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Bericht der

ständeräthlichen Kommission für den

neuen schweizerischen Zolltarif.

II. Berathung.

(Vom 11. März 1884.)

Tit.

Unterm 26. November vorigen Jahres haben Sie auf Antrag Ihrer Zolltarifkommission einstimmig beschlossen, ,,die Detailberathung des Zolltarifes auf die nächste Session zu verschieben", um alsdann, gestützt auf die damals dem Ständerathe unterbreiteten Motive und Zwecke, eine neue Vorlage entgegen zu nehmen.

Indem wir heute die Ehre haben, diesem Auftrage Ge- Grundsätze nüge zu leisten, wiederholen wir, -- uns in Bezug auf die für den Tarif.

Begründung unsers diesbezüglichen Antrages auf das damals Gesagte berufend, -- daß wir der Ansicht treu geblieben sind, daß Bin Tarif, d. h. ein General- oder autonomer Tarif, der sämmtliche Positionen in sich schließt, nebst einem Konventionaltarif, dessen Inhalt sich auf die gebundenen Sätze beschränkt, unseren Bedürfnissen besser diene, als zwei Tarife, von denen der eine in Betreff seiner Anwendung von allerlei Zufälligkeiten abhängt und unserer Administrativbehörde keine absolut sichere Stellung gegen-

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über denjenigen Staaten schafft, mit denen die Schweiz über kurz oder lang neue Handelsvertrags-Negotiationen zu führen haben wird ; daß wir die Meinung aufrecht erhalten, wir bedürfen eines Tarifes, welcher den verschiedenen handelspolitischen Anschauungen Rechnung trägt und nichts desto weniger geeignet ist, vermöge seiner Zollansätze für die nicht gebundenen Positionen, -- im Verein mit den gebundenen Sätzen, -- für eine Anzahl von Jahren dem Bunde die benöthigten finanziellen Mittel zu bieten ; und in seiner Normirung so beschaffen sei, daß derselbe die Befähigung besitze, bei neuen Handelsvertragsabschlüssen Konzessionen, welche unserem Exporte neue Absatzquellen öffnen, zu erzielen und Gegenkonzessionen zu gewähren, ohne dadurch weder unseren Zolleinnahmen noch unserer G-ewerbsthätigkeit einschneidende Wunden zu schlagen.

Wir verlangen einen Tarif, der sich anschließt an die Bedürfnisse unseres Volkes, an die im Artikel 29 der Bundesverfassung gegebenen A7orschriften und, wie dies auch früher schon betont wurde, an das s. Z. von einer außerparlamentarischen Kommission aufgestellte Prinzip der Festsetzung, resp. progressiven Erhöhung der Zölle, einerseits nach Maßgabe der auf die betreffenden Artikel verwendeten Arbeit, anderseits unter Berücksichtigung' des Werthes derselben , soweit andere in Betracht zu ziehende Momente der Durchführung dieser Grundsätze nicht entgegentreten.

Die Kommission glaubt in ihrer überwiegenden Mehrheit, bei der heutigen Vorlage jene Anforderungen erfüllt zu haben, und es wird sich in der Diskussion und den zu fassenden Beschlüssen zeigen, ob sie sich hierüber täuscht oder nicht. Wir leiden nicht an Selbstüberhebung, betrachten unser Werk nicht als ein vollkommenes, lassen uns gerne belehren und werden deßnahen auch Bestrebungen für Verbesserungen, soweit solche mit den aufgestellten Normen vereinbar erscheinen und im allgemeinen Interesse liegen^ mit Vergnügen unterstützen.

Die Zölle sind eine Steuer, welche der Gesetzgeber Zfille als Steuern. möglichst gerecht au vertheilen bestrebt sein soll ; allein wenn dies auch durchführbar wäre, haben Zölle mit den Steuern immerhin d a s gemein, daß Niemand dieselben gerne bezahlt und daß die Mehrzahl der Betroffenen glaubt, zum Vortheile Anderer benachtheiligt zu sein ; deßwegen wird

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und kann hei Aufstellung eines Zolltarifs niemals ausnahmslose Zustimmung und allgemeine Befriedigung erwartet werden.

Im Hinblick auf diese Schwierigkeit und im C4efühle der auf ihr lastenden Verantwortlichkeit hat Ihre Kommission in ängstlichster Weise geprüft, auf welchen Wegen und durch welche Mittel sie die Vertheilung dieser Steuer den Erwartungen und Bedürfnissen möglichst entsprechend durchführen könne.

