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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Einfügung eines Art. 41bis und eines Art. 42, lit. g, in die Bundesverfassung (Erhebung von Stempelabgaben).

(Vom 11. Dezember 1916.)

Diese Botschaft behandelt nur die Frage der Einführung von Stempelabgaben zugunsten des Bundes; eine zweite, demnächst folgende Botschaft soll sich mit der ausserordentlich wichtigen Frage der Tabakbesteuerung befassen ; eine dritte Botschaft, die, wie wir in Aussicht nehmen, im Laufe der nächsten drei Monate erscheinen wird, wird die Besteuerung der gebrannten Wasser zum Gegenstande haben.

In der Spezialbotschaf betreffend die Tabakbesteuerung werden wir auch über unsere allgemeine Finanzsituation Aufschluss erteilen, dieselbe näher erörtern und gleichzeitig zu den grundlegenden Fragen der nun dringend gewordenen Finanzreform, soweit dieselben als abgeklärt erscheinen, Stellung nehmen. Es genügt hier zu erwähnen, dass die Einführung von Stempelabgaben als die Realisierung eines Teils unseres Finanzprogrammes aufzufassen ist, und dass dieselbe nicht losgelöst von den andern, zum Teil bereits beschlossenen (Kriegssteuer, Kriegsgewinnsteuer, Ausfuhrgebühren, Erhöhung der Alkoholzölle, Erhöhung der Postund Telephongebühren etc.), zum Teil später zu beschliessenden Finanzmassnahmen behandelt werden kann.

Die Aufgabe, für eine gewaltige Bedarfssteigerung, wie sie in auch nur annäherndem Umfange in der bisherigen Finanzgeschichte des Bundes nie eingetreten ist, die Mittel so zweckmässig als möglich zu beschaffen, schliesst in sich die weitere Aufgabe ein, die Beschaffung auf eine Mehrzahl von Steuern zu

541 verteilen. Diese Verteilung ist teils mit Hinblick auf die,-. Ergänzungsbedürftigkeit jeder Steuer um ihrer Lücken willen geboten, teils um der Erleichterung des Steuerdruckes willen durch die Mannigfaltigkeit der Besteuerungsformen.

Wir schlagen Ihnen im nachstehenden vor, in das Finanzsystem des Bundes eine neue Steuernkategorie, die Verkehrssteuern, einzufügen, deren Reinertrag für den Bund, nach erfolgter Ausrichtung eines Ertragsanteils an die Kantone, wir fürs nächste mit annähernd ll1^ Mili. Fr. jährlich veranschlagen.

I.

Verkehrssteuern (deren Erhebung meist in Stempelform erfolgt und die der tägliche Sprachgebrauch deshalb als Stempelsteuern bezeichnet) sind Abgaben, welche von einzelnen, den Übergang von Kapitalien oder von Rechten vermittelnden Verkehrsakten erhoben werden. Eine Kapital- oder Rechtsübertragung ist nicht denkbar, ohne dass mindestens bei einer der beteiligten Parteien ein Mehrwert gewonnen, ein Gewinn erzielt würde ; meist wird dieser Gewinn bei beiden Beteiligten eintreten. Dieser durch Verkehrsakte vermittelte Mehrwerterwerb ist die Steuerquelle der Verkehrssteuer. Seitens der gesunden finanzpolitischen Praxis haben sich die Verkehrssteuern stets einer starken Beliebtheit erfreut; die finanzwissenschaftliche Theorie hat sie einst perhorresziert, nicht so sehr aus prinzipiellen Erwägungen als aus einer natürlichen Reaktion gegen die hypertrophische Entfaltung der Verkehrsbesteuerung im Polizeistaate. Aber auch die Theorie hat in den letzten Jahrzehnten ihr Urteil revidiert, mit wachsender Verkehrsintensität trat auch sie immer entschiedener zugunsten der Verkehrssteueru ein, welchen sie innerhalb des Steuersystems die Aufgabe zuweist, den Verkehr als Triebkraft bei der Einkommensbildung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprechend zu Leistungen an den Staat heranzuziehen.

