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Kreisschreiben des

Bundesrates an die Kantonsregierungen betreffend produktive Arbeitslosenfürsorge.

(Vom 19. April 1982.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Die zunehmende Arbeitslosigkeit und verschiedene dringliche Eingaben von Exportindustriellen haben uns veranlasst, der Bundesversammlung den Erlass eines Bundesbeschlusses über produktive Arbeitslosenfürsorge vorzuschlagen.

Dieser Bundesbeschluss soll es ermöglichen, in bestimmten Fällen die Geldmittel, welche der Bund sonst als Beiträge an Arbeitslosenversicherungskassen oder als Krisenunterstützung für Arbeitslose auszulegen hätte, schweizerischen Unternehmungen als Fabrikationszuschüsse zuzuführen, um auf diese Weise Arbeiterentlassungen zu vermeiden.

Eingaben von Exportindustriellen, welche uns in allerletzter Zeit eingereicht wurden, haben eine derartige Massnahme als sehr dringlich bezeichnet.

Der Bundesrat hat deshalb die Bundesversammlung gebeten, die Vorlage über produktive Arbeitslosenfürsorge noch in der Märzsession zu verabschieden.

Leider hat die Knappheit der Zeit es uns nicht gestattet, vorher mit den Kantonsregierungen Fühlung zu nehmen.

Der Grundgedanke, der dem Bundesbeschluss zugrunde liegt, ist allseitig als richtig anerkannt worden. Wenn es gelingt, durch solche Fabrikationsbeiträge gewisse Unternehmungen in Gang zu halten, so ist dadurch allen Beteiligten gedient: der Arbeiter erhält seinen normalen Lohn statt einer Arbeitslosenentschädigung, welche höchstens 50 % bzw. 60 % des Lohnes betragen darf; er kann ferner an seiner gewohnten Arbeitsstätte weiter arbeiten, statt dass er den üblen Folgen des Müssigganges ausgesetzt wird und Arbeitslust und Arbeitsgewandtheit teilweise einbüsst. Der Unternehmer kann wertvolle Beziehungen zu seiner Kundschaft aufrecht erhalten und eine Einstellung seines Betriebes vermeiden. Der Volkswirtschaft als Ganzes fliessen Werte zu, welche ihr sonst verloren gehen würden.

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Der Bundesbeschluss hat den Charakter einer bloss vorläufigen Massnahme. Er soll es ermöglichen, Erfahrungen zu sammeln, gestützt auf welche eventuell neue Vorschläge ausgearbeitet werden können. Der Bundesrat beabsichtigt, den Bäten später einen Bericht über die erzielten Ergebnisse vorzulegen; er wird dabei allfälligen Anregungen der Kantonsregierungen gerne Bechnung tragen.

Wenn Arbeitslosigkeit eintritt, so treffen die finanziellen Folgen ebensosehr wie den Bund auch den Kanton und die Gemeinde. Kanton und Gemeinde zusammen trugen in den letzten Jahren annähernd in gleichem Masse an die Abeitslosenversicherungskassen bei wie der Bund. Es erschien deshalb als argemessen, auch die Kantone zur Leistung von Beiträgen an die Fabrikationszuschüsse zu verhalten. Dieser Beitrag des Kantons und eventuell der Gemeinde zusammen soll mindestens die Hälfte der Bundesleistung erreichen.

Der Fabrikationszuschuss soll nur gewährt werden, wenn der Unternehmer nachweist, dass er den in Frage stehenden Auftrag wesentlich zur Aufrechterhaltug seines Betriebes übernimmt, dass er selbst angemessene Opfer bringt und dass er auch bei Ausrichtung des Fabrikationszuschusses keinerlei Gewinn erzielt. Um beurteilen zu können, ob diese Voraussetzungen zutreffen, wird die Selbstkostenberechnung des Gesuchstellers fachmännisch überprüft werden müssen. Eine einheitliche schweizerische Überprüfung scheint unerlässlich, um zu vermeiden, dass gleichartige Unternehmungen, die ihren Sitz in verschiedenen Kantonen haben, ungleich behandelt werden. Wir fragen uns, ob es unter diesen Umständen notwendig ist, dass auch die Kantone eine fachmännische Prüfung jedes einzelnen Gesuches vornehmen. Auf jeden Fall wird jeder unnütze Zeitverlust vermieden werden müssen, denn in der Begelmuss der Unternehmer sich seinem Käufer gegenüber sehr rasch entschliessen können, so dass der Entscheid über die staatliche Unterstützung so bald als irgend möglich fallen muss.

Gleichzeitig mit der allgemeinen Prüfung des Gesuches ist auch zu erwägen, ob die Ausrichtung eines Zuschusses an die Pflicht zur gänzlichen oder teilweisen Bückerstattung aus allfälligen künftigen Geschäftsgewinnen zu knüpfen sei. Es dürfte kaum möglich sein, über diesen Punkt befriedigende, allgemein verbindliche Begeln aufzustellen; es wird vielmehr im einzelnen Falle unter
Berücksichtigung aller Verhältnisse nach billigem Ermessen entschieden werden müssen.

Sollen die Beitragsgesuche ohne Verzug und reibungslos erledigt werden, so muss ein kantonales Organ in der Lage sein, ohne Zeitverlust erklären zu können, ob ein Kantonsbeitrag gewährt werden kann. Es scheint uns deshalb, dass den Begierungen derjenigen Kantone, welche geneigt sind, sich an der produktiven Arbeitslosenfürsorge zu beteiligen, unverzüglich ein Kredit eröffnet werden sollte, der diese Begierungen in die Lage versetzt, den Entscheid über die Beteiligung des Kantons von sich aus zu fällen. Über das Verfahren hat der Bundesrat im übrigen eine Verordnung erlassen, welche diesem Kreisschreiben beigelegt ist.

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Wir sind uns bewusst, dass der Bundesbeschluss vom 18. März 1982 bei weitem nicht in allen Fällen Hilfe zu bringen vermag, in denen die Industrie eine Unterstützung brauchen könnte. Wir hoffen aber, dass er- doch dazu dienen werde, einigen der dringlichsten Wünsche zu entsprechen, bis eine Erleichterung der schweren Notlage eintritt, unter welcher unsere. Wirtschaft leidet.

Wir benützen den Anlass, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

Bern, den 19. April 1932.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Motta.

Der Bundeskanzler: Kaeslin.

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Kreisschreiben des Bundesrates an die Kantonsregierungen betreffend produktive Arbeitslosenfürsorge. (Vom 19. April 1982.)

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