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Schweizerisches Bundesblatt.

36. Jahrgang. II.

Nr. 26.

17. Mai 1884.

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Bericht der

Kommission des Nationalrathes zu

dem Vorschläge des Ständerathes für das

·

Bundesgesetz betreffend

einen neuen schweizerischen Zolltarif.

(Vom 24. April 1884.)

(II. Bericht der zweiten Berathung. Der 1. Bericht der zweiten

Herren Nationalräthe !

Unterm 23. April v. J. haben Sie dem Ständerathe einen Beschlussesentwurf betreffend die Aufstellung eines neuen Zolltarifes übermittelt, nachdem Sie vom 4. gl. Mts. an darüber berathen hatten. Derselbe war vom Vorschlage des Bundesrathes vom 3. November 1882 insoweit abgegangen, als derselbe zwei Tarife (A. Gebrauchs- und B. Generaltarif) aufgestellt hatte, nachdem übrigens vom Bundesrath selbst eine bezügliche Ergänzung verlangt worden war, die dann unterm 11. Dezember gl. J. nachgeliefert worden ist. Obschon der Ständerath zuerst nicht willig Bundesblatt. 36. Jahrg. Bd. II.

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gewesen ist (Beschluß vom 3. Juli 1883), auf die Behandlung der Vorlage mit zwei Tarifen einzutreten, so ist der Nationalrath von seinem Entwürfe doch nicht abgegangen (Beschluß vom 6. Juli 1883) und ist deshalb jetzt, nachdem unterm 21. März 1884 die Uebermittlung der Berathungsresultate von Seite des Ständerathes mit nur e i n e m Tarife, der allerdings G e n e r a l t a r i f genannt wird, erfolgt ist, neuerdings vor die Eintretensfrage im Allgemeinen gestellt, d. h. speziell in der Weise, ob man die Berathung nach der Vorlage des Ständerathes weiter führen oder verlangen wolle, daß der Ständerath zu den hierseitigen entsprechende Beschlüsse im Sinne eines Doppel tarifes fasse.

Es läßt sich nicht leugnen, daß gegen die Art des Vorgehens, durch den Ständerath vom Standpunkt des Bundesgesetzes vom 22. Dezember 1849 über den Geschäftsverkehr zwischen den beiden Räthen Einwendungen erhoben werden können, indem dadurch eine Umkehr der Rollen stattgefunden und der Nationalrath aus.

seiner Stellung der ersten Berathung (Art. 2 des Gesetzes) hinausgedrängt worden ist. Allein nach einer kurzen Besprechung in der Kommission haben wir um so weniger Anstand genommen,, Bedenklichkeiten aufzuwerfen, als wir im gegenwärtigen Stadium jede Verzögerung vermeiden wollten und als in der m a t e r i e l l e n Behandlung der Positionen vielerorts eine Uebereinstimmung der Ansichten zwischen National- und Ständerath sich herausgestellt hat. Dazu läßt sich für das Verfahren des Ständerathes noch sagen, daß er in Beachtung von Art. 37 seines Geschäftsreglementes, welchesdem Art. 38 des Réglementes des Nationalrathes entspricht, eben vorgezogen hat, auf die ursprüngliche Gesetzesvorlage des Bundesrathes einzutreten, statt auf die Umarbeitung mit Doppeltarifen, welcher im Nationalrath der Vorzug g3geben worden ist. Im Weitern müßten wir gestehen, daß, so ungern wir die Verspätung durch den Ständerath zuerst gesehen haben, die Zeit zwischen den beiden Berathungen von Seite seiner Kommission gehörig benutet worden ist, indem die stattgefundene Untersuchung über den Werth der zu, verzollenden Gegenstände zu einer Art A u s g l e i c h u n g geführt hat, deren Richtigkeit wir in den meisten Fällen nicht haben bestreiten können. So sehr man auch zuerst versucht war, in der Vorlage des Ständerathes einen Koalitionstarif zu
erblicken, so sehr wurde vielseitig zugestanden, daß dieselbe als ein Kompromiß zu betrachten sei, das man bei der Divergenz der in der Schweiz herrschenden Ansichten über einen Zolltarif im Allgemeinen und über den speziellen des Nationalrathes nicht ablehnen könne.

