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Zu 2832 II. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Junisession 1932).

(Vom 20. Mai 1932.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, unter Vorlage der Akten über weitere 20 Begnadigungsgesuche Bericht zu erstatten und über deren Erledigung Antrag zu stellen..

109. Fritz Matter, 1911, Lehrer, Windisch (Aargau).

(Verfälschung einer Bundesakte und Betrug.)

109. Fritz Matter ist am 5. Februar 1932 vom Bezirksgericht Brugggemäss Art. 61 des Bundesstrafrechtes in Verbindung mit kantonalrecbtlichen Strafbestimmungen betreffend Betrug zu 8 Tagen Gefangenschaft und Fr. 200' Busse verurteilt worden.

Im Zeitpunkt, da Matter das Seminar Wettingen verliess, hat er sein Bahnabonnement für Hin- und Bückfahrten auf der Strecke Brugg-Wettingen derart abgeändert, dass er das Datum für den Ablauf der Gültigkeitsdauer vom 26. März 1931 in 26. Dezember 1931 verfälschte, Zürich-Hauptbahnhof an Stelle von Wettingen einsetzte und den Taxbetrag von Fr. 19. 50 in Fr. 49. 50' veränderte. Das verfälschte Bahnabonnement verwendete Matter zu einer grösseren Anzahl von Fahrten nach Zürich, womit er die Bundesbahnen um> Fr. 146 schädigte; er sei vom Seminar her etwas abgeschafft gewesen, habeAbwechslung benötigt und zudem mit einer Tochter in Zürich ein Verhältnis gehabt. Er habe eigentlich erst nachher bemerkt, was er angerichtet hätte :: «Ich tat es im Unterbewusstsein.» Die Kreisdirektion III der schweizerischen Bundesbahnen hat die Angelegenheit zunächst, was unangängig war, aussergerichtlich erledigt, indem sie Matter, welcher der Sohn eines ehrbaren Lokomotivführers ist, eine Genugtuungssumme von Fr. 500 auferlegte, die Fahrtaxen nachbezog und die Fahrbegünstigungen dauernd aufhob. Infolge einer Anzeige von unbekannter Seitean die kantonalen Strafverfolgungsbehörden nahm der Straffall hernach seinen, ordnungsgemässen Verlauf.

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Matter ersucht um Begnadigung. Zunächst äussert er sich über die Beweggründe seines Verhaltens ; es sei ihm immer noch ganz unverständlich, was ihn dazu geführt hahe, eine solch niedertrachtige Schlechtigkeit zu begehen, und der Gedanke an seine Schuld quäle ihn immerfort. Er nehme sich fest vor, durch aufopfernde Tätigkeit als Lehrer und Erzieher wieder gut zu machen.

An die Genugtuungssumme von Fr. 500 habe er sein ganzes Erspartes gegeben.

Er sei stellenlos, falle den Eltern zur Last, und der Strafvollzug, namentlich die Gefängnisstrafe, bringe ihn zur Verzweiflung. Sein ganzes Weiterkommen hange von der Begnadigung ab.

Das urteilende Gericht empfiehlt Matter zur Begnadigung, was die Gefängnisstrafe anbetrifft. Die Gerichtsminderheit verwies bereits in den Urteilserwägungen darauf, dass die bedingte Verurteilung nach Bundesstrafrecht nicht bestehe, die «vielleicht in concreto mit Eücksicht auf die erstmalige Verfehlung hätte in Betracht gezogen werden können».

Die Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen hat keinen Grund, das Begnadigungsgesuch zu empfehlen. Die Verfehlung Matters dürfe nicht leicht genommen werden, u. a. sei erschwerend, dass er, als Sohn eines Beamten, durch die Fälschung den Arbeitgeber seines Vaters geschädigt habe. Trotzdem widersetze sich die Generaldirektion dem Gesuche nicht, falls geglaubt werde, dass im Interesse des Fortkommens des Schuldigen darauf einzutreten sei.

