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Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen über die Verordnung vom 16. Dezember 1916 betreffend die allgemeine Betreibungsstundung *).

(Vom 16. Dezember 1916.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Das Verfahren der Bewilligung, Verlängerung und des Widerrufs einer allgemeinen Betreibungsstundung richtete sich bisher nach den Art. 12 ff. der Verordnung vom 28. September 1914 betreffend Ergänzung und Abänderung des Schuldbetreibungsgesetzes für die Zeit der Kriegswirren**). Das Ergebnis einer von unserem Justiz- und Polizeidepartement im Laufe dieses Jahres veranstalteten Umfrage bei den Kantonen hat uns veraulasst, mit der weitern Erstreckung der Stundungsfrist um sechs Monate eine Umgestaltung des Verfahrens zu verbinden, und wir haben die Gelegenheit benutzt, um im Interesse der einfachem Rechtsanwendung den in verschiedenen Erlassen zerstreuten Stoff in einer neuen Verordnung einheitlich zusammenzufassen. Die Wirkungen der Betreibungsstundung bleiben die bisherigen, wie sie sich aus der Verordnung vom 28. September 1914 und dem Bundesratsbeschluss vom 23. November 1915 betreffend Befristung der allgemeinen Betreibungsstundung***) ergaben. Die Abänderungen im Verfahren dagegen sind so bedeutend, dass wir nicht unterlassen wollen, sie kurz zu erläutern.

I. Das Verfahren der Stundungsbewilligung ist in Art. l--6 der Verordnung geregelt. Es wird, wie bisher, durch ein Gesuch des die Stundung begehrenden Schuldners eingeleitet, dessen Requisite (Art. 1) die nämlichen geblieben sind.

Die Behandlung des Gesuches kann sich nach Art. 2 verschieden gestalten. Erweist es sich v o n v o r n h e r e i n als u n b e g r ü n d e t , ist also schon aus den Angaben des Gesuchstellers selbst ersichtlich, dass ihm die Stundung nicht bewilligt werden kann, so weist die Nachlassbehörde das Gesuch ab, ohne ihm weitere Folge zu geben, und teilt dies dem Gesuchsteller mit. Dadurch soll insbesondere verhütet werden, dass insolvente *) Siehe Gesetzsammlung n. F., Bd. XXXII, S. 607.

**) Siehe Gesetzsammlung n. F., Bd. XXX, S. 495.

***) Siehe Gesetzsammlung n. F., Bd. XXXI, S. 297.

585 Schuldner Stundungsgesuche einreichen, lediglich um Zeit zu gewinnen und die Gläubiger hinzuhalten.

Abgesehen von diesen Fällen lässt die Nachlassbehörde in erster Linie beim Schuldner ein G ü t e r v e r z e i c h n i s aufnehmen ; diese Massnahme ist in Art. 5 v o r g e s c h r i e b e n , nicht mehr vrie bisher ins Ermessen der Behörde gestellt. Gegen der Konkursbetreibung unterliegende Schuldner können die in Art. 170 des Schuldbetreibungsgesetzes vorgesehenen Anordnungen zur Sicherung der Gläubiger getroffen werden. Ferner nimmt die Nachlassbehörde, wenn sie es für den Entscheid als notwendig erachtet, von s i c h aus noch w e i t e r e E r h e b u n g e n vor.

Auch nach dieser Untersuchung kann sich noch ergeben, dass der Schuldner keine Aussicht auf Bewilligung der Stundung hat ; alsdann ist die Nachlassbehörde auch in diesem Stadium noch berechtigt, das Gesuch ohne Vorladung der Gläubiger abzuweisen.

In den übrigen Fällen ordnet die Nachlassbehörde die V e r h a n d l a n g über das Stundungsgesuch an. Zu dieser werden die Gläubiger d u r c h ö f f e n t l i c h e B e k a n n t m a c h u n g , nicht wie bisher persönlich vorgeladen. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt nach der Vorschrift des Art. 35 des Schuldbetreibungsgesetzes, also durch Publikation im kantonalen Amtsblatt und atisserdem, wenn der Schuldner der Konkursbetreibung unterliegt, im Schweizerischen' Handelsamtsblatt5 wenn die Verhältnisse es erfordern, kann auch die Publikation in andern Blättern oder öffentlicher Ausruf angeordnet werden.

Die Akten sind vor der Verhandlung bei der Nachlassbehörde zur Einsicht der Gläubiger aufzulegen. Diesen steht es frei, anstatt an der Verhandlung zu erscheinen oder sich dabei vertreten zu lassen, ihre Einwendungen gegen das Stundungsgesuch s c h r i f t l i c h anzubringen (Art. 2, Abs. 2).

Ist der Entscheid getroffen, so muss er, mit Rücksicht auf die neu eingeführte Beschwerde ans Bundesgericht, dem Schuldner und den Gläubigern, die sich am Verfahren beteiligt haben, s c h r i f t l i c h m i t g e t e i l t werden (Art. 3, Abs. 3). Als beteiligte Gläubiger gelten auch die, welche sich nur schriftlich zum Stundungsgesuch geäussert haben. Die Eröffnung geschieht am besten durch Zustellung des motivierten Entscheides 5 diese kann aber ersetzt werden durch die schriftliche Anzeige,
dass der Entscheid mit Motiven bei der Nachlassbehörde zur Einsicht aufliege. Diesfalls sind die Parteien berechtigt, gegen die tarifmassige Gebühr (Art. 19) eine vollständige Ausfertigung zu verlangen. Die Zustellung des Entscheides oder der Anzeige hat gegen Empfangschein zu erfolgen, damit für jeden Beteiligten der Beginn der Rekursfrist festgestellt werden kann.