Wie wir bei Gelegenheit unserer Berichterstattung im Programm für die November vorigen Jahres die Ehre hatten, Ihnen mitzutheilen, betrachteten wir als nothwendige Vorarbeit zur Lösung Vorarbeiten.

unserer Aufgabe: 1) Bestimmung des Werthes der eingehenden Waaren; 2) Bezeichnung der mit Zollbefreiung oder mit niedriger Zollbelegung zu begünstigenden, dem nöthigen Lebensunterhalt, sowie der inländischen Industrie und der Landwirthschaft dienenden Rohstoffe ; 3) Klassifikation der mit etwas höheren Zöllen zu belastenden , unter den Begriff von Halbfabrikat und Ganzfabrikat fallenden Waaren; letztere wieder trennend in solche, welche noch einer weitern Veredlung bedürfen, und in solche, welche in ihrer Eigenschaft als Fabrikat direkt zum Gebrauche abgegeben werden können; und 4) Ausscheidung derjenigen Artikel, welchen die Bezeichnung Luxus beigemessen werden darf und die gemäß den Vorschriften der Bundesverfassung den höchsten Zöllen zu unterwerfen sind.

Unter gefälliger Mitwirkung des verehrlichen Zoll- Werthungen und departementes haben wir diese verschiedenen Vorarbeiten vollzogen und finden uns veranlaßt, Ihnen hierüber, zur Klassifikation der Waaren.

Aufklärung über unser Vorgehen und unsere Anträge, Folgendes zu bemerken : Ad l, Werthungen.

Die bisanhin vom Zolldepartemente benutzten Werthe mußten einer Revision unterzogen werden, da seit deren Aufstellung eine Menge Modifikationen eingetreten sind.

Bei sehr vielen Positionen ist der Werth eines gegebenen Gewichtes einfach und mit aller Sicherheit festzustellen; dagegen gibt es andere, bei denen dies mehr oder weniger

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schwierig, ja sogar solche, bei denen dies unmöglich ist.

Da wo verschiedene gleichartige Gegenstände in Eine Abtheilung zusammengezogen sind und die vorhandene Statistik die Mengen der Einfuhr jeden Artikels angibt, läßt sich auf arithmetischem Wege der Mittelwerth ziemlich genau konstatiren, während da, wo die Statistik unvollkommen ist, Suppositionen nothwendig und dadurch Sicherheit und Genauigkeit abgeschwächt werden. Am wenigsten zuverläßig sind die Mittel v\erthe zu erheben bei denjenigen Positionen, in welchen eine Menge nicht verwandter Gegenstände und mit sehr abweichenden Einzelnwerthen vereint sind. wie z. B. bei Quincaillerie und Kuvzwaaren, und wo überdies die Einfuhr resp. der Konsum der Unterabtheilungen von einem Jahre zürn andern starkem Wechsel ausgesetzt ist.

Im Allgemeinen sind die Preisschwankungen, hervorgerufen durch günstige oder ungünstige Konjunkturen, beeinflußt durch Angebot und Nachfrage, bei Feststellung der Mittelwerthe in Betracht zu ziehen, so daß in vielen Fällen nach den Erfahrungen der Vergangenheit der Zukunft vorgegriffen werden muß.

Unter allen Umständen sollen nicht die Werthe am Produktionsorte, sondern loco Schweizergrenze, unverzollt, als maßgebend betrachtet werden.

Ad 2, Artikel für ,den nöthigen Lebensbedarf; Rohstoffe für Industrie und Landwirthschaft.

Der Begriff dessen, was zum nöthigen Lebensbedarf gehört, ist ein sehr elastischer; die Beurtheilung hierüber richtet sich nach den Gewohnheiten und lokalen Verhältnissen und sie muß z. B. wesentlich auseinander gehen zwischen den Bewohnern einer großen Stadt und denjenigen eines abgelegenen Bergdorfes. Aber Eines ist sicher und trifft auch bei den erforderlichen Stoffen für Industrie und Landwirthschaft zu, daß unter diese Rubrik, wenn auch nicht ausnahmslos, doch zum großen Theile nur diejenigen Gegenstände eingetheilt werden sollen, welche noch keiner eigentlichen Veredlung, sondern nebst Gewinnung und eventueller Formveränderung blos einer Reinigung oder Ausscheidung fremdartiger Stoffe unterzogen wurden. Bei einer andern Définition könnte der Schuster das Leder, der Maschinen bauer das geschmiedete, gewalzte und gezogene Eisen, der Schneider das fertige Tuch u. s. w. als seinen Rohstoff bezeichnen und dessen Versetzung in die niedrigste Zollklasse verlangen.