Wo immer in einem Bundesstaate der Bund (das Reich, die Union) sein Finanzsystem neben demjenigen der Einzelstaaten, auszubilden hatte, überall stehen im Zentrum seines Finanzsystems Verbrauchs- und Verkehrssteuern. Es sind die zur Bundesstaatsbildung treibenden Kräfte selbst, die finanziell in der zentralen Stellung dieser Einnahmen zum Ausdruck kommen. Die bundesstaatliche Vereinigung erfolgt, weil der einzelne Staat zu seiner politischen Selbstbehauptung und zu seiner Behauptung als selbständiges Wirtschafts- und Verkehrsgebiet zu klein oder zu schwach

542 bevölkert ist. In der Landesverteidigung, in der Förderung der Wirtschaftsentfaltung und in der Pflege des wirtschaftlichen Verkehrs bestehen die ursprünglichen Aufgaben des Bundesstaates.

Der Bundesbedarf wird ursprünglich in erster Linie durch die Landesverteidigung verursacht, und zur Deckung dieses Bedarfes werden dem Bundesstaate wieder in erster Linie die Einnahmen zugewiesen, die aus seiner eigenen Tätigkeit erwachsen: die Überschüsse der vom Bundesstaate organisierten Verkehrsanstalten, die Zölle, welche erst der Bundesstaat wirtschaftlich fruchtbar und finanziell ertragreich zu gestalten vermag, die inländischen Verbrauchsabgaben und die Verkehrssteuern, die beide erst innerhalb des grössern, durch den Bundesstaat geschaffenen einheitlichen Verkehrsgebietes in rationeller Weise erhoben werden können.

Von diesem gemeinsamen Grundzuge des Finanzsystems aller Bundesstaaten, des Deutschen Reiches, wie der Vereinigten Staaten von Nordamerika, wie der südamerikanischen Unionen, weicht der schweizerische Bundeshaushalt insofern ab, als er vornehmlich auf Verbrauchssteuern, in erster. Linie auf Zöllen, beruht, wogegen die Ausbildung der Verkehrsabgaben völlig unterblieben ist. Hinsichtlich der vom Bunde organisierten Verkehrsanstalten bestimmt die Bundesverfassung, dass ihre Tarife nach ,,möglichst billigen'1 Grundsätzen bemessen werden sollen, und in der Tarifpraxis ist die ,,Billigkeit" gelegentlich sogar über das vernünftigerweise ,,Mögliche" hinausgegangen ; Verkehrssteuern kennt die Bundesverfassung überhaupt nicht, und in den Staatsrechnungen des Bundes würde man sie vergebens suchen.

Die Zurückhaltung, welche der Bund sich auf dem Gebiete der Verkehrsbesteuerung auferlegt hat, wäre erklärlich, hätten die Kantone ihre Verkehrssteuern ergiebig ausgestaltet. Faktisch ist aber diese Ausgestaltung, wie die nachstehende Übersicht evident zeigt, ausgeblieben. In dieser Übersicht der Verkehrssteuern ertrage sind die Erbschaftssteuern, die in einzelnen Steuersystemen den Verkehrssteuern zugezählt werden, nicht mitberück' sichtigt ; die Reihenfolge der Staaten in der Übersicht bestimmt sich nach dem Ertrag der Verkehrssteuern pro Kopf der Bevölkerung.

543 Ertrag der Verkehrssteuern Gesa.tbe.rag ·««*£ Fr.

805,3* Mili. Fr.

20. 30 56,7i Mili. Fr.

7.50 253,97 Mili. M. \ ,,0 fi 88 Mili. M. / 224,os Mili. L.

6. 50

Frankreich (1911) Belgien (1912) . . . . . . .

Deutsches Reich (1911/12) . .

Deutsche Bundesstaaten (1912) .

Italien (1911/12) Grossbritannien und Irland (1911 bis 1912) 9,56 Mili. Pf. St.

5. 20 Niederlande (1911) 14,03 Mili. FI.

4. 80 Schweden (1911) 17,76 Mili. K.

4.40 Österreich (1911) 93,68 Mili. K.

3. 40 Russland (1911) 167,63 Mili. R.

2.80 Ungarn (1911) 53,so Mili. K.

2. 70 Schweiz (1910) 9,87 Mili. Fr.

