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Schweizerisches Bundesblatt.

36. Jahrgang. II.

Nr. 28.

31. Mai 1884.

Jahresabonnement (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Franken.

Einrückungsgebühr per Zeile 15 Bp. -- Inserate sind franko an die Expedition einzusenden.

Druck und Expedition der Stämpflischen Buchdruckerei in Bern.

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Bericht der

Kommission des Nationalrathes über die Geschäftsführung des Bundesrathes und des Bundesgerichtes im Jahre 1883.

(Vom 14. Mai 1884.)

Tit.

indem wir in Nachstehendem unsere Bemerkungen über den "Geschäftsbericht des Bundesrathes nach einer mehrtägigen Sitzung folgen lassen, konstatiren wir zunächst mit Vergnügen, daß uns die nothwendigen Imprimate in deutscher und französischer Sprache rechtzeitig zugestellt worden sind ; deßhalb ist uns eine Prüfung um so möglicher geworden. Ihre Kommission beantragt Ihnen jedoch nur wenige neue Postulate, da sie findet, daß der Vorrath an alten noch groß genug sei; deren Behandlung und Bereinigung durch den Bundesrath, sei es auf dem Wege einer entsprechenden Botschaft, sei es auf dem Wege des Gegenantrages, hat sie jedoch «ine besondere Aufmerksamkeit gewidmet.

A. Geschäftsführung des Bundesrathes.

I. Geschäftskreis des politischen Departements.

In Beziehung auf den Geschäftsbericht des politischen Departements pro 1883 kann Ihre Kommission nur mit Vergnügen konstatiren, daß sowohl die auswärtigen als die innern Angelegenheiten, Bundesblatt. 36. Jahrg. Bd. II.

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932 welche in den Bereich des Departements fallen, sich in befriedigender Weise gestaltet und sich einer eben so intelligenten als sorgfältigen Leitung erfreut haben.

Die wenigen speziellen Bemerkungen und Wünsche, welche die Kommission anläßlich dieses Departements auszusprechen hat, bestehen in Folgendem: I. Eines der hervorragendsten Geschäfte des Departements war wohl die Anbahnung einer Unterhandlung mit den V e r e i n i g t e n S t a a t e n von A m e r i k a über einen Vertrag zwischen beiden Republiken, demzufolge alle Anstände, die zwischen ihnen entstehen würden und deren gütliche Schlichtung nicht zu Stande käme> dem Urtheile von S c h i e d s r i c h t e r n unterstellt werden müßten.

Durch den in der amerikanischen Präsidentenbotschaft angeregten Gedanken scheinen die vielfach schon theoretisch versuchten Mittel zur Verhinderung bewaffneter Konflikte unter den Staaten auf einen praktischem Weg geleitet zu werden. In Anerkennung dieses Bestrebens können wir das Eingehen auf jenen Gedanken von Seite des Bundesrathes nur beifällig bemerken, wiewohl wir dafür halten, daß der Gedanke erst dann zu praktischer Bedeutung gelangen wird, wenn auch die großen Militärstaaten diesen Weg betreten. Immerhin wird die Garantie für den Vollzug solcher schiedsrichterlicher Entscheidungen einzig in der Loyalität der vertragschließenden Staaten liegen.

Auf diese Weise könnte ein alter Anstand mit I t a l i e n betreffend das C o l l e g i u m B o r r o m a e u m in Mailand, an welchem verschiedene Kantone interessirt sind, auch bereinigt werden.

Der Bericht des Bundesraths sagt uns, daß er im Jahr 1883 sieh fruchtlos um die Lösung dieses Anstandes bemüht und schließlieh der italienischen Regierung den Vorschlag gemacht habe, den Konflikt einem Schiedsgericht zu übergeben. Wir nehmen als selbstverständlich an, daß der Bundesrath dabei im Einverständniß mit den direkt betheiligten Kantonen gehandelt habe. Seit dem 18. Juni, als dieser Vorschlag gemacht wurde, ist jedoch von der italienischen Regierung keine Rückäußerung erfolgt. Italien scheint also nicht sehr beeilt, den neuen Weg zur Abwickelung internationaler Anstände zu betreten, der durch unsern projektirten Vertrag mit Amerika angebahnt ist. -- Wir empfehlen daher dem Bundesrathe, den Gegenstand bezüglich des borromäischen Kollegiums nicht außer
Acht zu lassen und auf dessen baldige Erledigung mit aller Energie hinzuwirken.

Eine fernere Angelegenheit, die im Berichtjahre die öffentliche Meinung vielfach beschäftigt hat, welche auch auf dem Wege des

933 Vertrages geordnet werden sollte, ist die Frage unserer Stellung zu dem n e u t r a l i s i r t e n S a v o y e n , welche durch das Gerücht über die Errichtung von Befestigungen am Berg Vuache neuerdings an die Tagesordnung gebracht worden war.

Wir entnehmen dem bundesräthlichen Berichte, daß die vom Bundesrath diesfalls an die französische Regierung gestellte Anfrage in der zuvorkommendsten und beruhigendsten Weise beantwortet worden ist, und damit der Zwischenfall seine befriedigende Erledigung gefunden hat. Der Bundesrath glaubt hervorheben zu sollen, daß die französische Regierung in ihrer Antwort sogar über die gestellte Anfrage hinausgegangen sei und durch die Versicherung, daß bei dem Mobilisationsplan des Kriegsministeriums das neutralisirte Gebiet werde respektirt werden, Frankreich die Rechtskraft des 1815er Vertrags anerkenne. -- Abgesehen jedoch von dieser Auffassung des Bundesrathes glauben wir der Ansicht Ausdruck geben zu sollen, daß mit der Erledigung dieses Zwischenfalls die Frage unserer Stellung zu dem neutralisirten Savoyen keineswegs klar gestellt sei, und daß in jedem Augenblick neue Verwicklungen eintreten können, die sich vielleicht nicht in so leichter und angenehmer Weise lösen dürften.

Denn einerseits sind jene bereits mehr als ein halbes Jahrhundert alten, unter ganz andern Weltverhältnissen zu Stande gekommenen Verträge an sich nicht mit aller wünschbaren Klarheit und Einläßlichkeit abgefaßt und setzen für gewisse Modalitäten der Ausführung spezielle Vereinbarungen unter den unmittelbar Betheiligten voraus, die seither niemals zu Stande gekommen sind. -- Anderseits läßt sich nicht verkennen, daß ungeachtet des formellen Vorbehalts in der Cession von 1860 seit dem Uebergange Savoyens an Frankreich die faktischen Verhältnisse, welche doch immerhin auch auf die Bedeutung jener Traktate nicht ohne Einfluß bleiben können, ganz andere geworden sind, als sie im Jahr 1815 waren.

Für die Falle, in welchen die savoyische Neutralität praktische Bedeutung erhält, .sollte daher die Schweiz sich rechtzeitig in's Klare setzen, nicht nur welches ihre Rechte, sondern auch welches ihre eventuellen Verpflichtungen seien gegenüber dem Lande Savoyen, gegenüber dessen Landesherrn und gegenüber den andern Staaten, welche die Wiener Verträge abgeschlossen haben.

Und dieses kann nur
auf dem Wege internationaler Verhandlungen und Verständigungen geschehen, zu welchen nach unserer Ansicht die nächste Gelegenheit sollte ergriffen werden.

Ungeachtet wir den Gegenstand als von höchster Wichtigkeit erachten, abstrahiren wir dennoch von der Formulirung eines Postu-

934 lats, einerseits weil wir glauben uns überzeugt halten zu dürfen, daß der Bundesrath im richtigen Moment die Landesinteressen in geeigneter Weise wahrnehmen werde, anderseits weil wir keinen Anlaß bieten wollen zur öffentlichen Diskussion einer Angelegenheit, die ihrer Natur nach eine diskrete Behandlung erfordert.

T'^'II. Die V e r t r e t u n g der S c h w e i z im A u s l a n d betreffend ist bereits in den Jahren 1869, 1876 und 1877 ein Postulat vorgelegen und zur Besprechung gekommen (Postulat Nr. 88), daß eine gesetzliche Regulirung unseres Gesandtschaftswesens stattfinden sollte. -- Dieses Postulat ist zwar im Jahr 1878 von beiden Käthen fallen gelassen worden; allein die Ausdehnung, welche unser Gesandtschaftswesen genommen, und die mehrfache Kritik, welche sich darüber erhoben hat, dürfte eine neue Prüfung der Frage angezeigt erscheinen lassen.

Wir haben G e s a n d t e in Paris, Berlin, Wien, Rom, welche auf keiner gesetzlichen Grundlage beruhen und deren Verhältnisse nur durch Beschlüsse des Bundesraths und durch das Budget geordnet sind. Einzig über Kreirung einer Gesandtschaft in Washington wurde ein förmlicher Bundesbeschluß erlassen. -- Wir finden in den jeweiligen Geschäftsberichten Legationsräthe, Legationssekretäre, Attachés genannt, einen ganzen diplomatischen Generalstab, der auf keiner gesetzlichen Regulirung beruht und dennoch im Namen des Landes funktionirt, was sicherlich als etwas Außergewöhnliches betrachtet werden kann.

Es dürfte sich deßhalb, zumal auch bei den .großen, stets wachsenden Kosten dieser diplomatischen Vertretung mit Rücksicht auf die Einfachheit unserer republikanischen Sitten nur empfehlen, die Frage einer gesetzlichen Regulirung der ganzen Materie neuerdings in Betracht zu ziehen.

Betreffend die K o n s u l a t e ergibt sich aus dem Berichte, daß die unter dem Titel ,,Entschädigungen10 an 26 Konsulate verabreichten Beiträge der Bundeskasse bereits die ansehnliche Summe von Fr. 86,875 erreichen. Wir sind der Ansicht, daß diese Summe gut verwendet sei; aber wir finden es nicht ganz geschäftsmäßig, daß die Empfänger über die Verwendung keinerlei Rechnung zu geben haben. Der Titel ,,Entschädigung"1 kommt demjenigen einer Besoldung nicht ganz gleich, und es scheint uns daher, wenn man die Konsuln nicht auf den Besoldungsetat setzen will, eine Justifikation
der betreffenden Bezüge angezeigt zu sein.

III. Uebergehend zu den i n n e r n A n g e l e g e n h e i t e n konstatiren wir, daß der Bundesrath bezüglich der Frage der Wieder-

935 besetzuüg d e s b i s c h ö f l i c h e n S t u h l e s v o n L a u s a n n e u n d G e n f sowohl als bezüglich der t e s s i n ischen und b a s l e r i s c h e n B i s t h u m s v e r h ä l t n i s s e sich innert denjenigen Schranken bewegt hat, welche die Bundesverfassung und die speziellen Beschlüsse der Bundesversammlung in Beziehung auf diese Angelegenheiten gezogen haben, indem andrerseits die Initiative den kantonalen Behörden gehört.

IV. Was schließlich die Ertheilung von B e w i l l i g u n g e n zum E r w e r b desSchhweizee r b ü r g e r r e c h t s betrifft, so glauben wir auf einen Uebelstand aufmerksam machen zu sollen, welcher sich in der Praxis der Behandlung dieser Einbürgerungsgesuche herausstellt. Allerdings siehtdas Bundesgesetze eine vorgängige Bewilligung zum Erwerb des Schweizerbürgerrechts als Bedingung der Erwerbung eines Kantons- und Gemeindebürgerrechts vor, gibt somit der Aktion der Bundesbehörde die Priorität. Nach dem Postulat vom 30. Juni 1882 wird nun zwar die Ertheilung von Bewilligungen zur Erwerbung des Schweizerbürgerrechts auf solche Ausländer beschränkt, welche sich über wenigstens zwei Jahre nicht nur formeller Niederlassung, sondern auch faktischen Aufenthalts in der Schweiz ausweisen. Doch bleibt immerhin der Uebelstand, daß die bundesräthlichen Bewilligungen eine Art Freipaß bilden, welcher bisweilen gar nicht zur wirklichen Bürgerrechtserwerbung benützt wird. Es wäre daher nach unserm Dafürhalten nicht unangemessen, w e n b e i derer Schaffung der Rechtspraxis in dieser Materie darauf Rücksicht genommen werden könnte, daß, bevor der Bundesrath die Bewilligung zum Erwerb des Schweizerbürgesrechts ertheilte, d e r Bewerber wenigstens d i e Aussicht a u f e i n

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II. Geschäftskreis des Departements des Innern.

Bundeskanzlei.

Hier unterscheiden wir: die Veröffentlichung des Bundesblattes und die in der Kanzlei bleibenden Akten.

Das von der letztjährigen Geschäftsprüfungskommission gestellte P o s t u l a t : ,,Der Bundesrath soll untersuchen, ob das Bundesblatt nicht praktischer eingerichtet werden könne", wurde bekanntermaßen von den Räthen abgelehnt.

Von den Akten sind die M i s s i v e n des B u n d e s rat h es für das Jahr 1883 fertig eingetragen und gebunden. Vom Jahr 1884 sind Januar, Februar und März in Arbeit.

P r o t o k o l l des B u n d e s r a t h e s. 1883 fertig eingetragen und gebunden, 1884 Januar, Februar und März in Arbeit.

P r o t o k o l l des N a t i o n a l r a t h e s. 1883 fertig eingetragen und gebunden, 1884 Märzsession, in Arbeit.

P r o t o k o l l des S t ä n d e r a t h e s .

Märzsession in Arbeit.

1883 fertig,

1884

P r o t o k o l l der V e r e i n i g t e n B u n d e s v e r s a m m l u n g .

1883 vollständig nachgetragen, 1884 Märzsitzung fast fertig.

Sämmtliche Protokolle sind korrekt und in schöner Schrift nachgetragen; die Register sind nachgeführt.

Bezüglich d e r V e r ö f f e n t l i c h u n g d e r V e r h a n d l u n g e n der B u n d e s v e r s a m m l u n g war bereits im Jahre 1876 von Frey und Konsorten folgendes Postulat gestellt worden: ,,Der Bundesrath wird eingeladen, die Frage zu untersuchen und darüber Bericht zu erstatten, ob eine regelmäßige amtliche Veröffentlichung der Verhandlungen in beiden Räthen zu veranstalten sei, und bejahenden Falls in welcher Form dies geschehen soll."

Der Bundesrath erstattete hierüber Bericht am 24. November 1876, dessen Schluß dahin ging, es sei der Motion des großen

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und unnöthigen Kostenpunktes wegen (Fr. 36,000) keine Folge au geben.

Wir haben aus dem sehr einläßlichen und, erschöpfenden Berichte , der damals über die einschlägige Materie von Herrn Kanzler Schieß zu Händen des Departements des Innern erstattet wurde, die Schwierigkeiten einer solchen Veröffentlichung hinlänglich ersehen können, dagegen befremdet es uns, daß man bis heute das damals von Herrn Schieß empfohlene s u b s t a n t i e l l e B u l l e t i n nie versucht hat.

Die N o t h w e n d i g k e i t einer richtigem Veröffentlichung der V e r h a n d l u n g e n der R ä t h e macht sich i m m e r m e h r und m e h r g e l t e n d ; die Zeitungsreferate sind meist sehr einseitig und die Berichte sehr oft geradezu tendenziös entstellt.

B e i B e r a t h u n g e n über irgend w i c h t i g e r e G e s e t z e s v o r l a g e n ist ein s u b s t a n t i e l l e s B u l l e t i n nach unserer Ansicht geradezu u n e r l ä ß l i c h .

Archive.

Schon im letztjährigen Berichte wurden die Lokale als feucht and ungesund bezeichnet, ohne daß Abhülfe geschafft worden wäre.

Da im bezüglichen Berichte eine Untersuchung durch Experten in Aussicht gestellt ist, diese selbst aber bis zur Zeit noch Nichts zu Tage gefördert hat, so wird der W u n s c h ausgesprochen, es möge das O b e r b a u i n s p e k t o r a t den ihm vom Departementgegebenen Auftrag mit thunlichster Beförderung vollführen.

Die noch im Rückstande sich befindlichen a l t e r n A b s c h i e d e vom Jahr 1549 bis 1555 sollen so weit gediehen sein, daß selbe nächstes Jahr in den Druck gehen können ; ebenso ist das R e p e r t o r i u m der A b s c h i e d e von 1803--1813 durch den Oberarchivar der Art gefördert worden, daß dasselbe dieses Jahr noch dem Drucke übergeben werden kann.

