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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend eine Fristverlängerung für die Eisenbahnstrecke UrnäschAppenzell.

(Vom 9. Juni 1884.)

Tit.

Unterm 13. Mai 1884 hat der Präsident der schweizerischen Gesellschaft für Lokalbahnen das Gesuch gestellt, es möchte der Bundesrath die zur Beibringung des Finanzausweises für den Ausbau der Appenzellerbahn -- Theilstrecke Urnäsch-Appenzell -- gewährte Frist bis zum 30. April 1885 verlängern.

Indem wir Ihnen dieses Gesuch mit unserm Antrag vorlegen, gestatten wir uns. zunächst daran zu erinnern, daß die Appenzellerbahn (Winkeln-Herisau Urnäsch-Appenzell) am 23. September 1873 (Eisenbahnaktensammlung u. F. l, 184) der schweizerischen Gesellschaft für Lokalbahnen konzessionirt worden ist und daß nach Artikel 6 der Konzession die Strecke Winkeln-Herisau (4 km.)

Ins am 1. Dezember 1874 und der übrige Theil der Linie bis am 1. März 1876 in Betrieb gesetzt werden sollte. Die Eröffnung der erstgenannten Strecke fand am 12. April 1875 und die der weitern Theilstrecke Herisau-Urnäsch (1l km.) am 21. September gl. J.

statt. Mit Bezug auf die Strecke Urnäsch-Appenzell (10 km.) wurde am 31. Dezember 1875 um Fristverlängerung nachgesucht. ,,Die verfügbaren Mittel," heißt es in der Eiugabe, ,,sind aufgebraucht: um neue aufzubringen, halten die Petenten die Frist eines Jahres für nothwendig, weitere zwei Jahre für die Bauausführung (zu

167 vergleichen auch die Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, vom 10. März 1876, Bundesblatt I, S. 619). Am 21. März 1876 (Eisenbahnaktensammlung n. F. IV, 13) bewilligte die Bundesversammlung die Fristverlängerung für 3 Jahre, also bis zum 1. März 1879. Eine Frist, innert welcher der Finanzausweis zu leisten sei, und der Bau beginnen solle, wurde im Beschluß nicht angesetzt; dagegen enthält die Botschaft folgenden Passus: ,,Gemäß Artikel 29 der Verordnung zum Eisenbahogesetz vom 1. Februar 1875 werden wir nicht ermangeln, von der Gesellschaft vor der Wiederaufnahme der Arbeiten einen ergänzenden Finanzausweis zu verlangen.a Im Jahr 1877 wünschte die Regierung von Appenzell I.-Rh., daß die Gesellschaft zur beförderlichen Vorlage des Finanzausweises und der ebenfalls noch ausstehenden Baupläne eingeladen werde, und es beschloß der Bundesrath am 7. Dezember des genannten Jahres (Eisenbahnaktensammlung n. F. IV, 255), daß die letztere bis zum 1. März 1878 die vorschriftsgemäßen technischen Vorlagen einzureichen und sich zugleich über den Besitz der zur Bauausführung erforderlichen Mittel auszuweisen habe, um dann sofort nach Genehmigung der Pläne und des Finanzausweises die Arbeiten zu beginnen, in der Meinung, daß widrigenfalls mit Ablauf jener Frist die Konzession für die Eisenbahn Winkeln-Herisau-Appenzell erlöschen würde.

Dieser Androhung ist keine Folge gegeben worden, obschon der Auflage nicht nachgelebt wurde. Vielmehr hat die, Bundesversammlung unterm 29. März 1879 einem erneuerten Fristverlängerungsgeauch, und zwar nun für 6 Jahre (bis zum 1. März 1885, Eisenbahnaktensammlung n. F. V, 167) entsprochen, unbeschadet den Rechten Dritter gegen die Gesellschaft. Die Regierung des Standes Appenzell. I.-Rh. hatte nämlich Einsprache erhoben und diese, unter Betonung des allgemeinen Interesses, welches den beförderlichen Ausbau der Bahn verlange, namentlich auch darauf gestützt, daß der Kanton resp. die demselben angehörenden Interessenten der Gesellschaft bereits eine Subvention von Fr. 82,500 bezahlt haben. Wenn nicht gebaut werde, so verlange man mindestens Rückzahlung oder Sicherstellung dieser Summe, weil dieselbe nur mit Rücksicht auf die Führung der Bahn bis Appenzell gegeben ' worden sei. Der Versuch, eine Lösung auf dem letztern Boden zu finden, scheiterte an dem faktischen
Unvermögen der Gesellschaft.