Unserseits bemerken wir zunächst, dass die Antragstellung bei der Person des Verurteilten, den Umständen der Verfehlungen und den verschiedenen Möglichkeiten der Gesucbserledigung einigermassen schwer fällt. Ausschalten möchten wir die Teilbegnadigung im Sinne einer blossen Herabsetzung der Gefängnisstrafe; denn die Gesuchsanbringen lassen sich gegen eine kurzfristige Freiheitsstrafe von 2--4 Tagen ebenso geltend machen wie in bezug auf 8 Tage. Die Herabsetzung der an sich nicht übermässigen Freiheitsstrafe könnte zudem in keiner Weise befriedigen, da sie geeignet wäre, den Ernst des Straff alles abzuschwächen. Für Abweisung sprechen die von der Generaldirektion der Bundesbahnen in den Vordergrund gerückten Überlegungen, die namentlich auch dartun können, dass die gesetzmässige Durchführung des Strafverfahrens hier besonders geboten war. Dass Matter auch in anderer Sache mit dem Strafrichter
zu tun hatte, zeigt das Bussenurteil des Bezirksgerichtes Zofingen vom 24. Oktober 1931, wonach Matter wegen Fahrvergehen, -Vergehen gegen die öffentliche Ordnung und Diebstahls von Benzin und öl zu Fr. 80 Busse verurteilt wurde ; Matter hatte damals das Motorrad eines abwesenden Kollegen ohne dessen Einwilligung zu einer Fahrt behändigt, wobei er mit einem Eadfahrer zusammenstiess.

Zusammenfassend und abschliessend halten wir trotzdem dafür, die bedingte Begnadigung sei zu beantragen, was die Gefängnisstrafe anbelangt.

Einen Bussenerlass lehnen wir dagegen gänzlich ab; hier mag es den Kantonsbehörden anheimgegeben werden, dem heute stellenlosen Verurteilten durch Gewährung von Teilzahlungen entgegenzukommen. Für den bedingten Erlass der Freiheitsstrafe spricht namentlich, dass Matter im Zeitpunkt der Ur-

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kundenfälscbung noch nicht zwanzig Jahre zählte, dass er die Tragweite seiner Verfehlungen heute einsieht und die Machenschaften bedauert, ganz besonders aber der naheliegende Umstand, dass die Strafverbüssung den jungen-Lehrer unmöglich machen könnte, eine Auswirkung des Straffalles, die niemand will.

In diesem Zusammenhang ist es auch zulässig, heute den die Begnadigung befürwortenden Standpunkt des urteilenden Gerichtes besonders nachdrücklich zu betonen. Der Gnadenakt sollte hinwiederum mit einer längeren Probezeit verbunden werden.

Wir beantragen,-Matter die Gefängnisstrafe von 8 Tagen bedingt zu erlassen unter Auferlegung einer Probezeit von 5 Jahren und heben als Bedingung besonders hervor, dass Matter während der Probezeit kein weiteres vorsätzliches Vergehen verübe ; in bezug auf die Busse von Fr. 200 sei das Gesuch abzuweisen, unter Zubilligung erträglicher Teilzahlungen nach dem Ermessen der Kantonsbehörden.

110. Charles Blanchard, 1872, Leiter einer Sägerei, Court (Bern).

(Fabrikpolizei.)

110. Gha.rles Blanchard ist gemäss Art. 44, 51, 88 des Bundesgesetzes vom 18. Juni 1914 betreffend die Arbeit in den Fabriken mit Strafbefehlen des Gerichtspräsidenten von Münster wie folgt verurteilt worden: am 18. Dezember 1931 zu Fr. 20 Busse und am 12. Februar 1932 zu Fr. 50 Busse.

Nach dem ersten Strafbefehl fällt Blanchard zur Last, in der Sägerei Court anfangs Dezember 1931 Arbeiter ohne Bewilligung nachts beschäftigt zu haben, nach dem zweiten Strafbefehl hat er im Winter 1931/32 ohne Bewilligung die 62-Stundenwoche gehandhabt.