Von der A b c h r i f t e n s a m m l u n g aus P a r i s sind bis jetzt zehn Pascikel im Archiv, umfassend die Jahre 1526--1587.

Die Arbeit ist eine sehr saubere und sorgfältige.

V a t i k a n i s c h e A r c h i v e . Nachdem im Budget pro 1883 ein Kredit von Fr. 3000 für dieses neue Unternehmen zur Bereicherung des schweizergeschichtlichen Materials des Bundesarchivs

938 ausgeworfen war, ist sehr zu bedauern, daß die Ausführung scheiterte, und es w ä r e zu w ü n s c h e n , daß n e u e S c h r i t t e v e r sucht würden, um die betreffenden Archive zu dem beabsichtigten Z w e c k e z u g ä n g l i c h zu machen.

Die M ü n z - und M e d a i l l e n s a m m l u n g wird sich wohl schwerlich besser plaziren lassen; sie soll von Fachkennern ganz, ordentlich frequentirt werden.

Primarunterricht.

Der Rekurs des Schulrathes von evangelisch Tablât, Kantons St. Gallen, gegen den Regierungsrath von St. Gallen, sowie der Rekurs gegen die Berner Regierung beweisen aufs Neue, w i e n o t h w e n d i g e i n e e n d l i c h e A u s f ü h r u n g d e s Art. 2 7 der Bundesverfassung ist. Die seiner Zeit durch das Departement des Innern angeordnete Enquête soll so weit gediehen sein, daß inskünftig auch ohne den vom Volke refüsirten Erziehungsekretär v e r f a s s u n g s m ä ß i g e Z u s t ä n d e geschafft werden können. Der Volksentscheid vom 26. November 1882 hat nach unserer Ansicht absolut nicht d e n Sinn, als ob damit die Ausführung des Art. 27 nun vollständig sistirt wäre.

Medizinalprüfungen.

Der Bericht über die Medizinalprüfungen erstreckt sich auf medizinische, p h a r m a z e u t i s c h e und thierärztl i e h e Examina, deren Zahl sich auf 291 belauft ; davon waren genügend .

.

. 228 ungenügend .

.

63 = 27.6 °/o.

Das dem Berichte beigelegte Tableau ergibt -- in P i o z e n t e umgerechnet -- bezüglich der u n g e n ü g e n d ausgefallenen Prüfungen für die einzelnen Universitäten folgendes Resultat,' das wir ohne jeden weitern Kommentar wiedergeben: Bern .

.

.

. 49.i % Zürich .

.

.

. 2 1 . 0 °/o Basel .

.

.

.21.0 % Lausanne .

.

. 21.o °/o Genf .

.

.

. 16.6 ° / o

939 Civilstand und Ehe.

Bezüglich der von den Kantonen zu erstellenden J a h r e s b e r i c h t e ü b e r d i e Amtsführung d e r C i v i l s t a n d s b e a in t e n hat der Bundesrath durch ein Kreisschreiben die Kantonsregierungen dringend ersucht, die Inspektion des so wichtigen Zweiges der Civilstandsführung in fachkundige Hände zu legen. Es ist diese Anregung des Bundesrathes zu begrüßen, da sonst jede Zuverläßigkeit der Statistik illusorisch wird.

Kosten der Verpflegung und Beerdigung armer Angehöriger anderer Kantone.

Ohne auf die Materie der A n s t ä n d e z w i s c h e n S t. G a l l e n und L u z e r n näher einzutreten, w ü n s c h e n wir im Interesse d e r Humanität, d a ß i n s k ü n f t i g d e r a r t i g e A b s c h i e bungen erkrankter Personen unterbleiben.

Gesundheitswesen.

Am 30. Juni 1882 war folgendes Postulat gestellt worden: ,,Der Bundesrath wird eingeladen, über die Frage Bericht zu erstatten, ob es nicht angezeigt und vom verfassungsmäßigen Standpunkt aus zuläßig sei, von Bundeswegen die nöthigen Maßnahmen zu treffen, um die Konsumenten vor gefälschten oder gesundheitsschädlichen Getränken zu schützen."

Gestützt auf die Prüfung dieser Frage durch das Departement des Innern, das Justiz- und Polizeidepartement, sowie auch durch das Finanz- und Zolldepartement gelangt der Geschäftsbericht zu d e m Schlüsse: e s s e i d e m P o s t u l a t e k e i n e w e i t e r e F o l g e zu g e b e n . Es haben auch die Kantonsregierungen die Notwendigkeit, bezügliche Gesetzesbestimmungen von Bundeswegen zu erlassen, nahezu einstimmig verneint. Bezüglich der wohlmotivirten Ablehnung des in Frage stehenden Postulats ab Seiten der oben angeführten Departemente verweisen wir auf den Geschäftsbericht selbst.

So lange wir kein eidgenössisches Gesundh e i t s g e s e t z h a b e n , muß e i n e d e r a r t i g e K o n t r o i e -- oder auch Nichtkontrole -- den e i n z e l n e n K a n tonen überlassen bleiben.

Die vom Bundesrath ergriffenen M a ß r e g e l n zum S c h u t z e g e g e n d i e C h o l e r a finden unsere vollständige

940 Billigung, ebenso speziell das Vorgehen im Kanton Tessio. Es war gerade dieser Anlaß eine eigentliche demonstratio ad oculos v o n d e r D r i n g l i c h k e i t e i n e s e i n h e i t l i c h e n E p i d e m i e n g e s e t z e s , und wenn wir in diesem Falle von Stellung eines Postulates Umgang nehmen, so geschieht dies nur mit Rücksicht darauf, daß wir -- noch in der gleichen Legislaturperiode uns befinden, in welcher die Abstimmung vom 30. Juli 1882 stattgefunden -- prinzipiell den künftigen Rath mit Postulaten verschonen wollen.

Wir halten übrigens dafür, es sollte der Bundesrath das seiner Zeit wegen des Impfzwanges und wegen allzu rigoroser Strafbestimmungen vom Volke verworfene Epidemiengesetz in, besserer Form während der nächsten Amtsperiode neuerdings den Käthen vorlegen.

Ausstellungen und Kongresse im In- und Auslande.

Rapporte der mit Bundessubventiou zu den Kongressen Delegirten sollten nicht bloß in die Archive wandern, sondern einem weitem Interessenkreise zugängig gemacht werden.

Polytechnische Schule.

Während der letztjährige Bericht eine abermalige Abnahme der Schülerzahl konstatirte, ist sich die G e s a m m t f r e q u e n z pro 1883 g l e i c h geblieben, denn während die Schule an regelmäßigen Schülern eine Einbuße von 21 erlitt, erhielt sie dagegen «inen Zuwachs von 21 Auditoren.

Die Gesammtfrequenz stellte sich folgendermaßen : 1881/82.

1882,'83.

Schüler .

.

.429 408 Zuhörer .

.

. 256 277 Total 685

685

Lokalitäten für Physik.

Trotz wiederholter Bauten und Erweiterungen (sogar noch im letzten Jahre) sind dieselben immer noch zu klein und rufen dringender Abhülfe.

Die Summe aller Lokalitäten, über welche die Physik nach dieser letzten im Hauptgebäude 'noch möglichen Erweiterung ihrer

941 Räume zur Zeit verfügt, gewährt laut Bericht für höchstens 40 und einige Laboranten genügenden Platz. Diese maximale Laboruntenzahl ist schon jetzt nahezu vorhanden, denn die Gesammtzahl der im Wintersemester 1883/84 in praktischer Physik thätigen Studirenden betrug 38. -- Die Heranziehung ganzer Fachschulen, für welche das Studium der praktischen Physik große Bedeutung hat, zur Betheiligung an den Arbeiten im phj'sikalischen Laboratorium ist in den jetzt vorhandenen Räumen unausführbar.

Bekanntermaßen liegt die Zukunft der Technik größtenteils auf physikalischem Gebiete; es ist daher die E r s t e l l u n g e i n e s zeitgemäß ausgestatteten p h y s i k a l i s c h e n I n s t i t u t e s eine L e b e n s f r a g e f ü r d i e p o l y t e c h n i s c h e S c h u l e ; beschließt man erst nach Jahren diesen Bau, so ist die günstigste Zeit für die Weiterentwicklung der Schule vorüber.

Samenkontroistation.

Der Umstand, daß 96 % aller untersuchten Muster Samen von Futterpflanzen repräsentiren, ist ein Beweis, daß die Station thatsächlich im Dienste des Futterbaues steht. Wenn wir ferner im Berichte lesen, daß unter 625 Nachuntersuchungen etwa 425 Nummern ein mit der Garantie übereinstimmendes Resultat ergaben, während etwa 200 Nummern oder 32 % die geleistete Garantie nicht erreichten, so ist der Nutzen dieses Institutes für die Landwirthschaft in die Augen springend.

Aehnlich verhält es sich mit der D i l n g e r k o n t r o l s t a t i o n , deren energischer Initiative es gelungen ist, einen Theil der landwirthschaftlichen Vereine für den gemeinsamen Bezug ihrer Düngersorten zu bestimmen, von denen dann selbstverständlich nur wenige Muster zur Nachuntersuchung zu gelangen brauchen.

Landwirtschaftliche Schule.

Bezüglich des Postulates resp. der Frage, ,,ob die landwirtschaftliche Schule am Polytechnikum der vaterländischen Landwirthschaft nicht nutzbarer gemacht werden könnte tt , ersehen wir aus der Botschaft des Bundesrathes vom 4. Dezember 1883, daß das Departement für Landwii-thschaf't sich mit Hebung der landwirtschaftlichen Schule am Polytechnikum beschäftigt, daß die bezüglichen Vorschläge im Berichtjahre jedoch nicht mehr zur Behandlung kamen.

Immerhin mag eine Bemerkung des Schulrathes ihrer sachlichen Richtigkeit wegen heute schon Platz finden. Der Schulrath

942 findet nämlich eine Erweiterung der Anstalt noch nicht angezeigt, am mindesten, so lange nicht die Landwirthe der Schweiz in Bezug auf den Unterricht eine entschieden intensivere Benützung der Anstalt bezeugt haben werden ; dagegen ist der Schulrath mit der Anregung betreffend Bildung von K u l t u r t e c h n i k e r n und A u s s e t z u n g von S t i p e n d i e n für begabte dürftige Schüler der landwirthschaftlichen Abtheilung einverstanden, speziell in der Absicht, letztere mit einer solchen Unterstützung als Lehrer für Ackerbauschulen, als Wanderlehrer oder Kulturtechniker ausbilden zu lassen.

Statistisches Bureau.

So lange wir kein Epidemiengesetz haben, werden wir es schwerlieh dazu bringen, Bulletins über die in der Schweiz herrschenden ansteckenden Krankheiten beim Menschen zu erhalten, wie wir bezüglich des Viehes alle 14 Tage orientirt werden.

Was wir aber unbedingt anstreben müssen und auch viel leichter erreichen können, das ist eine bessere Statistik der Todesfälle.

Wir geben gerne zu, daß es in schwer zugänglichen Gebirgsgegenden geradezu unmöglich sein kann, einen ärztlich beglaubigten Todtenschein sich zu beschaffen und daß man da mit den vielerorts üblichen Todtenbeschauern sich begnügen muß.

Wo jedoch Aerzte sind, sollte nur durch diese der eingetretene Tod konstatirt werden dürfen, und es wären diese verpflichtet, i n dem g l e i c h e n S c h e i n e (nach einein einheitlichen Formulare") a u c h d i e v o r a n g e g a n g e n e K r a n k h e i t -- soweit eruirbar -- a n z u g e b e n . Es wäre dies ein erster und mächtiger Hebel zur Reduzirung der vielerorts in so erschreckendem Maße zunehmenden Kindersterblichkeit.

R e k r u t e n p r ü f u n g e n . Daß die Zeitungen bereits zu Anfang des Jahres 1884 Resultate über Ergebnisse der pädagogischen Prüfungen bei der Rekrutirung publiziren konnten, die gar noch nicht endgültig berechnet waren, bestätigt aufs Neue den Mißbrauch, der mit vorzeitigen Publikationen aus dem Bundesrathhause getrieben wird.

°

Bauwesen.

Wildwasserverb auungen.

Am 30. Juni 1882 war folgendes Postulat gestellt worden :

943 ,,Der Bundesrath ist eingeladen, bei Gewährung von Bundessubsidien an Wildwasserverbauungen von den bezüglichen Kantonen ausdrücklich und als Vorbedingung die rechtzeitige Anhandnahme derjenigen Maßregeln zu verTangen, welche zum Schutze der mit diesen Werken in unmittelbarer Beziehung stehenden Abhänge erforderlich erscheinen.a Da im letztjährigen Kommissionalberichte dieses Postulat gar nicht erwähnt und dasselbe auch anderweitig nicht erledigt ist, so haben wir beim Oberbauinspektorat Nachsehen gehalten und auf dießfallsige Erkundigung den Bescheid bekommen, daß das Postulat seit dem Jahre 1882 bei allen neuen Wildwasserverbauungen befolgt worden sei. Die Botschaften vom 22. September 1882 über die Verbauung der Veveyse und vom 22. Februar 1884 über die Korrektion der Lorze enthalten wirklich diesbezügliche Bestimmungen.

Auf früher bereits beschlossene und seit 1882 ausgeführte oder erst zur Ausführung kommende Wildwasserverbauungen habe das Postulat keine Anwendung gefunden, was wir jedoch nicht als dem Sinne des Postulates entsprechend erachten.

HL Geschäftskreis des Justiz- und Polizeidepartements.

A. Justizverwaltung.

I. Allgemeine Verhältnisse.

Das Repertorio di Giurisprudenza patria cantonale e federale erscheint alle 14 Tage und verdient nach seinem Inhalt und Gehalt den jährlichen Bundesbeitrag von Fr. 1000.

II. Gesetzgebung.

1) Mit Bezug auf die G e w ä h r l e i s t u n g b e i m V i e h h a n d e l besitzen wir zur Stunde d r e i e r l e i Recht in der Schweiz :

944

a. Das Konkordat (z. B. Zürich); b. den Ausschluß jeder Nachwährschaft (z. B. Solothurn); c. zwischen diesen beiden Systemen in der Mitte die Anwendung der Bestimmungen des schweizerischen Obligationenrechts über Nachwährschaft beim Kauf auch auf den Viehhandel.

Jedes der drei Herrschaftsgebiete rühmt sich des Wohlbefindens unter seinem System. Wir machen aber dennoch darauf aufmerksam, daß eine einheitliche Regelung durch ein Bundesgesetz noth thut und nicht mehr lange zurückgelegt werden sollte.

2) Wie der Rechenschaftsbericht ausführt, herrscht bezüglich der Stellung des Bundes und seiner Organe zu der .Rechtspflege, wo diese ein polizeiliches oder fiskalisches Bundesgesetz anzuwenden hat, der größte Wirrwarr. Jedes der neueren Bundespolizeigesetze besitzt z. B. hinsichtlich der Frage, wem verhängte Bußen zufallen sollen, sein eigenes System. Durch das Gesetz über die Kosten der Bundesrechtspflege (von 1880), welches sich als ein nicht besonders glücklicher Wurf erweist, ist die Unsicherheit noch gestiegen. Es erscheint als eine dringende Notwendigkeit, dieses Chaos in ein regelmäßiges Gebilde umzugestalten, und wir beantragen Ihnen folgendes Postulat : ,,Der B un d e s r a t h w i r d e i n g e l a d e n , m i t thunlicher Beförderung einen Gesetzesentwurf vorzulegen, durch welchen die Befugnisse und die Pflichten des Bundes bei A n w e n d u n g der fiskalischen u n d poliz e i l i c h e n B u n d e s g e s e t z e e i n h e i t l i c h ger e g e l t w e r d e n."

III. Gewährleistung von Kantonsverfassungen.

Keine Bemerkung.

IV. Verhältnisse zu auswärtigen Staaten.

1. Der vom Departement ausgearbeitete N o r m a l a u s l i e f e r u n g s v e r t r a g ist von uns geprüft worden, und wir sind im Großen und Ganzen mit dessen Inhalt einverstanden.