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Diesen Sinn haben aber zweifellos Ziffer l , a und h ·des Art. 29 der Bundesverfassung nicht, deßwegen dürfen, übergehend auf: Ad 3. Halbfabrikate und Ganzfabrikate, beziehungsweise Gegenstände, auch wenn sie nicht Produkte der Industrie und des Gewerbewesens sind, aber den Begriff von Halbund Ganzfabrikaten zulassen und verlangen, weder, den Abtheilungen der erforderlichen Stoffe für Industrie und Landwirthschaft, noch den Artikeln des nöthigen Lebensbedarfes gleichgestellt werden.

Wenn Litt, c des angedeuteten Art. 29 der Bundes Verfassung für die Gegenstände des Luxus den höchsten Zollsatz fordert, so kann nicht bestritten werden, daß zwischen den Abtheilungen, welche sub a und b, und denjenigen, welche sub e fallen, die Halbfabrikate und Ganzfabrikate eingeschaltet werden müssen, bei welchen wieder abgestuft werden soll, nach Maßgabe der darauf verwendeten oder noch zu verwendenden Arbeit bis zur Vollendung der betreffenden Gegenstände, und zwar unter Berücksichtigung des Grundsatzes, daß Halb- und Ganzfabrikate, deren unsere Exportgeschäfte bedürfen, etwas weniger mit /oll belastet werden sollen als diejenigen, welche dem inneren Konsum dienen und die auswärtige Konkurrenz auf fremden Märkten nicht zu bestehen haben.

Als weitere und wieder höher zu taxirende Zwischenstufe sind diejenigen Waaren zu behandeln, welche in ihrem gebotenen Zustande ohne weitere Veredlung direkt zum Gebrauche übergehen und nicht in die Abtheilung der nothwendigen Lebensbedürfnisse oder in diejenige der Luxusgegenstände fallen; die sogenannten Konfektionsartikel.

Ad 4. Gegenstände des Luxus.

Wenn schon bei Auslegung des Begriffes über die uothwendigen Lebensbedürfnisse Meinungsverschiedenheiten bestehen, so müssen solche bei Bezeichnung der Luxusgegenstände, welche dem höchsten Zollsatz zu unterwerfen sind, in noch höherem Maße zu Tage Ireten. Es muß zugegeben werden, daß bei den naturgemäß obwaltenden mancherlei Anschauungen unserer verschiedenen Volksklassen über Bedürfniß und Luxus unmöglich eine allgemein zutreffende Klarstellung über den Begriff Luxus und seiner Grenzen, ebenso wenig wesentliche Merkmale dieser Gattung geboten

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Skala.

werden können. Allein wenn dies auch möglich wäre, innR eine konsequente Durchführung einer bestimmten höchsten Taxe für solche Artikel als unzuläßig erklärt werden, da sehr werthvolle, aber wenig Volumen in Anspruch nehmende Waaren in Folge hoher Zollbelastung dem Schmuggel Thür und Thor öffnen und dadurch nicht, nur die finanziellen Einnahmen des Bundes einerseits, sondern auch die Moral der Grenzbevölkerung anderseits in hohem Grade geschädigt würden.

Eine solche Klassifikation mußte der Tarifbildung vorangehen, damit eine erste, wenn auch nicht absolut streng durchführbare Grundlage für die Zollsätze gewonnen werde, und wenn wir auch keineswegs der auch schon kund gegebenen Anschauung beipflichten, ,,daß eine Klassifikation der Weisheit Anfang sei, selbst wenn solche nur auf dem Papier stehe"1, so bietet dieselbe immerhin eine nicht -MI unterschätzende Basis für das weitere Vorgehen.

Dient diese Grundlage nur als Wegleitung, so muli dies ebenfalls zugestanden werden in Betreff der Skala für die einzelnen Sätze im Zolltarif, welche wir in fünf aufsteigenden Serien wie folgt nofmirten: Die in die e r s t e Klasse fallenden Gegenstände sollen T soweit solche nicht mit Zollfreiheit begünstigt werden, mit bis höchstens l °/o des Werthes derselben belastet werden.

In die z w e i t e Abtheilung haben wir eingereiht die nicht zum absoluten Lebensbedürfnisse gehörenden oder schon veredelten Bodenprodukte, die sogenannten Halbfabrikate dei* Industrie und des Gewerbewesens und die unter diesen Begriff fallenden Gegenstände anderer Art. Diese Objekte sollen, soweit dieselben Exportartikel betreffen, nach Maßgabe der Veredlungstufe mit einem Zolle von 2 bis höchstens 3 °/o des Werthes derselben belegt werden.