Blanchard ersucht um Erlass der beiden Bussen, wozu er geltend macht, der erste Strafbefehl beziehe sich auf einen dringlichen Auftrag und die daherige ·Verwendung dreier Arbeiter bis 22.30 Uhr während vierzehn Tagen; zur zweiten Bestrafung bemerkt Blanchard, es sei ihm gänzlich unbekannt gewesen, dass Sägereien der 48-Stundenwoche unterstünden. Dermalen seien ihm '52 Wochenstunden bewilligt. Der Gesuchsteller erwartet, dass bei der Gesuchserledigung den schwierigen Zeitverhältnissen Rechnung getragen werde.

Der Gemeinderat Court und der Eegierungsstatthalter des Amtsbezirkes befürworten den gänzlichen Bussenerlass, letzterer mit dem Hinweis, Blanchard habe Arbeitslose eingestellt.

Die Direktion des Innern und der Polizei, ebenso der 'eidgenössische Fabrikinspektor
I beantragen Abweisung.

Mit dem Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit beantragen wir desgleichen Abweisung. Das Bundesamt äussert sich zu den Strafbefehlen und zum Begnadigungsgesuch in längeren, ruhig abgewogenen Darlegungen, auf die wir für Einzelheiten ausdrücklich Bezug nehmen. Wir heben besonders hervor, dass Blanchard das Fabrikgesetz immer wieder von neuem verletzt hat, so dass die heute in Betracht kommenden Vorfälle eigentlich nur die Fort-

829 Setzung des früheren, imbefriedigenden Verhaltens waren. Das Bundesamt macht ferner namentlich auch geltend, der Abweisungsantrag der zuständigen kantonalen Eegierungsdirektion sollte festgehalten werden. Zusammenfassend ergibt sich, dass ein Bussenerlass keineswegs nahe liegt.

111. Fernand Chalverat, 1903, Mechaniker, Münster (Bern).

(Jagdvergeh en.)

111. Fernand Chalverat ist mit Strafbefehl des Gerichtspräsidenten vori Münster vom 29. Dezember 1930 gemäss Art. 42 und 44 des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz vom 10. Juni 1925 und kantonalen Vollziehungsbestimmungen zu Fr. 100 Busse verurteilt worden.

Chalverat hat eine verbotene Jagdwaffe erstanden, mit der er dann in einem kantonalen Bannbezirk betroffen wurde.

Cbalverat ersucht um Erlass der Busse. Die Waffe sei ihm ins Haus gebracht worden, weshalb er sie, als verboten, dem Eigentümer wieder zurückgebracht habe, ohne einen Schuss zu tun. Sein Weg habe ihn hierzu durch den Bannbezirk geführt. Im übrigen wird längere Arbeitslosigkeit geltend gemacht.

Der Gemeinderat Münster, der Eegierungsstatthalter des Amtsbezirkes und die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragen den gänzlichen Bussenerlass, die kantonale Forstdirektion Herabsetzung um Fr. 50.

Mit der eidgenossischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragen wir kommiserationsweise, und da es sich um eine harmlose Sache handelt, Herabsetzung der Busse bis Fr. 30.

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Otto Lauz, 1894, Mechaniker, Aarburg (Aargau), Adolf Huber, 1901, Landwirt, Frauenfeld (Thurgau), Max Devaud, 1902, Gärtner, Jonzier-Epagny (Frankreich), Erwin Hunziker, 1901, Techniker, Genf.