Das Anerbieten, für die Fr. 82,500 ein Pfandrecht zweiten Ranges auf die im Betrieb stehende Bahnstrecke zu konstituiren, wurde von Appenzell I.-Rh. abgewiesen. Mit dem Vorbehalt der Rechte Dritter ging die Bundesversammlung über diesen privatrechtlichen Bestand

168 hinweg. Die Fristverlängerung war vom Bundesrath (Botschaften vom 29. Mai 1878, Bundesblatt II, S. 1027, und vom 20. März 1879, Bundesblatt I, S. 505) empfohlen worden, weil der Grund der Verzögerung der Bauausführung nicht in einem widerrechtlichen Verschulden der Gesellschaft liege, ein Konzessionsentzug augenscheinlich den Ausbau der Bahn nicht zu fördern vermöge und ein Staatsinteresse mit der begehrten Fristbewilligung nicht kollidire, vielmehr der aus der Verweigerung folgende Zwangsverkauf der im Betrieb stehenden Strecke dem öffentlichen Kredit nur schaden könne, und daß endlich in der Fristverlängerung nichts liege, was andern Gesellschaften unter ähnlichen Verhältnissen nicht auch schon gewährt worden sei. Auch wäre es au sich hart, die von der Gesellschaft nicht, verschuldete Ueberschreitung des Baukonto, die unerwartet geringere Betriebseinnahme und die Verschlimmerung des Geldmarktes im Allgemeinen ohne billige Berücksichtigung zu lassen. (Die Baukosten waren, gegenüber einem Voranschlag von 3 Millionen Franken für die ganze Linie, auf rund Fr. 3,250,000 nur für das Theilstück Winkeln-Urnäsch angestiegen ; sie hatten die sämmtlichen zur Verfügung gestandenen Gelder aufgezehrt und die Aktionäre der Lokalbahngesellschaft verweigerten weitere Einzahlungen, weil die Betriebseinnahmen kaum die Bedürfnisse des Betriebsdienstes deckten, was auch seither nicht besser geworden ist.)

Da auch im Beschluß vom 29. März 1879 spezielle Fristen für Finanzausweis und Baubeginn nicht angesetzt waren, so fand sich die, Regierung von Appenzell I.-Rh. unterm 2. Juli und 25. September 1882 veranlasst, den Bundesrath neuerdings um Fixirungderselben zu bitten. Dieser beschloß denn auch am 10. Oktober gleichen Jahres(Eisenbahnaktensammlungg VII, 116): ,,Die schweizerische Gesellschaft für Lokalhahnen sei eingeladen , die vorschriftsmäßigen finanziellen und technischen Vorlagen für die Bahnstrecke Urnäsch-Appenzell bis zürn 1. Mai 1883 einzureichen."

Auch diese Frist wurde nicht eingehalten. Der Verwaltungsrath der Lokalbahngesellschaft ersuchte am 6. April 1883 um weitere Fristverlängerung, indem er ausführte, daß nichts versäumt werde, um die noch rückständige Baute sobald als möglich auszuführen, und daß eine Bauzeit von 1 1 'a Jahren genüge. Dabei wurde verwiesen : a. darauf, daß die technischen
Erhebungen im Gang seien, und b. auf die Thatsache, daß mau sich mit der Finanzirung des Baues ernstlich beschäftige.