Insbesondere billigen wir die Norm, daß, wenn der um die Auslieferung angegangene Heimatstaat den Straffall materiell erledigt, diese Erledigung auch für den die Auslieferung begehrenden Staat gelten soll.

945 2. Mit Interesse hat die Kommission den Fall Soldano geprüft.

Man glaubte 1869, einen großen Fortschritt auf dem Gebiet des internationalen Privatrechts erreicht zu haben, als man im Vertrage mit Frankreich die Einheit des Konkurses proklamirte. Die seitherigen Erfahrungen berechtigen zu erheblichen Zweifeln darüber, ob die vorgeschriebene Einheitlichkeit des Konkurses wirklich gut sei, so lange die Konkursgesetzgebungen beider Staaten in wesentlichen Bestimmungen so sehr auseinandergehen.

3. Die Vorschrift der diplomatischen Verrait^ der Korrespondenz zwischen schweizerischen und französi :n Behörden wurde nicht nur vom Statthalteramt Borgen (Züric]! londern wird auch von f r a n z ö s i s c h e n Behörden übersehen is Richtigste wäre, die vertragliche Einführung des gleichen Vcf 'ens (direkte Korrespondenz), welches sich im behördlichen Ver] mit den drei andern Nachbarstaaten, besonders mit Deutschland trefflich bewährt.

4. Wenn es auch richtig ist, daß es nich der Stellung der schweizerischen Behörden liegen kann, die jressen hier wohnhafter Deutscher gegenüber den Behörden schlands zu vertreten, so darf doch auch in diesem Berichte ont werden, in wie schwieriger Lage sich Deutsche oft befinct welche ein Gericht suchen, das eine nach schweizerischem > nach dem Heimatrechte materiell wohl begründete Scheidung^ »e an Hand nimmt. Eine Delegation kann nach Deutschem Ree. nicht ausgesprochen werden, und oft findet sich auch drauf û kein nach der Reichsprozeßordnung kompetentes Forum.

Italien hat eine internationale Vereinbarung betreffend den gegenseitigen Vollzug von Civilurtheilen angeregt. Wir sind mit dem Bundesrath einverstanden, welcher mitmachen will und bei dieser Gelegenheit auch die Regelung der eben berührten Frage anstreben wird.

V. Rekurswesen.

1. Wir haben in der Kommission den Fall B en e dix einläßlich besprochen, sind aber schließlich zu dem einhelligen Schluß gelangt, daß der Genannte keine Ursache hatte, sich über das Verfahren der s c h w e i z e r i s c h e n Behörden zu beschweren, es ihm vielmehr richtiger Weise überlassen bleiben muß, bei den Oberbehörden seiner Heimat darüber Beschwerde zu führen, daß ihm zu Hause Niemand ein solches Zeugniß ausstellen wolle, wie er es nach dem deutsch-schweizerischen Niederlassungsvertrag muß vorweisen können.

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2. Mit dem Entscheid in Sachen S c h u m a c h e r , Holligen, sind wir nach den uns ertheilten Aufschlüssen m a t e r i e l l einverstanden, weniger dagegen mit der absoluten Fassung der buudesräthlichen Erwägung 1. Wir können uns denn doch auch Fälle denken, wo in der Vorschrift einer Gemeindeordnuug, daß das Vieh nur in Einem Lokale geschlachtet werden dürfe, eine durchaus ungerechtfertigte Beeinträchtigung der Gewerbefreiheit liegen würde.

3. Der Rekurs des tessinischen Apothekervereins ist jüngst vom Bundesrath abgewiesen worden.

4. Wir erklären uns in unserer Mehrheit mit den Ausführungen des Bundesrathes über die Kompetenzfrage im Rekursfall Glanzmann und Konsorten gegen die Regierung von Luaern einverstanden.

33. JPolizeiveirwaitixng-.

I. Auslieferungswesen.

1. Dieser Zweig der Thätigkeit des Departements gewinnt aachgerade eine kolossale Ausdehnung und nimmt außerordentlieh viel Zeit und Arbeit in Anspruch. Es bedarf der enormen Sachkunde und Detailkenntniß des gegenwärtigen Departementssekretärs im Auslieferungswesen, um daneben noch Zeit für andere Geschäftszweige zu finden. Wie man auf die Dauer eines zweiten koordinirten Mitarbeiters auf dem Departement entrathen kann, ist uns ein Räthsel.

2. Von verschiedenen Seiten wurde im Schooße der Kommission die Ungebühr hervorgehoben, daß oft Individuen, auf welche wegen unbedeutender Auslieferungsdelikte von auswärts gefahndet wird, nach erfolgter Betretung ohne Weiteres verhaftet werden und im Verhaft bleiben müssen, bis über die Auslieferung entschieden ist, wobei es sich dann herausstellt, daß der Nachtheil einer sofortigen Verhaftung oder des langen Verhafts zur Schwere des Delikts selbst in keinem Verhältmß stand. Wir wollen dabei von den bedeutenden Verhaftskosten, welche nicht vergütet werden, eicht einmal sprechen.

Dieser Uebelstand ist nicht neu und fällt nicht dem Departement zur Last. Wenn wir ihn trotzdem erwähnen, so geschieht es hauptsächlich siur Begründung des Hinweises darauf, daß vielleicht bei der Revision von bestehenden und beim Abschluß von neuen Auslieferungsverträgen, mit andern Worten im Normalvertrag, für relativ geringere Fälle das Recht des Auslieferungsstaates zur Belassung auf freiem Fuß, gegen Kaution zu Händen des begehrenden Staates, statuirt werden dürfte.

947

II. ßundesstrafrecht.

1. Die Genfer Ordonnance de non-lieu vom Jahr 1882 gegen ·oder vielmehr für die Nachahmer orientalischer Münzen spukt immer noch. Nun ist aber eben die Beurtheilung von Münzvergehen Sache der Kantone, und kommt es vielleicht auch in der Türkei etwa einmal vor, daß der Richter ein Gesetz irrthümlich anwendet.

Immerhin haben auch w i r uns die an berufener Stelle ventilirte Frage vorgelegt, ob nicht der Bund als Inhaber der Münzhoheit die Münzdelikte als Gegenstand des Bundesstrafrechtes erklären und letzteres in diesem Sinne revidiren sollte.

2. Die Erwähnung verschiedener Straffälle betreffend ,,Gef ä h r d u n g eines E i s e n b a h n z u g e s " im Rechenschaftsbericht hat uns veranlaßt, die Frage zu erörtern, woher es wohl komme, daß die kantonalen Gerichte oft nur mit Widerstreben die diesfälligen Bestimmungen des Bundesstrafrechts anwenden, ja von Zeit zu Zeit ganz einfach renitent werden. Wenn wir auch letzteres bedauern, so fühlen wir uns doch verpflichtet, zu konstatiren, daß solches Widerstreben und solche Renitenz manchmal der Ausdruck einer berechtigten Mißstimmung sind. In der Regel sind W e i c h e n w ä r t e r oder andere untere Angestellte die Angeklagten, und oft liegt die Ursache des Unfalls, respektive der Gefährdung, eigentlich mehr darin, daß diese Leute zu langen und zu strengen Dienst haben. Gewiß ist in einem solchen Fall derjenige, welcher den Dienst so mangelhaft organisirt, und wäre er auch Eisenbahndirektor, mindestens eben so strafbar wie der schlaftrunkene Wärter. Wir möchten also dem Bundesrathe, dem ja das Ueberweisungsrecht zusteht, empfehlen, jeweilen auch die Frage der mangelhaften Anordnung oder Aufsicht zu prüfen und, falls in dieser Beziehung ein Verschulden vorliegt und Schuldige existiren, auch s o l c h e Schuldige zu überweisen.

III. u. IT. Freindenpolizei, Politische Polizei.

Keine Bemerkung.

V. Heimatlosenwesen.

Die Kommission wünscht, daß von den altern Untersuchungen wenigstens die uralten endlich zu Ende geführt werden. Geht es nicht anders, so mag zu diesem Zwecke besondere Aushülfe angeordnet werden.

Bundesblatt. 36. Jahrg. Bd. II.

67

948 Die Register des Departements sind in Ordnung.

werden nicht geführt.

Protokolle

IV. Geschäftskreis des Militärdepartements.

Organisation, und Allgemeines.

Unter den Verwaltungen des Bundes ist, wie anderwärts, die Militärverwaltung diejenige, welche die Finanzen des Landes am stärksten in Anspruch nimmt. Da sich hiezu auch noch die persönlichen großen Opfer an Zeit und Geld gesellen, so kommt der haushälterische streng ökonomische Klang, welcher der derzeitigen Leitung dieses Bundeszweiges anhaftet, wohl zu statten. Manches Bedenken, an Unwillen und Unzufriedenheit streifend, wird hiedurch beschwichtigt.

Nachdem die Gleichgewichtsperiode ihren Abschluß gefunden, sind die Grundbestimmungen der Militärorganisation von 1874 und deren gemessener Ausbau wieder in ihre berechtigte Thätigkeit getreten. Man ist bemüht, bei thunlichster Schonung der Bundesfinanzen, Armee und Material auf die erforderliche Stufe der Bundesvertheidigung zu setzen.

Die Kommission stellt in Militarla keine Postulate; sie beschränkt sich darauf, einige Verhältnisse näher zu konstatiren und Wünsche auszusprechen, welche, soweit sie wahrzunehmen im Falle war, den Ansichten von Departement und Bundesrath keineswegs widerstreiten.

Es wird hiebei noch bemerkt, daß die zur Militärverwaltung gehörenden Regie-Etablissemente besucht und sowohl Arbeit als technische und finanzielle Skripturen einer allerdings gedrängten Kontrole unterworfen wurden.

Der diesjährige Geschäftsbericht zählt nicht nur die von der Bundesversammlung und dem Bundesrathe erlassenen G e s e t z e .

V e r o r d n u n g e n und D e k r e t e auf, er führt uns auch vor, was diesbezüglich noch Alles in Arbeit sei.

949

Bei aller Apathie vor Ueberschwenglichkeit sehen wir dem in Arbeit begriffenen Bedürftigen gerne entgegen, jedoch wolle es uns die Exekutivbehörde zu gut halten, wenn wir ihrem Beschluß vom 11. Mai 1883 betreffend Kopfbedeckung und Achselschuppen der Kavallerie unsere Billigung versagen und den Wunsch für äußerst vorsichtiges Handeln in solchen --Aenderungen hier zur Geltung bringen. Die vorwiirfige stört das bisher innegehaltene System und die Uniformität in unserer Armeebekleidung, zieht Kosten nach sich und findet auch, was militärisches Bedürfniß und Greschrnacksache anbelangt, nur spärliche Billigung.

Rekrutirung und Bestand des Heeres.

Die Rekrutirungsarbeit, worunter wir sanitarischë Untersuchung, pädagogische Prüfung und Aushebung verstehen, hat augenscheinlich nachgerade möglichst übereinstimmende Normen gefunden.

Es ist nur zu wünschen, daß die Sanität bei ihrer Untersuchung nicht mit vermehrten Disziplinen belastet werde, welche mehr nur der Statistik, als essentiellem Wahrnehmungen für Dienstfahigkeit dienlich sind, so: Zählung der Impfnarben, Messung des Oberarms u. dgl.

Die pädagogischen Prüfungen wirken stimulirend auf die Jugendbildung. Ob das jeweilen veröffentlichte statistische Ergebniß einen absolut richtigen Maßstab für eint und andere daran geknüpfte Premissen und Folgerungen., bildet, bleibt immerhin fraglieh.

Die Jahresaushebung war auch in Bezug auf die Anzahl eine befriedigende. Dem Grundsatze gemäß : ,,Jeder Schweizer ist dienstpflichtig!" huldigen auch wir der Ansicht des Bundesrathes, daß geistig und körperlich entwickelte Stellungspflichtige im Zweifelsfalle von der Dienstleistung nicht zu befreien sind, während auf die Herbeiziehung älterer, aus dem Auslande zurückkehrender Leute, aus naheliegenden Gründen weniger Werth zu legen ist.

Der Heeresbestand erscheint wieder beruhigender. Der Mehrzufluß liegt im Rekrutirungsergebniß, ein momentaner Abgang allerdings in der Auswanderung. Ein zwingendes Bedürfniß, das Höhenmaß der Infanterie von 156 cm. herabzusetzen, wie vor nicht langer Zeit im Nationalrathe angedeutet worden, liegt unseres Erachtens nicht vor. Während z. B. Preußen mit 162 cm., England und Amerika mit 160, Baden und Belgien mit 157 cm. höher gehen, haben wir jetzt schon mit 156 cm. das niedrigste Maß nur mit Italien und Spanien gemein. Und doch ist das Wachsthum in andern Staaten schwerlich größer.

950

Unterricht.

Der Departementalbericht befaßt sich diesmal einläßlich mit dem Turn - Vorunterricht. Der Werth desselben wird überall zumal da, wo er in richtiger Weise begonnen, je länger je besser erfaßt.

Bei maßvollem Vorgehen des Bundesrathes gehen die gesetzlichen Vorschriften allseitiger Verwirklichung entgegen, und ist dessen schließliches ernstes Drängen und kategorisches Einfordern in die gemeinsame Linie auch der wenigen Nachzügler wohl begreiflich. In der Sache selbst wünscht die Kommission, daß das Freiturnen dem Gerätheturnen vorangestellt werde. Anbetreffend den bereits auch inscenirten zweiten Theil des Turnunterrichts (vom 16. bis 20. Altersjahre) empfehlen wir, mit Geduld und Vorsicht vorzugehen. Das Eine nach dem Andern. Man wird mit Interesse die Antworten der Kantone auf die diesfällige taktvolle Anfrage vernehmen.

Die zwanzigtägigen Vorunterrichtskurse im Winter für die Kavallerie bilden den richtigen Ersatz für die sonst beabsichtigten verlängerten Rekrutenkurse. Abgesehen von der Vorübung in manchem Dienstzweige, wofür die Begründung der Neuerungpassende Anleitung gab, erweist es sich als eminent vorteilhaft, daß der junge Reiter auf altgewohntem, eingeübtem Pferde seine erste Schulung erhalte, statt gleich Anfangs junges, beidseits ungeübtes Menschen- und Pferdematerial in einen höchst verderblichen Streit gerathen zu lassen.

Die Generalstabsschulung scheint uns eine vorzügliche zu sein.

Während die nationalräthliche Kommission für die Geschäftsprufung von 1881 bezüglich R e k r u t i r u n g des Generalstabs die Ansicht äußerte, es sollte kein Offizier als Aspirant in den Generalstab zugelassen werden, der nicht schon eine Kompagnie, Batterie oder Schwadron kommandirte, hätten wir den dringenden Wunsch, daß Generalstabsoffizieren mitunter auch Gelegenheit geboten würde, vorübergehend oder bleibend auch wieder zu einzelnen Waffengattungen zurückzukehren. Es würde dies nicht nur zur Verwerthung von Erlerntem, sondern auch zu wohlthätiger Mischung und Popularisirung des wackern Generalstabskorps dienen.

Wir erwähnen hier mit außerordentlicher Befriedigung des auf dem Generalstabsbüreau so viel wie beendigten M o b i l i s i r u n g s p l a n e s . Die Einsicht dieser äußerst umfangreichen trefflichen Arbeit gewährt große Beruhigung.

Es war uns sodann vergönnt, einzelne Berichte über I n s t r u k t i o n und L e i s t u n g e n v e r s c h i e d e n e r Waffen-

951

g a t t u n g e n in Rekrutenschulen, Wiederholungskursen, Spezialschulen und Inspektionsberichte über Regiments-, Brigade- und kombinirte Hebungen, sowie die Berichte über den Divisionszusammenzug in und um Luzern zu durchgehen, aus denen wir Vertrauen in die gutgeleitete Instruktion aller Waffengattungen, in die gute Disziplin und die Feldtüchtigkeit der Armee geschöpft haben.

Das Urtheil über die IV. Armeedivision, als größte Jahresübung, gipfelt in dem Befund guter Einleitung, tüchtiger Führung und braver Haltung aller Truppen.

