheid in den in Art. 51 bezeichneten *· Mängel.

Punkten Mängel auf, so kann der Präsident oder das Bundesgericht die kantonale Instanz zu deren Verbesserung anhalten. Wenn die Mängel auf andere Weise nicht behoben werden können, hebt das Bundesgericht den Entscheid von Amtes wegen auf und weist die Sache an die kantonale Instanz zu neuer Beurteilung zurück, der nötigenfalls eine neue Verhandlung vorauszugehen hat, Art. 53.

Zur Berufung oder Anschlussberufung sind auch die Nebenparteien (Litisdenunziaten, Nebenintervenienten) berechtigt, wenn ihnen nach 1

webenPnrtelTM.

182

Berafuïiff?friat, Rechtskraft.

üerufuiigsschrlffc.

dem kantonalen Gesetz Parteirechte zukommen und sie vor der letzten kantonalen Instanz am Prozess teilgenommen haben. Ihre Stellung im "Verfahren wird durch das kantonale Recht bestimmt.

2 Streitverkündung oder Nebenintervention sind vor Bundesgericht nicht mehr zulässig.

Art. 54.

1 Die Berufung ist binnen 20 Tagen, vom Eingang der schriftlichen Mitteilung des Entscheides (Art. 51, lit. d) an gerechnet, unter Beobachtung der Art. 30 und 55 bei der Behörde einzulegen, die den Entscheid gefällt hat. Diese Frist wird weder durch Einlegung eines ausserordentlichen kantonalen Bechtsmittels verlängert noch durch eine Verfügung, die ilrm aufschiebende Wirkung verleiht.

2 Vor Ablauf der Berufungs- und Anschlussberufungsfrist tritt die Rechtskraft der Endentscheide nicht ein, ausgenommen als Voraussetzung für auss er ordentliche kantonale Rechtsmittel. Durch zulässige Berufung und Anschlussberufung wird der Eintritt der Rechtskraft im Umfang der Anträge gehemmt.

Art. 55.

Die Benifungsschrift muss ausser der Bezeichnung des angefochtenen Entscheides und der Partei, gegen welche die Berufung gerichtet wird, enthalten: a. bei Streitigkeiten vermögensrechtlicher Natur, deren Streitgegenstand nicht in einer bestimmt bezifferten Geldsumme besteht, die Angabe, ob der Streitwert wenigstens Fr. 4000 betrage, sowie die Gründe, aus denen der Berufungskläger eine allfälhge gegenteilige Feststellung der Vorinstanz bestreitet, ferner die Angabe, ob zwischen dem angefochtenen Urteil und dem Berufungsantrag ein Unterschied von wenigstens Fr. 10 000 bestehe ; &. die genaue Angabe, welche Punkte des Entscheides angefochten und welche Abänderungen beantragt werden. Der blosse Hinweis auf im kantonalen Verfahren gestellte Anträge genügt nicht.

Neue Begehren sind ausgeschlossen; .

c. die Begründung der Anträge. Sie soll kurz darlegen, welche Bundesrechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt sind. Ausführungen, die sich gegen die tatsächlichen Feststellungen richten, das Vorbringen neuer Tatsachen, neue Einreden, Bestreitungen und Beweismittel, sowie Erörterungen über die Verletzung kantonalen oder ausländischen Rechts sind unzulässig ; d, wenn die Feststellung einer nach dem Bundesrecht zu beurteilenden Tatsache durch die kantonale Instanz als offensichtlich auf Versehen beruhend angefochten wird: die genaue Angabe dieser Feststellung und der Aktenstelle, mit der sie im Widerspruch steht.

1

183

e. ein allfälliges Gesuch uni Bewilligung der unentgeltlichen Bechtspflege (Art. 152).

2 Berufungen, deren Begründung den vorstehenden Vorschriften nicht entspricht, können unter Ansetzung einer kurzen Frist zur Verbesserung zurückgewiesen werden init der Androhung, dass andernfalls nicht darauf eingetreten werde.

Art. 56.

Die kantonale Behörde hat der Gegenpartei sofort von den Anträgen der Berufung, auch wenn sie verspätet erscheint, Kenntnis zu geben und innerhalb einer Woche die Berufungsschriften, eine Abschrift des Entscheides und vorangegangener Zwischenentscheide, sowie sämtliche Akten und ihre allfälligen Gegenbemerkungen dem Bundesgericht einzusenden und ihm die Daten der Zustellung des angefochtenen Entscheides und des Einganges oder der Postaufgabe der Berufung, sowie der Kenntnisgabe an die Gegenpartei mitzuteilen.

Mitteilung, twdung"

Art. 57.

Ist bezüglich eines Entscheides, gegen den beim Bundesgericht AusserordeutBerufung eingelegt ist, bei der zuständigen kantonalen Behörde eine UEechteÄi!e Nichtigkeitsbeschwerde oder ein Gesuch um Erläuterung oder um Wiederherstellung (Bevision) anhängig, so wird bis zur Erledigung der Sache vor der kantonalen Behörde die bundesgerichtliche Entscheidung ausgesetzt. Inzwischen unterbleibt die Einsendung der Akten des kantonalen Verfahrens an das Bundesgericht.

2 Ist ein Strafverfahren zur Vorbereitung eines Gesuches um Wiederherstellung (Bevision) anhängig, so kann das Bundesgericht seine Entscheidung ebenfalls aussetzen.

3 Die angegangene kantonale Behörde hat dem Bundesgericht von der Art der Erledigung unverzüglich Kenntnis zu geben. Lautet ihr Entscheid auf Erläuterung oder auf Abweisung eines Bevisionsgesuches, so ist er samt den neuen Akten einzusenden, 4 Über die Ergebnisse eines solchen Erläuterungs- oder Bevisionsverfahrens kann ein weiterer Schriftenwechsel angeordnet werden. Sie sind bei der Beurteilung vom Bundesgericht zu berücksichtigen.

5 In gleicher Weise wird die Entscheidung über die Berufung regelmässig bis zur Erledigung einer staatsrechtlichen Beschwerde ausgesetzt.

1

Art. 58.

Zum Erlass einstweiliger Verfügungen in bezug auf den Streitgegenstand bleiben auch während der Anhängigkeit der Streitsache beim Bundesgericht die kantonalen Behörden nach Massgabe der kantonalen Gesetzgebung ausschliesslich zuständig.

Einstweilige eTMKen-

Yerfu

184

Anschlueßberufimg.

Vorprüfung.

Antwort.

Art. 59.

Der Berufungsbeklagte kann, selbst wenn er auf eigene Berufung verzichtet hatte, binnen 10 Tagen vom Eingang der in Art. 56 vorgeschriebenen Anzeige an Abänderungsanträge gegen den Hauptberufungskläger beim Bundesgericht einreichen.

2 Die schriftliche Begründung der Anschlussberufung ist erst in Verbindung mit der Antwort auf die Berufung einzureichen (Art. 61).

3 Von den Anträgen der Anschlussberufung ist der Gegenpartei sofort Kenntnis zu geben.

4 Die Anschlussberufung fällt dahin, wenn die Berufung zurückgezogen oder wenn auf sie nicht eingetreten wird.

1

Art. 60.

Das Bundesgericht kann sofort oder nach Einholung der Antwort ohne öffentliche Beratung bei Einstimmigkeit a. beschh'essen, dass auf die Berufung nicht eingetreten wird, wenn sie sich als unzulässig erweist, wenn Entscheidungsgründe des kantonalen oder ausländischen Bechts unter allen Uniständen ausschlaggebend sind; l>. die in Art. 52 vorgesehenen Massnahmen treffen; c. den angefochtenen Entscheid aufheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die kantonale Instanz zurückweisen, wenn die von ihr ganz oder teilweise nach eidgenössischen Gesetzen entschiedene Streitsache ausschliesslich nach kantonalem oder ausländischem Becht zu beurteilen ist.

3 Ebenso kann das Bundesgericht sofort oder nach Einholung der Antwort ohne öffentliche Beratung bei Einstimmigkeit die Berufung abweisen, wenn sie ohne irgendwelchen Zweifel als unbegründet erachtet wird.

3 Die nämlichen Bestimmungen gelten für die Anschlussberufung.

1

Art. 61.

Die Berufungsschrift wird dem Berufungsbeklagten mitgeteilt; dieser ist befugt, innert 20 Tagen eine kurz gefasste Antwort einzureichen. Art. 55, Abs. l, lit. a und d, finden entsprechende Anwendung.

Neue Begehren, das Vorbringen neuer Tatsachen, neue Einreden, Bestreitungen, Beweismittel, sowie Ausführungen zur Würdigung des Beweisergebnisses und über die Verletzung kantonalen oder ausländischen Eechts sind unzulässig.

2 Wer keine Antwort einreicht, ist vom Vortrag in der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen, wenn der Berufungskläger spätestens 10 Tage vor der Verhandlung erklärt, auf den mündlichen Vortrag zu 1

185 verzichten. Das Bundesgericht teilt diese Erklärung unverzüglich dem Berufungsbeklagten mit.

3 Hat sich der Berufungsbeklagte der Berufung angeschlossen, so hat er mit der Antwort eine dem Art. 55 entsprechende Anschlussberufungssehrift zu verbinden.

4 Hierauf kann der Berufungskläger gemäss Abs. l und 2 antworten, 6 Ein weiterer Schriftenwechsel ist nur ausnahmsweise gestattet.

Art. 62.

In Zivilrechtsstreitigkeiten nicht vermögensrechtlicher Natur oder mit einem vor Bundesgericht noch streitigen Wert von wenigstens Fr. 10 000 findet eine mündliche Parteiverhandlung statt, wenn die Berufung sich nicht bloss gegen einen Zwischenentscheid über die Zuständigkeit richtet.

2 In allen andern Fällen befindet das Bundesgericht nach freiem Ermessen, ob eine mündliche Parteiverhandlung durchzuführen sei.

3 Die geladenen Parteien können das Streitverhältnis, soweit es der Prüfung des Bundesgerichtes unterhegt (Art. 55, lit. b und c), entweder selbst vortragen oder durch Bevollmächtigte (Art. 29) vortragen lassen.

* Die Parteien haben nur auf einen Vortrag Anspruch; ausnahmsweise können Eeplik und Duplik gestattet werden.

6 Das Ausbleiben der Parteien hat für sie keinen Bechtsnachteil zur Folge.

6 Findet keine mündliche Parteiverhandlung statt, eo wird den Parteien der Tag der Urteilsfällung angezeigt.

1

ParteiVerhandlung.

Art. 68.

Das Bundesgericht darf nicht über die Anträge der Parteien ymfang der hinausgehen. An deren Begründung ist es nicht gebunden, ,r"iuihàiï-UfUnK; 2 Unter Vorbehalt von Art. 43, Abs. 8, sowie der Berichtigung uemcinTM.

offensichtlich auf Versehen beruhender Feststellungen von Amtes wegen hat das Bundesgericht seiner Entscheidung die Feststellungen der letzten kantonalen Instanz über tatsächliche Verhältnisse zu Grunde zu legen.

3 Das Bundesgericht ist in bezug auf die rechtliche Würdigung der Tatsachen frei, soweit sie ihm nach Art. 43 zukommt.

1

Art. 64.

Bedarf der von der kantonalen Instanz festgestellte Tatbestand b. ErgänsuuK der Vervollständigung in bloss nebensächlichen Punkten, so kann das bestaïdês.

Bundesgericht die notwendigen neuen Feststellungen selbst vornehmen, sofern dies auf Grund der vorhandenen Akten möglich ist, und in der Sache selbst entscheiden.

1

186 2

Andernfalls hebt das Bundesgericht mit rechtlicher Begründung das angefochtene urteil auf und weist die Sache zu allfälliger Aktenergänzung und neuer Entscheidung an die kantonale Instanz zurück.

o. kantonales und ausländisches lleclit.

Art. 65.

Kommen für die Entscheidung neben eidgenössischen Gesetzesbestimmungen auch kantonale oder ausländische Gesetze zur Anwendung und hat der angefochtene Entscheid sie nicht angewendet, so kann das Bundesgericht die Anwendung des kantonalen oder ausländischen Bechts selbst vornehmen oder die Sache an die kantonale Instanz zurückweisen.