2.60 Die Übersicht ist unter mehr als bloss einem Gesichtspunkte lehrreich. Sie zeigt zunächst, dass die Erträgnisse der Verkehrssteuern mit der Intensität des wirtschaftlichen Verkehrs wachsen, denn es sind die Länder des höchstentfalteten Wirtschaftsverkehrs, welche die höchsten Erträgnisse aufweisen ; damit zeigt sie aber zum zweiten, dass eine rationelle Verkehrsbesteuerung keine Beeinträchtigung des Wirtschaftsverkehrs bedeutet, dies beweist namentlich die ungeachtet recht ergiebiger Verkehrssteuern starke Verkehrsexpansion des deutschen und des belgischen Wirtschaftslebens, während die für Frankreich und Italien ausgewiesenen Quoten zeigen, dass der Wirtschaftsverkehr sich unter günstigen Voraussetzungen sogar mit einer recht einseitig nach fiskalischen Gesichtspunkten orientierten Verkehrsbesteuerung abzufinden vermag; zum dritten zeigt sie, wie wenig begründet der häufig wiederholte Einwand ist, ergiebige Verkehrssteuern setzten ein entsprechend grosses Verkehrsgebiet voraus, denn Belgien steht, ungeachtet der Kleinheit seines Wirtschaftsgebietes und seiner, jede Beeinträchtigung des Verkehrs konsequent meidenden Finanzpolitik mit Fr. 7. 50 pro Kopf der Bevölkerung an zweiter Stelle der Staatenreihe ; viertens zeigt endlich die Übersicht, dass die Erträgnisse der schweizerischen Verkehrssteuern sich auf einem unvernünftig tiefen Niveau bewegen, denn es ist kein vernünftiger Grund einzusehen, weshalb der Wirtschaftsverkehr eines Landes von höchster Verkehrsintensität an die Deckung des Staatsbedarfes weniger beitragen sollte als in Ländern von der wirtschaftlichen Struktur Russlands oder Ungarns.

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n.

Die Gründe für die fiskalische Unergiebigkeit der schweizerischen Verkehrssteuern sind im wesentlichen darin zu suchen, dass eine Steuernkategorie, die ihrer Natur nach für den Bund prädestiniert ist, den Kantonen belassen wurde.

Vor dem Jahre 1798 waren in der Schweiz, von der mancherorts recht schweren Belastung des Immobiliarverkehrs abgesehen, eigentliche Verkehrssteuern (die nicht zu verwechseln sind mit Verkehrsgebühren an Strassen, Brücken etc.) unbekannt, und nur in Genf wurde (1714) nach holländischem Vorbild der Stempel als Form der Erhebung von Steuern und Gebühren eingeführt.

Erst die helvetische Gesetzgebung hat den Stempel im ganzen Gebiete der einen und unteilbaren Republik eingebürgert.

Als Vorbild diente der Helvetik das französische Gesetz vom 13. Februar 1798, das in der Folgezeit mehrfach geändert wurde, in seiner prinzipiellen Konzeption aber heute noch unverändert gilt. Aus den Verwaltungsgebühren des ancien régime wurden in Frankreich die taxes entwickelt, aus den alten Gerichtsgebühren die droits d'enregistrement und die droits du timbre. Jeder schriftliche Verkehrsvertrag muss in die öffentlichen Bücher eingetragen werden und entrichtet anlässlich dieser Eintragung eine Abgabe, die sich aus einer Eintragungsgebühr, droit fixe, und einer nach dem Werte des eingetragenen Verkehrsobjektes bemessenen eigentlichen Verkehrssteuer, droit proportionnel, zusammensetzt. Daneben sind alle Papiere, die als bürgerliche oder gerichtliche Urkunden zu dienen bestimmt sind, und alle Schriftstücke, welche vor Gericht vorgelegt oder daselbst als Beweisstücke benutzt werden können, der Stempelpflicht unterworfen, selbst wenn sie dem enregistrement nicht unterliegen sollten. Der Stempel wird erhoben: 1. als Dimensionsstempel, dessen Betrag sich nach dem Umfang und der Grosse der Urkunden richtet, 2. als SpezialStempel mit einem Tarif von festen Stempelsätzen für gewisse Schriftstücke (z. B. Quittungen), 3. als Proportionalstempel nach dem Werte des in der Urkunde erscheinenden Objektes.