Wir konstatiren noch den Fortschritt in den Schießresultaten des Jahres 1883 und billigen die allmälige Verminderung der Infanterierekrutenschulen in den resp. Kreisen von 3 auf 2; sie erscheint nöthig mit Rücksicht auf die gemessene Zahl Instruktoren und die dieselben auch in Anspruch nehmenden Spezialschulen, namentlich Schieß- und Unteroffiziersschulen, und die Stärke einer Schule ist nirgends derart gewesen, daß Soldatenuuterricht und Elementartaktik darunter gelitten hätten.

Der Heranzug der Landwehrinfanterie zu kurzen Wiederholungskursen hat, wie vorauszusehen war, eine nicht unwesentliche Personalsanirung nach sich gezogen. Im Uebrigen dürfen wir jetzt schon keck behaupten, daß die Neuerung ausnahmslos alle diejenigen Vortheile für unser Wehrwesen brachte, welche laut Bericht Ihrer damaligen Kommission dem Beschlüsse zu Grunde gelegt wurden.

Die gewaltete Kontroverse hierüber in militärischen Kreisen ist uns dato noch unverständlich, und wir würden hier noch eine Lanze einlegen, wenn Zeit und Raum dazu angethan wären.

Anschließend an die Besprechung des Unterrichts, beziehungsweise der Wiederholungskurse, erlauben wir uns, die Aufmerksamkeit des h. Bundesrathes auf den Umstand zu lenken, daß nun der achtjährige Turnus für die Divisionsübucgen absolvirt ist und fast selbstredend die Präge herantritt, ob in gleicher Weise fortgefahren werden wolle, oder ob nicht darauf Bedacht genommen werden sollte, zu Nutz und Frommen von Führern und Truppen, mit oder ohne Abänderung des Gesetzes, nun etwas weiter zu gehen und jeweilen eine größere Truppenzahl in's Uebungsfeld zu führen.

Es könnten z. B. die zwei im Jahre des Divisionszusaminenzugs zur selbständigen Uebung kommenden Infanteriebrigaden als zweite Division mitwirken und es entstünden nur mäßige Mehrkosten für Stäbe und Reisen. Departement und Bundesrath mögen sich nnpräjudizirt mit der Frage befassen.

952

Kasernenverhältnisse.

In Bezug auf Eigenthums- oder Miethverhältnisse der Kasernen, Forderungen, Ansprüche oder Rechte der Eidgenossenschaft einerund kantonaler oder städtischer Gemeinwesen anderseits, bestehen so verschiedene, die freie Aktion oft hemmende Abkommen, daß uns eine definitive Regelung -- zumal gegenüber einer Abmachung von 10 zu 10 Jahren -- angezeigt schiene.

Justizpflege.

Ueber die Justizpflege als solche im Jahr 1883 hat die, Kommission keine Bemerkung anzubringen; dafür ruft sie hier der baldigen Vorlage eines revidirten, allerdings in Aussicht gestellten Militärstrafgesetzes und gibt rechtzeitig zu bedenken, ob nicht auch das ,,Verfahren"1 im Sinne der Vereinfachung und Koslenersparniß zu anderà sei.

Kriegsmaterial.

Bekleidung und Ausrüstung.

In der Bekleidung und Ausrüstung der Offiziere, sollte mehr auf Ordonnanz und Gleichförmigkeit gedrungen werden; aber auch bei den Truppen ist schärfere Kontrole über Tücher und Ausrüstungsgegenstände zu empfehlen.

An dieser Stelle mag der Wunsch erlaubt sein, daß nach acht Jahren endlich auch die F u ß b e k l e i d u n g s f r a g e über das Stadium des Versuchsfeldes hinauskomme. Wenn die Version : ,,die Schlachten werden durch die Beine gewonnen"1, eine etwas weitgehende ist, so darf doch nicht geleugnet werden, daß die Einführung einer rationellen Fußbekleidung, zumal im Gebirgsland, eine eben so dringende Nothwendigkeit ist, als eine gute Bewaffnung.

Bewaffnung und Munition.

Wir widmeten vorab der Infanterie- und Artilleriebewaffnung einige Aufmerksamkeit. Das Infanterierepetirgewehr, Modell 1881, hat in dem neuen Bronzirverfahren und der Visirkonstruktion eine bewährte Verbesserung gefunden. Die Versuche mit dem ,,Rubingewehr'' sind den Käthen von der Kreditbewilligung her bekannt.

So lange andere Staaten uns im Repetirsystem noch nicht gefolgt sind, geschweige überholt haben, ist der Hoffnung Kaum zu geben,

953 wir das Bestehende noch nicht so bald in's Korn werfen müssen. Die Artillerie ist bei guter Bewaffnung stets beflissen, noch Besseres zu entdecken; bei ihr ist ,,das Beste nicht der Feind des Guten".

Für Munition wurde uns bedeutender Materialvorrath ausgewiesen. Zur Beruhigung für a l l e Fälle wünschen wir nichtsdestoweniger, daß auf Anlegung einer a u s r e i c h e n d e n M u n i t i o n s r e s e r v e Bedacht genommen werde.

Landestopographie, Militäranstalten, Waffenplätze.

Die Mittheilungen des Geschäftberichts über diese drei Rubriken sind sehr verdankenswerth, und wir bemerken -- ohne Veranlaßung zu einläßlichen Erörterungen -- hier nur Weniges. Die L a n d e s t o p o g r a p h i e in den verschiedenen Unterabtheilungen nimmt ihren guten Fortgang. Wir empfehlen, in diesem Fache g r ö ß t e E x a k t i t ä t quantitativer Leistung voranzustellen, und könnten uns mit dem Beizuge schwächerer oder im Spezialfache ungeübter Aushülfe weniger einverstanden erklären.

Die M i l i t ä r a n s t a l t e n : Pferderegieanstalt, Munitionsfabrik, Konstruktionswerkstätte und Waffenfabrik gehen ihren guten, auch ökonomisch nicht unvorteilhaften Gang. Die in Thun für die Munitionsfabrik und Konstruktionswerkstätte gewonnene Wasserkraft mit zwei Turbinen, obwohl circa Fr. 200,000 kostend, erweist sich gegenüber der Dampfkraft als finanziell und technisch gerechtfertigte Neuerung.

Was die W a f f e n p l ä <, ze anbetrifft, so erfährt man durch den Greschäftbericht aberma1' 'e wesentliche Erweiterung von Artillerieschußlinien und hoffen damit für die dermalige Geschütztragweite mit Kauf oder Expropriation am Ziele angelangt zu sein.

Die Kasernenfrage haben wir an anderer Stelle besprochen.

Festungswerke.

Viel wichtiger als der Unterhalt unserer bestehenden kleinen Festungswerke ist die Frage der erweiterten L a n d e s b e f e s t i g u n g .

Die Ansicht, gegebene Boden-, Gebirgs- und Flußhindernisse als strategische Stützpunkte zu einem, unsereübrigenmilitärischenAnstrengungen gebührend ergänzenden Vertheidigungsfaktor heranzuziehen, muß sich gleich bleiben. Die Frage über Applikation, sowie über Geschiitzdotirung, liegt bekanntlich in reiflicher Untersuchung, und wir wollen derselben nicht vorgreifen. Nur sei bezüglich des

954 ersteren Punktes an diesem Orte bemerkt, daß ab Seite des Geniebüreau's jährlich im Sommer einige Aufnahmen an den strategisch wichtigsten Punkten gemacht und im Wintei1 ausgearbeitet werden,, um so für alle Fälle Anhaltspunkte vorzubereiten.

Frühere Postulate.

Sowohl mit der Art und Weise der Erfüllung des Wunsches der Räthe auf Erhöhung des Pferdebestandes der Regieanstalt, als mit der Erledigung des Postulates über erleichterte Bedingungen, für den Bundesbeitrag an freiwillige Schieß v ereine, erklärt sich die Kommission einverstanden.

Spezielle Pnnkte.

In den Mobilisirungsplan muß selbstverständlich auch dieLandwehr einbezogen werden.

Angesichts von divergïrenden Ansichten -- nicht über diesen Grundsatz, wohl aber über dessen Ausführung -- empfehlen wir dem h. Bundesrathe, der Landwehr eine passende, korpsmäßige, d. i. nicht zu zersplitterte Stellung im Verbände der größern Einheiten anzuweisen.

Für den unabwendbaren Kriegsfall lenken wir die Aufmerksamkeit des Bundesrathes noch auf ein weiteres wichtiges Glied unserer Landesvertheidigung, auf die eigentliche V o l k s w e h r , den Landsturm.

Diese Volkswehr -- heiße man sie nach der deutscheu Sprachweise : Zweite Landwehr, oder nach der unsrigen : Landsturm, ist in unserer Gesetzgebung nicht vorgesehen, bildet nichts desto weniger selbstverständlich den Schlußring der allgemeinen nationalen Landesvertheidigung, bezweckt alle nicht eingetheilten, noch brauchbaren Wehrkräfte zu verwerthen, vorn erwachsenen Knaben bis zum rüstigen Greise; sie ist berufen, die Lücken auszufüllen, welche die Milizarmee zu Folge ihrer Aufgabe und Formation nicht ausfüllen kann. Wir verweisen auf Beaumont, guerre de la Vendée, auf die Geschichte über die Freiheitskämpfe der Tyroler und der Guerillas in Spanien, von Rottek über Nationalniiliz, la guerre défensive en Suisse, von Gingings etc. Wenn der ,,Landsturm" aber vom Gegner nicht als Freikorps (Freischaar) ohne allen Anspruch auf die Wohlthat der humanen Kriegsführung, das Kriegsrecht, behandelt werden soll, so muß ernstlich darauf Bedacht genommen werden, ihm rechtzeitig eine rechtliche Stellung durch gesetzliche Eintheilung anzuweisen.

955 «

Sollte es endlich an diesem Orte nicht auch am Platze sein, an die m i l i t ä r i s c h e n I n t e r e s s e n zu erinnern, welche nebst den kommerziellen und postalischen, erstlich beim Baue der Kunststraße und später des Schienenwegs über und durch den Gotthard eine so große Rolle spielten und in einem auch nur flüchtigen Blick auf die Landkarte ihre volle Berechtigung finden.

Später entstand Streit und Konkurrenz um die H a u p t reparaturwerkstätte der Gotthardbahn für deren R o l l m a t e r i a l , welche in Behörden, Fachgesellschaften und in der Presse vielseitig der Nordratnpe günstigen Kommentar fanden.

Seitdem ist die Entscheidung des Verwaltungsraths der Gotthardbahn zu Gunsten Bellinzona's gefallen und der Nordrampe ist eine ,,Nebenwerkstätte tt zugeschieden. Nun ist doch zu bedenken, daß die Ebene vor Bellinzona der Centralpunkt unserer südlichen Vertheidigung ist; auf dem rechten Tessiuufer, in der Richtung gegen Locamo die Defensive, auf dem linken, gegen Magadino, die Offensive. Es ist dort eine erste und eine zweite verschanzte Feuerlinie.

Fand sich der h. Bundesrath trotz dieser und anderer Bedenken, die wir allenfalls mündlich erläutern würden, zu keiner Inhibition veranlaßt, so muß nun mindestens darauf abgestellt werden, daß die nördliche Werkstätte der Gotthardbahn mindestens den Charakter eines für Betriebsstörungen und Kriegsfall ausreichenden, sich selbst genügenden, d. h. vou der sogen. Hauptvverkstätte unabhängigen Ganzen erhalte.

V. Geschäftskreis des Finanz- und Zolldepartementes.

A. Die Fiuanzverwaltung.

Durch den Umstand, daß über die Ergebnisse der Staatsrechnung in Nachachtung eines Postulates (Nr. 304") vom 29. Juni "1883 ein besonderer Bericht erstattet worden, ist unsere Aufgabe eine beschränktere geworden, und wir konnten deßhalb mehr Zeit auf die materielle Geschäftsprüfung verwenden, was wir durchaus zweckmäßig gefunden haben. Deßhalb können wir auch der auf Seite 396 des Geschäftsberichtes ausgesprochenen angelegentlichen Empfehlung der Rückkehr auf das alte System durchaus nicht beistimmen. Wir sind vielmehr der Ansicht, daß der Bundesrath in Nachachtung eines

956 andern Postulates (Nr. 293) vom 11. Dezember 1882, welches eine wirksamere Kontrole der Bundesversammlung in der Verwaltung bezweckt, Vorschläge machen solle. Die Empfehlung der Rückkehr zum alten System ist ein solcher Vorschlag nicht. Der Bundesrath wolle vielmehr beachten, daß die Wahl der gleichen Kommission für die Prüfung des Budgets, der Nachtragskredite und der Staatsrechnung für das gleiche Jahr nur als ein erster Schritt einer wirksamen Kontrole anzusehen und jedenfalls dem frühern Systeme von besondern Koinmisionen für jeden dieser Gegenstände vorzuziehen ist. Durch die vielen Kommissionen ist die nothwendige Sorgfalt und Verantwortlichkeit für den Staatshaushalt der Eidgenossenschaft so getheilt und zersplittert worden, daß sie eigentlich nicht mehr bestanden haben. Ohne gerade einen bindenden Vorschlag zu machen, glauben wir doch hinweisen zu können, daß das System der auf die gleiche Amtsdauer wie die Regierung gewählten Staatswirthschaftskommissioneii in manchen Kantonen gute Folgen gehabt hat. Wir glauben ein solches System für die Prüfung der Staatsrechnung um so mehr empfehlen zu können, weil bei der Prüfung der Staatsrechnung neben der Kontinuität Fachkenntnisse in einer bestimmten Richtung nothwendig sind, während die Kenntnisse für den Geschäftsbericht in einer andern Richtung verlangt werden müssen. Zudem müßte die Zuweisung der Staatsrechnung an die Geschäftsberichtskommission geradezu als eine Ueberhäufuug angesehen werden, so daß eine Kontrole thatsächlich gar nicht bestehen würde. Wir wollen nicht glauben, daß der Bundesrath den unkontrolirten Staatshaushalt als sein Ideal ansehe; er sollte daher der Bequemlichkeit der Bureaukratie nicht zu viel Rechnung tragen. Wir halten im Weitern dafür, daß die Geschäftsberiehtskommissiou, wenn ihr die Prüfung der Rechnungsbelege nicht mehr obliegt, sich viel nützlicher der Durchsicht der Protokole des Bundesrathes und der Departementskanaleien zuwenden könnte und sollte.

In Betreff der materiellen Geschäftsführung'o haben wir übrigens Bur wenige Bemerkungen zu machen. Sie betreffen: 1. Unerledigte Postulate: Nr. 320 vom 14. Dezember 1883 verlangt die Vorlage eines allgemeinen Besoldungsgesetzes. Nr. 292 die Feststellung der Kautionen auf dem Wege der Gesetzgebung.

Nachdem mit dem Departement Rücksprache genommen worden, so
erklären wir uns einverstanden, daß die Kautionen mit dem Besoldungsgesetz geordnet werden sollen ; für dieses selber gewährt das Postulat dem Bundesrath einen weiten Spielraum in Bezug auf den Zeitpunkt der Vorlage.

957

2. Die Circulationsmittel, resp. die Metallmünzen und die Banknoten, letztere als Surrogat der erstem betrachtet. -- Wenn wir auch bezüglich der B a n k n o t e n die Anschauungsweise der Verwaltung nicht theilen, indem diese zu früh allgemeine Schlüsse ziehen will, so sagen wir gerade deßhalb, daß vor weitern Erfahrungen Postulate nicht entworfen oder gar Abänderungsanträge gestellt werden können. Die Eidgenossenschaft befindet sich auf dem Boden der Beobachtung der Thatsachen, wobei man aber die wichtige Regel nicht vergessen darf: post hoc at non propter hoc.

Bezüglich der M ü n z e n steht die Gegenwart vor mehreren Fragen, die in kurzer Zeit zu einem Entscheide drängen.

a. Auf nächsten 1. Januar wird die sog. lateinische M ü n z k o n v e n t i o n vom 5. Mai 1878 (ursprünglich 23. Dezember 1865) kündbar, und es wird sich fragen, ob die Schweiz, als einer der mitkontrahirenden Staaten, künden und welche Aenderungen die Schweiz verlangen werde und müsse. Wir weisen darauf hin, daß bei diesem Anlaß b. der Rückzug der wegen Abnutzung minderwerthigen französischen silbernen Fünffrankenthaler geordnet werden sollte.