Art. 66.

Wirkung der * Die kantonale Instanz, an die eine Sache zurückgewiesen Ruckwcisuug. wjrc]^ (jarf neues Vorbringen über die zurückgewiesenen Streitfragen berücksichtigen, soweit es nach dem kantonalen Prozessrecht noch zulässig ist, hat jedoch die rechtliche Beurteilung, mit der die Zurückweisung begründet wird, auch ihrer Entscheidung zugrunde zu legen.

2 Gegen den neuen Entscheid ist die Berufung unabhängig vom Streitwert wiederum zulässig.

Besonderheiten des Piitentprpzeases.

Art. 67.

In Streitigkeiten über die Erfindungspatente kann das Bundesgericht oder der Instruktionsrichter, wenn sich dies für das genaue Verständnis des Tatbestandes als notwendig erweist, einen Augenschein vornehmen und den Sachverständigen der Vorinstanz oder erforderlichenfalls einen neuen Sachverständigen beiziehen.

3. Das Bundesgericht als Beschwerdeinstanz.

Bcschwerdcfiille.

Art. 68.

In Zivilsachen, die nicht nach Art. 44--46 der Berufung unterliegen, ist gegen letztinstanzlicho Entscheide kantonaler Behörden Nichtigkeitsbeschwerde zulässig, a, wenn statt des massgebenden eidgenössischen Eechts kantonales oder ausländisches Becht angewendet worden ist; &. wegen Verletzung von Vorschriften des eidgenössischen Bechtes mit Einschluss von Staatsverträgen des Bundes über die sachliche oder örtliche Zuständigkeit der Behörden. Vorbehalten bleibt die staatsrechtliche Beschwerde wogen Verletzung von Art. 59 der Bundesverfassung.

2 Werden selbständige Entscheide über die Zuständigkeit unangefochten gelassen, so können sie nicht mehr später zusammen mit dem Endentscheid angefochten werden.

1

187 Art. 69.

1

Die Beschwerde ist innert 20 Tagen, von der nach dem kantonalen BeschwerdeRecht massgebenden Eröffnung des Entscheides an gerechnet, unter Beobachtung der Art. 30 und 71 bei der Behörde einzulegen, die den Entscheid gefällt hat.

2 Werden, von Amtes wegen nachträglich schriftliche Entscheidungsgründe zugestellt, so kann die Beschwerde noch innert 20 Tagen seit der Zustellung geführt werden.

s Diese Fristen werden weder durch Einlegung eines ausserordeiitlichen Eechtsmittels verlängert noch durch eine Verfügung, die ihm aufschiebende Wirkung verleiht.

Art. 70.

Die Beschwerde hemmt .den Eintritt der Bechtskraft nicht.

2 Auf Begehren kann der Präsident des Bundesgerichtes die Vollziehung des angefochtenen Entscheides sistieren und dies von einer Sicherheitsleistung abhängig machen.

1

Art. 71.

Die Beschwerde muss ausser der Bezeichnung des angefochtenen Entscheides enthalten: a. den Antrag des Beschwerdeführers; fc. die Angabe des Inhalts des angefochtenen Entscheides, sofern er nicht schriftlich mit den Motiven beihcgt. Ist ein schriftlich begründeter Entscheid zugestellt worden, so muss er beigelegt werden; geschieht dies innert einer angesetzten Nachfrist nicht, so wird auf die Beschwerde nicht eingetreten; c. eine kurz gefasste Darlegung der behaupteten Bechtsverletzung.

Art. 72.

Die kantonale Behörde hat die Beschwerde mit sämtlichen Akten ohne Verzug dem Bundesgericht einzusenden und ihm die Daten der Eröffnung des angefochtenen Entscheides und des Einganges oder der Postaufgabe der Beschwerde mitzuteilen.

2 Wird die Beschwerde einstimmig als unzulässig oder unbegründet befunden, so kann sie ohne öffentliche Beratung erledigt werden.

3 Andernfalls wird sie sowohl der Behörde, die den angefochtenen Entscheid gefällt hat, als auch dem Beschwerdegegner zur Vernehmlassung binnen anzusetzender Frist mitgeteilt.

4 Sind die Entscheidungsgründe erst in der Vernehmlassung der Behörde enthalten, so kann dem Besehwerdeführer eine Frist zur Ergänzung der Beschwerde angesetzt werden.

1

Rechtskraft.

° kSt. "r"

Beschwerdeschrift.

Verfahren.

188 Entscheid.

Ergänzende Vorschriften.

Art. 78.

Das Bundesgericht entscheidet über die Beschwerde ohne mündliche Parteiverhandlung.

2 Findet es sie begründet, so weist es die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück; es kann jedoch im Falle des Art. 68, Et. b, über die G-erichtsstandsfrage selbst entscheiden, wenn sie spruchreif ist.

Art. 74.

Im übrigen finden die Vorschriften über die Berufung sinngemässe Anwendung.

1

III. Rechtspflege in Schuldfoetreibungs- und Konkurssachen.

Kantonale Aufsichtsbehörden.

Hesclwurdcverfahren, a. Akten.

ft. Entscheid.

Rekurs an das Bundesgericlit.

a. Einlegutlgsstelle.

Art. 75.

Wo die Kantone zur Überwachung der Betreibungs- und Konkursämter nicht eine besondere «Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs» einsetzen, hat sich die Behörde bei der Ausübung der ihr vom Bundesrecht übertragenen Obliegenheiten durch einen Zusatz als solche, gegebenenfalls als obere oder iintere, zu bezeichnen.

2 Wird eine Beschwerde bei einer dem Grade nach nicht zuständigen kantonalen Aufsichtsbehörde eingereicht, so ist sie von Amtes wegen an die zuständige Aufsichtsbehörde abzugeben und gilt der Zeitpunkt der Einreichung als Zeitpunkt der Beschwerdeführung.

1

" Art. 76.

Die kantonale Aufsichtsbehörde hat sämtliche Akten, auch die an die untere Aufsichtsbehörde gerichteten Eingaben, einzuziehen und bis am dritten Werktag nach Ablauf der Erist für die Weiterziehung an das Bundesgericht zurückzubehalten.

Art. 77.

Die Entscheide der untern und obern kantonalen Aufsichtsbehörden sind dem Beschwerdeführer, dem beschwerdebeklagten Amt und dem Beschwerdegegner unter Angabe der Entscheidungsgründe zuzustellen. Art. 51, Abs. l, lit. b und c, sind entsprechend anwendbar.

2 Das Datum der Zustellung ist festzustellen und für den Beginn der Frist zur Weiterziehung massgebend.

1

Art. 78.

Weiterziehungen an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts gemäss Art. 19 SchKG sind im Doppel bei der kantonalen Aufsichtsbehörde einzureichen.

2 Die Bekursfrist wird durch ein Gesuch um Eevision oder Erläuterung des angefochtenen Entscheides nicht unterbrochen.

1

189 Art. 79.

Im Rekurs ist anzugeben, welche Abänderung des angefochtenen b., Rekursschrift.

Entscheides beantragt wird, und kurz darzulegen, welche Bundesrechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Neue Begehren, Tatsachen, Bestreitungen und Beweismittel kann nicht anbringen, wer dazu im kantonalen Verfahren Gelegenheit hatte.

2 Der angefochtene Entscheid ist beizulegen; geschieht es nicht, so kann dem Eekurrenten eine kurze Frist zur nachträglichen Einreichung angesetzt werden mit der Androhung, dass andernfalls auf den Eekurs nicht eingetreten werde.

1

Art. 80.

Auch wenn der Eekurs verspätet erscheint, hat die kantonale c Akteneinsendung.

Aufsichtsbehörde binnen längstens 5 Tagen die Rekursschriften, deren Beilagen, sämtliche Akten (Art. 76) und ihre allfälligen Gegenbemerkungen an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts einzusenden und ihr die Daten der Zustellung des angefochtenen Entscheides und des Einganges oder der Postaufgabe des Rekurses mitzuteilen.

2 Wird mit, dem Eekurs das Gesuch um aufschiebende Wirkung verbunden, so hat die Einsendung unverzüglich stattzufinden.

1

Art. 81.

Die Einholung von Vernehmlassungen ist dem Bundesgericht frei-1'.. Verfahren vor Bundesgestellt. Nötigenfalls können weitere amtliche Akten eingezogen werden. gr rieht.

Im übrigen finden die Art. 48, 52, 57 und 63--66 entsprechende Anwendung.

Art. 82.

Bei Rechtsverweigerungsbeschwerden gegen die kantonalen Auf- Rechtsverweigerungssichtsbehörden finden die Art. 91, 98 und 95 entsprechende Anwendung, beschwerde an das Bundesgericht

IT. Staatsrechtspflege durch das Bundesgericht.

Art. 83.

Das Bundesgericht beurteilt: a. Kompetenzkonflikte zwischen Bundesbehörden einerseits und kantonalen Behörden anderseits; b, staatsrechtliche Streitigkeiten zwischen Kantonen, wenn eine Kantonsregierung seinen Entscheid anruft und nicht nach besondern bundesgesetzlichen Vorschriften der Bundesrat zuständig ist;

Staatsrechtliche Klagen

190

c. -Klagen des Bundesrates auf Einbürgerung von Heimatlosen gemäss dem Bundesgesetz vom 8, Dezember 1850, sowie Bürgerrechtsstreitigkeiten zwischen Gemeinden verschiedener Kantone; d. Streitigkeiten zwischen Behörden verschiedener Kantone über die Anwendung des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1891 betreffend die zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter ; e. Streitigkeiten zwischen den Vormundschaftsbehörden verschiedener Kantone über die Befugnisse und Obliegenheiten der Vormundschaftsbehörde der Heimat und über den Wechsel des Wohnsitzes bevormundeter Personen.

staatsrechtschieraTM,

Verhältnis zu

Art. 84.

Gegen kantonale Erlasse oder Verfügungen (Entscheide) kann beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden: a. wegen Verletzung verfassungsmassîger Bechte der Bürger; fe, wegen Verletzung von Konkordaten; c. wegen Verletzung von Staatsverträgen mit dem Ausland, ausgenommen bei Verletzung zivilrechtlicher oder strafrechtlicher Bestimmungen von Staatsverträgen durch kantonale Verfügungen (Entscheide) ; d. wegen Verletzung bundesrechtlicher Vorschriften über die Abgrenzung der sachlichen oder örtlichen Zuständigkeit der Behörden.

2 In allen diesen Fällen ist jedoch die Beschwerde nur zulässig, wenn die behauptete Bechtsverletzung nicht sonstwie durch Klage oder Bechtsroittel beim Bundesgericht oder einer andern Bundesbehörde gerügt werden kann.

Art. 85.

Ferner beurteilt das Bundesgericht: a. Beschwerden betreffend die politische Stimmberechtigurig der Bürger und betreffend kantonale Wahlen und Abstimmungen, auf Grund sämtlicher einschlägiger Bestimmungen des kantonalen Verfassungsrechts und des Bundesrechtes; 6. Beschwerden über die Verweigerung des Armenrochtes wegen Verletzung der Bestimmungen des Art. 22, Ziff. 2, des Bundesgesetzes vom 28. März 1905 betreffend die Haftpflicht der Eisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen und der Post.

l

1

Art. 86.

Beschwerden gemäss Art. 85 sind nur gegen letztinstanzliche

den kantonalen i , i -n j_ i · i i -- · Rechtsmitteln, kantonale Entscheide zulassig.

2

Beschwerden wegen Verletzung verfassungsmässiger Eechte der Bürger sind erst zulässig, nachdem von den kantonalen Bechtsmitteln

191 Gebrauch gemacht worden ist; hievon sind ausgenommen Besehwerden wegen Verletzung der Niederlassungsfreiheit (Art. 45 B V), des Verbotes der Doppelbesteuerung (Art. 46, Abs. 2, BV), der Garantie des verfassungsmässigen Richters (Art. 58 BV), der Garantie des Wohnsitzrichters (Art. 59 BV), des Anspruches der Bürger anderer Kantone auf Gleichstellung mit den Kantonsbürgern in Gesetzgebung und gerichtlichem Verfahren (Art. 60 B V) und des Anspruches auf Rechtshilfe (Art. 61 BV).

