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# S T #

Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Erhöhung des Bestandes der Munition für Handfeuerwaffen.

(Vom 29. Mai 1884.)

Tit.

Nach Art. 170 der Militärorganisation wird der ordentlich» Bestand der Munition für Handfeuerwaffen nach der reglementarischen Zahl der Gewehrtragenden berechnet und es sollen an fertigen Patronen vorhanden sein für jeden Gewehr tragenden : der Infanterie .

.

200 Patronen der Kavallerie .

.

60 ,, des Genie und der Artillerie 40 ,, An Artilleriemunition soll nach Art. 171 stets vorräthig sein : a. für die Feldbatterien und die Ergänzungsgeschütze auf jedes Geschütz 400 Schüsse; b. für die Gebirgsbatterien auf jedes Geschütz 200 Schüsse; o. für jedes Positionsgeschütz 200 Schüsse.

Im Weitern bestimmt sodann Art. 172 : Abgesehen von diesen fertigen Beständen hat der Bund dafür zu sorgen, daß an vorgearbeiteter Munition und an Rohmaterial stets so große Vorräthe vorhanden sind, dass im Kriegsfalle die Ergänzung der Munition in vollem Maße gesichert ist.

Während somit für die Artillerie die Zahl der Sehüsse für jedes Geschütz beistimmt wird, macht das Gesetz für die Hand-

19 feuerwaffen insofern eine Ausnahme, als für dieselben die Anzahl Patronen nach der r e g l e m e n t a r i s c h e n Zahl der Gewehrtragenden zu berechnen ist.

Auf die Gewehrreserve und die vorhandenen Ueberzähligen, welch1 letztere auf den 1. Januar 1884 im Auszuge circa 10,000 Mann betragen, ist hiebei keine Rücksicht genommen.

Das Uogenügende dieser Verhältnisse in Bezug auf die Infanteriemunition hat denn auch früher schon Anlaß zu Erörterungen gegeben. Am 22. Juni 1877 hatten Sie folgendes Postulat beschlossen : ,,Der Bundesrath ist eingeladen, die Frage betreffend die Munition der Handfeuerwaffen nach drei Richtungen zu untersuchen: a 4 Bezüglich der Zeitdauer, für welche sie als von guter Qualität angesehen werden könne ; b. ob unser Vorrath ein genügender sei, sowohl an Rohstoff als an fertigen Patronen; c. ob es nicht möglich wäre, unsern Vorrath mit einer Quantität von theilweise fabrizirten Patronen zu vermehren. a Die nähere Untersuchung dieser Fragen gab dem Bundesrathe Veranlassung, in seiner Botschaft vom 12. November 1877 den eidgenössischen Käthen folgende Anträge zu unterbreiten : 1) Außer dem in Art. 170 der Militärorganisation vorgesehenen Munitions bestand e für Handfeuerwaffen sind für Ueberzählige der Infanterie l Va Millionen Patronen herzustellen, jedoch in ungefettetem Zustande.

2) Die Kriegsmaterialverwaltung hat dafür zu sorgen, daß in den kantonalen Beständen für eingetheilte Ueberzählige die nöthige Taschenmunition vorhanden sei; sie wird bei Anlaß des ordentlichen Budgets die hiefür erforderlichen Kredite nachsuchen und begründen.

3) Im Fernern ist eine allgemeine Kriegsreserve von 8 Millionen Patronen, jedoch ungefettet und unverpackt, herzustellen und es sind die hiezu nöthigen Hülsen und Geschosse der vorhandenen Reserve zu entnehmen.

4) Für weitere 10 Millionen Patronen ist das nöthige Material stets bereit zu halten, abgesehen von der Fabrikation für den ordentlichen Verbrauch.

5) Für die Anfertigung der hievor genannten Munition, für die Beschaffung der Rohmaterialien und für die Erstellung der nöthigen Magazine zur Aufbewahrung der Munitionsbestandtheile wird dem Bundesrathe ein Kredit von Fr. 348,600

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eröffnet, welcher der Hauptsache nach im Jahr 1879 zur Verwendung kommen soll.