O Man hoffe, den noch erforderlichen Geldbedarf durch ein im ersten Rang auf der Bahnlinie zu versicherndes Anleihen aufzu-

169 bringen. Zu diesem Zwecke hätten sich die Inhaber der bisherigen Pfandanleihen bereits fast ausnahmslos bereit erklärt, auf das ihnen zustehende Pfandrecht zu verzichten und in die Stellung von Prioritätsaktionären BU treten.

Am 8. Mai wurde die Frist nochmals, und zwar bis zum 1. November 1883 erstreckt, nachdem das technische Inspektorat ·des Eisenbahndepartements erklärt hatte, daß es allerdings auch von diesem Zeitpunkt an noch möglich sein werde, den Bau bis zum 1. März 1885 zu vollenden.

Indessen ging der erste November wieder vorüber, ohne daß die verlangten Vorlagen einkamen. Der Verwaltungsrath der Gesellschaft beschränkte sich darauf, am 6. November zu schreiben, daß er alles gethan habe, um den Weisungen der Bundesbehörden nachzukommen, es sei ihm aber unmöglich gewesen, dieselben zu erfüllen. Immerhin könne er konstatiren, daß die Finanzirung einen erheblichen Schritt vorwärts gemacht habe; die Inhaber der auf der im Betrieb stehenden Bahnstrecke versicherten Obligationen im Betrag von Fr. 1,900,000 haben, von vier oder fünf Obligationären abgesehen, erklärt, daß sie bereit seien, in die Stellung von Prioritätsaktionären zurückzutreten, damit die Erhebung eines neuen Anleihens möglich werde, und ein Vorschlag, daß die vier Gemeinden Appenzell, Urnäsch, Waldstatt und Herisau dieses Anleihen übernehmen sollen, dem dann der erste Rang auf die ganze Linie eingeräumt würde, sei unbedingt und allseitig acceptirt worden. Im Uebrigen seien die technischen Erhebungen im Gang, und man habe bereits eine Bauunternehmung für Einreichung einer Uebernahmsofferte eingeladen. Wir theilten dieses Schreiben der Regierung von Appenzell I.-Rh. mit, welche unterm 8. Dezember erwiderte, daß sie vor allem aus mit Vergnügen anerkenne, daß die Mehrzahl der Obligationäre der Appenzellerbahn in die Stellung von Prioritätsaktionären zurücktreten wolle, um den Ausbau der Bahn zu ermöglichen. Dagegen könne man nicht zugeben, daß die Gesellschaftsbehörden den rechten Ernst entwickeln, welcher zu einer guten Lösung der Sache unumgänglich sei. Die Gesellschaft sollte sich zur Beschaffung der noch nöthigen Mittel an den Geldmarkt wenden und nicht den betheiligten Gemeinden neue Opfer zumuthen.

Die Regierung beharre also dabei, daß die Gesellschaft verhalten werde, den übernommenen Verbindlichkeiten endlich nachzukommen.
Am 11. Februar 1884 gingen die nachstehenden weitern Mittheilungen des Verwaltungsraths der Gesellschaft ein: 1. Die Tracepläne für die Bahnstrecke Urnäsch-Appenzell seien in Arbeit. Zum Beweis hiefür wurde der ausgearbeitete Kataster-

170 plan von km. 1H,9 Urnäsch bis km. 19,5 in der Richtung gegen Appeuzell vorgelegt, und es sind auch die Gesamrntpläne für einige Kunstbauten eingesandt worden.

2. Die Vorarbeiten für den Grundervverb seien so weit gefördert, daß mit 32 Grundbesitzern zwischen Urnäsch und Gontenl>ad bereits Abtretungsverträge vorhanden seien und schon jetzt die Gesammtkosten der Expropriation mit Sicherheit (auf Fr. 100,000) berechnet werden können.