Die d r i t t e Abstufung umfaßt die mit dem Ausdrucke Fabrikat bezeichneten "Waaren ; also alle diejenigen Erzeugnisse , welche noch einer weitern Veredlung bedürfen, ehe solche dem Gebrauch abgegeben werden können. Diese Kategorie glaubte Ihre Kommission mit 3 bis 4, höchstens mit 5 °/o des Werthes der einschlagenden Artikel mit Zoll belasten zu dürfen und bei den Ansätzen in's Auge fassen zu sollen, ob solche nach erfolgter Schlußveredlung im Lande bleiben oder aber dem Exportgeschäfte dienen, in welch' letzterem Falle die Zölle nicht auf das Maximum zu stellen seien.

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Der v i e r t e n Abtheilung wurden eingereiht nannten Konfektionsartikel, die fast ausnahmslos brnuch in der Schweiz eingeführt werden und ohne mit einem Zolle von 5 und mehr Prozent des derselben belegt werden dürfen.

die sogezum G-eBedenken Werthes

Der f ü n f t e n Klasse sind die Gegenstände des Luxus einverleibt, denen, so weit solche nicht die Eigenschaft als Schmuggelartikel an sich tragen, 10 und selbst mehr Prozent des Werthes derselben auferlegt werden dürfen; immerhin jedoch mit der Grenze von Fr. 100 per 100 Kilogramm Gewicht.

Das sind im großen Ganzen die Prinzipien, welche Ihrer,Abweichungen Kommission für Regelung des Generaltarifes -- der Kon- von der Skala.

ventionaltarif ist durch die Verträge festgestellt und bedarf deßnahen keiner Erörterung -- vorschwebten, die aber aus mancherlei Gründen und in vielen Fällen nicht streng zur Anwendung gelangen konnten. Die Unebenheiten des zur Zeit noch in Kraft bestehenden Zolltarifes sind allgemein anerkannt und fast ausnahmslos zugestanden; sie rühren zu einem großen Theil davon her, daß bei Bildung des Tarifes im Jahre 1851 vorherrschend das Gewicht der Waaren maßgebend war, weil die G-renzzölle einen Ausgleich bieten sollten für die abzuschaffenden Innern Belastungen, wie Straßen-Pflasterund Brücken-Gelder, während nach den heutigen Begriffen der Werth derselben in Rücksicht gezogen werden soll. Ist ·es auch nicht nöthig, die verschiedenen Einflüsse für die bestehenden Unebenheiten im Einzelnen zu erörtern, so liegt es doch in unserer Pflicht, hervorzuheben, warum wir deren Ausgleich nicht in rationeller Weise vorschlagen und beantragen.

Es läßt sich dies mit wenigen Worten thun : ,,Alte Gewohnheiten und alte Verhältnisse, nach denen man sich eingerichtet hat, können nicht plötzlich, auch wenn solche auf ungerechter Basis beruhen, ohne Widerspruch und ohne Schädigungen umgeändert werden; man muß nicht theoretisch, sondern praktisch verfahren; das Ziel in's Auge fassen, das vorgezeichnet ist, und dem Grundsatz huldigen : Leben und leben lassen.a Abgesehen einerseits von diesem, die Interessen der Besteuerten versöhnenden Gedanken, sowie anderseits dem Bestreben, die abweichenden handelspolitischen Ansichten zu vereinigen, lagen aber noch zwingende Gründe vor, Ab-

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weichungen von dei1 aufgestellten Wegleitung eintreten zu lassen. Dieselben beziehen sich sowohl auf freie, als auch durch Handelsverträge gebundene Positionen, und wir wollen nachfolgend die einschneidendsten derselben hervorheben.

In erster Linie soll der allgemeine Tarif den Bundesrath in die Lage versetzen, bei späteren Handelsvertrags-Negotiationen unseren Unterhändlern die nöthigen Waffen in die Hand zu geben, um vermittelst Konzessionen unserseits Gegenkonzessionen zu Gunsten unserer schweizerischen Gewerbsthätigkeit von anderer Seite zu verlangen. Wir halten es nicht für angezeigt, hiefür in's Auge gefaßte Artikel besonders hervorzuheben; es genügt, zu betonen, daß bei Geneigtheit irgend eines mit uns kontrahirenden Staates, der Schweiz Begünstigungen zuzuwenden, derselbe dies nur dann thun wird, wenn wir ihm ein gleichwertiges Aequivalent bieten können. Diesem Zwecke muß der Tarif den geeigneten Spielraum schaffen.