Bei der Beantwortung der sub b des erwähnten Postulats gestellten Frage wird in der Botschaft vom 12. November 1877 auf den Munitionsverbrauch in den Feldzügen der Jahre 1866 und 1870/71 hingewiesen und im Anschlüsse hieran bemerkt: ,,Wenn auch nicht vergessen werden darf, daß seitens der Kriegführenden die Tendenz walten mag, ihre Verluste an Munition so gering als möglich darzustellen, so müssen doch obige Angaben einigermaßen beruhigen. Freilich darf dabei nicht übersehen werden, daß in dem letzten Kriege die ungeheuren Nachschübe au frischen Mannschaften jeweilen mit neuer Taschenmunition eingerückt sein werden, während unsere ganze Anlage beinahe nur auf die Taschenmunition und die mobilen Parks berechnet ist und nur ein kleiner Theil in den immobilen Parks zur Ausrüstung der Nachschübe und zur Ergänzung der mobilen Parks verbleibt.

Anderseits spricht zu unsern Gunsten, daß die Landwehr in der ganz gleichen Weise bedacht ist, wie die mobile Feldarmee, und daß jene in einem Feldzuge kaum mehr brauchen wird, als die reichlich zugemessene Taschenmunition.

,,Die Caissons (1er Landwehr sammt ihrem Inhalt würden daher in diesem Falle wenigstens theilweise der mobilen Armee oder Freiwilligenkorps, Landsturm etc. zur Verfügung stehen.

,,Wir halten jedoch dafür, daß man nicht in die Nothwendigkeit versetzt werdet sollte, eine solche Verfügung schon von vornherein in Aussicht nehmen zu müssen, sondern daß die Landwehr so gut als der Auszug darauf sollte zählen dürfen, daß der gesetzliche Stand für sie gesichert sei.

,,Wenn wir von dieser Annahme ausgehen, wenn wir ferner unsere Bewaffnung mit dem R e p e t i r g e w e h r in's Auge fassen, während andere Armeen nur mit einem einfachen Hinterlader ausgerüstet sind, und wenn wir ferner ebenfalls noch berücksichtigen, daß man bei einer Milizarmee auf einen größern Munitionsverbrauch gefaßt sein muß und daß endlich das Feuern auf große Distanzen immer mehr Aufnahme in der Taktik findet, so können wir sagen, daß die Ausrüstung von 200 Patronen per Mann zwar keine übermäßige, mit Rücksicht auf die bisherigen Erfahrungen aber voraussichtlich keine zu geringe sei, daß daher die vom Gesetze vorgesehene Dotation so ziemlich das Richtige getroffen haben möge.

,,Dagegen besteht
nun allerdings die Lücke, daß, wenn die Korps z. B. 10 °/o Ueberzählige haben, für den einzelnen Mann nicht mehr 200 Patronen, sondern, wie oben dargethan, nur noch

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circa 180 vorhanden sind, und daß unvergabt in den Depots so zu sagen nichts mehr übrig bleibt.

,,Nun hat der Auszug schon jetzt 10 °/o Ueberzählige und zwar schon auf das Frühjahr, ohne Hinzurechnung der Rekruten, während die Landwehr ungefähr den gesetzlichen Stand an Gewehrtragenden zählt. Wir gehen daher nicht fehl, wenn wir für die nächste Zukunft einen Stand von im Ganzen 10 °/o Ueberzähligen in's Auge fassen.

,,Gestützt hierauf beantragen wir, auch für die Ueberzähligen die vom Gesetze normirte Munition bereit zu halten. Es bringt dieses, da der gesetzliche Stand zu (212 X 676) 143,312 Mann angenommen ist, 14,331 Mann à 200 Patronen -- 2,866,200 Patronen, rund 3,000,000 Patronen oder den Bedarf für 22 normale Bataillone.

,,Gemäß Art. 170 der Militärorganisation wird der ordentliche Bestand der Munition für Handfeuerwaffen nach der reglementarischen Zahl der Gewehrtragenden berechnet und es wird gemäß Art. 173 derjenige Theil der Munitionsbestände abgegeben, welcher von den Truppeneinheiten als Taschenmunition und als Ausstattung der Korpsfuhrwerke in's Feld geführt wird, während die für die Parks bestimmte Munision in der Verwahrung der Eidgenossenschaft ist.