3 Dem Beschwerdeführer steht es jedoch auch in diesen Ausnahmefällen, sowie in den Fällen von Art. 84, lit. b, c und d, frei, zunächst die kantonalen Rechtsmittel durchzuführen.

Art. 87.

Die staatsrechtliche Beschwerde. wegen Verletzung von Art. 4 der Bundesverfassung ist erst gegen letztinstanzliche Endentscheide zulässig, gegen letztinstanzliche Zwischenentscheide nur, wenn sie für den Betroffenen einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge haben.

Art. 88.

Das Becht zur Beschwerdeführung steht Bürgern (Privaten) und Korporationen bezüglich solcher Rechtsverletzungen zu, die sie durch allgemein verbindliche oder sie persönlich treffende Erlasse oder Verfügungen erlitten haben.

Art. 89.

1 Die Beschwerde ist binnen dreissig Tagen, von der nach dem kantonalen Becht massgebenden Eröffnung oder Mitteilung des Erlasses oder der Verfügung an gerechnet, dem Bundesgericht schriftlich unter Beobachtung der Art, 80 und 90 einzureichen.

2 Werden von Amtes wegen nachträglich Entscheidungsgründe zugestellt, so kann die Beschwerde noch innert SO Tagen seit dem Eingang der Ausfertigung geführt werden.

8 Bei Beschwerden wegen interkantonaler Kompetenzkonflikte beginnt die Beschwerdefrist nicht, bevor in beiden Kantonen Verfügungen getroffen worden sind, gegen welche staatsrechtliche Beschwerde geführt werden kann.

Art. 90.

1 Die Beschwerdeschrift muss ausser der Bezeichnung des angefochtenen Erlasses oder Entscheides enthalten: a., die Anträge des Beschwerdeführers; b. die. wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Erlass oder Entscheid verletzt worden sind.

Beschwerden wegen Art. 4 BV,

Legitimation,

Beschwerdefrist.

BeschwerdeSchrift.

192 2

ïnstruktionsverfabreii.

Vorprüfung.

SchriftcnweehseL

Vorsorgliche Verfügungen.

Beweisverfahren.

Ist dem Beschwerdeführer eine Ausfertigung des angefochtenen Entscheides zugänglich, so hat er sie beizulegen; geschieht es nicht, so kann ihm eine kurze Frist zur nachträglichen Einreichung angesetzt werden, mit der Androhung, dass andernfalls auf die Beschwerde nicht eingetreten werde.

Art. 91.

1 Die staatsrechtlichen Entscheidungen des Bundesgerichtes erfolgen in der Regel auf Grundlage eines durch den Präsidenten oder einen Instruktionsrichter zu leitenden schriftlichen Verfahrens.

2 Ausnahmsweise kann, wenn eine Partei es verlangt und besondere Gründe dafür vorhegen, das Bundesgericht eine mündliche Schlussverhandlung anordnen.

Art. 92.

1 Ein Ausschuss von 8 Mitgliedern der Staats- und verwaltungsrechtlichen Abteilung kann ohne öffentliche Beratung über offensichtlich ·unzulässige oder unbegründete Beschwerden bei Einstimmigkeit entscheiden.

2 Die Entscheidung ist summarisch zu begründen.

Art. 93.

Wird die Beschwerde nicht als unzulässig oder offensichtlich unbegründet befunden, so wird sie sowohl der Behörde, von welcher der angefochtene Entscheid oder Erlass ausgegangen ist, als der Gegenpartei und allfällig weiteren Beteiligten unter Ansetzung einer angemessenen Frist zur Vernehmlassung und mit der Aufforderung zur Einsendung der Akten mitgeteilt.

2 Sind die Entscheidungsgründe erst in der Vernehmlassung der Behörde enthalten, so kann dem Beschwerdeführer eine Frist zur Ergänzung der Beschwerde angesetzt werden.

3 Ein weiterer Schriftenwechsel findet nur ausnahmsweise statt.

1

Art. 94.

Der Präsident des Bundesgerichtes kann nach Eingang der Beschwerdeschrift auf Ansuchen einer Partei diejenigen vorsorglichen Verfügungen treffen, welche erforderlich sind, um den bestehenden Zustand festzuhalten oder bedrohte rechtliche Interessen einstweilen sicherzustellen.

Art. 95.

1 Der Instruktionsrichter ordnet die zur Aufklärung des Sachverhaltes erforderlichen Beweisaufnahmen an. Er kann sie selbst vornehmen oder durch die zuständigen Bundes- oder Kantonsbehörden vornehmen lassen.

2 In der Würdigung dieser Beweise ist das Bundesgericht frei.

193 Art. 96, Ist eine Beschwerde rechtzeitig beim Bundesgericht, beim Bundesrat oder bei einer besondern eidgenössischen Instanz der Verwaltungsrechtspflege eingereicht worden, so gilt die Beschwerdefrist als eingehalten, auch wenn die Beschwerde in die Zuständigkeit einer andern dieser Behörden fällt ; die Beschwerde ist von Amtes wegen an diese abzugeben.

2 Wenn eine Beschwerde gleichzeitig bei mehr als einer dieser Behörden erhoben wird oder wenn bei einer Behörde Zweifel darüber bestehen, ob die Beurteilung einer ihr eingereichten Beschwerde in ihre eigene Zuständigkeit oder in die einer andern Behörde falle, so soll vor der Entscheidung ein Meinungsaustausch über die Kompetenzfrage zwischen den beiden Behörden stattfinden.

3 Die Bundesbehörde, die in der Hauptsache kompetent ist, hat auch alle Vor- und Zwischenfragen zu erledigen.

1

Verhältnis zu indem Bundesins tanzen.

Y. Verwaltungsrechtspflege durch das Bandesgericht.

1. Das Bundesgericht als Beschwerdeinstanz.

Art. 97.

1 Die Verwaltungsgerichtabeschwerde ist zulässig gegen Entscheide Beschwerdefälle.

über bundesrechtliche Abgaben, und zwar sowohl über die Entrichtung .. Abgaben.

oder die Eückerstattung als auch über die Abgabepflicht oder Abgabefreiheit.

2 Zu den Entscheiden über bundesrechthche Abgaben gehören namentlich solche über die nach Massgabe der Bundesgesetzgebung erhobenen Einkommens-, Vermögens-, Verkehrs- und Verbrauchssteuern, Ersatzabgaben, Konzessionsgebühren und Post-, Telegraphenund Telephontaxen.

3 Entscheide über Verfahrenskosten können nur in Verbindung mit der Hauptsache durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden.

Art. 98.

1 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist zulässig gegen Entscheide 't:. Kautionen.

der Bundesverwaltung über Ansprüche auf Leistung oder Rückerstattung öffenthch-rechtlicher Kautionen.

2 Zu den Entscheiden über öffentlich-rechtliche Kautionen gehören namentlich solche über Kautionen der Versicherungsgesellschaften und der Auswanderungsagenturen und Kautionen gemäss den gesetzlichen Bestimmungen über das Verfahren bei Übertretung fiskalischer Bundesgesetsse, Art. 99.

Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist ferner zulässig gegen: Bundeeblatt. 95. Jahrg. Bd. I.

14

194 I.

3. Registersachen.

4. Regalpflicht.

fi. Entzug von Konzessionen und Bewilligungen.

. StlftungBunfsicht.

7. wasscnecht.

8. Spielbanken und Lotte-

a. Entscheide des eidgenössischen Amtes für geistiges Eigentum in Patentsachen, in Muster- und Modellsachen und in Markensachen sowie gegen die vom eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement angeordnete Löschung einer Marke von Amtes wegen.

Ì). Entscheide des eidgenössischen Amtes für das Handelsregister und der kantonalen Aiifsichtsbehörden in Handelsregistersachen.

c. Entscheide der kantonalen Aufsichtsbehörden in Zivilstands-, Güterrechtsregister-, Viehverschreibungs-, Grundbuch- und Schifl'sregistersachen.

II.

Entscheide der eidgenössischen Militärverwaltung über den Umfang des Pulverregals.

III.

a. Entzug des Patentes zum Betriebe einer Auswanderungsagentur oder der Genehmigung zur Anstellung von Unteragenten.

b. Entzug des Grundbuchgeometerpatentes.

c. Entzug der Bewilligung zur Herstellung und zum Vertrieb von Betäubungsmitteln.

d. Entzug der Bewilligung zur Fabrikation von Zündhölzchen.

IV.

Entscheide der Departemente des Bundesrates und der kantonalen Aufsichtsbehörden über die Zugehörigkeit der Stiftungen zum Gemeinwesen und über die Umwandlung von Stiftungen.

V.

Entscheide des eidgenössischen Post- und Eîsenbahndepartementes oder der kantonalen Behörden über die Bildung von Genossenschaften, über den Beitritt zu Genossenschaften und über die Rechtsverhältnisse der Genossenschafter nach dem Bundesgesetz über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte (Art. 33, Abs. 3. Art. 85, Abs. 2, Art. 36 und 37).

VI.

a. Entscheide des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements und der kantonalen Behörden über den bundesrechtlichen Begriff der Spielbank.

b. Kantonale Entscheide über den bundesrechtlichen Begriff der Lotterie, der Tombola, der gemeinnützigen Lotterie und der lotterieähnlichen Unternehmungen.

195

VII.

Entscheide des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes 9. Pnvatvereder des Versicherungsamtes auf Grund des Versicherungsaufsichts-, s c ervmgdes Kautions- und des Sicherstellungsgesetzes, mit Ausnahme der Verweigerung der Bewilligung zum Betrieb eines Versicherungsunternehmens.

2 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist insbesondere zulässig: «, gegen Entscheide über die Konzessionspflicht von Versicherungsunternehmungen ; b. gegen die Aufforderung an eine Versicherungsgesellschaft zur Sanierung unter Androhung der Kautionsverwertung oder des Konzessionsentzuges ; e. gegen den Entzug der Ermächtigung zum Betrieb eines privaten Versicherungsunternehmens ; d. gegen Entscheide über die Verwendung der Kaution einer ausländischen Versicherungsgesellschaft, über die Liquidation einer inländischen Versicherungsgesellschaft oder über die Kautionsabsonderung aus der Konkursmasse; e. gegen die Erteilung oder Verweigerung der Zustimmung zur freiwilligen Übertragung des Versicherungsbestandes und Verfügung über die Kaution; /. gegen das Verlangen der Abberufung des Generalbevollmächtigten einer Versicherungsgesellschaft und gegen die Verweigerung der Genehmigung seiner Vollmacht.

1

VIII.

Entscheide der Oberzolldirektion aus dem Gebiete des Gesetzes 10. zoiisachen.

und der Verordnungen über das Zollwesen. Ausgenommen sind alle Strafen wegen Zollvergehen und die Ordnungsbussen, die den Betrag von hundert Franken nicht übersteigen.

IX.

a. Entscheide des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit 11. Patrii- und über die Unterstellung unter das Fabrikgesetz sowie über die Unter- wesen1 Stellung unter das Bundesgesetz über die Beschäftigung der jugendlichen und weiblichen Personen in den Gewerben.

6. Kantonale Entscheide aus Art. 80 des Fabrikgesetzes.

X.

Entscheide des Bundesamtes für Sozialversicherung über die Unter- 12. Soziaiver8IC erime stellung unter die Unfallversicherung.

' XL Entscheide des Post- und Eisenbahndepartementes und Entscheide is. Post, Teieder Generaldirektion der Post-, Telegraphen- und Telephonverwaltung, Mephon.

196 die an das Departement nicht weiterziehbar sind, über Ansprüche, die sich stützen auf: o. das Postverkehrsgesetz oder das Telegraphen- und Telephonverkehrsgesetz; b. die zugehörigen Vollziehungsverordnungen; c. die in Art. 67, Abs. 2, des Postverkehrsgesetzes und in Art. 46, Abs. 2, des Telegraphen- und Telephonverkehrsgesetzes erwähnten, an die Anstaltsbenützer gerichteten Ausfiihrungsbestimmungen.

Ausgenommen sind die Haftpflichtfälle und die Straffälle.

14. Weitere Fälle.

TJnzulässigkeit der Beschwerde.