Alois Hunold, 1905, Landwirt. Oberurnen (Glarus), Oskar Eichenberger, 1910, Maler, Beinwil (Aargau), Gottfried Hemund, 1903, Tapezierer, Biel (Bern), Edmond Naef, 1905, Elektriker, Gaillard (Frankreich), Giuseppe Pedroli, 1901, Handelsmann, Mendrisio (Tessin), Emile Chevrolet, 1909, Maurer, Bonfol (Bern), François Fournier, 1904, Zimmermann, Benson-Nendaz (Wallis), Faostmo Candolü, 1906, Gipser, vormals Grenchen (Solothurn), Karl Hess, 1894, Bautechniker, Vertreter, Herisau (Appenzell A.-Eh.), Emil Hürlimann, 1905, Schreiner, vormals Ölten (Solothurn), Gottlieb Aegerter, 1907, Automaler, vormals Seftigen (Bern), Fernand Moriaud, 1899, Beisender, Genf, Emil Kästli, 1905, Handlanger, Thun (Bern).

(Militärpflichtersatz.)

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Gemäss Ergänzungsgesetz vom 29. März 1901 über den Militärpflichtersatz sind wegen schuldhafter Nichtentrichtung des Militärpflichtersatzes verurteilt worden : 112. Otto Lanz, verurteilt am 11. Januar 1982 vom Bezirksgericht Zofingen zu einem Tag Haft, den Militärpflicbtersatz von Fr. 83. 85 für 1981 betreffend.

Lanz, der noch vor der HauptVerhandlung bezahlt hat, ersucht um Erlass der Haftstrafe und Kosten, wozu er geschwächte Gesundheit und äusserst prekäre finanzielle Verhältnisse geltend macht.

Der Gemeinderat Aarburg bestätigt die Gesuchsanbringen und befürwortet das Gesuch, ebenso das urteilende Gericht.

Da es sich nach den Berichten der Kantonsbehörden nachgewiesenermassen um einen wirklich bedrängten Gesuchsteller handelt, beantragen wir mit der eidgenössischen Steuerverwaltung, die Haftstrafe von einem Tag gänzlich zu erlassen.

113. Adolf Huber, verurteilt am 22. Januar 1982 von der bezirksgerichtlicben Kommission Frauenfeld zu 2 Tagen Gefängnis, den Pflichtersatz von Fr. 40. 90 für 1981 betreffend.

Huber, der nachträglich bezahlt hat, ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe.

Er betreibe das vom Vater übernommene, stark mit Hypotheken belastete Heimwesen. Die Zahlung sei aus Not und wegen anderweitiger Verpflichtungen beim Betreibungsamt unterblieben.

Da es sich nach den Berichten der Kantonsbehörden nachgewiesenermassen um einen wirklich bedrängten Gesuchsteller handelt, beantragen wir, wie im vorhergehenden Falle, mit der Gerichtskommission Frauenfeld, den kantonalen Militär- und Justizdepartementen und der eidgenössischen Steuerverwaltung die Haftstrafe von 2 Tagen gänzlich zu erlassen.

114. Max Devaud, verurteilt am 21. September 1931 vom Polizeigericht des Kantons Genf zu 2 Tagen Haft, den Pflichtersatz von franz. Fr. 129. 30 für 1929 betreffend.

Devaud ersucht um Erlass der Haftstrafe, wozu er Zahlungen vom März und Juli 1931 geltend macht, die irrtümlicherweise nicht ihm gutgeschrieben worden seien.

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Genf und die kantonale Militärsteuerverwaltung befürworten das Gesuch.

Da die Gesuchsanbringen den Tatsachen entsprechen, beantragen wir mit der" eidgenössischen Steuerverwaltung, die Haftstrafe von 2 Tagen gänzlich zu erlassen.

115. Erwin Hunziker, verurteilt am 11. Januar 1932 von! Bezirksgericht Zofingen zu 2 Tagen Haft, den Pflichtersatz von Fr. 62. 30, Eestbetrag für 1926/1928 betreffend.

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Hunziker, der noch vor der Hauptverhandlung bezahlt hat, ersucht um Erlass der Haftstrafe. Er beruft sich auf die erfolgte Zahlung und die ZusicheTung der Genfer Militärsteuerbehörden, die Angelegenheit zu ordnen, ferner «,uf seine Militärdienstpflicht und die seit der Abwesenheit im Ausland geleisteten ·drei Wiederholungskurse.