,,Bei einer Mobilmachung der Armee wird sich deßhalb in denjenigen Kantonen, deren Bataillone die reglementarische Stärke übersehreiten, schon bei der ersten Truppenaufstellung eine Lücke in den Munitionsbeständen zeigen, weil für diejenigen Gewehrtragenden, welche als Ueberzählige einrücken oder den Korps als Ersatz nachgeschickt werden, keine Munition berechnet worden ist.a Unterm 14. Februar 1878 wurde hierauf von den Käthen, in Erwägung: l) daß die sub Ziff. l, 2 und 3 des Bundesbeschlußentwurfs vom 12. Weinmonat 1877 beantragten Maßnahmen angesichts der Bestände an fertiger und vorgearbeiteter Munition für Handfeuerwaffen um so weniger dringlich erscheinen, als die Ausführung derselben schon der Hauptsache nach wohl für das Jahr 1879 in Aussicht genommen wird und die Verwaltung stets in der Lage ist, bei Aufstellung des Budgets und nöthigenfalls auch in der Zwischenzeit den erforderlichen Kredit zu verlangen, um den Anforderungen der Art. 170 und 172 der Militärorganisation Genüge zu leisten;

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2) daß es hingegen am Platze ist, das Rohmaterial zur Vormehrung der Kriegsreserve vollständig zu beschaffen; beschlossen: 1. Behufs Vervollständigung des Rohmaterials zur Anfertigung von Munition für Handfeuerwaffen (Blei und Quecksilber) wird dem Bundesrath ein Kredit ertbeilt von Fr. 91,000, welcher zur Hälfte im Jahr 1878 und zur Hälfte im Jahr 1879 zur Verwendung kommen soll.

2. Auf die weiter gehenden Anträge der Vorlage vom 12. Weinmonat 1877 wird zur Zeit nicht eingetreten.

Aus den diesem Beschluß beigefügten Erwägungen geht jedenfalls hervor, daß die h. Käthe eine baldige Wiederaufnahme des Kreditbegehrens erwartet und auch das damals ergänzte Rohgeschoßdepot als den Art. 170 und 172 der Militärorganisation nicht hinlänglich entsprechend angesehen haben. Wiederholt ist denn auch von maßgebender Seite auf den ungenügenden Munitionsbestand aufmerksam gemacht worden, und wenn wir den eidgenössischen Räthen heute eine bezügliche Vorlage unterbreiten, so geschieht es namentlich auch aus dem Grunde, weil sieh die Verhältnisse seither wesentlich und zwar zu unsern Ungunsten verändert haben.

Während im Feldzug von 1866 der Munitionsverbrauch der preußischen Armeen auf durchschnittlich bloß 7 Patronen per Mann angegeben wird, stellte sich derselbe im Feldzuge von 1870/71 auf 121 Patronen per Gewehr, beim II. bayerischen Korps auf 91 und beim XII. sächsischen Korps sogar auf 273.

Französischer Seits wird angegeben, daß der Munitionskonsum in den Schlachten bei Metz am 16. und 18. August 13 Patronen, nach Andern 27 Patronen betragen, und daß in den Gefechten und Schlachten bei Borny, Gravelotte, St. Privat und Noisseville durchschnittlich 30 Patronen per Gewehr gebraucht worden seien. Das deutsche Generalstabswerk führt über den Patronenverbrauch an, daß sich ein Munitionsmangel im Gefecht das erste Mal in ogrösserm O Umfange bei Mars la Tour beim III. Artneekorps fühlbar machte, dann am 18. August bei Theilen der ersten Armee, am 28. November bei den als Besatzung von Beaume la Rolande verwendeten Abtheilungen des X. Armeekorps. Am häufigsten stellte sich Munitionsmangel beim I. bayerischen Korps während der Kämpfe im Eure- und Loiregebiet ein, indem fast in allen Gefechten Bataillone ihre Thätigkeit einschränken oder zum Fassen von Munition aus der ersten Linie zurückgezogen werden mußten.