3. Unter dieser Voraussetzung werden die Baukosten für die noch auszuführende Linie auf Fr. 1,059,000 zu stehen kommen, welche man folgendermaßen zu decken gedenke : Fr. 282,500 aus rückständigen Subventionen der appenzellischen Interessenten, Fr. 700,000 durch ein neues (Priorität»-) Anleihen und circa Fr. 80,000 durch Herbeiziehung des Aktivsaldo der Betriebskosten.

Die Außerrhodensehen Gemeinden seien bereit, an der Beschaffung des Obligationenkapitals Theil zu nehmen, wenn auch lunerrhoden sich betheilige. Man bitte das Eisenbahndepartement, durch Anordnung einer Konferenz Gelegenheit zu geben, diesen Punkt besser abzuklären.

Ferner wurde eine vom Rechnungsbüreau der finanziellen Abtheiluug der Appenzellerbahn ausgearbeitete Rentabilitätsberechnung und ein Gutachten des Hrn. Grandjean, gewesenen Direktors der Berner Jurabahnen, über die Frage der Bauwürdigkeit der Linie Urnäsch-Appenzell zu den Akten gebracht. Wir glaubet), aus diesen Aktenstücken wenigstens Folgendes mittheilen zu sollen : a. Hr. Grandjean berechnet das noch nöthige Baukapital auf ungefähr l Million Franken und hält, nach Prüfung der Finanzlage der Gesellschaft, ein neues Anleihen von Fr. 720,000 uuthig, da er vorziehen würde, den vorhandenen Betriebssaldo auf die Ergänzung der bereits bestehenden Anlagen und Einrichtungen zu verwenden.

b. Derselbe glaubt, daß der Betrieb der Appenzellerbahn theils au sich billiger eingerichtet werden könnte und theils in Folge der Verlängerung der Linie wohlfeiler würde, in der Art, daß nach vollständigem Ausbau, unter gehöriger Fundirung eines Erneuerungsibnds, die Betriebsausgaben Fr. 175,000 per Jahr nicht übersteigen sollten.

c. Unter derselben Voraussetzung des Ausbaues der ganzen Linie gelangt die Rentabilitätsberechnung zu einer Minimaleinnahme von Fr. 270,000 per Jahr, zu welchem Resultat annähernd aueh die von Hrn. Grandjean angestellten Berechnungen fuhren.

171 d. Es würde daher eine jährliche Reineinnahme von Fr. 100,000 resultiren, aus welcher nicht bloß das Anleihen von Fr. 720,000 verzinset, sondern auch eine bescheidene Dividende an die Prioritätsaktionäre ausgerichtet werden könnte.

Bei dieser Sachlage glaubte das Departement die gewünschte konferenzielle Besprechung um so weniger ablehnen zu können, als demselben eine solche vorher schon von appenzellischer Seite, allerdings nur vertraulich, nahe gelegt worden war. Die beiden Kantonsregierungen wurden daher am 19. Februar formell angefragt, ob sie an einer Besprechung betreffend die Beschaffung der zum Ausbau der Appenzellerbahn nöthigen Geldmittel Theil zu nehmen gedenken.

Der Regierungsrath von Außerrhoden antwortete zustimmend ; Landammann und Standeskommission von Appenzell I.-Rh. mit Schreiben vom 23. Februar ablehnend, da nicht daran zu denken sei, daß man daselbst über die bereits zugesicherten Subventionsgelder hinaus neue Opfer bringen werde. Fast gleichzeitig, mit Schreiben vom 15. Februar, hatte sich die Regierung von Innerrhoden an den Bundesrath gewendet und um Mittheilungen darüber ersucht, in welchem Stadium sich die Angelegenheit befinde und ob Aussicht vorhanden sei, daß die Gesellschaft mit Beginn des nächsten Frühjahrs den Bau in Angriff nehme; wobei neuerdings darauf verwiesen wurde, daß man darauf beharre, daß die Frist für Einreichung der Baupläne und des Finanzausweises nicht weiter erstreckt werde. Diese Anfrage ist durch das schon erwähnte Schreiben des Departements vom 19. Februar faktisch erledigt worden.