Sodann erinnern wir daran, daß bei Gelegenheit des Abschlusses des französischen Handelsvertrages die Träger des Handwerkes sieh durch denselben wesentlich benachtheiligt erklärten, und daß man dem Gewerbewesen, falls in Folge der zu erhebenden Enquête die betreffenden Klagen als berechtigt erscheinen sollten, versprochen hat, bei Aufstellung des Zolltarifes Rücksichten zu dessen Gunsten eintreten zu lassen. Wenn nun auch jene Enquête die vorgebrachten Schädigungen nicht im vollen Maße, wie solche vorgebracht wurden, konstatirte, so scheint es Ihrer Kommission immerhin angezeigt, das gegebene Versprechen in einer die Verhältnisse beachtenden Weise einzulösen, und da man sich zur Zeit allgemein lebhaft für Hebung des Gewerbewesens interessirt, so dürfte eine etwelche hierauf abzielende Berücksichtigung kaum abgelehnt werden, insofern dieselbe unseren zollpolitischen Grundsätzen nicht entgegentritt. Wir finden überdies auch eine Berechtigung zu einer bescheidenen, die wegleitende Skala überragenden Steigerung der Zollansätze auf den einschlagenden Erzeugnissen. Der Art. 29 der Bundesverfassung schafft der Landwirthschaft und der Industrie gewisse Vortheile für den Bezug der diesen Gewerbsthätigkeiten nöthigen Rohstoffe, während das Handwerk nicht bedacht wurde und von jenen Begünstigungen keinen oder wenig Nutzen zieht. Die von uns den Produkten des Gewerbewesens zugewendete Zollbegünstigung bildet somit nur eine bescheidene Kompensation

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für die anderen Berufsarten veirfassungsgemäß eingeräumten Vortheile.

In dritter Linie zwangen uns die Rucksichten auf unsere Finanzbedürfnisse, da, wo es sich vorherrschend um Importartikel, die das Exportgeschäft nicht berühren, handelt, von unseren wegleitenden Prinzipien in der Richtung nach aulwärts abzuweichen, indem bei Revision des Zolltarifes dieses schwerwiegende Moment nicht außer Acht gelassen werden darf.

Auf zollpolitische Grundsätze glaubt Ihre Kommission bei Gelegenheit ihrer allgemeinen Berichterstattung nicht eintreten zu sollen, da auch bei Berathung unserer Vorlage dieser Theorien nicht gedacht wurde. Sämmtliche Mitglieder stellten sich auf den Standpunkt der praktischen Möglichkeiten, die, um unserem Lande zu dienen und um unseren Institutionen sich anzuschließen, nicht in doktrinären Extremen zu finden sind. Wohl aber glauben wir hervorheben zu sollen, daß, sei es in Eingaben , sei es wie, immer, die Grundsätze der Reziprozität, die von uns aus nahe liegenden Gründen nicht acceptirt werden können, tangirt wurden, deren annäherndeGeltendtmachungg nur in Tangsichtigen Wechseln, fällig nach Ablauf der Handelsverträge und im Hinblick auf spätere Unterhandlung für solche, erfolgte.

Das bisher Gesagte bezieht sich auf die Einfuhr. In Betreff der Ausfuhrzölle, resp. des Prinzipes derselben, haben wir zu bemerken, daß wir in Uebereinstimmung mit den vorberathenden Behörden so wenig Artikel wie möglich dieser Gebühr unterwerfen wollen, und daß mit Ausnahme von drei Artikeln, welche vom Nationalrathe und unserer Kommission eingeschaltet wurden, der Vorlage des Bundesrathes Zustimmung ertheilt wird.

Das System unserer Tarifvorlage ist vollständig in Uebereinstimmung mit dem Vorschlage des Bundesrathes und dem Beschlüsse des Nationalrathes.

Der Tarif für die Einfuhr umfaßt -- alphabetisch geordnet nach den Titeln derselben in deutscher Sprache -- 17 Kategorien, deren jede die zusammengehörenden Waarengattungen umfaßt.

Der Tarif für die Ausfuhr enthält bloß drei Abtheilungen.

Die Tarifsätze beruhen vorherrschend auf dem Prinzipe von Gewichtszöllen auf die Einheit von 100 Kilogramm

Zollpolitik.

System des Tarifes.

»2 nid nur für diejenigen Artikel, bei denen dieß unzuläßig erschien, blieben Zölle nach dem Werthe und nach der Stückzahl erhalten.

Nummerirung In Uebereinstimmung mit unserem früheren Vorgehen der Tarif- uund mit detn Beschlüsse des Nationalrathes beantragen wir, Positionen.

r mgemäss Vorschlag d e s Bundesrathes, resp. d e s e <:

Rückzölle.