23 Aus dem russisch-türkischen Kriege fehlen verläßliche Angaben über den Munitionsverbrauch, namentlich von türkischer Seite; doch ist dieser Feldzug um so interessanter, als hier zum ersten Male in ausgedehntem Maße von den Türken das Fernfeuer angewendet wurde. In diesem Feldzuge verschossen 23 russische Divisionen im Durchschnitt 47 Patronen per Gewehr, 14 Divisionen 67, die Schützen 143, die Dragoner 51, die Husaren und Ulanen 46. Die 16. Division brauchte während des ganzen Feldzuges 155 Patronen per Mann, die 3. Brigade 243, das 9. Dragonerregiment 115, das 9. Ulanenregiment 212, das 2. Kubanregiment (Kosaken} 348. Den größten Munitionsverbrauch während eines einzigen Gefechtes weist das 140. Regiment mit 94 und das 13. Bataillon mit 122 Patronen auf (28. Dezember 1877 am SchipkapalS).

Dabei ist nicht außer Acht zu lassen , daß die Russen vom Feuer nicht gerade den ausgiebigsten Gebrauch machten und namentlich im Anfang des Feldzugs noch vielfach ihre alte Stoßtaktik beibehielten. Gleichwohl fühlten sie bald das Bedürfniß, ihre Taschenmunition noch während des Krieges bei einzelnen Korps auf 95 bis 105 Patronen zu erhöhen und auch den Kompagnien Tragthiere mit Munition beizugeben. Der türkische Soldat trug 150 Patronen bei sieh, und da, wo nur diese zur Verfügung standen, trat bei denselben gewöhnlich Munitionsmangel ein. Hingegen waren den Bataillonen meist eine große Zahl Lastthiere beigegeben, wodurch sich z. B. bei der Armee Suleiman Paschas der Munitionsbestand per Gewehr auf mindestens 300 stellte. Bei Plewna hatten die Soldaten Kistchen von 500 Patronen neben sich in den Verschanzungen, und es fanden die Russen nach der Einnahme oft mehrere Hundert Hülsen neben einzelnen gefallenen Türken liegen.

Die glänzende Vertheidigung von Plewna verdankt bekanntlich ihren Erfolg wesentlich der rücksichtslosen Anwendung des Schnellfeuers der Infanterie auf große und kleine Distanzen.

Gestützt auf die Erfahrungen dieses Krieges wurde die Munitionsausrüstung der russischen Infanterie bedeutend erhöht, und es soll nach neuern Mittheilungen die Feldausrüstung derselben (abgesehen vom Vorrath in den stabilen Parks) 240 Patronen betragen.

In den andern Staaten treffen wir ähnliche Erscheinungen.

Deutschland. Während die Munitionsausrüstung der preußischen Infanterie im Feldzug 1866 164 Patronen
und im Feldzug 1870/71 169,5 betrug, soll dieselbe gegenwärtig bei der deutschen Armee auf 277 Patronen per Gewehr erhöht worden sein. Hiezu kommen noch die Reservebestände. Nähere Angaben hierüber sind nicht bekannt, es ist jedoch bei der Wichtigkeit, die nach den bestehenden

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Vorschriften dein Munitionsersatz in der deutschen Armee beigemessen wird, mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen, daß diese Bestände in keiner Weise hinter denjenigen der andern Armeen zurückstehen.

In Frankreich betrug die Feldausrüstung der Infanteristen im Jahr 1870 153 Patronen. In der ,,Instruction sur le remplacement des munitions en campagne" vom 28. Februar 1884 ist die Munitiousausrüstung per Mann wie folgt angegeben : Taschenmunition .

Im Bataillonscaisson .

In der Munitionss.ektion

.

.

.

I m Park d e r Armeekorps .

. 7 8 Patronen . 18 ,, . 142 ,, . . . .

238 Patronen 33 ,, 271 Patronen

Ueber die im Großen (Armee-) Park untergebrachten Bestände fehlen die Angaben. Dagegen führt jeder Bagagefourgou der Infanterie noch 1512 Patronen, welche indessen mehr als Reserve bei der Vertheidigirig der Convois zu betrachten sind.