Das Bezirksgericht Zofingen erachtet die ganze oder teilweise Begnadigung ;als zulässig und die eidgenössische Steuerverwaltung beantragt Herabsetzung ·der' Haftstrafe um einen Tag.

Da es sich um einen an sich Militärdienstpflichtigen handelt, der die Bück·stände nunmehr beglichen hat, beantragen wir die Haftstrafe von 2 Tagen .gänzlich zu erlassen.

116. Alois Hunold, verurteilt am 15. Januar 1932 vom Polizeigericht Glarus zu einem Tag Gefängnis, den Pflichtersatz von Fr. 18. 20 für 1931 betreffend.

Hunold, der noch vor der Hauptverhandlung bezahlt hat, ersucht um Erlass ·der Gefängnisstrafe, da er sich als Bergbauer in finanziell stark bedrängten Verhältnissen befinde, was näher ausgeführt wird.

Die Militär- und Polizeidirektion des Kantons Glarus beantragt die bedingte Begnadigung bei drei Jahren Bewährungsfrist.

Mit der eidgenössischen Steuerverwaltung beantragen wir, die Gefängnisstrafe von einem Tag bedingt zu erlassen unter Auferlegung der übungsgemässen Probezeit von 2 Jahren und heben als Bedingung besonders hervor, dass Hunold während der Probezeit kein vorsätzliches Vergeben verübe und auch nicht neuerdings die rechtzeitige Entrichtung des Militärpflichtersatzes schuld; haft unterlasse. Die Massnahme liegt hier nahe, immerhin sollte es dabei sein Bewenden haben ; denn es ergibt sich, dass Hunold schon in früheren Jahren .gemahnt werden musste.

117. Oskar Eichenberger, verurteilt am I.Dezember 1931 vom Bezirksgericht Kulm zu einem Tag Gefängnis, den Pflichtersatz von Fr. 27 für 1931 "betreffend.

Eichenberger ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe, wozu er geltend macht, ·er habe als junger Handwerker sein Möglichstes getan, sich selbständig über Wasser zu halten, so dass das ihn zum «Hallunken» machende Urteil ungerechtiertigt sei. Eichenberger ist Konkursit. Er befindet sich heute wieder in einer Stelle, die er aber im Falle des Strafvollzuges zu verlieren fürchtet.

Das Bezirksgericht Kulm überlässt die Behandlung des Gesuches den zuständigen Behörden.
In Abwägung der Gesuchsanbringen und Auskünfte über Eichenberger gelangen wir mit der eidgenössischen Steuerverwaltung zum Antrag, Eichenberger die Gefängnisstrafe von einem Tag bedingt zu erlassen, unter denselben Bedingungen wie bei Hunold. Das weitgehende Entgegenkommen mag dem tGesuchsteller zum. Ansporn dienen; denn es handelt sich um einen Grenzfall,

832 der auch zu einem Abweisungsantrag führen könnte. Wir stellen in den Vordergrund, dass sich Eichenberger als junger Malermeister finanziell nicht haltenkonnte und nunmehr in Stellung ist, dass er Familienlasten hat und dass ihm die Verurteilung offensichtlich nahe zu gehen scheint, -wenn auch die Art seiner Schreibweise eher unpassend erscheint.

118. Gottfried Hemund, verurteilt am 16. Januar 1932 vom Gerichtspräsidenten I von Biel zu 2 Tagen Gefängnis, den Pflichtersatz von Fr. Hl, l O für 1931 betreffend.

Hemund, der zwei Tage vor der Hauptverhandlung bezahlt hat, ersucht um Umwandlung der Gefängnisstrafe in Busse. Er bedaure die Zahlungsverspätung und bitte, seinen guten Leumund zu berücksichtigen.