Instanzen, deren EntBCheide angefochten werden können.

Legitimation.

Beschwerdegründe.

Art. 100.

Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist ferner zulässig, wo das Bundesrecht sie sonst vorsieht.

Art. 101.

Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist unzulässig: a. gegen kantonale Entscheide, deren Weiterziehung an eine Bundesbehörde bundesrechtlich ausgeschlossen ist; b. gegen. Entscheide, die an eidgenössische Instanzen weitergezogen werden können, welche für die Verwaltungsrechtspflege besonders eingesetzt sind; c. gegen Entscheide über Ansprüche aus dem Tarif-, Tax-, Gebührenund Transportwesen der Bundesbahnen.

Art. 102.

Mit der Verwaltungsgeriehtsbeschwerde können nur angefochten werden: a. Entscheide der Departemente des Bundesrates oder anderer eidgenössischer Amtsstellen in den ihnen zur selbständigen Erledigung übertragenen Sachen; b. Entscheide der letzten kantonalen Instanz.

Art. 108.

Zur Erhebung der Verwaltungsgeriehtsbeschwerde ist berechtigt, wer in dem angefochtenen Entscheide als Partei beteiligt war oder durch ihn in seinen Rechten verletzt worden ist.

2 Gegen Entscheide, die von der letzten kantonalen Instanz erlassen worden sind, kann auch der Bundesrat Beschwerde erheben. Er kann anordnen, dass ihm derartige Entscheide sofort, nachdem sie erlassen worden sind, von den Kantonen unentgeltlich mitgeteilt werden.

1

Art. 104.

Mit der Verwaltungsgeriehtsbeschwerde kann der Beschwerdeführer geltend machen, der Entscheid beruhe auf einer Verletzung von Bundes1

197 recht. Das Bundesrecht ist verletzt, wenn ein in einer eidgenössischen Vorschrift ausdrücklich ausgesprochener oder aus derselben sich ergehender Bechtsgrundsatz nicht oder nicht richtig angewendet worden ist. Jede unrichtige rechtliche Beurteilung einer Tatsache ist als Bechtsverletzung anzusehen.

2 In Steuersachen jedoch kann sich die Beschwerde überdies darauf stützen, dass durch den angefochtenen Entscheid die dem Steuerpflichtigen auferlegte Steuerleistung offensichtlich unrichtig berechnet ·worden sei.

Art. 105.

Bei der Prüfung der Beschwerde kann das Bundesgericht von sich Überprüfung aus oder auf Begehren des Beschwerdeführers prüfen, ob der angefochtene haïtes.

Entscheid auf einer unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des Sachverhaltes beruht, Art. 106.

Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde hat keine aufschiebende Wir- Aufschiebende a ns kung, soweit nicht gegenteilige bundesrechthche Vorschriften bestehen " oder soweit sie ihr nicht durch vorsorgliche Verfügung des Präsidenten «les Bundesgerichtes verliehen wird.

Die Eingang achtung reichen.

Art. 107.

Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist innert dreissig Tagen vom der schriftlichen Ausfertigung des Entscheides an unter Beobder Art. 80, 90 und 108, Abs. l, beim Bundesgericht einzuAuf das Verfahren sind im übrigen die Art. 91--96 anzuwenden.

Verfahren Im allgemeinen.

Art. 108.

Die Beschwerde gegen einen kantonalen Entscheid ist in drei- Beschwerden gegen kantonale facher Ausfertigung einzureichen.

Entscheide.

2 Sie ist dem Bundesrate zur auf älhgen Vernehmlassung mitzuteilenj sofern sie sich nicht sofort als unzulässig oder unbegründet darstellt.

3 Das Urteil ist in allen Fällen dem Buhdesrate in vollständiger Ausfertigung zu übermitteln.

1

Art. 109.

Das Bundesgericht darf nicht über die Eechtsbegehren der Parteien hinausgehen, ausgenommen in Steuersachen. An die Begründung der Bechtsbegehren ist es nicht gebunden.

2 Hebt es den Entscheid auf, so entscheidet es selber in der Sache oder weist die Angelegenheit zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück.

1

urteil.

198

Zuständigkeit.

fi. Verjnögensrechtlïche Ansprüche des Bundes oder gegen den Bund.

b. Weitere Falle.

2. Das Bundesgericht als einzige Instanz.

Art. 110.

1 Das Bundesgericht urteilt als einzige Instanz über in der Bundesgesetzgebung begründete streitige vermögensrechtliche Ansprüche des Bundes oder gegen den Bund aus öffentlichem Recht. Zu diesen Ansprüchen gehören insbesondere: a. Streitigkeiten aus dem Bundesbeamtenverhältnis, inbegriffen Streitigkeiten über Leistungen einer Versicherungskasse des Bundes ; b. Fälle der Haftung für Unfälle infolge militärischer Übungen; c. Streitigkeiten zwischen Bund und Kantonen über deren Anteil am Abgabenertrag.

2 Vorbehalten sind die Kompetenzen der Bundesversammlung und der ausserhalb der Bundesverwaltung stehenden, endgültig urteilenden eidgenössischen Instanzen.

Art. 111.

Das Bundesgericht beurteilt ferner als einzige Instanz: a. Anstände über eine durch das Bundesrecht vorgesehene Befreiung von kantonalen Abgaben oder Beschränkung kantonaler Abgaben; fc. Anstände zwischen Kantonen über Bundessteuern und über den Rückgriff für Beiträge an Seuchenschäden; c. Streitigkeiten gemäss Art. 89, Abs. 2, des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1872 über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen, insbesondere über die in den Art. 14, 19, 24 und 33 dieses Gesetzes vorgesehenen Entschädigungsfragen; d. Entschädigungsforderungen der Eisenbahnunternehmungen an Private in den in Art. 15, Abs. l und 2, des nämlichen Gesetzes vorgesehenen Fällen; e. Entschädigungsforderungen einer Eisenbahnunternehmung an eine andere in den Fällen des Art. 80, Abs. 8, des nämlichen Gesetzes; /. Anstände zwischen Eisenbahnunternehmungen und den Besitzern von Verbindungsgeleisen betreffend die auf Grund des Art. l, Abs. 3, und des Art. 9 des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 1874 über die Rechtsverhältnisse der Verbindungsgeleise zu leistenden Vergütungen ; g. Entschädigungsforderungen des Patentinhabers wegen Expropriation seines Patentes auf Grund des Art. 23 des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1907 betreffend die Erfindungspatente; h. Streitigkeiten über die Zuteilung der Kosten der vom Bundesrat in bezug auf Anlagen elektrischer Leitungen angeordneten Massnahmen (Art. 11 und 17 des Bundesgesetzes vom 24. Juni 1902 betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen); i. andere verwaltungsrechtliche Streitigkeiten, die ihm durch Bundesgesetze zur ausschliesslichen Erledigung zugewiesen sind.

199

Axt. Hü.

Das Bundesgericht ist verpflichtet, als einzige Instanz die Beur e. Prorogation.

teilung anderer als der in den vorhergehenden Artikeln genannten Streitigkeiten verwaltungsrechtlicher Natur zu übernehmen, wenn es von beiden Parteien angerufen wird und der Streitwert wenigstens Fr. 10 000 beträgt.

Art. 113.

Von der Beurteilung durch das Bundesgericht gemäss Art. 111 d:. Ausnahmen.

sind ausgeschlossen: a. die nach Art. 97--100 vom Bundesgericht als Beschwerdeinstanz zu beurteilenden Ansprüche, sowie alle Entscheide über Verfahrenskosten ; b die Ansprüche aus dem Tarif-, Tax-, Gebühren- und Transportwesen der Bundesbahnen; c. die Ansprüche auf Beiträge oder Zuwendungen des Bundes in irgendwelcher Form.

Art. 114.

Eine Verordnung des Bundesrates kann bestimmen, dass eine gegen Verfahren.

Verordnung den Bund gerichtete Klage beim Bundesgericht erst erhoben werden a . dea Bundes, raten.

darf, nachdem eine bestimmte Verwaltungsinstanz zum Anspruch Stellung genommen hat.

Art. 115.

1 Andere VcrDas Bundesgericht darf nicht über die Rechtsbegehren der Parteien &. fahrensbestimmungen.

« hinausgehen. Es ist nicht an deren Begründung gebunden.

2 Im übrigen sind auf das Verfahren die Art. 91--96 anzuwenden.

3. Kantonale verwaltungsrechtliche Streitigkeiten.

Art. 116.

Kantonale verwaltungsrechtliche Streitigkeiten, die dem eidgenössischen Verwaltungsgericht in Anwendung von Art. 114bis, Abs. 4, der Bundesverfassung zugewiesen werden, sind in dem für das Bundesgericht als Beschwerde- oder einzige Instanz der Verwaltungsrechtspflege vorgesehenen Verfahren zu erledigen, insoweit der Genehmigungsbeschluss der Bundesversammlung nicht anders bestimmt.

VI. Disziplinarrechtspflege durch das Bandesgericht.

Art. 117.

In Disziplinarfällen ist die Beschwerde an das Bundesgericht zulässig gegen Verfügungen, durch die ein Bundesbeamter während der Amtsdauer wegen Verletzung seiner Dienstpflichten entlassen oder in das provisorische Dienstverhältnis versetzt wird.

2 Den Beamten des Bundesgerichts steht die Beschwerde nicht zu.

1

Zuständigkeit,

200 Art. 118.

Einreichung Die Beschwerde ist binnen dreissig Tagen nach der schriftlich beesc wer e. gründeten Eröffnung der Verfügung im Doppel dem Bundesgericht einzureichen und soll die Anträge des Beschwerdeführers, die Begründung und die Angabe der Beweismittel enthalten.

Art. 119.

Auftretende

Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung, soweit sie ihr nicht durch vorsorgliche Verfügung des Präsidenten des Bundesgerichtes verliehen wird. Vor dem Erlass einer solchen Verfügung sind die Parteien zur Vernehmlassung einzuladen.

Art. 120.

Instruktion.

1 Der Instruktionsrichter teilt die Beschwerde der Bundesverwaltung mit und setzt ihr eine Frist zur Beantwortung und Angabe der Beweismittel.

2 Die Antwort der Bundesverwaltung wird dem Beschwerdeführer mitgeteilt, 3 Der Instrutionsrichter ordnet die zur Aufklärung des Sachverhaltes erforderlichen Beweisaufnahmen an. Er kann sie entweder selbst vornehmen oder durch die zuständigen Bundes- oder Kantonsbehörden vornehmen lassen.

4 Der Beschwerdeführer wird zu den Beweisaufnahmen mit dem Bemerken vorgeladen, dass diese, wenn er unentschuldigt ausbleibt, in seiner Abwesenheit durchgeführt werden.

Art. 121.

Akteneinsicht.

Die Bundesverwaltung, der Beschwerdeführer und sein RechtsVertreter sind befugt, vor der Schlussverhandlung die Akten einzusehen.

Art. 122.

1

Schlussverhandlung.

Der Beschwerdeführer wird zur Schlussverhandlung mit dem Bemerken vorgeladen, dass die Verhandlung, wenn er unentschuldigt ausbleibt, in seiner Abwesenheit durchgeführt wird.

2 In der Schlussverhandlung wird dem Vertreter der Bundesverwaltung, dem Beschwerdeführer und dessen Rechtsvertreter Gelegenheit zum mündlichen Vortrag gegeben.

Urteil

1 Hält das Bundesgericht die Entlassung für nicht gerechtfertigt, so bestimmt es die dafür zu leistende Entschädigung. Es kann die Wiederanstellung des Beamten anordnen.

Art. 123.

201 2 Hält das Bundesgericht die Versetzung in das provisorische Dienstverhältnis für nicht gerechtfertigt, so hebt es diese Verfügung auf.

3 Wenn das Bundesgericht die Beschwerde gutheisst und findet, dass eine mildere Disziplinarstrafe auszusprechen ist, so kann es auf diese Strafe erkennen oder die Angelegenheit zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückweisen.

TU. Staats- nnd Verwaltungsrechtspflege durch den Bundesrat.

1. Der Bundesrat als Besehwerdeinstanz.

Art. 124.