Italien.

Taschenmunition .

.

. 8 8 Patronen In den Bataillonseaissons und Parks 150 ,, Feldausrüstung 238 Patronen In den Depots (Reservemunition) .

.

90 ,, Totalbestand per Gewehr

328 Patronen

Oesterreich.

Taschenmunition .

.

. 7 6 Patronen In den Bataillonspatronenwagen . 52 ,, Im Divisions- und Armeekorpspark .

.

.

.

. 22 ,, Total der Feldausrüstung 150 Patronen (Eine selbststär.dig auftretende Division hat in ihrem Park 30 Patronen per Gewehr.)

In zweiter Linie folgt der Armee-Munitionspark m i t .

.

.

.

.

.

.

.

6 ,, dann der Armeereserve-Munitionspark mit .

24 ,, und endlich das Armee-Munitionsfelddepot mit . 60 ,, Uebertrag 240 Patronen

25 Uebertrag Schließlich enthalten die Artilleriedepots noch eine Reserve von per Gewehr.

t

240 Patronen 70

,,

Der österreichische Munitionsvorrath beträgt demnach 310 Patronen per Gewehr.

Daneben ist der Munitionsnachschub vollständig gesichert, da die Artilleriereserve-Anstalten und Feldzeugabtheilungen mit den erforderlichen Requisiten zur Herstellung der Munition versehen sind.

Bei uns ist der gesetzliche Bestand von 200 Patronen per Gewehrtragenden bekanntlich folgendermaßen vertheilt : Taschenmunition .

.

.

.

.

. 1 0 0 I n d e n zwei Liniencaissons .

.

.

. 35,5 In den '.wei Halbcaissons des Divisionsparks .

35,5 171 In den Caissons des Depotparks .

.

.

17,75 Im Depot un verladen .

.

.

.

. 11,25 OQ £l*J Total

200

Wie aus diesen Zusammenstellungen hervorgeht, haben alle Armeen seit den letzten Kriegen ihre Munitionsbestände erhöht, trotzdem der Durchschnittsverbrauch in denselben kein so großer war. Es herrscht zudem fast überall die Tendenz, die Patronensoahl noch erheblich zu vermehren, welche Tendenz namentlich durch die Einführung des Repetirsystems in den andern Staaten einen neuen Impuls erhalten würde. Mit unsertn Vorrath stehen wir nun allerdings bezüglich der Taschenmunition obenan und auch das Totale der Feldausrüstung ist kein ungünstiges. Anders gestaltet sich dagegen das Verhältniß in Bezug auf die Munitionsreserven, namentlich wenn noch berücksichtigt wird, daß bei den meisten ausländischen Staaten die Munition per Gewehr, bei uns dagegen nach dem reglementarischen Stande der Gewehrtragenden berechnet wird. Der Vorrath von 200 Patronen, an und für sich schon gering, würde bei einer Verwendung und Ausrüstung der Rekrutendetaschemente, von Landsturm oder von Freiwilligen sich noch bedeutend reduziren.

Die Gefahr, in einem Kriegsfalle den von dieser Seite und von der Bevölkerung überhaupt voraussichtlich zahlreich einlaufenden Begehren um Verabfolgung von Munition nicht entsprechen zu können,

26 liegt daher sehr nahe. Welche Vorwürfe die Behörden in einem solchen Falle treffen müßten, glauben wir nicht näher erörtern zu sollen, es genügt wohl, hierauf lediglich aufmerksam zu machen.

Ein fernerer Grund, unsere Munitionsbestände zu erhöhen, liegt in der durch unserm Wehrsystem bedingten Feuerdisziplin unserer Truppen. Wenn dieselbe schon bei den Friedensübungen oft sehr viel zu wünschen i'brig läßt, so steht jedenfalls zu befürchten, daß das Feuer in manchen Gefechtslagen zur Munitionsverschwendung ausarten wird. Immerhin darf als sicher angenommen werden, daß diese aus der kurzen Instruktionszeit hervorgehenden Mängel in der Ausbildung unserer Mannschaft uns sehr viele Patronen kosten werden. Sodann ist es keine Frage mehr, daß in einem künftigen Kriege das Fernfeuer eine wichtige Rolle spielen wird.