Indem wir daher die Frage des Eintretens einmüthig bejaht haben, glauben wir doch gemäß dem erwähnten Gesetze über den

Geschäftsverkehr die gegenwärtige Berathnug als die erste in unserm Käthe ansehen zu müssen und Zustimmungen des Ständerathes auf einzelne Tarifpositionen nicht als bindende gelten lassen zu können, indem es doch nicht das Gleiche ist, ob eine Position in dem einen oder in dem andern Tarife des Nationalrathes gestanden hat, und nicht gleichgültig, von welchen andern Ansätzen sie begleitet war.

Wichtiger jedoch als diese formelle Feststellung der parlamentarischen Basis der Berathung ist die m a t e r i e 11 e Auffassung über die Tariffrage selber und die Bestimmung der einzelnen Positionen. In dieser Beziehung haben die erwähnten formellen Bedenken um so mehr in den Hintergrund treten können, als wir viele gemeinschaftliche Berührungspunkte mit dem Ständerathe und seiner Kommission hatten. Für's Erste ist zu koustatiren, daß sein einheitlicher Tarif ein Generaltarif und damit die Rückkehr zum a u t o n o m e n Tarif von 1878 geworden ist. Die dadurch bedingte Stellung des Schweizerlandes ist es gewesen, welche uns bestimmt hat, in einem sog. Gebrauchstarif die Vermittlung der einzelnen Ansätze zu suchen, für welche auch nach den Verträgen mit Frankreich etwas zur freien Behandlung übrig geblieben ist. Wir hatten geglaubt, auf diese Weise den autonomen Tarif retten zu sollen, während der Ständerath die von ihm gewählte als die richtigere hält.

Die Hauptsache bleibt die, daß das Gleiche gewollt wird: die Hers t e l l u n g eines a u t o n o m e n T a r i f e s . Darauf ergab sich der zweite Berührungspunkt selbst: die Verwendung dieses Tarifes iu den handelspolitischen Vereinbarungen der Schweiz mit dem Ausland und die Beurtheilung der Produktions- und der Konkurrenzverhältnisse des Inlandes. Gerade mit Rücksicht auf die letztem würden wir aber die zu machenden Konzessionen weniger betonen.

In der Beurtheilung der inländischen Produktion und Konsumtion ergab sich sodann der dritte Berührungspunkt : die Beachtung einer Skala: Rohfabrikat und Lebensmittel, Halbfabrikat, Fabrikat, Konfektion und Luxus. Als wir daher im Bericht der Kommission des tìtanderathes der Stelle begegneten : ,,Wir verlangen einen Tarif, der sich ansehließt an die Bedürfnisse unseres Volkes, an die im Artikel 29 der Bundesverfassung gegebeneu Vorschriften und, wie dies auch früher schon betont wurde, an das s. Z. von einer
außerparlamentarischen Kommission aufgestellte Prinzip der Festsetzung, resp. progressiven Erhöhung der Zölle, einerseits nach Maßgabe der auf die betreffenden Artikel verwendeten Arbeit, anderseits unter Berücksichtigung des Werthcs derselben, soweit andere in Betracht zu ziehende Momente der Durchführung dieser Grundsätze nicht entgegentreten,*·'· so mußten wir uns wirklich fragen , was von unserer Seite denn anders gewollt werde. Bei solchen gemeinschaftlichen An-

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und Absichten ist es daher besser, den mannigfach mit übel angewendeten W Worten ten geführten T e u d e n z k r i e g fallenzuzii lassen und eine Verständigung zu erzielen. Wir unserseits dürfen um so mehr dieses bemerken, als wir darauf h i n w e i s k ö n n e n , dassl.l die Vorschläge unserer Kommission, resp. dNalionalrathes,es, unter der Quote der V o r s c h l ä d e s Bundesrathese.s und dStänderatheshes zurückgeblieben sind. Beide andern weisen e i g r ö s s e r e Gesammt- s s e z u r gestellt worden wäre.