Die Beschwerde an den Bundesrat ist zulässig: Zuständigkeit.

o. Gegen a. gegen Entscheide der Departemente des Bundesrates, soweit sie Bundesnicht nach besonderer gesetzlicher Vorschrift endgültig sind; Instanzen.

b. gegen Entscheide der Generaldirektion der Bundesbahnen, soweit die Weiterziehung an den Bündesrat ausdrücklich vorgesehen ist; c. gegen Entscheide von ausserhalb der Bundesverwaltung stehenden, nicht endgültig urteilenden eidgenössischen Instanzen.

Art. 125.

Gegen kantonale Erlasse und gegen Entscheide der letzten kan- b. Gegen kantotonalen Instanz ist Beschwerde an den Bündesrat zulässig : ,,nd Enta. wegen Verletzung der nachstehenden Bestimmungen der Bundesverfassung oder der entsprechenden Bestimmungen der Kantonsverf assungen : 1. Art. 18, Abs. 8, der Bundesverfassung betreffend unentgeltliche Ausrüstung der Wehrmänner; 2. Art. 27, Abs. 2 und 3, der Bundesverfassung betreffend das Schulwesen der Kantone; 3. Art. 51 der Bundesverfassung betreffend das Jesuitenverbot; 4. Art, 58, Abs. 2, der Bundesverfassung betreffend Begräbnisplätze ; i. wegen Verletzung anderer als privatrechtlicher oder strafrechtlicher Bundesgesetze, soweit nicht dieses Gesetz oder jene Gesetze selbst abweichende Vorschriften enthalten; c. wegen Verletzung derjenigen Bestimmungen der Staatsverträge mit dem Ausland, welche sich auf Handels- und Zollverhältnisse, Patentgebühren, Freizügigkeit und Niederlassung beziehen.

2 Der Eechtsprechung des Bundesgerichtes vorbehalten bleiben Beschwerden wegen Verletzung der Bestimmungen über die Abgrenzung der sachlichen oder örtlichen Zuständigkeit der Behörden.

1

202

c. Ausnahmen.

Verfahren, ß. ' Beschwerdegründe,

Art. 126.

Die Beschwerde ist unzulässig: a. wenn das Bundesgericht oder das eidgenössische Versicherungsgericht zuständig ist; b. gegen kantonale Entscheide, deren Weiterziehung an eine Bundesbehörde bundesrechtlich ausgeschlossen ist; c. gegen Entscheide, die das eidgenössische Militärdepartement im Bereiche seiner Kommandogewalt oder als Beschwerdeinstanz im Bereiche seiner militärischen Disziplinargewalt erlässt.

Art. 127.

Mit der Beschwerde kann geltend gemacht werden, der Entscheid beruhe auf einer Verletzung von Bundesrecht oder auf einer unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des Sachverhaltes.

2 Entscheide eidgenössischer Amtsstellen können auch wegen Unangemessenheit angefochten werden.

1

Art. 128.

fr. Aufschiebende Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung, soweit nicht WirkuDg.

gegenteilige bundesrechtliche Vorschriften bestehen oder soweit sie ihr nicht durch vorsorgliche Verfügung des Bundesrates oder des mit der Instruktion betrauten Departementes verliehen wird.

r,- Instruktion.

A. Allgemeine Verfahrcnsbestimmim-

e. VoIlziehT>aiteit.

Art. 129.

Das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement besorgt die Instruktion der Beschwerde. Ist die Beschwerde gegen einen Entscheid dieses Departementes gerichtet, so betraut der Bundespräsident ein anderes Departement mit dieser Aufgabe.

2 Das instruierende Departement stellt Antrag an den Bundesrat.

1

Art. 130.

Die Beschwerde ist innert dreissig Tagen vom Eingang der schriftlichen Ausfertigung des Entscheides an beim Bundesrat einzureichen.

Auf das Verfahren sind im übrigen die Art. 29--85, 90, 93, 95 und 96 entsprechend anzuwenden.

2 Der Beschwerdeentscheid des Bundesrates wird den Parteien und der Behörde, deren Entscheid angefochten, worden war, in schriftlicher Ausfertigung mitgeteilt.

s Der Bundesrat kann durch Verordnung ergänzende Vorschriften über das Verfahren aufstellen.

1

Art. 131.

Der Beschwerdeentsoheid des Bundesrates ist mit der Ausfällung vollziehbar.

203

Art, 132.

Der Beschwerdeentscheid des Bundesrates kann innert dreissig f. Weiterziehung Tagen nach der Mitteilung an die Bundesversammlung weitergezogen versammlunggl werden ; a. in den in Art. 125, Abs. l, lit. a und c, dieses Gesetzes genannten Fällen; b. wenn ein Bundesgesetz die Weiterziehung vorsieht.

2 Wird der Entscheid weitergezogen, so kann der Bundesrat den Vollzug durch vorsorgliche Verfügung aufschieben.

1

2, Der Bundesrat als einzige oder erste Instanz.

Art. 133.

Die Beurteilung der durch die Bundesgesetzgebung dem Bundesrate als einziger oder erster Instanz zugewiesenen Verwaltungsstreitigkeiten wird vom sachlich zuständigen Departement vorbereitet. Der Entscheid geht vom Bundesrate aus.

2 Auf das Verfahren sind im übrigen die Art. 29--35, 93, 95 und 96, Abs. 3, entsprechend anzuwenden. Der Entscheid des Bundesrates wird den Parteien in schriftlicher Ausfertigung mitgeteilt.

3 Der Bundesrat kann durch Verordnung ergänzende Vorschriften über das Verfahren aufstellen.

1

Art. 134.

Der vom Bundesrat als einziger oder erster Instanz erlassene Entscheid ist mit der Ausfällung vollziehbar.

2 Hat der Bundesrat als erste Instanz geurteilt, so kann sein Entscheid innert dreissig Tagen nach der Mitteilung weitergezogen werden.

Der Vollzug des weitergezogenen Entscheides kann vom Bundesrate durch vorsorgliche Verfügung aufgeschoben werden.

1

VIII. Disziplinarkommissionen.

Art. 135.

Für die Behandlung von Disziplinarfällen, welche Bundesbeamte oder ständig beschäftigte, aber nicht auf Amtsdauer gewählte Personen betreffen, sind Disziplinarkommissionen zu bilden. Der Bundesrat bestimmt, ob und in welchen Fällen den Disziplinarkommissionen als Beschwerdeinstanz entscheidende Befugnisse zustehen.

2 Jede Disziplinarkommission besteht aus einem Präsidenten und zwei Mitgliedern, die auf Amtsdauer zu wählen sind. Der Präsident und ein Mitglied werden vom Bundesrat gewählt, das andere Mitglied vom Personal. Der Präsident darf nicht der Bundesverwaltung angehören.

1

Verfahren,

Weiterziehung.

204 3 Eine Verordnung des Bundesrates bezeichnet die zuständigen Kommissionen und regelt das Verfahren.

4 Verweis und Busse bis und mit fünf Franken dürfen von den Kommissionen nicht behandelt werden.

IX. Keyision and Erläuterung bundesgerichtlicher Entscheide.

Nichtigkeit.

Wiederherstellung.

Kantonale Beyisionec£unde.

Art. 186.

Die Revision eines bundesgerichtlichen Entscheides ist ausser im Falle des Art. 28 zulässig: a. wenn die Vorschriften dieses Gesetzes über die Besetzung des.

Gerichtes oder Art. 57 über die Aussetzung der Entscheidung verletzt wurden; b. wenn das Gericht einer Partei mehr oder, ohne dass besondere Gesetzesvorschriften es erlauben, anderes zugesprochen hat, als sie selbst verlangt, oder weniger, als die Gegenpartei anerkannt hat ; c. wenn einzelne Anträge unbeurteilt geblieben sind; d. wenn das Gericht in den Akten liegende erhebliche Tatsachen aus Versehen nicht berücksichtigt hat.

Art. 137.

Die Revision eines bundesgerichtlichen Entscheides ist ferner zulässig : a. wenn auf dem Wege des Strafverfahrens erwiesen .wird, dass durch ein Verbrechen oder Vergehen zum Nachteil des Gesuchstellers auf den Entscheid eingewirkt wurde. Die Verurteilung durch den Strafrichter ist nicht erforderlich. Bei Unmöglichkeit des Strafverfahrens kann der Beweis auf andere Weise erbracht werden; b. wenn der Gesuchsteller nachträglich neue erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel auffindet, die er im früheren Verfahren nicht beibringen konnte.

Art. 138.

Die Revision eines den kantonalen. Entscheid bestätigenden bundesgerichtlichen Entscheides kann nicht mehr verlangt werden aus einem Grund, der schon vor der Ausfällung des bundesgerichtlichen Entscheides entdeckt worden ist und im kantonalen Revisionsverfahren hätte geltend gemacht werden können, aber nicht unverzüglich angebracht worden ist, ausser wenn die Säumnis entschuldbar erscheint.

205 Art. 189.

Für die Eevision von Zivilurteilen des Bundesgerichtes als einziger Instanz gelten ausschliesslich die Vorschriften des Bundesgesetzes vom 22. November 1850_über das Verfahren bei dem Bundesgericht in bürgerlichen Eechtsstreitigkeiten, für die Eevision von Urteilen der Strafgerichtsbehörden des Bundes im Strafpunkt die Vorschriften des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1934 über die Bundesstrafrechtspflege.

Art. 140.

In dem unter Beobachtung des Art. 80 einzureichenden Gesuch ist mit Angabe der Beweismittel darzulegen, welcher Eevisionsgrund und inwiefern er zutreffe und rechtzeitig angebracht werde, und anzugeben, welche Abänderung des früheren Entscheides und welche Eückleistung verlangt wird.

Art. 141.

1 Das Eevisionsgesuch muss bei Folge des Ausschlusses beim Bundesgericht anhängig gemacht werden: a. in den Fällen des Art. 186 binnen 30 Tagen vorn Empfange der schriftlichen Ausfertigung des Entscheides an; fc. in den Fällen des Art. 137 binnen 90 Tagen, von der Entdeckung des Kevisionsgrundjes, frühestens jedoch vom Empfang der schriftlichen Ausfertigung des bundesgerichtlichen Entscheides oder vom Abschluss des Strafverfahrens an.

2 Nach Ablauf von 10 Jahren kann die Eevision bloss noch im Falle von Verbrechen oder Vergehen nachgesucht werden.

Vorbehalt des BZP und BStrP.

Beviaionsgesuch.

Revisionsverfahren: i. Frist.

Art. 142.

Während des Verfahrens kann das Bundesgericht oder der Prä- b. Aufschiebende Wirkuiig.

sident gegen oder ohne Sicherheitsleistung die Vollziehung des angefochtenen Entscheides aufschieben und weitere vorsorgliche Verfügungen treffen.

Art. 143.

1 Wird das Eevisionsgesuch einstimmig als unzulässig oder un- c. Weitere« Verfahren.

begründet befunden, so kann es ohne öffentliche Beratung erledigt werden.

2 Andernfalls wird es der Gegenpartei unter Ansetzung einer angemessenen Frist zur Beantwortung und mit der Aufforderung zur Einsendung der Akten mitgeteilt.

3 Ein weiterer Schriftenwechsel oder eine mündliche Schlussverhandlung findet nur ausnahmsweise statt.

4 Hängt die Zulässigkeit der Eevision von der Feststellung bestrittener Tatsachen ab, so findet Art. 95 entsprechende Anwendung.

206

d. Revisionsentscheid.

Erläuterung.

Art. 144.

Findet das Bundesgericht, dass der Bevisionsgrund zutreffe und der Revisionskläger durch die frühere Entscheidung einen Nachteil erlitten habe, so hebt es sie auf und entscheidet aufs neue, auch über die Rückleistung bezüglich Hauptsache und Kosten.

2 Die Aufhebung eines Rückweisungsentscheides bewirkt auch die Aufhebung des auf Grund desselben vom kantonalen Eichter erlassenen Endentscheides.

3 Der Eevisionsentscheid unterliegt der Revision nicht.

1

Art, 145.

Wenn die Dispositive eines bundesgerichtlichen Entscheides unklar, unvollständig, zweideutig sind oder untereinander oder mit den Entscheidungsgründen im Widerspruch stehen, sowie wenn sie Bedaktionsoder Rechnungsfehler enthalten, so soll das Bundesgericht auf schriftliches Gesuch einer Partei die Erläuterung oder Berichtigung verfügen.