In engster Anlehnung an diese in ihrer geschlossenen Systematik bis heute anderswo kaum erreichte Leistung der französischen Gesetzgebung hat die Helvetik ihr System der Stempelsteuern aufgebaut (Gesetze vom 17. Oktober 1798, 15. Dezember 1800 und 5. Januar 1801, nebst Vollziehungsverordnung vom 10. Februar
1801). Alle Akten, welcher Art immer sie sein mögen, die vor Gericht oder vor den bürgerlichen oder militärischen Gewalten gültig sein sollen, müssen grundsätzlich gestempelt werden. Die

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Stempelabgabe wird in der überwiegenden Mehrheit aller Fälle als Dimensionsstempel erhoben (1 sol bis zu 3 deniers für den Bogen, je nach seiner Höhe und Breite) ; in einzelnen Fällen tritt an Stelle des Dimensionsstempels ein Fixstempel (so z. B. l Rappen von jedem Zeitungsblatt, 3 Rappen von jedem Anschlag, 15 Rappen von jedem Kartenspiel) ; die eigentlichen Verkehrsurkunden entrichten die Abgabe als Proportionalstempel (so z. B. Schuldverschreibungen l °/oo der Schuldsumme, Wechsel 4 sois für- je Fr. 1000 der Wechselsumme und je 3 Monate der Lauffrist).

Bestimmte Urkunden unterliegen überdies der Registrierungspflicht, so z. B. Verträge über Grundstückverkäufe, die eine Registrierungsabgabe von 2 % des Kaufpreises zu entrichten haben.

Der Ertrag der helvetischen Verkehrsabgaben blieb weit hinter den Erwartungen zurück. In seiner Botschaft an den Grossen Rat vom 31. Juli 1798 hat das Direktorium diesen Ertrag mit 2,« Millionen Franken veranschlagt, und noch im Budget des Vollziehungsrates für das Jahr 1800/1801 figuriert der Ertrag der Stempel- und Registrierungsabgaben mit 1,8 Millionen Franken.

Faktisch weist aber die Staatsrechnung desjenigen Jahres, in welchem die Abgaben den höchsten Ertrag ergeben haben, 1801, diesen nur mit Fr. 769,526.12 aus. Die Gründe des Misserfolges sind dieselben, welche auch alle übrigen Finanzgesetze der Helvetik, ja ihre gesamte Gesetzgebungstätigkeit zur Unfruchtbarkeit verurteilt haben: der geschlossene Widerstand breitester Bevölkerüngskreise gegen die rasch einander ablösenden provisorischen Regierungen, von welchen keine genügend Kraft nach innen und Autorität nach aussen hatte, um den gesetzlich proklamierten Staatswillen durch die Verwaltung zur Geltung bringen zu können.

Die durch die Mediation wiederhergestellte Tagsatzung hat am 9. August 1803 grundsätzlich beschlossen, es sollen die Verfügungen über das Stempelwesen inskünftig den Kantonen vorbehalten bleiben, und weder der Bundesvertrag von 1815 noch die Bundesverfassungen von 1848 und 1874 haben an diesem Grundsatze gerüttelt.- In der Mehrzahl der Kantone wurde auf Grund des Tagsatzungsabschiedes vom 9. August 1803 die helvetische Stempelgesetzgebung, meist mit nur geringen Änderungen der Sätze, zugunsten des kantonalen Fiskus beibehalten ; in einzelnen Kantonen glaubte man, auf den Fortbezug der
Stempelabgaben zunächst verzichten zu sollen, sah sich aber sehr bald (in Basel schon 1818) genötigt, sie wieder einzuführen; in anderen Kantonen wieder wurde der zunächst fortbezogene Stempel später aufgehoben; im ganzen sind es zurzeit 14 Kantone, welche Stempel-

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abgaben beziehen. Bei allen Modifikationen im einzelnen lebt das Prinzip und das System der helvetischen Stempelabgaben in den kantonalen Stempelgesetzen fort, und einzelne dieser Gesetze enthalten heute noch fast wörtlich ganze Artikel der helvetischen Gesetzgebung.