Am 26. März 1884 wendete sich die Regierung von Appenzell I.-Rh. neuerdings an den Bundesrath. Man habe anläßlich der unmittelbar vorhergegangenen Session der Bundesversammlung den Vertretern des Kantons halbofflziell zur Kenntniß gebracht, daß das Baukapital nun als gesichert erscheine und mit der Inangriffnahme des Baues im laufenden Frühjahr werde Ernst gemacht werden. Man verlange, unter gleichzeitig wiederholter Ablehnung weiterer Subventionen seitens des Landes und der Gemeinden, daß die Verwaltung der Gesellschaft zu einer Erklärung darüber verhalten werde, ob sie wirklich in der Lage und gesonnen sei, mit den Arbeiten demnächst zu beginnen, da man andernfalls genöthigt wäre, das positive Verlangen zu stellen, daß bei Anlaß der nächsten Bundesversammlung
der Antrag auf Entzug der Konzession gestellt werde. Eine ähnliche Eingabe derselben Regierung kam mit Datum vom 27. März dem Eisenbahndepartement zu.

Anstatt der von Appenzell I.-Rh. verlangten Erklärung ging unterm 14. Mai das den Beilagen angefügte weitere Fristverlängerungsgesuch des Verwaltungsrathes der Lokalbahngesellschaft vom

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13. Mai 1884 ein. Mau habe allerdings geglaubt, daß es bis Mitte Mai möglich sein werde, eine Greneralbauofferte erhältlich zu machen ; das schlechte Wetter im April, sowie der Umstand, daß von Gontenbad bis Appenzell das alte Tracé habe verlassen werden müssen, habe aber die Fertigstellung der technischen Arbeiten , die jedem Bauvertrag vorausgehen müssen , verzögert; es sei indessen Hoffnung vorhanden, dali jene Arbeiten von den Ingenieuren innert Monatsfrist vorgelegt werden können. Auch sei der Verwaltung seitens der Basler Interessenten Hoffnung gemacht worden, daß sich Leute finden würden , welche etwa von den Gemeinden gezeichnete Obligationen um bestimmten Kurs ankaufen würden ; ferner sei eine direkte Betheiligung mehrerer appenzelliseher Kantonsbürger zu erwarten. Freilich wolle sich Niemand bestimmt aussprechen, bevor man wisse, welche finanziellen Opfer noch zu leisten seien. Bestimmt sei zur Zeit nur. daß in Folge des opferwilligen Entgegenkommens der Inhaber der bisherigen Obligationen eine neue erste Hypothek bis zum Betrag von Fr. 700,000 errichtet werden könne. Man suche daher um Verlängerung des für die Beibringung des Finanzausweises gesetzten Termins bis zum 30. April 1885 nach. Besser würde es der Gesellschaft noch dienen, hiefür, wie das schon bei andern Gesellschaften geschehen sei, gar keine bestimmte Frist zu setzen und die Bestimmung des Zeitpunktes der Erfüllung der vertragsmäßigen Verpflichtungen der Gesellschaft einfach in die Hand des Bundesrathes zu legen. Man bitte, auch diese Lösung in Erwägung zu ziehen, wenn die dermalige Sachlage nicht- dieselbe ausschließe.

Dieses Gesuch wurde mit Schreiben vom 14. Mai den beiden Kantonsregierungen zur Kenntniß gebracht. Appenzell A.-Rh. erklärte mit Zuschrift vom 20. Mai, daß man sich in keiner Hinsicht veranlaßt sehen könne, dem Gesuch entgegenzutreten ; vielmehr im Interesse des Unternehmens selbst, wie auch der bei demselben vielfach (finanziell) betheiligten Gemeinden Urnäsch, Waldstatt und Herisau dasselbe bestens zur Berücksichtigung empfehlen müsse.