2 Die Erläuterung eines Rückweisungsentscheides ist nur solange zulässig, als das kantonale Gericht nicht den Endentscheid in der Sache erlassen hat.

3 Art. 142 und 148 sind entsprechend anwendbar.

1

X. Vergütungen und Prozesskosten.

1. Vergütungen.

Art. 146.

Reiseauslagen Die Vergütungen an die Mitglieder des Bundesgerichtes für amtliche und Taggelder Reisen sowie an die ordentlichen und ausserordentlichen Ersatzmänner des Bundesgerichtes, die Untersuchungsrichter in Strafsachen, deren Schriftführer und an Geschworene (Eeiseauslagen, Taggelder usw.)

werden durch eine Verordnung des Bundesrates geregelt.

Entschädgungen an Zeugen und Experten.

Wachen u, dgl.

Art. 147.

Zeugen haben Anspruch auf Ersatz der notwendigen Auslagen, sowie auf eine billige Entschädigung für Zeitversäumnis. Das Bundesgericht kann darüber allgemeine Bestimmungen aufstellen.

2 Experten erhalten eine vom Bundesgericht nach freiem. Ermessen festzusetzende Entschädigung.

1

Art. 148.

Die Besoldung von Wachen. Bedeckungen, Gefangenenwärtern wird in jedem Falle vom Gericht festgesetzt, das sich hierüber, soweit es nötig ist, mit den Kantonsbehörden ins Einvernehmen setzt und auf den Ortsgebrauch Rücksicht nimmt.

207

Z. Prozesskosten und Parteientschädigung.

Art. 149, Für die Prozesskosten und die Parteientschädigung sind die nachstehenden Vorschriften massgebend, in Strafsachen jedoch die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1984 über die Bundesstrafrechtspf lege.

Art. 150.

1 Wer beim Bundesgericht Klage erhebt oder ein in diesem Gesetz geordnetes Rechtsmittel ergreift, hat nach Anordnung des Präsidenten die mutmasslichen Prozesskosten (Art. ISS) sicherzustellen; in staatsund verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten ohne Vermögensinteresse und bei vermögensrechtlichem Interesse, wo der Beschwerdegegenstand es rechtfertigt, kann die Sicherstellung ganz oder teilweise erlassen werden.

2 Eine Partei kann auf Begehren der Gegenpartei vom Präsidenten oder Instruktionsrichter zur Sicherstellung für eine allfällige Parteientschädigung (Art, 159 und 160) angehalten werden, wenn sie in der Schweiz keinen festen Wohnsitz hat oder erweislich zahlungsunfähig ist.

3 Die Sicherstellung ist in bar bei der Bundesgerichtskasse zu hinterlegen.

4 Bei fruchtlosem Ablauf der für die Sicherstellung (nach Abs. l oder 2) gesetzten Frist wird auf die Rechtsverkehr nicht eingetreten.

Art. 151.

Ausserdem hat jede Partei die Barauslagen vorzuschiessen, die im Laufe des Verfahrens infolge ihrer Anträge entstehen, beide Parteien anteilmässig die Barauslagen die durch gemeinschaftliche Anträge oder durch das Gericht von Amtes wegen veranlagst werden.

2 Wird der Vorschuss innert gesetzter Frist nicht geleistet, so unterbleibt die Handlung, deren Kosten zu decken sind, zum Nachteil der säumigen Partei.

Art. 152.

1 Ausgenommen in den Fällen der Prorogation gewährt das Bandesgericht einer bedürftigen Partei, deren Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint, auf Antrag Befreiung von der Bezahlung der Gerichtskosten und Auslagen, sowie von der Sicherstellung der Parteientschädigung.

2 Nötigenfalls kann ihr ein Rechtsanwalt beigegeben werden, dessen Honorar im Falle dos Unterliegens oder der Uneinbringlichkeit der Prozessentschädigung im Rahmen des in Art. 161 vorgesehenen Tarifs vom Bundesgericht festgesetzt und von der Bundesgerichtskasse ausgerichtet wird.

3 Wenn die Partei später dazu imstande ist, so hat sie der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten.

1

Im allgemeinen.

Sicherstellung für Prozesskosten und Pareientschädigung.

Vorschuss für Barauslagen.

Unentgeltliche Rechtspflege.

Höhe der Prozesakosten: a. im allgemeinen.

6. Ausnahmen für staatsrechtliche Streitigkeiten.

c. in EisenbahnBachen.

Kostenpflicht: a. für Kosten des Bundesgciichts.

Art. 153.

Die Prozesskosten, die von den Parteien an das Bundesgericht zu bezahlen sind, bestehen: a. in den Barauslagen des Gerichtes, mit Ausnahme der Taggelder und Beiseentschädigungen der Eichter. Gerichtsschreiber und Sekretäre : 6. in einer Gerichtsgebühr. Diese beträgt: in Staats- und verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten ohne Vermögensinteressen in der Eegel nicht weniger als Fr. 25 und nicht mehr als Fr. 500 ; stehen vemiögensrechtliche Interessen der Partei in Frage, so kann das Gericht über den Betrag von Fr. 500 hinausgehen; in den übrigen Streitigkeiten Fr. 25 bis 8000; in den Fällen der Prorogation Fr. 200 bis 10 000; o. in den Kanzleigebühren für jede Ausfertigung eines Entscheides oder .Beschlusses, sowie für Abschriften.

2 Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann die Gerichtsgebühr ermässigt werden.

1

Art. 154; Weder Gerichtsgebühr noch Parteientschädigung sind zu entrichten bei Anständen, die sich auf Art. 49, ausgenommen Abs. 6, und auf Art. 50, ausgenommen Abs. 8, der Bundesverfassung beziehen.

2 Ausnahmsweise kann auch bei andern staatsrechtlichen Streitigkeiten von Gerichtsgebühr und Parteientschädigung abgesehen werden, wenn keine Zivilsache oder kein Vermögensinteresse in Frage steht.

1

Art. 155.

Für die Zwangsliquidation, das Nachlassverfahren und das Gläubigergemeinschaftsverfahren über eine Eisenbahn- oder Schiffahrtsunternehmung beträgt die Gerichtsgebühr Fr. 200--5000.

Art. 156.

Die Gerichtskosten werden in der Eegel der vor Bundesgericht unterliegenden Partei auferlegt.

2 Dem Bund, Kantonen oder Gemeinden, die in ihrem amtlichen Wirkungskreis und ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen, oder gegen deren Verfügungen in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist, dürfen regelmässig keine Gerichtskosten auferlegt werden.

3 Hat keine Partei vollständig obgesiegt oder durfte sich die unterliegende Partei in guten Treuen zur Prozessführung veranlagst sehen, so können die Kosten verhältnismässig verlegt werden.

1

209 4

In den Fällen des Art. 60, Abs. l, lit. b, sind die Kosten vom Berufungskläger zu beziehen unter Vorbehalt der Verlegung im Hauptentscheid.

5 Wird in Disziplinarfällen die Beschwerde zurückgezogen oder die angefochtene Verfügung als gerechtfertigt befunden, so sind dem Beschwerdeführer die in Art. 153 genannten Kosten ganz oder teilweise aufzuerlegen; im übrigen sind die Kosten des Verfahrens von der Gerichtskasse zu tragen.

6 Unnötige Kosten hat selbst zu bezahlen, wer sie verursacht.

7 Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten mangels anderer Bestimmung zu gleichen Teilen, jedoch mit Solidarhaft zu tragen.

Art. 157.

Wird das angefochtene Urteil einer untern Instanz abgeändert, 6. rar kantonale so kann Bundesgericht die Kosten des vorangegangenen Verfahrens Kostenarm das Bun anders verlegen.

Art. 158.

1 Im Verfahren vor dem Bundesrat kann das mit der Instruktion verfahren vor betraute Departement einen Vorschuss für die Verfahrenskosten ver- demBun ^ratlangen, wenn die Partei, die den Bundesrat anruft, keinen festen Wohnsitz in der Schweiz hat oder wenn sie wegen Zahlungsunfähigkeit, wegen Eückstandes in der Bezahlung früherer Kosten, wegen der Art und Weise der Beschwerdeführung oder aus andern Gründen nicht genügend Gewähr für die beförderliche Bezahlung der Kosten bietet. Art. 150, Abs. 4, und Art. 151 finden Anwendung.

2 Die im Verfahren vor dem Bundesrat zu entrichtenden Kosten bestehen : a. in den Barauslagen (Art. 151); b. in einer Spruchgebühr, die den Betrag von Fr. 500 nicht übersteigen darf; c. in den, Schreibgebühron für jede Ausfertigung eines Entscheides sowie für Abschriften.

3 Art. 156 findet entsprechende Anwendung. Ausnahmsweise kann aus beaondern Gründen von der Auferlegung der Verfahrenskosten ganz oder teilweise abgesehen werden.

Art. 159.

Mit dem Entscheid über die Streitsache selbst hat das Bundes- Entschädigungsp gericht zu bestimmen, ob und in welchem Masse die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen seien.

2 Die unterhegende Partei ist regelmässig schuldig, der obsiegenden alle durch den Eechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.

Bundesblatt. 95. Jahrg. Bd. I.

15 1

210 3

Höhe der Entschädigung.

Fällt der Entscheid nicht ausschliesslich zugunsten einer Partei aus oder durfte sich die unterliegende Partei in guten Treuen zur Prozessführung veranlagst sehen, so können die Kosten verhältnismässig verteilt werden.

* "Wird eine angefochtene Disziplinarverfügung als nicht gerechtfertigt befunden, so ist dem Beschwerdeführer eine Prozessentschädigung zuzusprechen.

5 Art. 15C, Abs. 2, 6 und 7, sind entsprechend anwendbar.

6 Die Verfügung der kantonalen Instanz, durch die einer Partei die Ausrichtung einer Prozessentschädigung an die Gegenpartei auferlegt worden ist, wird vom Bundesgerichte je nach dem Entscheid über die Hauptsache bestätigt, aufgehoben oder abgeändert. Dabei kann das Bundesgericht die Entschädigung nach Massgabe des kantonalen Tarifes selbst festsetzen oder die Festsetzung der zuständigen kantonalen Behörde übertragen.

Art. 160.

Die Höhe der Entschädigung an die Gegenpartei für das Verfahren vor dem Bundesgericht, einschliesslich der Vertretung durch einen Anwalt, wird durch einen vom Bundesgericht zu erlassenden Tarif festgestellt.

3. Anwaltsgebühren.

Art. 161.

Ist das von einer Prozesspartei ihrem Anwalt für das Verfahren vor dem Bundesgericht geschuldete "Honorar streitig, so setzt das Bundesgericht dessen Betrag nach schriftlicher Vernehmlassung des Anwaltes oder der Partei ohne Parteiverhandlung fest.

XI. Verschiedene Bestimmungen, Schluss- und Übergangsbestimmungen.

Rechteöffnungstitel

AlkoholVerwaltung.

Ansprüche aus der Militär organisation.

Art. 162.

Die auf Geldzahlung oder Sicherheitsleistung gerichteten rechtskräftigen Entscheide der eidgenössischen Verwaltungsinstanzen stehen vollstreckbaren Gerichtsurteilen im Sinne von Art. 80 des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes gleich.

Art. 163.

Die eidgenössische Alkoholverwaltung gilt im Sinne dieses Gesetzes als Abteilung der Bundesverwaltung.

Art. 164.

Bis zum Erlass eines neuen Verwaltungsreglements für die schweizerische Armee ist der Bundesrat berechtigt, zur endgültigen Entschei1

211 düng über Ansprüche des Bundes oder gegen den Bund, die sich auf die Militärorganisation stützen, ausserhalb der Bundesverwaltung stehende Instanzen einzusetzen.

2 Ausgenommen sind jedoch die Ansprüche aus Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen infolge militärischer Übungen.

Art. 165.