Es ist vor Jahren schon darauf aufmerksam gemacht worden, daß sich die Schweiz in einer sog. hinkenden Münzwährung befinde.

Aber ganz gefährlich wird es, wenn eines der circulirenden Metalle sieh noch in ungenügender Qualität vorfindet. Dieses ist bei den erwähnten Silbermünzen der Fall. Thatsächlich weiß sich die eidgenössische Verwaltung als solche zu behelfen, indem sie sieh einen Abfluß verschafft hat. Allein wie viele französische Silbermünzen circuliren im Verkehre der Schweiz, die nie in den Kanal der eidgenössischen Verwaltung gelangen? Aber gerade dieser Verkehr, noch mehr als der staatliche, ist bei der Währung betheiligt.

c. Gleichzeitig muß auch dafür gesorgt werden, daß der M a n g e l an S i l b e r s c h e i d e m ü n z e , worüber auf Seite 390 wiederum mit Recht geklagt wird, beseitigt werde. Die Konüngentirung auf 6 Franken per Kopf der Bevölkerung ist schoü seit Jahren als ungenügend erkannt worden. Das deutsche Reichsgesetz bewilligt mit 10 Mark mehr als das Doppelte; die im Geschäftsberichte (392) erwähnte Aushülfe von Seite Frankreichs befriedigt uns nicht; wir erblicken vielmehr in derselben eine Beeinträchtigung des eigenen Münzregals.

Schon die Lektüre des Geschäftsberichtes beweist es, daß alle diese Verhältnisse von der Verwaltung wahrgenommen werden ;

958 noch mehr hat uns eine Besprechung mit dem Vorsteher des Deparlementes überzeugt, daß ernsthafte Studien sollen gemacht und in nützlicher Frist dienliche Vorkehrungen angebahnt werden ; wir enthalten uns deßhalb, ein Postulat zu beantragen.

3. Die Disponibilitäten der Staatskasse. Während die vorigen (2) Aussetzungen durch internationale Vereinbarungen in erster Linie geordnet werden sollten, begegnen wir hier einer Frage der internen Gesetzgebung ; die Schweiz kann und soll sich allein helfen.

Aus frühern Besprechungen mag noch erinnerlich sein, daß auf die Werthbestände, resp. die Werthschriften der eidgenössischen Staatskasse hingewiesen worden ist mit dem Bemerken, daß die inländischen Staats- und Bankobligationen, Bankdepositen und die Wechsel, so solide sie auch sein mögen, gerade in den Zeiten, in welchen die Schweiz selber in Kriegsgefahr verwickelt wäre, eine sofortige Verfügbarkeit nur in beschränkter Weise darböten, indem die Banken eben auch andern Begehren als den Rüekzahlungsbegehren von Seite der Eidgenossenschaft begegnen müssen, und daß die inländischen Staatsobligationen nur mit Einbuße auf dem Kurse verkauft werden könnten.

Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, daß eine Abhülfe getroffen werden könnte, wenn wenigstens ein Theil der verfügbaren Mittel in Schuldscheinen solcher auswärtigen Staaten angelegt würde, aus denen in Zeiten der Noth leicht Geld gezogen werden könnte. Aus mündlichen Besprechungen haben wir gesehen, daß auch dieser Frage das Finanzdepartement nicht gleichgültig gegenüber steht.

Auch dem von ihm beabsichtigten Wege, durch die Bundesversammlung selber mit einer Revision des Bundesgesetzes vom 16. Mär& 1877 über Darlehen aus eidgenössischen Fonds das Richtige beschließen zu lassen, wollen wir nicht entgegentreten, wenn auch darauf hingewiesen werden darf, daß die vorliegende spezielle Frage richtiger durch ein Spezialgesetz gelöst würde. Wir unterlassen aber auch hier die Stellung eines Postulates, um der Verwaltung vollständige Freiheit des Handelns und die Wahl des richtigen Zeitpunktes zu belassen. -- Auch ohne Postulat zu stellen, doch vom gleichen Gesichtspunkte beherrscht, auf die Disponibilität der Staatskasse zu sehen, finden wir uns bewogen, zu bemerken, daß auch für das im Monat Dezember bewilligte Anleihen an die Kantone Aargau und Zürich
Staatsobligationen dieser Kantone verlangt werden sollten, um, wenn Gelegenheit oder Nothwendigkeit dafür sich zeigen würde, dieselben wiederum abgeben zu können. Die vom Departemente bereits von den beiden Regierungen angenommenen Obligationen, die auf die jeweilen auf ein

959 bestimmtes Jahr zur Rückzahlung kommende Summe .lauten, würden dieser Auffassung nicht ganz entsprechen.

4. Zu einer besondern Besprechung haben uns mehrere Beschwerden schweizerischer Künstler Anlaß gegeben, welche sich unzufrieden darüber äußerten, daß die Zeichnungen und Gravirungen für den Stempel für die schweizerische Goldprägung, sowie auch früher für die Platten zu den Banknoten auswärts bestellt worden seien, ein Verfahren, das wenig in Uebereinstimmung mit dem in andern Ländern beachtete- ist, das seine eigene Industrie und Kunst schützt. Der Druck der Banknoten ist zwar für einmal vorbei ; wir bemerken aber, daß wir nicht sowohl von demselben, als vielmehr von den Zeichnungen sprechen wollen, so daß die Sache die gleiche ist; uns ist es auffallend vorgekommen, daß das gleiche Verfahren bei der Goldprägung sich wiederholt hat. Wir finden dasselbe besonders nach den stat.tgefundenen Vorverhandlungen mit mehreren schweizerischen Künstlern nicht gerechtfertigt ; wir finden es vielmehr für dieselben und für die Würdigung ihrer Leistungsfähigkeit von Seiten der obersten schweizerischen Vollziehungsbehörde recht beschämend, bezeichnen es als einen Uebelstand, der sich nicht wiederholen darf. Deßhalb, nicht um zu tadeln, stellen wir, die wir grundsätzlich wenig Postulate im Uebrigen beantragt haben, hier eines auf, das so lautet: ,,Der B u n d e s r a t h ist eingeladen, künftighin ,,die Z e i c h n u n g eu und G r a v i r a r b e i t e n z u S t e m p e l u ,, f ü r M ü n z e n u n d B a n k n o t e n a u f d e m Wege der ,, K o n k u r r e n z - A u s s c h r e i b u n g zu vergeben."

B. Die Zollverwaltung ist der Art angelegt und geordnet, daß der Schwerpunkt der Berichterstattung über dieselbe bei der Kommission zur Prüfung der Staatsrechnung liegt. Da sich dort zeigt, daß gegen eine Vermehrung der Roheinnahmen um mehr als IVs Million Franken die Verwaltungskosten nur um circa Fr. 80,000 sich vermehrt haben, was bewirkt, daß das prozentuale Verhältniß sich günstiger gestaltet, so kann angenommen werden, daß die Verwaltung auf dem hergebrachten gut geordneten Fuße sieh bewegt.

Die zukünftige G-estaltung derselben, sowie des ganzen Rechnungsergebnisses, wird durch die bald zum Abschluß kommende R e v i s i o n des Z o l l t a r i f e s bedingt werden. Da, wie bekannt, hiefür eine besondere Kommission besteht, auf Grundlage von deren Berichten in der gleichen Session der Bundesversammlung die Be-

960 rathungen gepflogen werden wie über den Geschäftsbericht, so halten wir es nicht am Orte, von uns aus in weitere Untersuchungen uns einzulassen; deßhalb lassen wir uns auch auf die weitere Frage nicht ein, ob nach der Revision des Zolltarifgesetzes es nicht am Orte wäre, auch das eigentliche Zollgesetz vom 27. August '1851 einer Revision zu unterziehen; wir äußern bloß die Meinung, daß es angezeigt sein wird, eine beobachtende und abwartende Stellung einzunehmen, bis die Wirkungen des neuen Zolltarifs besser beurtheilt werden können. Deßhalb und weil es beinahe voraussichtlich ist, daß die Vorkehrungen in Betreif des Grenzschutzes werden geändert werden müssen, lassen wir uns in keine Beurtheilung darüber ein, daß die Verwaltung es versucht, mit eigener Mannschaft an der Stelle gekündigter kantonaler Vereinbarungen, z. B. an der Grenze des Kantons Solothurn gegen das Elsaß hin, sich zu behelfen.

VI. Geschäftskreis des Handels- und Landwirthschaftsdepartements.

I. Förderung des Handels und des Gewerbes.

Wenn wir auch die Form der Berichterstattung des Departements nicht tadeln wollen, so müssen wir es doch als einen Mangel betrachten, daß über den schweizerischen Handels- und Industrieverein und dessen Beziehungen zum Departement Nichts gesagt ist, umsomehr als die Bezeichnung: ,,Schweizerische Handelskammer"1 doch immerhin einen offiziellen Charakter wenigstens zum Schein trägt.

H a n d e l s r e g i s t e r . Bei den großen Schwierigkeiten, die diese neue Einrichtung im Gefolge hatte, konstatiren wir mit Vergnügen, daß die bezüglichen eidgenössischen Gesetzesbestimmungen und Verordnungen fast überall in befriedigender Weise vollzogen wurden ; sieben im Berichte speziell aufgeführte Rekurse fanden nach unserer Ansicht durch das Departement ihren richtigen Entscheid.

961 H a n d e l s a m t s b l a t t . Die im Jahr 1883 auf 4300 Abonnenten angewachsene Zahl ist ein sprechender Beweis für die Zweckmäßigkeit des Unternehmens und hat eine bezügliche Umfrage bei den schweizerischen Gesandtschaften und Konsuln bis jetzt ein sehr zu.

Grünsten der bisherigen Anlage sprechendes Resultat ergeben.

K o n s u l a t s b e r i c h t e . Die mit dem Jahre 1883 eingeführteNeuerung, die Konsulatsberichte im schweizerischen Amtsblatt, statt wie bisanhin im Bundesblatt zu publiziren, hat sich praktisch bewährt, und hat namentlich auf die viel promptere Ablieferung der Berichte von Seite der Konsuln günstig eingewirkt.

II. Die s. Z. durch ein Postulat aufgeworfene Frage der E r r i c h t u n g s c h w e i z e r i s c h e r H a n d e l s k a m m e r n im Ausl a n d e wird gegenwärtig vom Departement untersucht; indessen sollen die bis dato eingelaufenen Gutachten sich gegen die Installation derartiger Institute ausgesprochen habend

III. Anstände im internationalen Handels- und Zollverkehiv Die meisten Schwierigkeiten erheben die f r a n z ö s i s c h e n Z o 11 b ü r e a u x, und es scheinen hier ganz bedeutende Willkürlichkeiten zu herrschen; die Interpretationen des Comité consultatif sind nichts weniger als unfehlbar und werden in einem künftigen Handelsverträge durch detaillirte Präzisirungen wohl umgangen werden können.

In jüngster Zeit scheint auch I t a l i e n dem französischen Beispiele folgen zu wollen.

IV. Maß und Gewicht.

Da die Kosten der alljährlichen Beschickung der M e t e r k o n f e r e n z in Paris in keinem Verhältnisse zu dem darausresultirenden Nutzen sind und die wenigen Sitzungen sich auf einen Zeitraum von circa drei Wochen erstrecken, so dürfte es für die Schweiz angezeigt sein, sich in diesem Comité international für dieZukunft nicht mehr vertreten zu lassen.

Y. Ausstellungen.

Schweizerische Landesausstellung in Zürich.

Ueber dieses nicht nuv für Zürich, sondern auch für die ganze Schweiz großartige Ereigniß war das Urtheil der Besucher und der

962 Presso ein fast ausnahmslos günstiges, und wir benutzen den Anlaß gerne, um speziell dem Departement und allen denjenigen, die sich der Ausstellung in so hervorragender Weise angenommen und durch ihr persönliches Eintreten dieselbe ermöglicht haben, unsern aufrichtigen Dank auszusprecheu.

Wir sind mit dem Berichte des Bundesrathes vollkommen einverstanden, wenn er sagt: ,,Die ausgestellten Erzeugnisse der industriellen und gewerblichen Gruppen und deren geschmackvolle und übersichtliche Au'Ordnung fanden allgemeine Anerkennung; die Reichhalligkeit der Uuterrichtsgruppe und der Kartographie, die relative Vollständigkeit der Kunstabtheilung überraschten Alle; die Eintheilung der Gebäude, die äußere Ausstattung derselben mit der zweckmäßigen Verwendung der Parkanlagen des Limmatspitzes übten auf das Publikum einen wohlthuenden Eindruck.'1' Dem heimischen Publikum hat die Ausstellung manche Ueberraschung gebracht. Daß auch Mängel zu Tage traten, ist begreiflich, und es wird hauptsächlich Aufgabe der Speziaiberichterstattung sein, dieselben aufzudecken. Ohne nun dieser Spezialberichterstattung vorzugreifen, können wir nicht umhin, hier schon einem Gefühle Ausdruck zu geben, das uns sehr unangenehm berührt und den Abschluß der sonst so glänzend verlaufenen Ausstellung wesentlich getrübt hat5 es betrifft dies die L o t t e r i e , eine Institution, die bei uns staatlich ohnehin verboten ist und nur ausnahmsweise zur Erreichung wohlthätiger Zwecke gestattet wird.

Es widerspricht dein Ernste unsers ganzen Erziehungswesens, wenn bei solchen Anläßen das Volk von Oben herab eingeladen wird, auf dem Wege des Zufalles und an deç Hand des Glücksrades sich Schätze su sammeln, deren Besitz für den Gewinner unter Umständen von sehr fraglichem Werthe ist. Wir halten deßhalb dafür, daß eine eidgenössische Subvention derartiger Unternehmungen inskünftig an die Bedingung geknüpft sein solle, daß eine nachträgliche Verloosung nicht stattfinden dürfe.

Tl. Yollzug des Bundesgesetzes betreffend die Arbeit in den Fabriken. Haftpflicht aus Fabrikbetrieb.

Der Rechenschaftsbericht konstatirt, daß die Anwendung des Gesetzes von Jahr zu Jahr besser vor sich gehe und das Gesetz vom Publikum mehr und mehr rezipirt werde. Diese Wahrnehmung ist auch nach unseren Erfahrungen im Großen und Ganzen richtig, und wir erlauben uns beizufügen, daß die erfreuliche Erscheinung

963 wohl zum großen Theil der verständigen und taktvollen Amtsführung der bisherigen Fabrikinspektoren zuzuschreiben ist. Wir möchten diese Bundesbeamten ermuntern, auf dem begonnenen Wege, im Dienst der Humanität, fortzuschreiten.

Lediglich der Normalarbeitstag für E r w a c h s e n e stößt noch vielerorts auf Opposition. Für gewisse Industrien ist er unbedingt nothwendig, so für die Spinnereien und Webereien; während die Frage für andere Industriezweige, z. B. für die Konstruktionswerkstätten, zur Stunde noch eine offene genannt werden muß. Wir wünschen, daß der Bundesrath in einem der nächsten Jahresberichte' seine diesfälligen Erfahrungen und Anschauungen wiedergeben möchte, und daß inzwischen strenge auf die Beobachtung der Vorschriften des Gesetzes gehalten werde, insbesondere gegenüber der Freigebigkeit der kantonalen Behörden in der Bewilligung von Arbeitszeitverlängerungen.

Im Anschluß an die Besprechung des allgemeinen Fabrikgesetzes gestatten wir uns einige Bemerkungen hinsichtlich des F a b r i k h a f t p f l i c h t g e s e t z e s vom 25. Juni 1881.