Der altern Struktur des Wirtschaftslebens entsprechend, haben sich die Verkehrssteuern am Verkehr mit Immobilien herausgebildet, und solange der Verkehr zu einem guten Teile Immobiliarverkehr war, konnten auch die Kantone ihre Verkehrsabgaben ohne wesentliche Schwierigkeiten erheben. Entsprechend der von Jahrzehnt zu Jahrzehnt fortschreitenden Mobilisierung des Volksvermögens hätte das Prinzip der Verkehrsbesteuerung in rationeller Weise auf den Verkehr mit Mobiliarwerten übertragen werden müssen.

In sämtlichen europäischen und auch in den wirtschaftlich genügend entfalteten aussereuropäischen Wirtschaftsgebieten wurde diese Übertragung vollzogen; in der Schweiz ist sie unterblieben.

Denn die Kantone sind keine geschlossenen Verkehrsgebiete, der Verkehr kann mit grösster Leichtigkeit über die Kantonsgrenzen hinausgreifen, der Wunsch nach einer ergiebigem Gestaltung der Verkehrssteuern vom Mobiliarverkehre war wohl überall vorhanden, aber kein Kanton konnte diesen Wunsch ohne Gefahr einer Schwächung seines eigenen Wirtschafts- und Verkehrslebens verwirklichen, und angesichts dieser Gefahr haben sich die meisten Kantone, soweit sie es überhaupt versucht haben, den Mobiliarverkehr ' zur Steuerleistung heranzuziehen, mit Steuersätzen begnügt, die häufig nur YIO, manchmal auch weniger als YIO der analogen ausländischen Steuersätze ausmachen, und nach deren Erhebung freilich um so stärker das Bewusstsein zurückbleibt, dass die wirkliche Steuerfähigkeit auf diesem Gebiete erst noch zu fassen ist.

Die Leistungsfähigkeit der kantonalen Verkehrsbesteuerung auf dem Gebiete des Mobiliarverkehrs zeigt sich besonders deutlich durch Vergleich mit dem Auslande. Beispielsweise sei mitgeteilt, dass die Errichtung einer Aktiengesellschaft mit 25 Millionen Franken Aktienkapital (bzw. im Auslande mit 20 Millionen Mark oder l Million Pf. St.), im Kanton Basel-Stadt, dessen Steuersätze nächst denjenigen von Genf die höchsten in der Schweiz sind, mit einer Verkehrssteuerleistung in der Höhe von l °/oo des Aktienkapitals verbunden ist. Dagegen beläuft sich diese Leistung in England auf 1,75 °/o ,, Frankreich auf 2,05 °/o im Deutschen Reiche auf 4,so °/o-

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Werden gleichzeitig mit dem Aktienkapital in der vorstehend bezeichneten Höhe Obligationen ausgegeben im Betrage von 15 Million Franken (bzw. 12 Millionen Mark oder 600,000 Pf. St.), so steigt bzw. sinkt die Verkeherssteuerleistung (auf das gesamte Kapital von 40 Millionen Franken berechnet) in Basel-Stadt auf 0.85 0/00 .,, England auf . .

: l ,50 % .a Frankreich auf 2,67 °/o im Deutschen Reiche auf 3,56 °/o.

Die Wirkungen dieses Sachverhaltes kommen zunächst zum Ausdruck in einer u ngleichmässig starken Steuerbelastung des Immobiliarund des Mobiliarverkehres, die durch Unterschiede in der Steuerleislungsfähigkeit der beiden gewiss nicht genügend begründet werden kann. Beispielsweise sind beim Verkaufe eines Hauses im Werte von Fr. 100,000 im Kanton Basel-Stadt Fr. 2000 und im Kanton Genf Fr. 4000 an Verkehrssteuern zu entrichten, dagegen beim Verkaufe von Aktien oder Obligationen im gleichen Betrage im Kanton Basel-Stadt Fr. 5 und im Kanton Genf Fr. 7. 75. Soll im Kanton Basel-Stadt ein Kredit von Fr. 100,000 durch Grundpfand gesichert werden, so erhebt der Fiskus von der Schuldverschreibung eine Stempelabgabe von Fr. 60 und bei der Eintragung des Grundpfandes im Grundbuch abermals eine Gebühr von Fr. 50, zusammen demnach Fr. 110; wird dagegen ein Kredit im gleichen Betrage von Fr. 100,000 durch Verpfändung von Wertschriften gesichert, so sind weder Stempelabgaben noch Gebühren zu entrichten.