Dasselbe ist in alle Schießinstruktionen, wie auch in die unsrige, aufgenommen und es finden auch in allen Armeen häufige Schießübungen auf große Distanzen statt. Wenn nun auch die Schießinstruktionen und Réglemente vor einer zu großen Anwendung des Fernfeuers eindringlich warneu, so sehen wir doch thatsächlich schon bei den Friedensübungen, und namentlich bei uns, die Infanterie öfters auf sehr große Entfernungen und verhältnissmässig kleine Ziele feuern. Es ut dieses übrigens um so weniger auffallend, als unsere Offiziere, durch die Resultate der Uebungeu mit scharfen Patronen auf die durch Scheiben dargestellten Kolonneu verführt, sich leicht Täuschungen über die Wirkung des Pernfeuers im Felde hingeben. Die Folge wird auch hier ein größerer Munitionsverbrauch sein.

Unsere Armee ist bisher die einzige, in welcher das Repetirsystem zur Durchführung gelangt ist. Trotz der unbestreitbaren Vortheile des Repetirgewehrs über den Einzellader ist dasselbe von den uns umgebenden stehenden Heeren bis jetzt nicht angenommen worden, und bei den Gründen, die gegen eine Adoptirung desselben geltend gemacht wurden, stand immer derjenige oben an, daß das Repetirgewehr zu einem zu starken Munitionsverbrauch, ja zu einer Munitionsverschwendung verleiten könnte. Wenn nun dieser Grund bei Armeen, die vermöge ihrer langen Dienstzeit einen viel hohem Grad von Feuerdisziplin erreichen können, als wir, ein gegen die Einführung des Repetirsystems maßgebender war, so muß dieser Nachtheil des Repetirgewehrs
durch entsprechende Erhöhung des Munitionsquantums auszugleichen gesucht werden.

Bisher sind wir in Bezug auf die Bewaffnung der Infanterie den andern Staaten immer um einen Schritt vorangegangen, um die Inferiorität in unserer Ausbildung dadurch einigermaßen auszugleichen und unserer Mannschaft ein Ogrößeres Zutrauen zu ~geben. Das von

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uns eingeführte Gewehr ist vorläufig noch den Infanteriewaffen aller Armeen entschieden überlegen und es ist Aufgabe der Behörden, durch eine reichliche Munitionsdotation dafür zu sorgen, daß uns dieses Gewehr nicht im entscheidenden Momente verderblich werde. Es kann dieses nur dadurch geschehen, daß unsere Mannschaft mit einem solchen Patronenvorrathe versehen wird, daß auch nicht einzelne Abtheilungen, ganz außerordentliche Fälle abgerechnet, sich verschießen könnten und dadurch wehrlos würden.

Auf 31. Dezember 1883 betrug der gesetzliche Soll-Etat an Patronen 28,576,320 Auf den gleichen Zeitpunkt waren, abgesehen von der Handelsmunition, an Patronen vorhanden .

30,628,420 s o d a ß sich eine Reserve v o n .

.

.

.

1,852,100 oder per Grewehrtragenden von circa 13 Patronen ergibt. Es ist diese Zahl offenbar eine verschwindend kleine Angesichts der Vorräthe der ausländischen Staaten. In Folge der bei uns geltenden Berechnungsweise ist denn auch thatsächlich für unsere Gewehrreserve, welche vorschriftsgemäß 20 °/<> betragen soll, zur Zeit jedoch schon mehr als das Doppelte beträgt, sowie für die aus circa 70,000 Einladern bestehende Ersatzreserve keine Munition vorhanden, was den Werth dieser Vorräthe wesentlich mindert.

Gemäß den Bestimmungen des Eingangs citirten Art. 172 der Militäroreanisation sind allerdings an vorgearbeiteter Munition O o O (Hülsen und Geschosse) und an Rondellen und Blei die Materialien für weitere 20,000,000 Patronen vorhanden.