Landammann und Standeskommission von Appenzell I. - Rh.

dagegen verhalten sich konsequent ablehnend. Sie erinnern mit Schreiben vom 22. Mai daran, daß sie schon wiederholt das Gesuch gestellt und begründet haben, es möchte der Lokalbahngesellschaft für die Einreichung der
technischen und der finanziellen Ausweise und den Baubeginn eine kurze endgültige Frist anberaumt werden, in der Meinung, daß bei unbenutztem Ablauf derselben der nächsten h. Bundesversammlung der Entzug der Konzession beantragt würde.

Gegen die auf privatem Wege zur Kenntniß der Behörde gelangte Absicht der Gesellschaft, den Baubeginn auf das Frühjahr 1885

173 zu verschieben, werde wiederholt Einsprache erhoben und eine bezügliche Entscheidung des Bundesrathes verlangt, um nöthigenfalls mit einer Rekurseingabe an die nächstens zusammentretende Bundesversammlung zu gelangen. Dabei wird des Weitern auseinandergesetzt, daß dem Bundesbeschluß von 1879, mit dem die Fristverlängerung bis 1. März 1885 ausgesprochen worden sei, nicht die Meinung innewohne, daß man mit dem Baubeginn bis zum letztem Termin warten könne, sondern daß bis zu demselben die Vollendung des Baues gefordert sei. Wenn die Gesellschaft sich übrigens nur heute darüber ausweisen könnte, daß die Mittel zum Bau gesichert seien, so wäre gegen eine kleine Fristverlängerung {für die Bau Vollendung) nichts einzuwenden. Da aber in dieser Richtung auch gar nichts vorliege, so sei es klar ,^ daß eine neue Frist einfach zwecklos wäre. Die technischen Aufnahmen seien so weit vollendet, daß, wenn auch vielleicht noch einzelne Variationen in der Kostenberechnung vorkommen mögen, die Gesellschaft nicht gehindert gewesen wäre, für die Beschaffung der Mittel zu sorgen. Auch könne die Verwaltung der Lokalbahnen nicht mehr im Unklaren sein darüber, daß von den appenzellischen Gemeinden keine neuen Opfer zu gewärtigen seien. Die Angelegenheit könne sich bei längerm Zuwarten nur verschlimmern; man lege daher ·alles Gewicht darauf, daß dieselbe rasch gelöst werde, nachdem die Unfähigkeit der Gesellschaft, den übernommenen Pflichten nachzukommen, evident sei.

Unsern eigenen Betrachtungen schicken wir die Bemerkung voraus , daß, wenn die sowohl in den Eingaben der Verwaltung der Lokalbahngesellschaft als in denjenigen der Regierung von Appenzell I.-Rh. vorkommende Anrufung vertraglicher Rechte und Pflichten auf privatrechtliche Vereinbarungen gehen sollten , diese durch unsere Antragstellung nicht berührt werden ; die Rechte Dritter gegen die Gesellschaft sollen auch jetzt vorbehalten sein. Beim Bundesrath und bei der Bundesversammlung kann die Angelegenheit nur vom konzessionsrechtlichen Standpunkt aus behandelt werden.

Ferner bedarf es weiterer Ausführungen nicht, daß die am 29. März 1879 von der Bundesversammlung bewilligte Fristverlängerung nicht anders zu verstehen ist, als daß die Bahnstrecke Urnäsch-Appenzell auf den 1. März 1885 vollendet und dem Betrieb übergeben werden soll. Der Bundesrath hat diesen
Standpunkt immer eingenommen und nur von diesem ausgehend Zwischentermine für die Vorlage der Pläne und des Finanzausweises ansetzen können.

Bundesblatt. 36. Jahrg. Bd. III.

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174 Die Frage, ob die Konzession nicht bereits als dahingefallea zu betrachten sei, weil der vom Bundesrath auf den 1. November 1883 angesetzte Zwischentermin nicht innegehalten wurde, ist nicht gestellt. Wir müßten sie verneinen. Nach dem ersten Absata des Art. 13 des Eisenbahngesetzes vom 23. Dezember 1873 (Amtl.