Überdies kommen die Wirkungen natürlich in der fiskalischen Unergiebigkeit der kantonalen Verkehrssteuern zum Ausdruck.

Der auf S. 541 mit 9,87 Millionen Franken ausgewiesene Gesamtertrag dieser Steuern setzt sich (1910) folgendermassen zusammen; Handänderungssteuer Fr. 6,425,286 Stempelabgaben ,. 3,084,104 Plakatsteuer ,, 7,268 Börsensteuer .', 361,406 Total

Fr. 9,878,064

Es entfallen somit nicht weniger als 65 °/o des Gesamtertrage auf die Handänderungssteuer, während der Ertrag der Stempelabgaben von rund 3 Millionen Franken (im Durchschnitt der Jahre 1910 bis 1913 waren es rund 3,2 Millionen Franken, was einer Quote von knapp 85 Rappen pro Kopf der BevölkeBundesblatt 68. Jahrg. Bd. IV.

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548 rang entspräche) nicht anders denn als ein geradezu klägliches Ergebnis bezeichnet werden kann. Hierbei ist noch zu berücksichtigen, dass vom gesamten Ertrage der Stempelabgaben mehr als */* allein auf den Kanton Bern entfällt, und mehr als 4/5 auf die 6 Kantone : Bern, Genf, Waadt, St. Gallen, Basel-Stadt und Wallis.

Die Tabelle auf der folgenden Seite zeigt eine detaillierte Übersicht des Ertrages der kantonalen Stempelabgaben.

III.

Die Erkenntnis, dass eine modernen finanzpolitischen Prinzipien entsprechende Ausgestaltung der Verkehrssteuern nur auf dem Wege der Bundesgesetzgebung möglich wäre, reicht bereits Jahrzehnte zurück. In seinem im Jahre 1890 erschienenen ausgezeichneten Werke ,,Die Steuern der Schweiz'1' schliesst Georg, von Schanz den Abschnitt über die Verkehrssteuern mit den Worten : ,,Die kantonale Regelung der Verkehrsabgaben wirkt ,,vielfach störend und beengend. Die Herausnahme eines Teiles ,,der Verkehrsabgaben und bundesgesetzliche Ordnung derselben ,,stösst auf Schwierigkeiten, weil der Bund die Kompetenz hier,,zu nicht besitzt.1' Der von Schanz so nui- leise angedeutete Gedanke einer bundesgesetzlichen Vereinheitlichung dieses Steuergebietes wurde vier Jahre später von der Zürcher kaufmännischen Gesellschaft rezipiert. Am 17. November 1893 hat der Regierungsrat des Kantons Zürich dem Kantonsrate den Entwurf eines Gesetzes betreffend die Stempelabgabe unterbreitet, worauf die Kaufmännische Gesellschaft, nach Durchführung einer Enquete bei über 500 im Kanton Zürich domizilierten Firmen, im Mai 1894 in einer Eingabe an den Kantonsrat Stellung zum Entwurfe genommen hat. In dieser Eingabe macht die Kaufmännische Gesellschaft die richtige prinzipielle Unterscheidung zwischen Stempelabgaben, die den Charakter von Gebühren des Verwaltungs- und des Justizdienstes haben, und Stempelabgaben, die sich als Verkehrssteuern qualifizieren.

Hinsichtlich der Stempelgebühren sieht sie sich nicht veranlasse, gegen die vorgeschlagene Erweiterung der Stempelpflicht Einwendungen zu erheben ; anders hinsichtlich der durch Stempelung zu entrichtenden Verkehrssteuern. Sie weist auf die Gefahren kantonaler Verkehrssteuern hin (Doppelbesteuerung und leichte Gesetzesumgehung) und vertritt die Auffassung, dass diese Gefahren nur vermieden werden könnten, wenn die Verkehrssteuern durch

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41bis und eines Art. 42, lit. g, in die Bundesverfassung (Erhebung von Stempelabgaben).

(Vom 11. Dezember 1916.)

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1916

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739

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

20.12.1916

Date Data Seite

540-548

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