Leider kann nicht konstatirt werden, daß sich d i e s e s Gesetz allgemeiner Anerkennung erfreue. Die Arbeitgeber empfinden es nämlich noch fast durchgängig als eine Ungerechtigkeit, daß ihnen hier etwas zur P f l i c h t gemacht wird, was früher höchstens als Gebot der P h i l a n t h r o p i e geübt wurde. Nachdem das neue Gesetz die Entsehädigiingspflicht sehr eingeschränkt hat, wäre zu erwarten gewesen, daß die Wehklagen der Arbeitgeber verstummen würden. Insbesondere sind die Beschwerden über die zu large Rechtsprechung der Gerichte nach den uns gewordenen Aufschlüssen ungerechtfertigt. -- Wenn Etwas die Kritik herausfordert, so ist es die bedauernswerthe Thatsache, daß die Unfallversicherungsgesellsehaften, denen der belangte Arbeitgeber nach Maßgabe des Versicherungsvertrags die Anerkennung oder Bestreitung der Entschädigungsansprüche überläßt, zu viel prozessiren und nicht dafür gesorgt ist, daß der verletzte Arbeiter oder die Hinterlassenen des getödteten Arbeiters ihre Ansprüche wirksam und ohne langen Prozeß verfolgen können.

Letzterem Uebelstand kann leicht abgeholfen werden. Die Untersuchung des Unfalls durch die Polizeibehörden sollte nämlich stets so geführt werden, daß sie dem Richter als thatsächliche Grundlage dienen
könnte und weitere thatsächliche Erhebungen im Prozesse in der Regel nicht mehr stattfinden müßten. Im Anschluß hieran heben wir den Mißbrauch hervor, daß die k l e i n e r e n Unfälle, welche natürlich die große Mehrzahl bilden, in der Regel ganz von den Krankenkassen getragen werden, während das Gesetz den Herbeizug der Krankenkassen nur nach Maßgabe der Beiträge der Bundesblatt. 36. Jahrg. Bd. II.

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964

Arbeitgeber an dieselben gestattet. Wir möchten die Aufmerksamkeit des Departements auf diese Uebelstände lenken, damit auf administrativem Wege Abhülfe geschaffen werde.

Die Kommission hat die Instruktion für die Fabrikinspektoren,, vom 18. Juni v. J., geprüft und ist mit derselben einverstanden. Ein Mitglied behält sieh vor, den Entscheid, wonach die Ateliers d'horlogerie mit Transmissionen und mindestens fünf Arbeitern als Fabriken zu betrachten seien, im Schoß des Nationalraths zu kritisiren. Schließlich nimmt die Kommission davon Vormerk, daß sich das Departement gegenwärtig mit der äußerst schwierigen Frage der Ausführung, resp. Revision von Art. 5, lit. d des Fabrikund von Art. 3 des Fabrikhaftpfliehtgesetzes (Berufskrankheiten) beschäftigt.

TIT. Gewerbliches, literarisches und künstlerisches Eigenthum.

Das Amt für Fabrik- und Handelsmarken funktionirt in Ordnung, und die Register sind regelrecht nachgeführt. In Betreff dea Erfindungsschutzes und der Union zum Schutz des literarischen und künstlerischen Eigenthums möchten wir dem Departement das altehrwürdige ,,Festina lentea empfehlen. Die Vollziehungsverordnung zum Gesetz betr. das Urheberrecht an Werken der Literatur und Kunst, d. d. 28. Dez. 1883, haben wir geprüft und richtig gefunden.

Eigenthümlicher Weise ist bis jetzt von der Fakultät der Einschreibung noch nahezu kein Gebrauch gemacht worden.

YD!. «Yersicherungswesen.

Der Entwurf eines Gesetzes betr. das Versicherungswesen ist nun vollendet, unterliegt noch der Schlußbevathung durch die vom Departement bestellte Kommission, welche eine jedenfalls ausreichende Anzahl von Interessirten in ihrer Mitte birgt und kann in der Dezembersession von den eidg. Käthen behandelt werden.

IX. Landwirthschaft.

Pferdezucht.

Die Beiträge des Bundes werden im Ganzen zweckmäßig und erfolgreich verwendet. Zu bedauern ist, daß die Anstrengungen mehrerer Kantone im Rückgange sein sollen. Ohne Mitwirkung der

965 Kantone geht die Hebung der Pferdezucht zu langsam vor sich.

Die Beschaffung vorzüglicher Zuchtthiere ist noch ungenügend. Die Sprunggelder bei vorzüglichen Hengsten sollten herabgesetzt werden.

Wir erwarten, das Departement werde seine Verwendung bei den Kantonen, zum Zwecke vermehrter Leistungen der letztern, eintreten lassen.

Mit Rücksicht auf das erfolgreiche Vorgehen in einem Kanton möchte es am Platze sein, die Frage zu untersuchen, ob nicht der Bund für die Produkte ausgewählter und als geeignet anerkannter Xuchtstuten Prämien auswerfen solle, welche von vorzüglichen importirten Hengsten gedeckt wurden.

Bei Prämirung von Thieren des Pferdegeschlechts empfiehlt sich das bezüglich der Zuchtstiere befolgte Verfahren, die Prämien nicht theilweise zum Voraus zu bezahlen, sondern erst dann, wenn der Eigenthümer durch ein zuverläßiges Zeugniß die Erfüllung seiner eingegangenen Verpflichtungen nachgewiesen hat. Durch dieses Verfahren werden unangenehme, oft erfolglose Rückforderungen, Betreibungen etc. vermieden.

Landwirtschaftliche Vereine.

Die Thätigkeit der Vereine, welche in der Schweiz erfolgreich an die Stelle besonderer Staatseinrichtungen des Auslandes treten, war im 'Jahr 1883 wiederum eine erfreuliche. Wir finden, eine angemessene Unterstützung des Bundes zur Förderung der Vereinsthätigkeit sei ein geeignetes Verfahren, um mit kleinen Mitteln schöne Erfolge zu erzielen.

Dem von den Vereinen beklagten Mangel an tüchtig gebildeten Wander- und Fachlehrern abzuhelfen, empfiehlt sich die Aussetzung von Stipendien an geeignete Kandidaten, welche vom Bunde und den Kantonen gemeinsam zu tragen wären. Es würden dadurch außerdem der landwirtschaftlichen Abtheilung des Polytechnikums mehr Schüler zugeführt.

Hebung des Futterbaues.

Die bezüglichen, vom Bunde wirksam unterstützten Bestrebungen haben im Kreise der Landwirthe viel Aufsehen und manche nützliche Anregung veranlaßt. Der national-ökonomisch sehr bedeutsamen Futterproduktion ist ein neuer Aufschwung gegeben worden.

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X. Yiehseuchenpolizei.

Im Berichtjahre hat die Maul- und Klauenseuche wiederum eine große Verbreitung erreicht. Dieses Uebel schädigt den Volkswohlstand in ganz erheblichem Maße, indem noch lange nach überstandener Krankheit sich schlimme Polgen bemerkbar machen.

Mit Rücksicht auf den Umstand, daß die Seuche sehr häufig aus umliegenden Staaten, namentlich Italien, eingeschleppt wurde, sali sich der Nationalrath veranlaßt, durch Postulat vom 30. Juni 1882 den Bundesrath einzuladen, er möchte für die Zukunft geeignete Maßnahmen gegen die seit Jahren regelmäßig wiederkehrende Biuschleppung der Maul- und Klauenseuche aus Italien nach der Schweiz treffen.

Diesem Postulate verschaffte der Bundesrath Nachachtung, indem er nicht nur eine bezügliche Uebereinkunft mit Italien abgeschlossen, sondern auch mit der österreichisch-ungarischen Regierung ein Uebereinkommen getroffen hat, das die Genehmigung der eidgenössischen Käthe erhielt.

Wir können uns aber nicht verhehlen, daß im Innern der Schweiz noch viele Verstöße gegen die bestehenden Vorschriften betreffend Thierseuchen vorkommen. Bei der viehzuchttreibenden Bevölkerung, namentlich des Hochgebirges, existirt theilweise noch eine grenzenlose Sorglosigkeit in solchen Dingen, und das Gefühl großer Verantwortlichkeit bei veranlaßter Weiterverbreitung einer Thierseuche ist noch nicht genügend in das Volksbewußtsein gedrungen. Zudem wird in Schuldfällen die Entschädigungspflicht zu wenig geltend gemacht. Wir empfehlen auch fernerhin, dieser Sache die größte Aufmerksamkeit zuwenden und zugleich den auf wissenschaftlicher Basis ruhenden Bestrebungen zur Bekämpfung von Thierseuchen im Auslande folgen zu wollen.

XL Forstwesen.

Bei der großen Zahl Verbauungen von Lawinen, Erdschlipfen, Steinschlägen und Regulirung kleiner Wildbäche, an welche der Bund Beiträge leistet, muß letzterer sowohl auf eine sachkundige Leitung als auf eine Vermeidung überflüssiger Kosten großes Gewicht legen. Das Gesuch des schweizerischen Forstvereins: es möchte an der Forstschule des Polytechnikums ein entsprechender Unterricht, zunächst für Forstmänner, ertheilt werden -- verdient Berücksichtigung.

Mit Befriedigung nehmen wir Akt von der erfolgten Ausscheidung der Schutzwaldungen im ganzen eidgenössischen Forst-

967 gebiet, wodurch wieder eine der Vorschriften des Bundesgesetzes über die Forstpolizei im Hochgebirge zum Vollzuge gelangt ist.

Mit der vorgeschriebenen Ausscheidung von Wald und Weide, der Vermarchung und Vermessung der Waldungen, sowie mit der Aufstellung von Wirthschaftsplänen geht es etwas langsam vorwärts. Die Kommission verkennt nicht, daß sich der Ausführung dieser Arbeiten große Schwierigkeiten entgegenstellen.

Auf der andern Seite darf die Ausführung des Bundesgesetzes nicht zu sehr verzögert werden, wenn dieses Gesetz seine wohlthätige Wirkung ausüben soll. Es wird deßhalb ein etwas rascheres Vorgehen erwartet.

XII. Jagd.

Die Wiederüffnung der Freiberge zur Jagd, wie sie gegenwärtig praktizirt wird, hat eine starke Vernichtung des Grewildes zur Folge. Es empfiehlt sich, größere Freiberge zu schaffen, welche in drei Theile zerfallen würden. Der zentrale Theil müßte doppelt so lang im Bann bleiben, als die äußern Theile, so daß das Wild sich in einen geschützten Bezirk flüchten könnte, ohne den Freiberg zu verlassen.

In neuerer Zeit werden begründete Klagen laut, daß sich unter der Herrschaft des Bundesgesetzes über die Jagd das Raubwild, insbesondere auch die den nützlichen Vögeln und ihren Brüten nachstellenden Vögel auffallend vermehren, theils weil einige Kantone sich nur um den fiskalischen Theil des Jagdwesens kümmern, theils \veil die Bevölkerung aus Unkenntniß des Gesetzes sich nicht getraut, auf die betreffenden Thiere Jagd zu machen oder hierin durch das Gesetz zu sehr eingeschränkt ist. Wir geben uns der Hoffnung hin, das Departement werde diesen Klagen seine Aufmerksamkeit schenken und Mittel zur Abhülfe in Aussicht nehmen.

XIII. Fischerei.

Mit Befriedigung nehmen wir wahr, daß sich der Bund des Fischereiwesens ernstlieh annimmt. Dagegen können wir unser Erstaunen nicht unterdrücken, wie wenig oder gar nichts einzelne Kantone iu diesem Gebiete leisten und wie lax sie die gesetzlichen Bestimmungen handhaben. Es scheint bei ihnen das nöthige Interesse an der Sache wie auch das Verständniß dafür zu fehlen.

Um so mehr drängt sich dem Bunde die Pflicht auf, seine thunliche Verwendung bei den Kantonen eintreten zu lassen, damit das

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Fischereiwesen in der Schweiz wieder einen befriedigenden Stand erreicht. Sachkundige Vorschläge der Bundesbehörden an die Kautone würden, wie wir hoffen, bei letztern Eingang finden.

XIY. Auswanderungswesen.

Das Postulat vom 9. Juli 1883 betreffend Hebung von Uebelständen bei den Agenturen harrt noch auf Erledigung.

VII. Geschäftskreis des Post- und Eisenbahndepartements.

A. Postverwaltung.

Die folgenden wenigen Bemerkungen beruhen meistens auf früheren Anregungen und ihren nunmehrigen Ausführungen.

Die R e f o r m betreffend die Vereinnahmung des W e r t h Z e i c h e n e r t r a g e s ist rasch und nahezu gänzlich durchgeführt worden. Wie im Vorjahr 1882 in drei Postkreisen, so geschah es im Rechnungsjahr in vier solchen, und zwar in einem Betrage von Fr. 518,500, statt dem Büdgetansate von Fr. 350,000. Am 30. Juni 1882 wiesen die Werthzeichen bei den einzelnen Postkreisen einen Bestand von Fr. 1,397,699. 59 aus; seither ist eine wirkliehe Rückvergütung erfolgt im Betrage von Fr. 1,210,086. 07, demnach rückständig Fr. 187,613. 52. Dieser Rückstand soll nach uns gegebenen Aufschlüssen im Laufe dieses Jahres völlig ausgeglichen werden.

Der bundesräthliche Geschäftsbericht macht darauf aufmerksam, daß zwar der Reinertrag der Postverwaltung den Voranschlag um einige tausend Franken überrage, jedoch gegenüber dem Vorjahre eine Verminderung von Fr. 362,190. 30 ausweise, allerdings inbegriffen eine Mehrverwendung von Fr. 241,669. 72 für die Reform der Werthzeichenkomptabilität, wodurch der Ausfall auf Fr. 120,520.58 zurückgeführt erscheint.

969 Durch die Vorlage eines neuen P o s t t a x e n g e s e t z e s ist der Bundesrath zur Ausführung der Postulate Nr. 299, ,,erhöhte Taxen bei Alpenkursen", und Nr. 301, ,,Wiederaufnahme der Revision des Posttaxengesetzes von 1876e1, geschritten. Der nachgewiesene Rückgang des Reinertrages der Posten aus den letzten Jahren und die hervortretende Tendenz bei der Berathung des erwähnten Gesetzesvorschlages, die Bundeseinnahmen aus dem Postregal durch gesetzliche Bestimmungen zu schmälern, mögen die Bemerkung rechtfertigen, daß die Bundesvervvaltung vor wenigen Jahren vor die heikle Frage gestellt war, wie das Gleichgewicht in den Bundesfinanzen wieder hergestellt werden könne, ohne zu dem un volkstümlichen Mittel der unmittelbaren Besteuerung der Kantone, resp. des Schweizervolkes greifen zu müssen. Das Antreiben der Zollschraube und eine rationelle Einschränkung der Ausgaben, speziell in der Militärverwaltung, führten vorübergehend zur Lösung der Frage. Die Erinnerung an diese Vorgänge und Thatsachen lassen es uns räthlich und geboten erscheinen, bei diesem Anlaße auf die Folgen der Revision des.

Posttaxengesetzes hinzuweisen. Nach einer zuverläßigen Zusammenstellung erwüchse der Eidgenossenschaft aus dem neuen Posttaxengesetze, wie es aus der ersten Berathung des Nationalrathes hervorging, ein jährlicher Ausfall von Fr. 516,200 (ohne Portofreiheit), und zwar in Folge der Ausdehnung der einfachen Brieftaxe bis auf 250 g Fr. 113,700 Ermäßigung der Waarenmustertaxe (von 10 auf 5 Cts. über 50 bis 250 g., von 15 auf 10 Cts. über 250 bis 500 g.)

,, 21,000 Herabsetzung der Rekommandationsgebühr von 20 auf 10 Cts ,, 94,000 Reduktion der Abonnementsgebühr .

.

,, 12,000 Gewichtstaxen für Fahrpoststücke .

.

,, 206,000 Werthtaxe der bisherigen Stücke über Fr. 1000 ,, 23,500 Geldanweisungstaxen .

.

.

.

.

,, 128,000 Passagiertaxen auf Alpenstraßen ,, 6,000 während die muthmaßlichen Erhöhungen für Drucksachen über 500 bis 1000 g., Werthtaxe bis Fr. 100 und Deklarirungszwang nicht höher als auf Fr. 88,000 berechnet werden.

Wie verlautet, soll die ständeräthliche Kommission die Belassung des Fahrpost-Lokalrayons beantragen, wodurch ein weiterer Ausfall von Fr. 207,200 verursacht würde, und demnach der jährliche Ausfall aus dem Posterträgniß die bedeutende Höhe von Fr. 723,400 erreichen müßte. Die Frage wäre in der That einer

970 ernstlichen Prüfung werth, ob sich die systematische Unterdrückung der mittelbaren Einnahmen des Bundes bei der steten Zunahme der Anforderungen an seine Leistungsfähigkeit rechtfertige, und dies in einer Zeit, in welcher die kantonalen Verwaltungen ängstlich bemüht sind, Quellen für mittelbare Einnahmen zu suchen und zu öffnen, um die allzu drückenden unmittelbaren Einnahmen ermäßigen zu können.