Prinzipielle Aufstellung von Rückzöllen wurde vorläufig !

abgelehnt und die Eventualität, auf eine solche Einrichtung zzurück zu kommen, nur für den Fall in's Auge gefaßt, als Ìin Anbetracht der Einfuhrzölle auf einzelneu Waaren-

lgattungen, welche als Halbfabrikat für Exportartikel dienen l und vom Auslande bezogen werden müssen, konstatirt würde, ( daß die Konkurrenzverhältnisse im Auslande eine solche ]Maßregel im Interesse unseres Ausfuhrhandels gebieterisch l fordern.

Bestimmungen über die Admission temporaire glaubt Admission temporaire, ;Ihre Kommission mit dem Tarif nicht verbinden zu sollen, Grenz- und ,da dieser Verkehr meist durch die Handelsverträge geregelt, Marktverkehr. wird und überdieß das letzte Lemma von Artikel 2 des Bundesgesetzes über das Zollwesen vom 27. August 1851 der Administrativbehörde Vollmacht ertheilt, sachbezügliche Verfügungen von sich aus eintreten zu lassen.

Den Grenz- und Marktverkehr ordnen ebenfalls das verdeutete Gesetz und die Bestimmungen der Handelsverträge, so daß auch hierüber bei Behandlung des Zolltarifes Stillschweigen beobachtet werden darf.

Der Inhalt des Gesetzes nach unserem Entwürfe ist Gesetz, Kontrolgebühr, materiell vollkommen in Uebereinstimmung mit detn Entwurfe Statistik. des Bundesrathes, und die formelle Abweichung bezieht sich vorherrschend darauf, daß wir den Artikel 6 fallen ließen, da Art. 34 des Bundesgesetzes über das Zollwesen vom 27. August 1851, worauf wir uns in unserem Artikel l berufen, diejenigen Bestimmungen enthält, welche in jenem Artikel 6 aufgenommen waren.

In Bezug der Erhebung einer Kontroigebühr auf alle die Grenze passirenden, nicht zollpflichtigen und auch nicht den Grenz- und Marktverkehr berührenden Gegenstände

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gehen wir mit dem Bundesrathe und dem Nationalrathe einig und stellen diese Gebühr namentlich ein, weil dadurch die Mittel geboten werden, dem längst gefühlten Bedürfnisse einer zweckentsprechenden zuverläßigen Statistik nachzukommen. Eine sorgfältige Statistik der Ein- und Ausfuhr ist, wenn auch im Allgemeinen für unser eigenes Wissen, namentlich aber bei Unterhandlungen für Handelsverträge unentbehrlich, damit unsere Négociateurs an der Hand einer aolchen in die Lage versetzt werden, mit eigenen Zahlen aufzutreten; durch unsere eigenen Zusammenstellungen der Wahrheit über unsern Verkehr mit andern Staaten Zeugniß zu geben und nicht wie bisanhin gezwungen sind, den hierauf bezüglichen Angaben unserer Gegenkontrahenten Glauben zu schenken.

Nach den vielfach ausgesprochenen Ansichten sollten die Zolleinahmen netto den Betrag von 20 Millionen und unter Zuschlag von 1lla Millionen für Verminderung der Einfuhr, in Folge der Zollerhöhungen nach dem Durchschnitte derselben in den Jahren 1872/1881 und der Vermehrung der Auslagen für die Zollverwaltung, den Betrag von brutto 21 Vz Millionen liefern. Unser Tarifentwurf genügt dieser Anforderung nicht vollständig, indem unter Einstellung der von uns vorgeschlagenen Zollsätze und auf Basis der Durchsuhnittseinfuhr von 1872/1881 brutto nur Fr. 20,680,350 resultiren.

Ihre Kommission glaubt aber, daß ein solches Brgebniß den Bedürfnissen Genüge leisten werde, und zwar aus folgenden Gründen : Wenn auch konstatirt ist, daß in Folge der vor einigen Jahren auf verschiedenen Waarengattungen vollzogenen Zollerhöhungen die Einfuhr der betroffenen Artikel sich, und zwar theilweise recht spürbar, verminderte, so dürfte wohl angenommen werden, daß diese Verminderungen vielleicht ihren Höhepunkt erreicht haben, jedenfalls nicht in gleichem Maße fortschreiten werden und daß eine solche fortlaufende Abnahme, wenn sie auch eintreten sollte, kompensirt werden dürfte durch die successiv steigende Einfuhr im Allgemeinen, hervorgerufen durch die stets wachsenden Bedürfnisse des Einzelnen; sowie der Ausdehnung unserer Exportindustrie und des damit zusammenhängenden Zuwachses von Rohprodukten und Halbfabrikaten.