Bei gewöhnlichem Betriebe und bei zehnstündiger Arbeitszeit beträgt die Tagesleistung der Munitionsfabrik circa 60,000 fertig laborirte Patronen und kann, wenn '20,000 Hülsen per Tag aus der Kriegsreserve entnommen werden, auf 80,000 Stück gebracht werden. Bei außerordentlichem Betriebe und bei Entnahme von circa J/4 Hülsen aus der Kriegsreserve glaubt die Munitionsfabrik, die Tagesleistung bis auf das Doppelte steigern zu können. Dabei ist vorgesehen, daß einzelne Lokalitäten der Fabrik noch besonders zu Arbeitslokalen eingerichtet und durch diverse Apparate und Werkzeuge ergänzt werden müßten -- Arbeiten, welche immerhin eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen würden. Für die Fertigstellung von zehn Millionen Patronen ist daher eine Frist von circa 3 Monaten uiid für die Verarbeitung unserer sämmtlichen Vorräthe die doppelte Zeit zu berechnen,
vorausgesetzt, daß keiner der mit der Munitionsfabrikation verbundenen Unfälle eintreten wird. Ob wir im Ernstfalle über diese Frist verfügen könnten, ist jedenfalls sehr fraglich und eine solche Kriegsreserve nur von zweifelhaftem Werthe. Wir sind deshalb der entschiedenen Ansicht, es seien ohne

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weitereu Verzug die bereits in unserer Botschaft vom 12. Nov. 1877 beantragten Ergänzungen in der Weise in Ausführung zu bringen, daß die für die Ueterzähligen erforderliche Munition beschafft, bez\v.

von den vorhandenen circa 10,000,000 Hülsen und Geschossen 4 /6 und aus dem B.ohgesehoßdepot das Material für weitere circa 4 Millionen Patronen entnommen und als Munitionsreserve, bis an das Fetten, fertig erstellt wird.

Nachtheile bei dem Umsatz der Munition werden infolge einer solchen Vermehrung nicht entstehen, da sich die neue Papierunihüllung bekanntlich sehr gut hält und die im Jahr 1877 bezüglich der Haltbarkeit gehegten Bedenken als vollständig verschwunden zu betrachten sind. Die dieser Munition noch fehlende Fettung läßt sich im Falle des Gebrauchs in kürzester Frist bewerkstelligen.

Immerhin werden wir noch die nöthigen Anordnungen treffen, daß die ungefettet erstellte Munition jeweileu zum Ersatz des jährlichen Bedarfs bestimmt wird. Auf diese Weise wird sich (Jje Frist für den allgemeinen Umsatz der Munitionsvorräthe, welcher bisher innert drei Jahren bewerkstelligt werden konnte, nur unwesentlich verlängern.

Wir beantragen Ihnen deßhalb, die Vorräthe an Kriegsmunitiou in angegebener Weise um 12 Millionen Jnf'anteriepatronen zu erhöhen, wobei wir in folgender Weise vorzugehen gedenken: Zu acht Millionen dieser Munition werden dem Rohmaterialdepot die erforderlichen Hülsen und Geschosse, das Quecksilber und das Umschlagmaterial entnommen, zu weitem vier Millionen Stück die Rondellen, das Blei und das Quecksilber, wodurch der Bestand dieses Depots auf zwei Millionen vorgearbeitete Hülsen und Geschosse und das Rohmaterial zur Fabrikation von weitern circa sechs Millionen Hülsen und Geschoßen sieh reduzirt, und womit allfälligen Betriebs- oder Bezugsstörungen hinlänglich Rechnung getragen und eine Reserve erhalten wird, die im Kriegstall eine wesentliche Vermehrung der Tagesproduktion während der Dauer desselben gestattet.

Kostenberechnung.

12,000,000 Iiifanteriepatronen ä Fr. 60 per °,oo .

. Fr. 720,000 Von diesem Betrage sind für dem Rohgeschoßdepot zu entnehmende Materialien in Abzug zu bringen : für 8,000,000 nicht angefeuerte Hülsen per ° oo à Fr. 33. 30 Fr. 266,400. -- 8,000,000 mit Papier umwickelte Geschosse per °/oo à Fr. 10. 50 . . ,, 84,000. -- Uebertrag Fr^50,400. -- Fr. 720~5Ö6

29 üebertrag 4,000,000 Rondellen, 34,000 kg. à Fr. 3. 51,5 Blei für vier Millionen Geschosse, 83,636 kg. à Fr.--.40 .