Das Bundesgesetz vom 22. November 1850 über das Verfahren bei a,Abänderung: des Eundesdem Bundesgericht in bürgerlichen Bechtsstreitigkeiten wird abgeändert Älvilprozesees* wie folgt: L Die Art. 28, 64, 192, Ziff. 2, und 193 werden aufgehoben und durch folgende Bestimmungen ersetzt: Art. 28. Jede handlungsfähige Person kann ihren Prozess entweder selbst führen oder sich durch einen Bechtsbeistand vertreten lassen, der die von Art. 29 des Bundesgesetzes über die Organisation'der Bundesrechtspflege vom aufgestellten Anforderungen erfüllt.

Art.64. Für die Berechnung der gesetzlichen Fristen sind Art. 32 und 34 des Gesetzes vom . über die Organisation der Bundesrechtspflege massgebend, Art. 192, Ziff. 2. Wenn der Gesuchsteller nachträglich neue erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel auffindet, die er im früheren Verfahren nicht beibringen konnte.

Art. 193. Das Bevisionsgesuch muss bei Folge des Ausschlusses beim Bundesgericht anhängig gemacht werden: a. in den Fällen des Art. 192, Ziff. l, binnen 30 Tagen vom Empfang der schriftlichen Ausfertigung des Urteils an; b. in den übrigen Fällen binnen 90 Tagen von der Entdeckung des Bevisionsgrundes an.

II. Die Art. 43, Satz 2, 66, Satz 2, und 182 werden aufgehoben.

Art. 166.

Art. 23bis des Bundesgesetzcs vom 26. März 1914 über die Organi- ft, der Organisation der sation der Bundesverwaltung erhält folgende Fassung: Bnndcsver1 Auf Beschwerden, die von Departementen oder ihnen unter- waltung.

geordneten Amtsstellen zu beurteilen und gegen Entscheide (Verfügungen) eidgenössischer Amtsstellen gerichtet sind, finden folgende Bestimmungen Anwendung: a. Mit der Beschwerde kann geltend gemacht werden, der angefochtene Entscheid beruhe auf einer Verletzung von Bundesrecht oder auf einer unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des Sachverhalts, sowie er sei. unangemessen.

212

b. Die Beschwerde hat die Anträge des Beschwerdeführers und deren Begründung zu enthalten. Sie ist binnen 30 Tagen seit Eingang der Ausfertigung des Entscheides schriftlich bei der Beschwerdeinstanz einzureichen. Wird die Beschwerde bei einer unrichtigen eidgenössischen Amtsstelle eingereicht, so hat diese sie unverzüglich der richtigen Stelle zu überweisen: ist in diesem Falle die Beschwerde bei der unrichtigen Stelle rechtzeitig eingereicht worden, so gilt die Beschwerdefrist als eingehalten.

c. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung, soweit nicht gegenteilige bundesrechtliche Vorschriften bestehen oder soweit sie ihr nicht durch vorsorgliche Verfügung der Beschwerdeinstanz verliehen wird.

d. Stellt sich die Beschwerde nicht sofort als unzulässig oder unbegründet dar, so wird sie der allfälligen Gegenpartei und der Vorinstanz unter Ansetzung einer angemessenen Frist zur Vernehmlassung mitgeteilt. Die Beschwerdeinstanz ordnet die zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Beweisaufnahmen an.

e. Der Beschwerdeentscheid ist schriftlich dein Beschwerdeführer, der allfälligen Gegenpartei und der Vorinstanz mitzuteilen.

/. Parteivertreter haben sich durch eine Vollmacht auszuweisen.

Auf die Fristen und auf die Wiederherstellung gegen Folgen einer Fristversäumnis finden Art. 82--35 des Bundesgesetzes vom über die Organisation der Bundesrechtspflege und auf die Kosten Art. 158 des nämlichen Gesetzes entsprechende Anwendung.

2 Der Bundesrat kann durch Vorordnung ergänzende Vorschriften über das Verfahren aufstellen.

Art. 167.

c. des jostverArt. 55 des Bundesgesetzes vom 2. Oktober 1924 betreffend den Postverkehr erhält folgende Fassung: 1 Die aus diesem Gesetz und den internationalen Verträgen betreffend den Postverkehr hervorgehenden Klagen gegen die Postverwaltung werden anhängig gemacht: a. sofern der Streitgegenstand einen Hauptwert von wenigstens Fr. 4000 hat, beim Bundesgericht; b. wenn der Streitgegenstand von geringerem Hauptwert ist, am Sitz der Zentralverwaltung oder am Hauptort des Kantons, in dem. der Kläger seinen Wohnsitz hat.

2 Klagen gegen die Postverwaltung aus dem Bundesgesetz betreffend die Haftpflicht der Eisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen und der Post können am Sitz der Zentralverwaltung oder am Hauptort des Kantons, in dem der Unfall sich zugetragen hat, anhängig gemacht werden.

213 3

Klagen gegen die Postverwaltung aus dem Bundesgesetz über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr können am Sitz der Zentralverwaltung oder am Ort, wo sich der Unfall ereignet hat, angebracht werden.

4 Die Weiterziehung nach kantonalem und eidgenössischem Eecht bleibt vorbehalten.

Art. 168.

Das Bundesgesetz vom 15. Juni 1934 über die Bundesstrafrechts- d. des Bundoes Ta prozes8eSi pflege wird abgeändert wie folgt : a. Art. l, 2, 12, 17, 24, 132, Abs. 1. 135, 245, Abs. 2 und 4, und .264 erhalten die Fassung: Art. l (eidgenössische Strafgerichtsbehörden).

Die Strafrechtspflege des Bundes wird durch folgende eidgenössische Strafgerichtsbehörden ausgeübt: 1. Die Bundesassisen, bestehend aus der Kriminalkammer und 12 Geschworenen, 2. die Kriminalkammer von 3 Mitgliedern, welche die drei Amtssprachen vertreten, 8. das Bundesstrafgericht, bestehend aus den 3 Mitgliedern der Kriminalkammer und 2 weiteren Mitgliedern des Bundesgerichts, 4. die Anklagekammer von 3 Mitgliedern, die nicht dem Bundesstrafgericht angehören können, 5. den Kassationshof zur Beurteilung derNichtigkeitsbeschwerden gegen kantonale Straf- und Überweisungsbehörden, 6. den Kassationshof zur Beurteilung von Nichtigkeitsbeschwerden und Kevisionsgesuchen gegen Urteile der Bundesassisen, der Kriminalkammer und des Bundesstrafgerichts, sowie zur Entscheidung von Kompetenzkonflikten zwischen den Bundesassisen und dem Bundesstrafgericht, Vorbehalten bleibt die Strafgerichtsbarkeit der kantonalen Behörden, die nach Bundesgesetz oder auf Beschluss des Bundesrates Bundesstrafsachen zu beurteilen haben, sowie der Bundesverwaltung bei Übertretung der Fiskal- und andern Bundesgesetze.

Art. 2 (Bestellung).

Das Bundesgericht bestellt die in Art. l, Ziff. 2--5, genannten Strafgerichtsbehörden aus seiner Mitte für dio Dauer von zwei Kalenderjahren.

Für die gleiche Dauer ernennt das Bundesgericht den Präsidenten der Anklagekammer und des in Art. l, Ziff. 5, genannten Kassationshofes.

214

Das Bundesstrafgericht und die Kriminalkammer bezeichnen für jeden Straf fall ihren Präsidenten.

Der in Art, 1, Ziff. 6, genannte Kassationshof wird jeweilen aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und den fünf amtsältesten Mitgliedern des Bundesgerichts gebildet, die weder der Anklagekammer noch dem Bundesstrafgericht angehören.

Jedes Mitglied des Bundesgerichts kann zur Aushilfe in einer Strafgerichtsbehörde berufen werden.

Art. 12 (Kassationshof).

Der Kassationshof entscheidet unter Mitwirkung von 5 Richern über Nichtigkeitsbeschwerden gegen in Bundesstrafsachen erlassene Urteile kantonaler Strafgerichte, Straferkenntnisse kantonaler Verwaltungsbehörden und Einstellungsbeschlüsse kantonaler Überweisungsbehörden. Vorbehalten bleibt Art. 275bis.

Der Kassationshof entscheidet unter Mitwirkung von 7 Eichtern 1. über Nichtigkeitsbeschwerden gegen Urteile derBundesassisen und der Kriminalkammer; Urteile des Bundesstrafgerichts; 2. über Gesuche um Revision von Urteilen der Bundesassisen und des Bundesstrafgerichts ; 3. über die Zuständigkeit der Bundesassisen oder des Bundesstrafgerichts, wenn die Frage zwischen diesen Behörden streitig ist.

Art. 17 (die gerichtliche Polizei).

Die gerichtliche Polizei steht unter der Leitung des Bundesanwalts und unter der Aufsicht des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements.

Die gerichtliche Polizei üben aus: die Staatsanwälte der Kantone; die Beamten und Angestellten der Polizei des Bundes und der Kantone ; die übrigen Beamten und Angestellten des Bundes und der Kantone in ihrem Wirkungskreis.

Der Bundesanwaltschaft wird zur einheitlichen Durchführung des Fahndungs- und Informationsdienstes im Interesse der Wahrung der innern und äussern Sicherheit der Eidgenossenschaft das nötige Personal beigegeben. Sie arbeitet in der Regel mit den zuständigen kantonalen Polizeibehörden zusammen. In jedem Fall ist ihnen von den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft Kenntnis zu geben, sobald es der Zweck der Untersuchung gestattet.

215 Art. 24 (Öffentlichkeit).

Die Verhandlungen vor den Strafgerichten des Bundes sind öffentlich.

Das Gericht kann die Öffentlichkeit der Verhandlungen ausschhessen, wenn und soweit eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung, der Sittlichkeit oder der Staatssicherheit zu befürchten ist oder das Interesse eines Beteiligten es erfordert.

Beratung und Abstimmung sind nicht öffentlich.

Art, 132, Abs. 1. Lässt die Arjklagekammer die Anklage zu, so übermittelt sie die Akten an das zuständige Gericht, Art. 135 (Bezeichnung des Präsidenten).

Wird ein Angeklagter vor das Bundesstrafgericht verwiesen, so bezeichnet das Bundesstrafgericht den Präsidenten.

Wird ein Angeklagter vor die Bundesassisen verwiesen, so bezeichnet die Kriminalkammer den Präsidenten.

Art. 245, Abs. 2 und 4.

2 Zeugen haben Ansprach auf Ersatz der notwendigen Auslagen, sowie auf eine billige Entschädigung für Zeit Versäumnis. Das Bundesgericht kann darüber allgemeine Bestimmungen aufstellen (Art. 147, Abs. l, des Bundesgesetzes vom über die Organisation der Bundesrechtspflege).

4 Die Höhe der Entschädigung an die Gegenpartei für das Verfahren vor Bundesgericht, einschliesshch der Vertretung durch einen Anwalt, wird durch einen vom Bundesgericht zu erlassenden Tarif festgestellt.

Art. 264 (streitiger Gerichtsstand).

Ist der Gerichtsstand unter den Behörden verschiedener Kantone streitig oder wird die Gerichtsbarkeit eines Kantons vom Beschuldigten bestritten, so bezeichnet die Anklagekammer des Bundesgerichts den Kanton, der zur Verfolgung und Beurteilung berechtigt und verpflichtet ist.

b. Der fünfte Abschnitt des dritten Teils (Art. 268--278) erhält folgende Passung: V. Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts.

Art. 268 (anfechtbare Entscheide).

Die Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts ist zulässig: gegen Urteile der Gerichte, die nicht durch ein kantonales Eechtsmittel wegen Verletzung eidgenössischen Hechtes angefochten werden können,

216

" gegen Einstellungsbeschlüsse letzter Instanz, gegen die Straferkenntnisse der Verwaltungsbehörden, die nicht an die Gerichte weitergezogen werden können.

Art. 269 (Begründung).

Die Nichtigkeitsbeschwerde kann nur damit begründet werden, dass die angefochtene Entscheidung eidgenössisches Recht verletze.

Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte bleibt vorbehalten.

Art. 270 (Legitimation im. Strafpunkt).

Die Nichtigkeitsbeschwerde steht dem Angeklagten und dem.

öffentlichen Ankläger des Kantons zu. Nach dem Tode des Angeklagten steht sie meinen Verwandten und Verschwägerten in aufund absteigender Linie, seinen Geschwistern und dem Ehegatten zu.