Samml. XI, 1) soll das Erlöschen der Konzession nur eintreten, wenn an die Ausführung des Unternehmens während der konzessionsmäßigen Fristen überhaupt nicht Hand angelegt worden ist.

Wurde der Bau begonnen, aber nicht innert dem anbedungenen Termin vollendet, so tritt die im letzten Absatz desselben Artikels enthaltene Androhung in Kraft, daß die vorhandene Anlage versteigert werden muß. Nun ist aber ein Theil der Appenzellerbalm längst ausgebaut; es könnte daher vom einfachen Verfall der Konzession nicht die Rede sein; und der Volleudungstermin für die restliche Strecke ist noch nicht überschritten. Die Vermuthung allein, daß derselbe werde versäumt werden, berechtigt zur Anordnung der Versteigerung nicht.

Auf der andern Seite müßte man es als durchaus unpraktisch und mit den Interessen aller Betheiligten im Widerspruch stehend bezeichnen, wenn man die Angelegenheit nun bis zum 1. März 1885 einfach hängend lassen wollte. Denn wenn, wie nicht bestritten,, die Vermuthung begründet ist, daß die Zeit bis dahin unter keinen Umständen hinreichen wird, den Bau zu vollenden, so müßte eine Fortdauer der Androhung, daß dannzumal die Versteigerung der vorhandenen Anlagen eintreten werde oder könne, die Gesellschaft positiv verhindern, inzwischen die weitern Vorbereitungen zu treffen und zum Beginn der Bauten auf der noch rückständigen Strecke zu schreiten.

Diese Sachlage hinderte den Bundesrath aber auch, eine nochmalige Verlängerung der Zwischenfrist zu bewilligen. Denn ohne die gleichzeitige Erstreckung der Bau vollendungsfrist bleibt ja die Drohung des Verfalls oder des Entzugs der Konzession auf den l. März 1885 fortbestehen, und einer gleichzeitigen Erstreckung der Vollendungsfrist durch den Bundesrath in Vollzug der ihm durch den ßundesbeschluß vom 12. Dezember 1883 gegebenen allgemeinen Ermächtigung (Eisenbahnaktensamml. n. F., VII, 221) steht die Einsprache von Landammanu und Standeskommission des Kantons Appenzell Inner-Rhoden entgegen.

Wir glauben, in richtiger Würdigung der
Verhältnisse zu handeln, wenn wir der Bundesversammlung den Antrag vorlegen , die für den Bau der Bahnstrecke Urnäsch-Appenzell am 29. März 1879 bezeichnete Vollendungsfrist, unter gleichzeitiger Feststellung auch der Termine für die Vorlage der Baupläne und

175 des Finanzausweises, sowie für den Beginn mit den Erdarbeiten, nochmals zu verlängern. Es lassen sich dagegen allerdings Einwendungen erheben ; vor Allem aus die Thatsache, daß die Verwaltung der Lokalbahngesellschaft bisher auch nicht einmal die technischen Vorarbeiten hat fertigstellen lassen, obschon die darauf zu verwendenden Kosten nicht bedeutend sind und sie selber gesteht, daß mangels jener eine Pinanzirung nicht möglich sei. Dann hat sie es auch an dem rechten Eifer für diese Finanzirung fehlen lassen. Denn anders kann man ihr Verhalten nicht beurtheilen, wenn sie noch in der Eingabe vom 14. Mai 1883 darüber nur euphemistisch sich ausspricht und auf Operationen hinweist, wobei in erster Linie die appenzellischen Gemeinden einzutreten hätten, von welchen wenigstens die Regierung von Appenzell I.-Rh. wiederholt erklärt hat, daß sie nichts Weiteres thun werden , als wozu sie vertraglich verpflichtet seien.