Das Postulat Nr. 146, ,,Frage der Erhebung von W e c h s e l p r o t e s t e n durch die Postverwaltunga (vom 21. Februar 1878}, fand auch im Berichtjahre noch nicht seine Erledigung, aus dem uns mündlich mitgetheilten Grunde, weil eine in Aussicht genommene Mitberathuug und Verständigung zwischen dem Post- und dem Justizdepartement noch nicht zum Ziele geführt habe. Das Justizdepartement trage Bedenken, eine solche Neuerung auf einem andern als dem Gesetzgebungswege einzuführen, wobei weniger fiskalische Interessen, als Opportunitätsrücksichten maßgebend wären.

Es wäre nicht bloß zu hoffen, sondern zu wünschen, daß diese Pendenz im Laufe dieses Jahres in irgend einer Weise zur Bereinigung gelangen möchte.

Mit der Zeit trat ein großes Mißverhältniß ein zwischen der von der Postverwaltung an die Bisenbahnen für den Transport der Fahrpoststücke über 5 kg. zu leistenden Entschädigung (im Jahre 1883 Fr. 186,265) und der effektiven Leistung der Eisenbahnen, welche nach den mit Eücksicht auf die Revision des Posttaxengesetzes gemachten Erhebungen bedeutend abgenommen haben.

Nach dem Vertrage zwischen der schweizerischen Postverwaltung und den Verwaltungen der schweizerischen Eisenbahnkonferenz, betreffend d i e B e z i e h u n g e n d e r E i s e n b a h n e n z u m P o s t d i e n s t , vom 4. März 1879, partizipirten die Eisenbahnen mit 5 °/o an dem Ertrage des Verkehrs, welcher durch den Abschluß des internationalen Vertrages vom 3. November 1880 über internationale Postsendungen von Stücken bis auf 3 kg. neu eingeführt worden ist, von welcher Theilnahme die Bahnen nach dem Eisenbahngesetze vom 23. Dezember 1872, Art. 19, ausgeschlossen sein sollten. Diese Umstände veranlaßten den Bundesrath zur Kündung des Vertrages vom 4. März 1879 auf 1. Januar 1884.

Der neue Vertrag soll inzwischen bereits zum Abschlüsse gelangt und in demselben vorgesehen sein, daß die von der Postverwaltung den kontrahirenden
Bahnverwaltungen vom 1. Januar 1884 an für den Transport der Fahrpoststücke über o kg. Gewicht zu bezahlende Entschädigung später festgesetzt würde.

Die Spezialrechnung über die U n f a l l e n t s c h ä d i g u n g e n d e s . P o s t p e r s o n a l s weist für das Jahr 1883 abermals eine

971

Vermögensvermehrung von Fr. 5202. 70 aus und erzeigt einen Gesammt-Aktivsaldo von Fr. 48,955. 35. Diese Kasse beruht auf einer Verordnung vom 29. September 1876, betreffend Ausrichtung von Entschädigungen bei Unfällen des Postpersonals auf Dienstfahrten, und wird nach § 9 derselben lediglich durch den jährlichen Beitrag von Fr. 8000 aus der Bundeskasse alimentirt. Wir sind weit entfernt, die Zweckmäßigkeit dieser Einrichtung zu bezweifeln.

Bei der Prosperität der Kasse sah sich der Bundesrath schon im Jahr 1881 zu einer Revision der erwähnten Verordnung im Sinne der Ausdehnung der Unterstützungsberechtigung der Unfälledes Postp e r s o n a l s im D i e n s t e , statt bloß auf Dienstfähigen, veranlaßt.

Dennoch kamen im Rechnungsjahre nur Fr. 4690 zur Ausrichtung an 47 Bezugsberechtigte, also bloß Fr. 100 auf den Unfall. Es ließe sich hier die Anregung machen, ob nicht zur Aeufnung der Kasse und in Folge dessen zur Ermöglichung einer noch weitern Ausdehnung der Unterstützungen nach Qualität und Quantität die Antheilberechtigten zu einer mäßigen Leistung an dieselbe herbeigezogen werden könnten.

Wir begreifen gerne, daß der Bundesrath über die nun vollzogene G r ü n d u n g d e s B ü r g s c h a f t s v e r e i n s u n t e r eidg.

B e a m t e n und A n g e s t e l l t e n seine große Befriedigung konstatirt, denn es ist nie eine angenehme Aufgabe, Schadenersatzklagen für erlittene Schädigungen aus dem Titel der Untreue, der Pahrläßigkeit u. dgl. bei Personen zur Geltung zu bringen, denen keine andere Schuld zur Last fällt, als daß sie gutmüthig genug gewesen, für Leute persönliche Bürgschaft zu leisten, welche sich des Vertrauens unwürdig erweisen. Aber auch jene sind zu beglückwünschen, welche mittelst dieser neuen Schöpfung -- aus eigener, freier Initiative hervorgegangen -- außer den Nothstand gesetzt wurden, Personalbürgschaften aufzusuchen oder solche zu leisten.

Es ist dieses Institut auch aus einem wesentlich materiellen Gesichtspunkte noch zu begrüßen. Wenn schon die Aufnahme in den Post- und Telegraphendienst von einer starken Zahl Interessirter geprüft und kontrolirt wird, so wird aus dem gleichen Grunde des persönlichen Interesses diese Uebervvachung der Diensttreue und Pflichterfüllung jedes einzelnen Beamten und Angestellten im nicht geringern Interesse der Postverwaltung und des
eidgenössischen Fiskus fortgesetzt und eine immer intensivere Gestalt annehmen.

Die Zeitgemäßheit und Zweckmäßigkeit dieser Anstalt läßt sich nicht bestreiten. Es könnte sich nur fragen, ob solche Einrichtungen nicht in die Form eines allgemein geltenden Gesetzes über das Bürgschaftswesen bei Beamten und Angestellten überhaupt gebracht werden sollten, welcher Gedanke im Postulat Nr. 292 (Kautionen bei verschiedenen Departementen, vom 11. Dezember 1882) zwar

972 Ausdruck, aber noch keine gründliche Lösung gefunden hat. Laut den Statuten dieses Amtsbürgschaftsvereins wird auf gestelltes Begehren jeder Beamte und Angestellte der eidgenössischen Verwaltung, dessen Amtsbürgschaftssumme Fr. 6000 nicht tibersteigt und der im Besitze eines offiziellen Anstellungsaktes ist, in den Verein aufgenommen.

Nach Artikel 8 übernimmt der Verein für alle seine Mitglieder d i e s o l i d a r i s c h e B ü r g s c h a f t f ü r i h r e A m t s p f l i c h t e n gegenüber der eidgenössischen Verwaltung nach den jeweilen bestehenden Vorschriften , dermalen nach dem Formular einer Bürgschaftsverpflichtung, wie sie durch die Verwaltung festgesetzt worden ist. Jedes Mitglied des Vereins ist verpflichtet, die darin ausgesprochene solidarische Verbindlichkeit unweigerlich anzuerkennen. Im Weitern setzen die Statuten fest, daß die Mitglieder, für welche der Verein aus dem Titel der Amtspflichtversäumniß aufkommen mußte, vollen Ersatz saramt dem Zins zu 5 °/o zu leisten haben. Zur Deckung der übernommenen Verbindlichkeit erhebt der Verein von jedem Mitglied eine Jahresprämie von Fr. 2 vom Tausend der zu leistenden Burgschaftssumme, welcher Betrag an (1er Besoldung abgezogen wird. (Selbstverständlich haftet dem eidgenössischen Fiskus nebenbei für die Schädigung aus dem Titel der Amtsbürgschaftspflicht die verfallende Besoldung der sämmtlichen Vereinsmitglieder, welche vierteljährlich in die Hunderttausende von Franken geht.) Jedes Mitglied hat die Statuten mit der wörtlichen Erklärung zu unterzeichnen : ,,Gegenwärtige Statuten eingesehen und in allen Theilen als für sich rechtsverbindlich angenommen zu haben, bescheinigt das in den schweizerischen Amtsbürgschaftsverein aufgenommene Mitglied N. N.K Der eidgenössischen Verwaltung steht es z u , das mit dem Verein bestehende Bürgschaftsverhältniß aufzulösen und die Mitglieder zuv Leistung der Bürgschaft in einer andern Weise zu verhalten. Nach einer Verordnung des Bundesrathes vom 21. August 1883, betreffend die Amtsbürgschaften des Post- und Telegraphenpersonals, bewegen sich die Ansätze der Amtsbürgschaftsbeträge .zwischen 1000 bis 6000 Franken, mit alleiniger Ausnahme der Kreispostkassiere, welche eine erheblich größere Kaution zu leisten pflichtig und daher auch von der Aufnahme in den AmtsbürgSchaftsverein ausgeschlossen sind. Eine
weitere Verordnung vom 15. Oktober gleichen Jahres enthält die nöthigen Vollziehuugsmaßregeln. Daß diese Vereinigung mit einer Mitgliedschaft von 4988 Theilnehmern und mit einer Bürgschaftssumme von Fr. 15,929,000 sofort in's Leben treten konnte , scheint am besten für ihre Zeitgemäßheit und Vortheilhaftigkeit zu zeugen.

973 Das I n s p e k t i o n s w e s e n , seit dem Jahre 1871 eingeführt , geht seinen geregelten Gang, und zwar nicht ohne gute Wirkung. Die entdeckten Unregelmäßigkeiten, Mängel und Ausschreitungen finden ihre verdiente Ahndung durch Verwarnungen, Geldbußen, Einstellungen, Dienstentlassungen und in den gravirendsten Fällen überdies durch gerichtliche Strafeinleitungen.

Aus dem sich jährlich wiederholenden Rückgang der Einnahmen aus dem Postregal nahm der Bundesrath wohl gerechtfertigte Veranlaßung, die sämmtlichen P o s t f ü h r u n g s v e r t r ä g e einer besondern P r ü f u n g zu unterziehen und durch den Abschluß neuer Verträge mancherlei Mängel zu beseitigen, einerseits die Erträgnisse zu mehren und anderseits die Kurskosten zu reduziren, oder auch, wo das Bedürfniß und die Verhältnisse es erheischten, dieselben zu erhöhen. Bei diesem Anlaße berühren wir einen Uebelstand, welchem ebenfalls auf dem Wege erweiterter Inspektion abgeholfen werden sollte, nämlich die noch häufig vorkommende, früher sprichwörtlich gewesene Thierquälerei im Dienste der Post, resp. der Postführung. Die Abgebote bei Postführungssubmissionen scheinen häufig auf Kosten der armen Thiere zu geschehen.

Die Klagen über den Zustand des Postgebäudes in St. G a l l e n sind in Folge der bekannten Beschlüsse der Bundesversammlung, vom 15./20. März abhin zum Schweigen gebracht.

B. Telegraphenverwaltung.

Der bundesräthliche Geschäftsbericht so wenig als die Protokolle des Bundesrathes bieten Ihrer Kommission besondern Stoff zu Aushebungen oder Anregungen. Wenn der Ertrag der internen Telegramme eine bemerkenswerthe Verminderung ausweist und auf der andern Seite die Ausgaben in diesem wie in andern Verwaltungszweigen immer größere Dimensionen annehmen, so dürfte bei der periodischen Wiederersetzung alter Leitungen , im Besondern der Telegraphenstangen, und in Ausführung daheriger grundsätzlicher Anleitung schon etwas rücksichtsvoller gegen die schablonenmäßige Beseitigung alles bestehenden altern , aber nichts desto weniger häufig noch dauerhaften und brauchbaren Materials verfahren werden, als es beispielsweise etwa durch Dienstpersonal zu geschehen pflegt, welches den Befehl zu wörtlich auffaßt, daß nach Ablauf einer bestimmten Zeitperiode sämmtliche Stangen ohne Unterschied ihres Zustandes durch neue zu ersetzen seien.

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Neben dem Telegraphenwesen, das sich in einem gewissen Geleise der Vollendung und deßhalb im Stadium des Stillstandes bewegt , ist die T e l e p h o n i e in den Vordergrund getreten und nimmt die Thätigkeit der Verwaltungsorgane und die öffentliche Aufmerksamkeit immer mehr in Anspruch. Dieselbe steht mit der Télégraphie in so engem Verband und Wechselverkehr, daß Jedermann leicht begreift, wie der Bundesrath in kurzer Zeit dazu gekommen ist, die mit Schlußnahme vom 20. Juli 1880 an eine Privatfirma auf 20 Jahre hinaus ertheilte Konzession für Erstellung und Betrieb eines Telephonnetzes in der Stadt Zürich und den Ausgemeinden anläßlich des Kouzessionsüberganges von der ursprünglichen Firma an eine sogenannte Telephongesellschaft in dem Sinne zu beschränken, daß die Dauer der Konzession auf 5 Jahre vom 1. Januar 1881 an reduzirt wurde, so daß dieselbe mit dem Jahre 1885 zu Ende gehen wird und auf diese Zeit die Eidgenossenschaft das Recht auszuüben berechtigt ist, das ganze Telephonnetz, wie es sich auf Grundlage der ertheilten Konzession entwickelt hat, in eigenen Betrieb und Rechnung zu übernehmen. Unter Hiuvveisung auf das Postulat Nr. 318 vom 13. Dezember 1883 , welches den Bundesrath einladet, die O r g a n i s a t i o n des Telephornveaens, sowie die Stellung, Besoldung und Aufgabe der Telephonbeamten definitiv zu regeln, können wir füglich davon Umgang nehmen, uns hierorts in eine nähere Erörterung der Angelegenheit einzulassen, weil die hierüber gewaltete Korrespondenz in den Bereich der nächstjährigen Berichterstattung fällt, und wir in die Verhandlungen der eidgenössischen Verwaltung nicht präjudixirlich eingreifen wollen, wohl aber die Beurtheilung al 1er Verhältnisse (Recht- und Zweckmäßigkeit) empfehlen. Daß die Bundesverwaltung das im Telephonwesen zur Verwendung kommende Material und die Apparate so viel thunlich von den inländischen Werkstätten bezieht und hiedurch die einheimische Industrie trotz einiger untergeordneter Mängel berücksichtigt hat und weiter berücksichtigt, erwähnen wir hier im Sinne der Anerkennung. Der Umstand, daß die Einnahmen und Ausgaben aus der Telephonverwaltung sieh zu Ungunsten der erstem nicht völlig decken, schließt, da man eben im Stadium der Einrichtungen sich befindet, weder etwas Beunruhigendes, noch etwas Präjudizirliches in sich.

G. Eisenbahnwesen.
Zunächst habeu wir zweier wichtiger Akte der Legislatur zu gedenken. Für das wirkliche Eisenbahnrecht wird das am 21. Dezember 1883 erlassene Bundesgesetz über das Rechnungswesen

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der Eisenbahngesellschaften u. A. auch deßhalb wichtig sein, weil es der Verwaltung bedeutende Arbeiten auferlegen wird. Die Kommission hat nicht ungerne vernommen, daß dasselbe bereits in Vollziehung begriffen ist. Viel wichtiger nach einer andern Richtung ist der Entschluß und Beschluß vom 24. April 1883 gewesen, vom kouzessionsmäßigen Rückkaufe für die erste Periode keinen Gebrauch machen zu wollen. Wenn aber von Einigen an diesen Beschluß die Ansicht geknüpft wird, daß gerade deßhalb den Gesellschaften gegenüber gewisse Begehrlichkeiten gestellt werden dürfen, so theilt die Kommission dieselbe nicht, sondern sie bewegt sich durchaus auf dem Boden des positiven Rechtes und gewärtigt deßhalb zuerst die mit Postulat (Nr. 306) vom 29. Juni 1883 verlaugten Vorlagen über die in g l e i c h f ö r m i g e r Weise zu erstellenden Rechnungen der Gesellschaften; dieselben dürften sich übrigens an der Hand des oben erwähnten Gesetzes fast von selbst ergeben. Der weitem noch pendenten Postulate Nr. 300 (Motion Zschokke : Reformtarif) und Nr. 303 (Motion Cramer-Frey : Nachtzüge, Tarifwesen u. s. w.i gedenken wir deßhalb sofort, weil wir nicht gerade Gesetze aus denselben gewärtigen, sondern weil durch dieselben sehr wichtige Fragen besonders und durch besondere Kommissionen untersucht werden sollen, weßhalb wir deren Behandlung hierorts unterlassen zu dürfen glauben. Daß übrigens die Berathung gerade jetzt erfolgen wird, begrüßen wir um so mehr, als damit die begründeten Petitionen, die zur Zeit der Berathung der Revision des Zolltarifes vielseitig eingegeben worden sind, Berücksichtigung finden können. Denn es ist nicht zu leugnen, daß die Tarife für die schweizerische Industrie auf der Konkurrenz des Weltmarktes zur Lebensfrage werden dürften; ist die Schweiz ja gerade bezüglichder Rohstoffe und der Steinkohlen ungünstig gestellt.