Sodann hält Ihre Kommission, unter Würdigung der eben hervorgehobenen Momente, dafür, daß die Differenz Bundesblatt. 36. Jahrg. Bü. I.

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Finanzen.

414 zwischen Brutto- und Netto-Einnahmen, welche mit l Va Millionen in Rechnung gebracht werden soll, zu hoch gegriffen sei. Es läßt sich allerdings nicht verkennen, daß ein Theil der Zollerhöhungen, welche angestrebt werden, berufen ist, die Einfuhr fremder Waaren zu vermindern und die Produktion im eigenen Lande im nationalökonomischen Interesse zu steigern, und ebenso, daß erhöhte Zölle, wenn dies in hohem Maße geschieht, im Prinzip Steigerung der Auslagen für die Grenzbewachung bedingen. Die beantragten Zölle werden aber kaum zum Schmuggelgeschäfte reizen oder demselben Konvenienz bieten ; deßwegen glauben wir, diesem Umstände kein gar zu großes Gewicht beilegen und jene IVa Millionen nicht im vollen Umfange in Berücksichtigung ziehen zu sollen. Die einschneidendsten Zollerhöhungen sind schon seit vier Jahren eingeführt; die Wirkung derselben also längst in Kraft, und da die Einnahmen vom Jahre 1882 auf das Jahr 1883 sich um eine volle halbe Million gesteigert haben, so können jene Faktoren nicht sehr schwer in's Gewicht fallen.

Ihre Kommission wiederholt deßnahen die Ansicht, daß die von ihr normirten Zollsätze die finanziellen Bedürfnisse des Bundes auf eine längere Reihe von Jahren decken werden.

Nach unserer Aufstellung ergibt sich eine Brutto-Einnahme von Fr. 20,680,000 Das Budget pro 1884 fordert als Zoll19,370,000 einnahme .

Es erübrigen somit noch .

.

.

. F r . 1,310,000 für Begleichung der Abnahme der Einfuhr und nicht vorgesehene Ausgaben. Sollten aber im Verlaufe der Zeit größere finanzielle Ansprüche an den Bund herantreten, so dürfte, in Anbetracht, daß gegenwärtig noch über 170 Positionen des Tarifes gebunden sind, alsdann auf diesen die erforderliche Nachhülfe gefunden werden.

Die wesentlichste und grundsätzliche Differenz zwischen der Anschauung Ihrer Kommission und dem Beschlüsse des Nationalrathes liegt in dem Umstände, daß letzterer zwei Tarife aufstellen will, während wir der Meinung sind, mit Begründung Einem Tarife den anzustrebenden Zwecken eben so gut, unseres vielleicht unter Umständen besser zu dienen.

Standpunktes.

Die sachbezüglichen Berathungen im Ständerath und theilweise ebenfalls im Nationalrathe haben gezeigt, daß nach Prinzipielle Differenz mit dem Nationalrath und

415 manchen Richtungen der Tarif A nicht weit genug, der Tarif B dagegen als zu weit gehend betrachtet wurde, und nach der Ansicht Ihrer Kommission ist es zweifelhaft, daß zur eventuellen Volksabstimmung beide Tarife gebunden bleiben könnten. Sei dem wie ihm wolle, so kann mit Sicherheit nicht vorgesehen werden, ob beide Tarife vereint, ob Tarif A, ob Tarif B, oder ob schließlich keiner der beiden die Zustimmung des Volkes finden werde. Diese Ungewißheit darf und kann nicht bestritten werden, und im Hinblick hierauf ist die Ansicht, das Referendum könnte uns auf den Tarif von 1851 zurück werfen, nicht ganz grundlos. In diesem nicht absolut undenkbaren Falle wäre eine Hauptbedingung, deren wir Eingangs unsers Berichtes gedachten und die von beiden Räthen als unumgängliches Bedürfniß anerkannt wird, nämlich -- gerüstet zu sein für zweckdienliche Handelsvertragsnegoziationen -- nicht erfüllt worden.

Dieser Gefahr und der damit möglicher Weise im Zusammenhange stehenden ungünstigen Beurtheilung unsers parlamentarischen Wirkens glaubt Ihre Kommission sich nicht aussetzen zu dürfen, und dies um so weniger, als selbst bei Annahme beider Tarife durch das Volk keineswegs festgestellt wäre, daß im Hinblick auf den Wortlaut des s. Z.

beantragten Artikels 6 des Gesetzes (nach Fassung des Nationalrathes) der Tarif B von denjenigen Staaten, mit welchen wir über Handelsverträge zu unterhandeln haben werden, von unseren Mitkontrahenten als maßgebend anerkannt worden wäre.