.

570 kg. Quecksilber zu Zündsatz à Fr. 5 5700 kg. Karton à Fr. -- . 4 0 .

500 kg. Umschlagpapier à Fr. 1. 11,6 Da die fraglichen 12,000,000 Patronen in unget'ettetem Zustande magazinirt werden sollen, sind am Verkaufspreise weiter in Abzug zu bringen die Kosten für das Fetten mit Fr. 617 per Million .

.

.

Zur Abrundung

Fr. 350,400. -

Fr. 720,000

,, 119,510.-- ,, ,, ,, ,.

33,454.40 3,750.-- 2,280. -- 5,575. --

,, ,,

7,404.-- 26.60

,, 522,400 verbleiben Fr. 197,600 Für die Herrichtung von vorhandenem Kisten materia!

zur Aufnahme dieser Patronen ,, 2,400 Total Kreditbedarf Fr. 200,000 In dieser Berechnung sind nicht enthalten : Transportkosten und Spezialeinrichtungen . zur Vornahme der Operation des Fettens im Falle des Bedarfs. Da diese Posten von untergeordneter Bedeutung sind und aus dem gewöhnlichen Jahreskredite bestritten werden können, glauben wir uns darauf beschränken zu sollen, nur die Fabrikationskosten der nicht gefetteten Patronen in Rechnung zu bringen.

Die Ausführung der proponirten Maßregel ist innert Jahresfrist möglieh, und es wäre demnach der verlangte Kredit auf die Jahre 1884 und 1885 zu vertheilen.

Wir empfehlen Ihnen deßhalb den nachstehenden BeschlussesEntwurf zur gefälligen Annahme und benutzen im Uebrigen den Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommensten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 29. Mai 1884.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Welti.

Der Stellvertreter des Kanzlers der Eidgenossenschaft : Schatzmann.

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(Entwurf)

Bnndesbeschlnß betreffend

Erhöhung des Munitionsbestandes für Handfeuerwaffen.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 29. Mai 1884.

beschließt: 1. Dem Bundesrathe ist zur Erhöhung des Bestandes der Munition für Handfeuerwaffen ein Kredit von Fr. 200,000 auf Rechnung der Jahre 1884 und 1885 bewilligt.

2. Der Bundesrath ist mit der weitern Vollziehung dieses Beschlusises beauftragt.

31.

# S T #

Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Erweiterung und Abänderung des Bundesgesetzes über die Anlage eidgenössischer Staatsgelder d. d. 16. März 1877.

(Vom 27. Mai 1884.)

Tit.

Das Bundesgesetz vom 16. März 1877 (Amtl. Samml., Bd. III, S. 138) betreffend die Ablage eidgenössischer Staatsgelder bestimmt im Artikel l : ,,Die eidgenössischen Kapitalien und Staatsgelder, sowie die Spezialfonds sollen zinstragend angelegt werden ; ,,die zur Bestreitung der laufenden Ausgaben erforderlichen Summen, sowie mindestens eine Million Pranken in baar zur Deckung der ersten Kosten eines allfälligen Truppenaufgebotes sollen jedoch stets in der Kasse vorhanden sein."

Nach Art. 2 soll die verzinsliche Anlage eidgenössischer Staatsgelder in folgender Weise geschehen : a. gegen hypothekarische Sicherheit an Privaten, Korporationen oder Gemeinden, jedoch nur in solchen Kantonen, deren.

Gesetzgebung vollständige Sicherheit und leichte Realisirbarkeit der Hypothek gewährt; b. gegen faustpfändliche Sicherheit an Hypothekartiteln oder Staatsobligationen (litt, a und c);

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Erhöhung des Bestandes der Munition für Handfeuerwaffen. (Vom 29. Mai 1884.)

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29

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

07.06.1884

Date Data Seite

18-31

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