In Grewärtigung der daherigen Vorlagen, die nach dem Gesetze über das Rechnungswesen die Präponderanz auf diesem Gebiete der Verwaltung behaupten können, berühren wir in Folgendem nur diejenigen Punkte, welche zu besondern Aussetzungen und Wünschen in unserer Mitte Veranlassung gegeben haben. IQ der Reihenfolge des Berichtes begegnen wir : a. A. 4. I n t e r n a t i o n a l e V e r h ä l t n i s s e . Mit dem Bundesrath spricht die Kommission ihr Bedauern über die Verzögerung
der Eröffnung der Eisenbahnstrecke beim Col des Roches um so mehr aus, als beim Bestehen eines förmlichen Vertrages mit der französischen Regierung man die Erfüllung desselben um so mehr hätte erwarten können, als die Schweiz ihrerseits abgeschlossene Verträge, auch wenn sie für sie ungünstig sind, gewissenhaft zu erfüllen pflegt. In der Verzögerung liegt von Seite Frankreichs eine gewisse Rücksichtslosigkeit.

976 b. B. 6. K r a n k e n k a s s e n . Die s. Z. nach einem bezüglichen Postulat durch Bundesgesetz vom 21. Dezember 1883 verfügte Ausscheidung ist im Jahre 1883 noch nicht durchweg ausgeführt worden. Nach bei der Verwaltung eingegangenen Erkundigungen ist es jedoch im Jahre 1884 in befriedigender Weise geschehen; die Kommission hofft, daß es im nächsten Geschäftsberichte des Bundesrathes ausdrücklich bestätigt werde.

c. Bezüglich 7. B a h n b a u spricht die Kommission die Erwartung aus, daß die Verwaltung ihre Bemühungen für die Erstellung von D o p p e l g e l e i s e n wiederum aufnehme. Die Kommission hält dafür, daß eine Berechtigung dazu auch auf dem Boden der Konzessionen auch für den Bund um so mehr vorliege, als, wie mitgetheilt worden ist, in den Konferenzen zur Feststellung der Fahrtenpläne die Gesellschaften nur zu oft auf den Mangel von passenden Ausweichstellen sich berufen. Die Strecke Zollikofen - Herzogenbuchsee sollte jedenfalls in ganz kurzer Zeit ergänzt werden, anderer nicht zu gedenken. Wegen Mangels an Geleisen sollte keinerlei Verspätung oder anderweitige Betriebsstörung auf den Eisenbahnen der Schweiz mehr eintreten.

d. Daneben hebt die Kommission mit Befriedigung die unausgesetzte Sorgfalt, welche der K o n t r o l e des B a h n z u s t a n d e s von Seite der Verwaltung gewidmet wird, hervor. Wir erwähnen die Verordnung vom 8. September 1883 über die Obliegenheiten der Kontroiingenieure und die Verlegung der Amtssitze einiger derselben (nach Lausanne, Zürich, Luzern, St. Gallen) um so mehr, als die Wirksamkeit derselben bereits im abgelaufenen Jahre bemerkbar war. Wenn das Zusammenarbeiten mit dem Departemente dadurch nicht unterbrochen wird, was wir nicht glauben, so halten wir diese Aenderung als eine sehr gute. Die Sorgfalt selber halten wir um so mehr am Platz, als mehrere der wichtigsten Bisenbahnlinien bereits zu den altern gehören, oft übermäßig ausgenutzt worden sind und die Refektion deßhalb oft gebieterisch nothwendig wird. Unter dem Gesichtspunkte der starken Benutzung machen wir insbesondere noch aufmerksam, daß die Gotthardbahn und die bald bevorstehende Eröffnung der Arlbergbahn auf die übrigen Linien des schweizerischen Netzes ihre Wirkung haben werden.

e. Bei 8. B a h n b e t r i e b , Tarifwesen, erübrigte uns nach dem oben Gesagten nur eine einzige Prüfung, nämlieh die auf Seite 380 erwähnten Rückvergütungen oder R e f a k t i e n , wie der Eisenbahnjargon auch lautet. Die Zahl von nur 18 Anzeigen

977 erschien uns als eine zu kleine. Wir haben auf Befragen vom Departement jedoch die Antwort erhalten, daß darunter jene FrachtermäßiguQgen, welche jeweilen im Bundesblatt zur Veröffentlichung kommen, nicht inbegriffen seien. Wir haben in weiterer Besprechung mit der Verwaltung die Ueberzeugung gewonnen, daß von Seite des Bundesrathes mit Regulativen und Kreisschreiben Genügendes geleistet wird, um die in Art. 35 des Eisenbahngesetzes gewollte gleiche Behandlung zu erreichen. DieVerwaltung glaubt auch, daß sie von Seite der Gesellschaften nach Vorschrift gehörig unterrichtet werde. Unserseits wollen wir deßhalb auch durchaus keinen Zweifel aussprechen, bemerken aber, daß erst die Einsichtnahme, in die Bücher, welche das Gesetz über das Rechnungswesen vorgesehen hat, eine ungetrübte Ueberzeugung verschaffen wird.

Ueber einen allgemeinen G e t r e i d e t a r i f sagen wir deßhalbnichts, weil das Departement glaubt, in nicht zu ferner Zeit, und zwar bereits in den nächsten Monaten, einen solchen in Kraft zu sehen. Der Prüfung und Beurtheilung des Vorschlages wollen wir nicht vorgreifen, sondern sie den Betheiligten und der Geschäftsberichtskommission des nächsten Jahres überlassen.

f. Das T r a n s p o r t w e s e n (S. 381) haben wir durchaus vom Standpunkte der Erleichterungen im Verkehr aufgefaßt; wir konstatiren mit Befriedigung, daß das Departement in der gleichen Richtung handelt. Wir glauben, daß da, wo noch nicht Einklang besteht, die Gesellschaften ganz gut mit ein wenig gutem Willen sich bereitwilliger zeigen können, ohne ihre Rechte und Interessen zu gefährden. Wir beschränken uns auf nur wenige Aussetzungen.

aa. Abgesehen von den Nachtzügen, die zu Eilzügen sich gestalten werden, die aber durch die Berathung der Botschaft auf die Motion Cratner-Frey ihre Behandlung finden werden, glauben wir, daß auch für die S c h n e l l z ü g e , die nicht zur Nachtzeit ausgeführt werden, ein Wort gesprochen werden solle. Es ist gerade im Interesse der Reisenden, welche auf größere Distanzen die Bisenbahnen benutzen, daß die Verwaltungen nicht zu spärlich mit deren Einführung sind. Man muß hier aufmerksam sein, indem ja sonst die großen Unternehmungen des Gotthard und des Arlberg ihre volle Wirkung nie erreichen können und die schweizerischen Eisenbahnen in einen Zustand der Inferiorität gegenüber
den ausländischen kommen würden.

bb. D i e H e r a b m i n d e r u n g d e r V e r s p ä t u n g e n auf 0,92 % aller ausgeführten Züge haben wir gerne gesehen und.

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mögen es gerne gelten lassen, wenn das Departement dieses .Resultat den periodischen Veröffentlichungen im Bundesblatt zuschreibt: es würde wahrscheinlich noch günstiger sein, wenn bei einigen gewöhnlichen Verspätungen auf den gleichen Linien der Bundesrath von seiner Strafkompetenz Gebrauch machen würde.

cc. Es ist uns aufgefallen, daß so viele Klagen über die unfreundschaftlichen Beziehungen zwischen der Gotthardbahn und der Verwaltung der Dampfsehifffahrt auf dem Vierwaldstättersee, sei es in der Benutzung der Züge und Schiffe, sei es in Benutzung der gegenseitigen Billets, bestehen. Am Ende ist das Publikum der leidende Theil, und wir können dem Departemente nur rathen, in seinen Bestrebungen zur Erleichterung des Verkehrs fortzufahren.

dd. In der gleichen Richtung sehen wir es der Unmöglichkeit an, solche Aenderungen für Billets zu treffen, daß dieselben auf einer andern Bahn, wenn auch nicht auf der gleichen Linie, können.

nicht als ein Ding die Ausgabe von korrespoudirendeu gebraucht werden

B. Geschäftsführung des Bundesgerichtes.

Mit Schreiben vom 21. April 1882 ersuchte der Bundesrath das Bundesgericht um Mittheilung seiner Ansicht betreffend Revision des Bundesgesetzes vom 27. Juni 1874 über die Organisation der Bundesrechtspflege, insbesondere mit Bezug auf eine Abänderung der Artikel l, 8, 10 und 20 desselben im Sinne der Personalvermehrung und der Vertheilung der Geschäfte unter verschiedene Kammern.

Hiezu sah sich der Bundesrath durch die Voraussicht veranlaßt, daß das mit dem 1. Januar 1883 in Kraft tretende Obliga-

979 tionenrecht auf die Geschäfte des Bundesgerichts einen erheblichen Einfluß haben dürfte. In seinem Geschäftsberichte über das Jahr 1882 sprach sich das Bundesgericht dahin aus, es sei mit dieser Revision noch zuzuwarten, bis die Wirkungen der Anwendung des Obligationenrechts deutlicher hervortreten, und ersuchte den Bundesrath, bei den kantonalen Obergerichten statistische Angaben einzuholen über die Anzahl der Prozesse, welche mit Rücksicht auf den Wcrthbetrag des Streitgegenstandes gemäß Art. 29 des Gesetzes in den Spruchbereich des Bundesgerichts fallen könnten.

In seinem Geschäftsberichte für 1883 kommt nun das Bundesgericht auf diese Frage zurück und spricht sich für eine Revision des Gesetzes aus, zwar nicht der Artikel l, 8, 10 und 20 im Sinne einer Vermehrung des Gerichtspersonals, wohl aber der Artikel 29, 30 und 55 im Sinne einer Ausdehnung seiner Kompetenz.

Zur Unterstützung seiner Auffassung führt das Bundesgericht folgende Gründe an : Mit Rücksicht auf den Umstand, daß nur Streitfälle, welche mindestens den Betrag von dreitausend Franken erreichen, vor das Bundesgericht gezogen werden dürfen, kann das Obligationenrccht eine verschiedene Auslegung und Anwendung finden je nach dem streitigen Betrage, und es ist sogar möglich, daß das Gericht einzelne Theile des Gesetzbuches nur selten oder. nie anzuwenden haben wird.

Der gleiche Uebelstand kann eintreten bei Streitigkeiten über einen Werth von mehr als dreitausend Franken. Nach Art. 29 des Gesetzes vom 27. Juni 1874 ist der Rekurs an das Bundesgericht nur zuläßig gegen ein von der letzten kantonalen Gerichtsinstanz erlassenes Urtheil. Es gibt nun aber Kantone, wo, dem Grundsatze der Gewaltentrennung entgegen, administrative und politische Behörden über Fragen, welche unter das Obligationenrecht fallen, zu entscheiden haben. Gegenüber derartigen Entscheidungen ist das Bundesgericht machtlos, indem seine Kompetenz auf Urtheile beschränkt ist, die von der letzten kantonalen Gerichtsinstanz gefällt werden.

Andrerseits erschwert der Art. 30 die Rechtsprechung des Bundesgerichts, indem derselbe vorschreibt, daß das Gericht sein Urtheil auf Grund des von den kantonalen Gerichten festgestellten Thatbestandes zu fällen und eine Aktenvervollständigung nur dann anzuordnen habe, wenn von dem kantonalen Gerichte die Erhebung von Beweisen über bestrittene erhebliche Thatsachen verweigert worden ist. Das Bundesgericht beklagt sich, daß die Urtheile der untern Instanzen BnndesHatt. 36. Jahrg. Bd. II.

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980 oft allzu lakonisch in der Präzisirung des Thatbestandes sind, daß daher die Urtheilsfäliung in solchen Fragen, wo die juridische Seite durch die faktische beherrscht wird, erschwert ist. Das Bundesgericht wünscht infolge dessen, daß seine Befugniß, Akten Vervollständigungen anzuordnen, wo die erste Untersuchung unvollständig erscheint, durch das Gesetz erweitert werde.

Die Revision des Art. 55, betreffend Kassation der Urtheile kantonaler Gerichte über Zuwiderhandlungen gegen fiskalische Bundesgesetze, erscheint namentlich mit Rücksicht auf die seit 1874 erlassenen zahlreichen neuen, Gesetze dieser Art, wie z. B. über Fischerei, Forstpolizei, Arbeit in den Fabriken, Bahnpolizei, Schutz von Fabrik- und Handelsmarken, Auswanderungsagenturen u. s. vv., als geboten.

Die Geschäftsprüfungskommission hat mit Befriedigung sowohl aus dem Berichte des Justiz- und Polizeidepartements als aus demjenigen des Buudesgerichts ersehen, daß ein analytisches Generalregister über die seit 1875 (inklusive) erlassenen bundesgerichtlicheu Entscheide nächstens zur Veröffentlichung gelangen soll. Diese Arheit wird den Juristen wie dem Publikum überhaupt das Studium der Rechtsprechung des Bundesgerichts erleichtern.

Eine zweigliedrige Abordnung der Greschäftsprüfungskommission hat sich nach Lausanne verfügt und eine Besichtigung der Protokolle, des Archivs und der Bibliothek des Bundesgerichts vorgenommen. Diese Kontrole ist seit der neuen Gerichtsorganisation zum ersten Male ausgeübt worden.

Die Besichtigung hatte ein befriedigendes Ergebniß. Die Protokolle sind nachgeführt; sie umfassen zwei gesonderte Abtheilungen, von denen die eine die staatsrechtlichen und die andere die civilrechtlichen Rekursgegenstände enthält. Das Archiv reicht bis 1848 zurück. Der Katalog der Bibliothek vervollständigt sich alle Jahre mittels des besondern Beitrages, der im eidgenössischen Budget figurirt.

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Zusammenstellung der Anträge der Kommission.

A. Geschäftsführung des Bundesnithes.

Justiz- und Polizeidepartement.

1. Der Bimdesrath wird eingeladen, den eidgenössischen Käthen ein Gesetz vorzulegen, durch welches die Rech:e und Obliegenheiten der Bundesbehörden bei Anwendung der Fiskal- und Polizeigesetze des Bundes einheitlich geregelt werden.

Finanz- und Zolldepartement.

2. Der Bundesrath ist eingeladen, künftighin die Zeichnungen und Gravirarbeiten zu Stempeln für Münzen und Banknoten auf dem Wege der Konkurrenz-Ausschreibung|zu vergeben.

B. Im Allgemeinen.

3. Im Uebrigen wird der Geschäftsführung des Bundesrathes und des Bundesgerichtes im Jahr 1883 die Genehmigung ertheilt.

B e r n , den 14. Mai 1884.

Die Mitglieder der nationalräthlichen Kommission: Kaiser (Solothuri).

Arnold.

Brnggisser.

de Chastonay.

Comtesse.

Forrer.

Häuser.

Raschein.

Segesser.

Thoma.

Tiquerat.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der Kommission des Nationalrathes über die Geschäftsführung des Bundesrathes und des Bundesgerichtes im Jahre 1883. (Vom 14. Mai 1884.)

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1884

Année Anno Band

2

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28

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---

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31.05.1884

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931-981

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10 012 336

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