Der Gemeinderat Biel und der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes befürworten das Gesuch.

Mit der Polizeidirektion des Kantons Bern und der eidgenössischen Steuerverwaltung b e a n t r a g e n wir, die Gefängnisstrafe von 2 Tagen bedingt zu erlassen, unter denselben Bedingungen wie,bei Hunold. Nach den Berichten der Kantonsbehörden arbeitet Hemund im väterlichen Geschäft ohne Barlohn, und wurde die Bezahlung des Pflichtersatzes vom Vater vernachlässigt. Es handelt sich um ähnliche Verhältnisse wie in den Fällen Hofer im J. Bericht (Anträge 92 und 93).

119. Edmond N a e f , verurteilt am 21. Dezember 1931 Vom Polizeigericht des Kantons Genf zu 2 Tagen Haft, den Pflichtersatz von franz. Er. 135. 30' für 1929 betreffend.

Naef, der nachträglich bezahlt hat, ersucht um Erlass der Haftstrafe.

Er gibt seine Nachlässigkeit zu und verweist auf die seitherige Begleichung der Eückstände.

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Genf und die Militärsteuerverwaltung befürworten das Gesuch.

Mit der eidgenössischen Steuerverwaltüng b e a n t r a g e n wir, dem nicht vorbestraften Gesuchsteller die 2 Tage Haft bedingt zu erlassen, unter denselben Bedingungen wie bei Hunold. Naef war im Jahre 1929 landesabwesend..

Er verspricht pünktliche Zahlung, und das Strafurteil dürfte ihm zur Warnungdienen.

120. Giuseppe Pedroli, verurteilt am 80. Oktober 1931 vom Praetor von Mendrisio zu 3 Tagen Haft, den Pflichtersatz von Fr. 55. 50 für 1931 betreffend.

Pedroli, der nachträglich bezahlt hat, ersucht um Erlass der Haftstrafe, wozu er namentlich geltend macht, ohne jede Abhörung verurteilt worden zu sein. Der
Strafvollzug schädige ihn als kleinen Geschäftsmann.

Die Steuerverwaltung des Kantons Tessin hat gegen die Begnadigung, nichts einzuwenden, und das kantonale Justizdepartement befürwortet sie,.

u. a. da der Empfang der Vorladung nicht ausgewiesen sei.

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Mit der eidgenössischen Steuerverwaltung beantragen wir den bedingten Erlass der Haftstrafe von 3 Tagen, unter denselben Bedingungen wie bei Hunold.

121. Emile Chevrolet, verurteilt am 12. November 1931 vom Gerichtspräsidenten von Pruntrut zu 4 Tagen Haft, den Pflichtersatz von Fr. 37. 60 für 1931 betreffend.

Chevrolet, der nachträglich bezahlt hat, ersucht um Erlass der Haftstrafe.

Die Zahlungsverspätung hange mit seiner Krankheit zusammen.

Der Gemeinderat Bonfol bestätigt die Gesuchsanbringen und befürwortet das Gesuch. Der Eegierungsstatthalter des Amtsbezirkes und die Polizeidirektion des Kantons Bern empfehlen die bedingte Begnadigung, wogegen der Kantonskriegskommissär Abweisung beantragt.

Da eine Operation mit längerem Spitalaufenthalt nachgewiesen ist, beantragen wir mit der eidgenössischen Steuerverwaltung, die Haftstrafe von 4 Tagen bedingt zu erlassen, unter denselben Bedingungen wie bei Hunold..

122. François Fournier, verurteilt am 16. September 1931 vom Untersuchungsrichter der Bezirke Hérens und Conthey zu 10 Tagen Haft und anderthalb Jahren Wirtshausverbot, den Pflichtersatz von Fr. 134. 85 für die Jahre 1925--1929 betreffend.