Auf der andern Seite scheinen aber die Elemente doch vorhanden zu sein, welche es der Gesellschaft möglich machen können, die übernommene Aufgabe zu erfüllen, wenn man ihr noch etwelche Frist gewährt. Zunächst kann nicht geleugnet werden, und wird es auch von der Regierung von Appenzell I.-Rh. anerkannt, daß der Verzicht der bisherigen Obligationeninhaber auf ihre bevorrechtete Stellung eine gute Grundlage für die Erhältlichmachung der weiter nöthigen Mittel ist. Sodann bieten die Berechnungen und Berichte des Direktionskomite und des Herrn Grandjean so viele unverdächtige Anhaltspunkte dafür, daß die ausgebaute Appenzellerbahn bessere Betriebsergebnisse zeigen werde, so daß es uns unbillig schiene, die gegenwärtigen Geschäftsinhaber durch einen Konzessionsentzug ohne weiteres auf die Seite zu stellen.

Die Wahrscheinlichkeit, daß sie bei Einspannung aller Kräfte zum Ziel gelangen, ist mindestens so groß als die eines beschleunigtem Bahnbaues durch Dritte bei Verweigerung der Fristerstreckung.

Dazu kommt, daß der ablehnenden Haltung von Appenzell I.-R.

die dringende Befürwortung der Regierung von Appenzell AußerRhoden gegenübersteht, die nicht außer Betracht fallen darf, wenn auch die Bahn auf ihrem Kantonsgebiet bereits ausgebaut worden ist. Immerhin sind wir der Meinung, daß die heutige Fristverlängerung eine letzte sein und daß nunmehr ausdrücklich schon auf die Versäumung einer
Zwischenfrist die Androhung des Verlustes der Konzession und der Versteigerung der vorhandenen Anlagen gesetzt werden soll.

Was das Maß anbetrifft, so glauben wir davon ausgehen zu sollen, daß an einen Beginn der Bauten vor Ablauf des Winters 1884/85 nicht gedacht werden kann, und daß also jede engere Be-

176 grenzung der Frist für den Anfang mit den Erdarbeiten eine nutzlose Einschränkung wäre, während der Verwaltung auf der andern Seite dann wohl zugemuthet werden darf, die Bauausführung so viel als möglich zu beschleunigen.

Wir beantragen die Annahme des nachstehenden Beschlußentwurfs und benutzen den Anlaß , Sie, Tit., unserer vollkommensten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 9. Juni 1884.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

(Entwurf)

Bundesbeschluß betreffend

Fristverlängerung für die Eisenbahnstrecke UrnäschAppenzell.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1) der Eingaben des Präsidenten des Verwaltungsrathes der schweizerischen Gesellschaft für Lokalbahnen, vom 6. November 1883, 11. Februar und 13. Mai 1884;

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2) verschiedener Eingaben der Kantonsregierungen von Appenzell A.-Rh. und Appenzell I.-Rh. aus den Jahren 1883 und 1884; 3) einer Botschaft des Bundesrathes vom 9. Juni 1884, beschließt: 1. Die im Artikel 6 des Bundesbeschlusses vom 23. September 1873, betreffend die Konzession einer schmalspurigen Eisenbahn Winkeln-Herisau-Urnäsch-Appenzell (Eisenbahnaktensammlung neue Folge, I, 184), angesetzte und am 21. März 1876 und 29. März 1879 (Eisenbahnaktensarnml. n. F. IV, 13 ; V, 167) erstreckte Baufrist wird -- vorbehaltlich der Rechte Dritter -- folgendermaßen verlängert: 1) für die Einreichung der Baupläne und des Finanzausweises bis zum 1. Februar 1885; 2) für den Beginn mit den Erdarbeiten bis zum 1. März 1885; 3) für die Vollendung und Inbetriebsetzung der Bahn bis zum 1. September 1886, in der Meinung, daß, wenn einer dieser Termine unbenutzt ablaufen sollte, dieser Fristablauf den Verlust der ganzen Konzession unmittelbar nach sich ziehen und die vorhandene Anlage auf Rechnung der Gesellschaft öffentlich versteigert würde.

2. Der Bundesrath wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend eine Fristverlängerung für die Eisenbahnstrecke Urnäsch-Appenzell. (Vom 9. Juni 1884.)

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14.06.1884

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