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Die W e i t e r z i e h u n g des E n t s c h e i d e s an die o b e r e k a n t o n a l e N a c h l a s s b e h ö r d e , wo eine solche besteht, ist n i c h t m e h r m ö g l i c h ; die untere Nachlassbehörde entscheidet als e i n z i g e k a n t o n a l e I n s t a n z . An Stelle des fortgefallenen Rechtsmittels tritt (nach Art. 4) die B e s c h w e r d e ans B u n desg e r i c h t (Sehuldbetreibungs- und Konkurskammer), die in entsprechender Anwendung des Art. 19 des Schuldbetreibungsgesetzes ergriffen werden kann. Die Beschwerdefrist beträgt 10 Tage von der gemäss Art. 3, Abs. 3, erfolgten Mitteilung an. Die Nachlassbehörde stellt das Datum des Eingangs der Beschwerde fest und leitet sie samt den Akten ans Bundesgericht weiter.

Sobald der Entscheid r e c h t s k r ä f t i g geworden ist, muss das Dispositiv, sofern eine Stundung bewilligt worden ist, auf die oben erwähnte Weise ö f f e n t l i c h b e k a n n t g e m a e h t , überdies aber dem Betreibungsamt und dem Grundbuchamt mitgeteilt werden. Wurde die Stundung nicht bewilligt, so unterbleibt die Publikation des Entscheides, sowie die Mitteilung an die genannten Ämter.

Die Pflichten des S a c h w a l t e r s , sofern ein solcher bezeichnet wird, sind die gleichen geblieben. 'Insbesondere hat er, trotz des bereits vorhandenen G-üterverzeichnisses oder in Ergänzung desselben, ein Inventar aufzunehmen, das auch die Passiven umfasst und den Zweck hat, die Verfügungen des Schuldners über sein Vermögen besser überwachen zu können, während die Aufnahme des Güterverzeichnisses nur eine vorläufige Sicherungsmassnahme darstellt.

II. Der Widerruf der Stundung ist stets bei der fortan einzig zuständigen untern Nachlassbehörde anzubegehren, auch wenn die Stundung nach bisherigem Verfahren von der obern Nachlassbehörde als zweiter Instanz bewilligt worden ist (Art. 15). Die Voraussetzungen des Widerrufes sind unverändert.

Eine kontradiktorische mündliche Verhandlung findet nicht statt (Art. 16, Abs. 1). Die Nachlassbehörde vernimmt den Schuldner mündlich oder schriftlich über das Widerrufsbegehren ein, macht die ihr allfällig noch notwendig erscheinenden Erhebungen und trifft sodann den Entscheid. Dieser unterliegt der Beschwerde ans Bundesgerieht und ist daher dem Schuldner und dem Antragsteller gemäss Art. 3, Abs. 3, mitzuteilen. Publikation
und Mitteilung des rechtskräftigen Entscheides an das Betreibungsamt und Grundbuchamt treten nur dann ein, wenn die Stundung widerrufen, nicht auch wenn der Antrag abgewiesen worden ist.

III. Oie Verlängerung bestehender Stundungen erfolgt ebenfalls in einem vereinfachten s c h r i f t l i c h e n V e r f a h r e n (Art. 18).

.587 Die Nachlassbehörde macht das Verlängerungsbegehren ö f f e n t l i c h b e k a n n t . Diese Publikation enthält aber nicht die Vorladung der Gläubiger zu einer mündlichen Verhandlung, sondern die A n s e t z u n g e i n e r F r i s t , binnen welcher die Gläubiger ihre Einwendungen gegen das Gesuch schriftlich einreichen können.

Gegebenenfalls ist auch der Sachwalter zum Bericht einzuladen.

Die Behörde kann von sich aus noch Erhebungen machen. Ist die Frist abgelaufen, so trifft die Nachlassbehörde auf G r u n d der A k t e n ihren Entscheid. Auch für dieses Verfahren gilt die Regel, dass die Behörde Verlängerungsbegehren, die sich von vornherein oder nach den gemachten Erhebungen als unbegründet erweisen, ohne Publikation erledigen kann.

Besonders sei darauf hingewiesen, dass die Verlängerung der Stundung von der Leistung von A b s c h l a g s z a h l u n g e n abhängig gemacht werden kann, auch wenn solche in dem oder den frühern Entscheiden über Bewilligung oder Verlängerung der Stundung nicht festgesetzt waren. Dieses Vorgehen wird sich um so mehr empfehlen, je länger die Stundung schon dauert.

Die M i t t e i l u n g des E n t s c h e i d e s gemäss Art. 3, Abs. 3, erfolgt nur an den Schuldner und die Gläubiger, die sich der Verlängerung der Stundung w i d e r s e t z t haben. Für die Beschwerde ans Bundesgerieht gilt das oben Gesagte. Ist die Stundung r e c h t s k r ä f t i g v e r l ä n g e r t , so wird der Entscheid publiziert und dem Betreibungsamt, sowie dem Grundbuchamt mitgeteilt.

Die Bundeskanzlei ist bereit, Abzüge dieses Kreisschreibens und der Verordnung an die Kantonsregierungen gratis abzugeben, wenn die Bestellungen bis zum 31. Dezember 1916 eintreffen.

Wir benutzen diesen Anlass, um Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

B e r n , den 16. Dezember

1916.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Decoppet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmanii.

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Kreisschreiben des Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen über die Verordnung vom 16. Dezember 1916 betreffend die allgemeine Betreibungsstundung *). (Vom 16.

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