Fournier ersucht um Erlass der Haftstrafe. Er sei im Jahre 1925 aus dor Eekrutenschule ärztlich entlassen und dann gänzlich militärdienstfrei geworden,, ohne jede Einschätzung bis 1930. Die hernach gleichzeitig eingeforderte Gesamtsumme habe er, bei seinem Erwerb und den Familienlasten, als übersetzt empfunden. Leider habe ihn sein Verteidiger gänzlich im Stich gelassen.

Das kantonale Militärdepartement teilt mit, das Ergänzungsgesetz vom 29. März 1901 sei im Kanton Wallis erstmals im Jahre 1931 gehandhabt worden, weshalb den Ersatzpflichtigen seine Tragweite noch fremd sei. Fournier wird zur Begnadigung empfohlen. Der Bezirkseinnehmer schreibt nachträglich, die Bückstände seien gänzlich beglichen, indem der Vater des Pflichtigen das Geld vorgeschossen habe.

Mit der eidgenössischen Steuerverwaltung, auf deren Bericht wir Bezugnehmen, ist zu sagen, dass hier offensichtlich besondere Verhältnisse vorliegen,, die einen weitgehenden Gnadenakt nahelegen. Die eidgenössische Steuerverwaltung beantragt die gänzliche Begnadigung. Unserseits b e a n t r a g e n wir jedoch bloss Herabsetzung der Haftstrafe bis zu 2 Tagen, diese bedingt, erlassen, unter denselben
Bedingungen wie bei Hunold; ferner beantragen wir die Aufhebung des noch verbleibenden Wirtshausverbotes.

123. Faostino C a n d o l f i , verurteilt am 9. Mai 1931 vom Gerichtsstatthalter von Solothurn-Lebern zu 8 Tagen Gefängnis, den Pflichtersatz von Fr. 138. 60 für 1926--1930 betreffend.

Candolfi, heute in Genf, ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe oder Umwandlung in Busse, wozu er auf die nachträgliche Begleichung der Ersatzabgaben Bezug nimmt. Auch für 1931 ist der Pflichtersatz entrichtet.

=834 Das Polizeidepartement des Kantons Solotfaurn beantragt die Herabsetzung ·der Gefängnisstrafe um die Hälfte.

Mit der eidgenössischen Steuerverwaltung beantragen wir desgleichen Herabsetzung der Gefängnisstrafe um die Hälfte. Die Verurteilung ist nach den Akten ohne weiteres gerechtfertigt, da sich Candolfi während Jahren der Stellungspflicht zur Eekrutierung zu entziehen vermochte und Vorstrafen bestehen. Seit seiner Verheiratung soll sich Candolfi jedoch einer guten Aufführung befleissen, auch ist die Eegelung der Angelegenheit, bis und mit 1931, einigermassen zu berücksichtigen. Im übrigen verweisen wir auf den Polizeibericht.

124. Karl Hess, verurteilt am 14. Dezember 1931 vom Bezirksgericht Hinterland, Appenzell A.-Eh., zu einem Tag Haft, den Pflichtersatz von Fran>ken 19.05 für 1931 betreffend.

Hess, der am Tage der Hauptverhandlung dem Urteil vorgängig bezahlt .hat, wendet sich mit einer Eingabe an die Bundesbehörden, die als Begnadi·gungsgesuch zu behandeln ist. Er betont seine ganz misslichen Verdienstverhältnisse bei vorliegenden Pamilienlasten, den geleisteten Aktivdienst, ·die seitherige, ordnungsgemässe Entrichtung des Pflichtersatzes.

Mit der eidgenössischen Steuerverwaltung beantragen wir demgegenüber namentlich deshalb Abweisung, weil Vorstrafen bestehen. Andernfalls ·wäre die bedingte Begnadigung sehr naheliegend.

125. Emil Hürlimann, verurteilt am 2. Februar 1932 vom Gerichts;Statthalter Ölten-Gösgen zu 3 Tagen Gefängnis, den Pflichtersatz von Fr. 42.60 für 1931 betreffend.