Allen diesen Zweifeln und0 Unsicherheiten wollte die Kommission thunlichst vorgreifen und hielt es deßwegen den Umständen angemessen, die verschiedenen Ansichten, Wünsche und Bedürfnisse nach Möglichkeit zu vereinigen; dies konnte sie, nach ihrer Beurtheilung, bloß durch Aufstellung Eines Tarifes, eines General- oder autonomen Tarifes erzielen, und sie glaubte sogar diesem, nach ihrer Ansicht wichtigsten Zwecke der Zolltarifreform manche vollkommen begründete Anschauung über einzelne Tarifsätze opfern zu sollen.

Obgleich nicht zur Tariffrage gehörend, und somit nicht Verfallzeit der direkt in der Aufgabe Ihrer Kommission liegend, erlaubt Handelssich dieselbe dennoch hervorzuheben, daß es in hohem In- verträge.

teresse unseres Landes sei, wenn die Lebensdauer der verschiedenen Handelsverträge ungefähr zu gleicher Zeit ablaufe,

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und gibt deßnahen bei dieser Gelegenheit dem Wunsche Ausdruck, es möchten allfällig in den nächsten Jahren abzuschließende neue Handelsverträge in ihrer Verfallzeit so gehalten werden, wie dies in letzter Zeit thatsächlich geschehen ist, damit wir bei Ablauf des Vertrages mit Frankreich nicht mehr mit gebundenen Händen dastehen.

Indem Ihnen die Kommission ,,Eintreten auf die Vorlage" empfiehlt, erübrigt ihr noch, mit einigen Worten der Berichterstattung und sodann der Behandlungsweise der Vorlage zu gedenken.

Berichterstatiung.

In Bezug auf den ersteren Punkt beehren wir uns, Ihnen mitzutheilen, daß nach unserem Beschlüsse die Berichterstattung eine allgemeine sein solle, von der Ansicht geleitet, daß es dem Zwecke am besten entsprechen dürfte, die Begründung der Details, wo solche nothwendig ist oder gewünscht wird, den Spezialberichterstattern zu überlassen; und in Betreff des letzteren Punktes hat die Kommission einen Beschluß nicht gefaßt, unterbreitet Ihnen daher keinen Vorschlag, sondern will der Einsicht des Käthes, über die Art der Behandlung der Vorlage nach eigenem Ermessen zu entscheiden, nicht vorgreifen.

Form der Behandlung.

Für die Berathung der Vorlage stehen drei Wege offen : 1) Detailberathung nach den einzelnen Positionen; 2) kategorienweise Berathung; und 3) Berathung in globo.

» Dem ersten Wege, Detailberathung nach den einzelnen Positionen, steht entgegen der große Zeitaufwand, der bei dieser Berathungsart gefordert wird. Wenn wir die bei unseren Verhandlungen in dieser Richtung gernachten Erfahrungen als Maßstab anlegen, so müßte der Rath diesem Traktandum viele Wochen widmen.

Der dritte Weg, die Berathung in globo, dürfte kaum zu empfehlen sein, da bei dieser Form der Behandlung Zusammenhang kaum zu bewahren und Verwirrung schwer zu vermeiden wäre.

Der zweite Weg, die kategorienweise Berathung, dürfte am ehesten angezeigt erseheinen. Es hat die ständeräthliche Zolltarifkommission im Dezember 1877 dieses Vorgehen ein-

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pfohlen, und zwar in der Weise, daß die Mitglieder des Rathes, welche bezüglich einzelner Positionen einer Kategorie Bemerkungen zu machen oder Abänderungsanträge zu stellen beabsichtigen, dies dem Präsidium anzeigen, welches dann über jede bestrittene Position getrennt Diskussion eröffnen würde.

Mit vollkommener Hochachtung.

B e r n , den 11. März 1884.

Die M i t g l i e d e r der K o m m i s s i o n : HH. Bieter, Berichterstatter.

Estoppey.

Blumer.

Tschudi.

Zschokke.

Theiler.

Göttisheim.

Trog.

Lachenal.

Cornaz.

Salili.

Note. Die Detail-Anträge der Kommission werden den Mitgliedern der Bundesversammlung in einem größern Imprimate ansgetheilt.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der ständeräthlichen Kommission für den neuen schweizerischen Zolltarif. II.

Berathung. (Vom 11. März 1884.)

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1884

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15.03.1884

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