Dem Privatstrafkläger steht die Nichtigkeitsbeschwerde zu, wenn er nach den Vorschriften des kantonalen Rechts allein, ohne Beteiligung des öffentlichen Anklägers, die Anklage vertreten hat.

Der Privatstrafkläger kann zur Leistung eines Vorschusses für die Gerichtskosten verpflichtet werden. Die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege bleibt vorbehalten (Art. 152 des Bundesgesetzes vom über die Organisation der Bundesrechtspflege).

Art. 215 findet entsprechende Anwendung.

Dem Bundesanwalt steht die Nichtigkeitsbeschwerde zu, wenn der Bundesrat den Straffall den kantonalen Behörden zur Beurteilung überwiesen hat oder wenn die Entscheidung nach einem Bundesgesetz oder nach einem Beschluss des Bundesrates gemäss Art. 265, Abs. l, dem Bundesrate mitzuteilen ist.

Art. 271 (Zivilpunkt).

Ist der Zivilanspruch zusammen mit der Strafklage beurteilt worden, so kann die Nichtigkeitsbeschwerde wogen dieses Anspruches vom Geschädigten, vom Verurteilten und von dem mit ihm ersatzpflichtig erklärten Dritten ergriffen werden. Berufung ist ausgeschlossen.

Beträgt der Streitwert der Zivilforderung, berechnet nach den für die zivilprozessuale Berufung geltenden Vorschriften, weniger als Fr. 4000 und handelt es sich auch nicht um einen Anspruch, der im zivilprozessualen Verfahren ohne Rücksicht auf den Streitwert der Berufung unterläge, so ist eine Nichtigkeitsbeschwerde im-Zivilpunkt nur zulässig, wenn der Kassationshof auch mit dem Strafpunkt befasst ist.

Wegen Anwendung kantonalen statt eidgenössischen Rechts ist die Nichtigkeitsbeschwerde ohne diese Beschränkung zulässig.

217

Die Bestimmungen über die Anschlussberufung (Art. 59 des Bundesgesetzes vom über die Organisation der Bundesrechtspflege) sind sinngemäss anwendbar. Die Revision von Urteilen des Kassationshofes im Zivilpunkt richtet sich nach Art. 186--144 des nämlichen Gesetzes.

Art. 272 (Beschwerdefrist).

Der Beschwerdeführer hat innert 10 Tagen seit der nach dem kantonalen Becht massgebenden Eröffnung des angefochtenen Entscheides bei der Behörde, welche ihn erlassen hat, die Beschwerde durch Einreichung einer schriftlichen Erklärung einzulegen. Sofern es noch nicht geschehen ist, ist dem Beschwerdeführer auf diese Erklärung hin ohne Verzug von Amtes wegen eine schriftliche Ausfertigung des Entscheides zuzustellen.

Innert 20 Tagen seit Zustellung des schriftlichen Entscheides hat der Beschwerdeführer seine Beschwerde bei der gleichen Behörde in der in Art. 273 vorgeschriebenen Weise schriftlich zu begründen.

Es steht ihm frei, sie schon vorher zu begründen.

Stirbt der Angeklagte vor Ablauf dieser Fristen, so werden sie von seinem Tode an gerechnet.

Ist die Beschwerde im Zivilpunkt nur im Aiischluss an eine Beschwerde im Strafpunkt zulässig (Art. 271, Abs. 2), so wird für die Partei, die nur Beschwerde im Zivilpunkt erhebt, die Frist zur Einlegung und Begründung derselben auf 10 Tage seit Mitteilung der von einem andern Beteiligten eingelegten Beschwerde im Strafpunkt verlängert.

Für den Bundesanwalt beginnen die Fristen am Tage, an dem der angefochtene Entscheid der zuständigen Bundesbehörde in vollständiger Ausfertigung zugekommen ist.

Die Akten sind den Parteien vor Einreichung der Beschwerdeschrift zur Einsicht offenzuhalten.

Die Beschwerde hemmt den Vollzug des Urteils nur, wenn der Kassationshof oder sein Präsident es verfügt.

Art. 273 (Beschwerdeschrift).

Die Beschwerdeschrift muss mit Unterschrift versehen in genügender Anzahl für das Gericht und für jede Gegenpartei, mindestens jedoch im Doppel, eingereicht werden und ausser der Bezeichnung des angefochtenen Entscheides enthalten: a. die Angabe, welche Punkte des Entscheides angefochten werden, und die Anträge; , b. die Begründung der Anträge. Sie soll kurz darlegen, welche Bundesrechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt sind. Ausführungen, die sich gegen die tatsächlichen Feststellungen des Entscheides richten, das Vorbringen neuer Tat-

218 Sachen, neue Einreden, Bestreitungen und Beweismittel, sowie Erörterungen über die Verletzung kantonalen Bechts sind unzulässig.

Beschwerden, deren Begründung diesen Vorschriften nicht entspricht, können unter Ansetzung einer kurzen Frist zur Verbesserung zurückgewiesen werden mit der Androhung, dass andernfalls nicht darauf eingetreten werde. Art. 30, Abs. 2 und 3, des Bundesgesetzes vom über die Organisation der Bundesrechtspflege ist anwendbar.

Art. 274 (Akteneinsendung).

Die kantonale Instanz hat die Beschwerdeschriften und die Beschwerdeerklärung samt ihrem Entscheid, ihren allfälligen Gegenbemerkungen und sämtlichen Akten unverzüglich dem Präsidenten des Kassationshofes einzusenden und ihm die Daten einer allfälligen nach kantonalem Becht inassgebenden mündlichen Eröffnung und der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des angefochtenen Entscheides, sowie des Einganges oder der Postaufgabe der Beschwerdeerklärung und der Besehwerdeschrift mitzuteilen.

Art. 275 (ausserordentliche kantonale Bechtsmittel).

Ist gegen den angefochtenen Entscheid bei der zuständigen kantonalen Behörde ein Kassationsbegehren wegen Verletzung kantonalen Bechts oder ein Bevisionsbegehren anhängig, so wird bis zur Erledigung der Sache vor der kantonalen Behörde die Entscheidung des Kassationshofes ausgesetzt. Inzwischen unterbleibt die Binsendung der Akten des kantonalen Verfahrens an den Kassationshof.

Ist ein Strafverfahren zur Vorbereitung eines Bevisionsgesuches anhängig, so kann der Kassationshof seine Entscheidung ebenfalls aussetzen.

Die angegangene kantonale Behörde hat dem Kassationshof von der Art der Erledigung unverzüglich Kenntnis zu geben. Lautet ihr Entscheid auf Abweisung eines Bevisionsgesuches, so ist er samt den neuen Akten einzusenden.

Über die Ergebnisse eines solchen Bevisionsverfahrens kann ein weiterer Schriftenwechsel angeordnet werden. Sie sind-bei der Beurteilung vom Kassationshof zu berücksichtigen.

In gleicher Weise \vird die Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde regelrnässig bis zur Erledigung einer staatsrechtlichen Beschwerde ausgesetzt.

Art. 275*1* (Vorprüfung).

Ein Ausschuss von drei Mitgliedern des Kassationshofes kann über offensichtlich unzulässige oder unbegründete Nichtigkeitsbeschwerden bei Einstimmigkeit entscheiden.

Die Entscheidung ist summarisch zu begründen.

219

Art. 276 (weiteres Verfahren).

Wird die Beschwerde nicht als unzulässig oder offensichtlich unbegründet befunden, so wird die Beschwerdeschrift den Beteiligten unter Ansetzung einer Frist zur Einreichung schriftlicher Gegenbemerkungen mitgeteilt.

Ausnahmsweise kann ein weiterer Schriftenwechsel oder eine mündliche Verhandlung zugelassen werden. Über die Beschwerde im Zivilpunkt findet eine mündliche Parteiverhandlung statt, wenn der vor dem Kassationshof noch streitige Wert wenigstens Fr. 10 000 beträgt. Es steht den Parteien frei, zu erscheinen oder dem Gericht Eingaben zu machen.

Art. 277 (Bückweisung).

Leidet die Entscheidung an derartigen Mängeln, dass die Gesetzesanwendung nicht nachgeprüft werden kann, so hebt sie der Kassationshof ohne Mitteilung der Beschwerdeschrift auf und weist die Sache an die kantonale Behörde zurück.

Art. 277bls (Umfang der Nachprüfung).

Der Kassationshof darf über die Anträge des Beschwerdeführers nicht hinausgehen. Er ist an die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Behörde gebunden. Offensichtlich auf Versehen beruhende Feststellungen berichtigt er von Amtes wegen.

Der Kassationshof ist nicht an die Begründung der Eechtsbegehren der Parteien gebunden.

Art. 27?ter (Entscheid im Strafpunkt).

Hält der Kassationshof die Beschwerde im Strafpunkt für begründet, so hebt er den angefochtenen Entscheid auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung an die kantonale Behörde zurück.

Diese hat ihrer Entscheidung die rechtliche Begründung der Kassation zugrunde zu legen.

Art. 2/Muater (Entscheid im Zivilpunkt).

Im Zivilpunkt entscheidet der Kassationshof in der Sache selbst oder weist sie zu neuer Entscheidung an die kantonale Behörde zurück.

Ini Falle des Art. 271, Abs. 2, tritt der Kassationshof auf die Beschwerde im Zivilpunkt nur ein, wenn er die Beschwerde im Strafpunkt gutheisst und dessen abweichende Beurteilung auch für die Entscheidung im Zivilpunkt Bedeutung haben kann; er weist die Zivilsache mit der Strafsache zu neuer Entscheidung zurück.

· Art. 278 (Kosten).

Die Kosten werden der unterliegenden Partei auferlegt. Sie sind nach Art, 245 zu bestimmen. Unterhegt der öffentliche Ankläger oder der Bundesanwalt, so werden keine Kosten auferlegt.

220

.

Dem Angeklagten, Geschädigten oder Privatstrafkläger kann eine Entschädigung zugesprochen werden, wenn seine Beschwerde begründet oder die gegnerische unbegründet erklärt wird. Betrifft die Beschwerde einzig den privatrechtlichen Anspruch oder ist der Privatstrafkläger Beschwerdeführer oder Gegenpartei, so ist die Entschädigung von der unterliegenden Partei zu bezahlen.

Aufhebung von Gesetzen.

Inkrafttreten.

Übergangsbestimmungen.

Art. 169.

Alle diesem Gesetze widersprechenden Bestimmungen sind aufgehoben, namentlich: das Bundesgesetz vom 22. Märü 1893 über die Organisation der Bundesrechtspflege, sowie dessen spätere Abänderungen, ausgenommen Art. 197 in der Fassung vom 13. Juni 1928; das Bundesgesetz vom 11. Juni 1928 über die eidgenössische Verwaltungs- und Disziplinarrechtspflege, ausgenommen Art! 50 und 5l ; der Bundesbeschluss vom 21. Juni 1935 betreffend den Schutz: der Sicherheit der Eidgenossenschaft; Art. 31, Abs. 4, des Bundesgesetzes vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs; Art. 88 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1891 betreffend die zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter; Art. 110, Abs. 2, des Bundesgesetzes vom 20. Juni 1930 über die Enteignung ; die Verordnung des Bundesgerichts vom 3. November 1910 betreffend die Beschwerdeführung in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen.

Art. 170.

Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1945 in Kraft.

Art. 171.

Auf diejenigen Fälle, welche vor dem 1. Januar 1945 beim Bundesgericht anhängig gemächt worden sind oder für deren Weiterziehung die Frist vor dem l, Januar 1945 zu laufen begonnen hat, finden noch die bisherigen Zuständigkeits- und Verfahrensvorschriften Anwendung.

2 Die Eevision der in den Jahren 1940--1944 gefällten Entscheide des Bundesgerichtes richtet sich nach den neuen Vorschriften; in diesen Fällen kann wegen neuer erheblicher Tatsachen, die der Gesuchsteller vor dem 1. Januar 1945 entdeckt hat, das Bevisionsgesuch bis zum 31. März 1945 eingereicht werden.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines neuen Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege. (Vom 9. Februar 1943.)

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1943

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04

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18.02.1943

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