Hürlimann ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe, wozu er Zahlung ver.spricht und im übrigen unregelmässigen Verdienst bei vorhandenen Familienlasten geltend macht.

Das Polizeidepartement des Kantons Solothurn stand der Angelegenheit .zunächst wohlwollend gegenüber, beantragt aber heute Abweisung, da Hürlimann bis Mitte April noch keinerlei Zahlung geleistet hatte.

Mit der eidgenössischen Steuerverwaltung beantragen wir aus derselben 'Erwägung, das Gesuch abzuweisen.

126. Gottlieb Aegerter, verurteilt am 18. Dezember 1931 vom Gerichtspräsidenten von Seftigen zu 3 Tagen Gefängnis, den Pflichtersatz von Fr. 17. 60 für 1931 betreffend..

Aegerter, der knapp vor der Hauptverhandlung bezahlt hat, ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe, da die Zahlungsverspätung auf monatelange Arbeitslosigkeit zurückzuführen
sei.

Der Sektionschef Gurzelen befürwortet das Gesuch, und das Kreiskommando 'Thun erhebt gegen die Begnadigung keine Einwendungen. Die Ortspolizeibehörde Seftigen empfiehlt das Gesuch ebenfalls, wogegen der Eegierungs-

835 Statthalter dies nicht tun kann, wozu er die Person des Gesuchstellers näher bekannt gibt. Der Kantonskriegskommissär und die Polizeidirektion des Kantons Bern beantragen Abweisung.

Mit der eidgenössischen Steuerverwaltung beantragen wir namentlich deshalb Abweisung, weil Aegerter nach den vorhandenen Angaben kein bebesonderes Interesse erweckt und die Zahlungsverspätung mit bezug auf den nicht hohen Betrag ihm durchaus zur Last fällt. Wir verweisen auf die Urteils«rwägungen.

127. Fernand Moriaud, verurteilt am 15. Februar 1932 vom Polizeigericht des Kantons Genf zu 8 Tagen Haft, den Pflichtersatz von Fr. 314 für 1929 betreffend.

Für Moriaud ersucht ein Eechtsanwalt um Erlass der Haftstrafe, wozu geltend gemacht wird, die Wirtschaftskrise habe die Eeisendentätigkeit lahm gelegt. Moriaud sei wegen Anwartschaft von mütterlicher Seite hoch eingeschätzt. Er habe im Jahre 1929 schon einmal 4 Tage Haft verbüsst, und seither seien seine Verhältnisse noch schlechter geworden. Das neu ergangene Urteil sei von ausserordentlicher Härte. Es werden nach Möglichkeit Teilzahlungen versprochen. .

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Genf beantragt Abweisung. An Bückstände von rund franz. Fr. 2500 für 1929--1931 waren anfangs April Fr. 25 abbezählt.

Mit der eidgenössischen Steuerverwaltung beantragen wir ohne weiteres Abweisung.

128. Emil Kästli, verurteilt am 6. Januar 1932 vom Gerichtspräsidenten von Thun zu einem Tag Haft und einem Jahr Wirtshausverbot, den Pflichtersatz von Fr. 28. 60, Eestbetrag, für 1931 betreffend.

Kästli, der die Haftstrafe verbüsst hat, ersucht um Aufhebung des Wirtshausverbotes, da ihn dieses schädige, weil er wieder im Hotelfach arbeiten wolle.

Demgegenüber beantragen wir mit der eidgenössischen Steuerverwaltung, auf Grund des Berichtes des Polizeiinspektors von Thun und der Abweisungsanträge des Eegierungsstatthalters des Amtsbezirkes und der Polizeidirektion des Kantons Bern ohne weiteres Abweisung. Wir verweisen auf den Auszug aus dem Zentralstrafenregister.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 20. Mai 1932.

Im Namen des Schweiz, Bundesrates, Der Bundespräsident:

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Motta.

Der Bundeskanzler: Kaeslin.

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II. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Junisession 1932). (Vom 20. Mai 1932.)

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