Gerade hierin finden wir aber in Bezug auf die einzelnen Positionen wiederum einen gemeinschaetlichen Berührungspunkt; es ist die Anschauung, die Zölle als eine vom Volke aufzubringende Steuer zu betrachten. Der von dein Ständerath eingeschlagene Weg, sich mit einer neuen Werthung der zur Besteuerung kommenden Gegenstände einen Leitfaden nu geben, haben wir bereits mit Anerkennung erwähnt; derselbe ist, abgesehen von seiner Anwendung in der ' Stufenleiter der Zölle, gerade vom Gesichtspunkte des Werthes von wichtiger Bedeutung. Allein bei aller ohne Rückhalt ausgesprochenen Anerkennung will der Berichterstatter doch einigea individuellen Anschauungen, die ihn wenigstens bei mehrern Stimmgebungen geleitet haben, Ausdruck geben. Mehr als einmal nämlich ist er in der Lage gewesen, sich zu fragen : w e r bezahlt eigentlich den Zoll auf einen Artikel für die Einfuhr in die Schweiz und damit auch die Steuer? Indem er auf die Auseinandersetzungen in dem größern Berichte vom 11. Märe 1883 (S. 27 ff.)*) zu beziehen sich erlaubt, glaubte er unbestritten sagen nu dürfen, dal» alle Mal dann, wenn der Importeur die Zölle, wenn auch nicht de facto bezahlen, doch tragen muß, derselbe die Steuer bezahlt, es demnach unrichtig ist, zu behaupten, daß die bezahlten Zölle durch Erhöhung der Preise auf die Konsumenten abgeladen und damit in *) ,,Etwas anders ist es aber, sagen wir, einem Volke Lasten aufzulegen, zu deren Bestreitung es keine Mittel hat; etwas anders ist die Aufstellung von Vorschriften, welche die Mittel zur Tragung der Lasten bieten und zwar in einem die Lasten weit übersteigenden Maße. Die Schafffung von Arbeit heißt aber für die Mittel sorgen. Andeutungsweise kann auch darauf hingewiesen «erden, daß es lange nicht immer das konsumirende Volk des Landes ist, welches die Zölle, bezahlt,
so daß eine Erhöhung der Zölle die Lebensbedinguugen des Volkes gar nicht erschwert. Wir sind überzeugt, daß viele Gegenstände deßhalb nicht theurer im Innern verkauft werden, wenn sie auch an der Grenze Eingangszölle bezahlen müssen; deßhalb ist eine etwelche Erhöhung der Zölle gar keine Erschwerung. Wo nicht gerade ein Missverhältnis zum Werthe einer Waare besteht, behaupten wir, daß der Zoll ein verschwindender Faktor in deu Schwankungen der Preise, die in wenig Monaten je nach andern Konjunkturen um10%»

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Wirklichkeit das Leben vertheuert werde. Es darf dieser Behauptung oder angelernten Redensart gegenüber getrost die andere gestellt werden, daß es schwierig sein wird, den Beweis zu erbringen, daß der Zoll in Wirklichkeit auf den Verkaufpreis im Innern des Landes von Einfluß gewesen sei. Das Gleiche gilt besonders auch dann, wenn die Erhöhung bei der V e r z o l l u n g s e i n h e i t (nach unserm Systeme also der metrische Zentner) eine so geringe ist, daß sie in der V e r k a u f s e i n h e i t , die in der Mehrzahl deiFalle das Kilo oder Bruchtheile desselben ist, gar nicht »um Ausdruck kommen kann. Beispielsweise nennt er die Getreide-, Mehl-, Bier- und Eisenzölle; wenn es nothwendig werden sollte, so könnte der Berichterstatter die Beispiele auf dem Gebiete der Genuß- und Nahrungsmittel noch vermehren, wo die Erhöhung der Zölle meist nur eine fiskalische Wirkung zu Gunsten der Staatskasse, aber keine ökonomische Wirkung zu Lasten der Privatkasse des Einzelnen ausübt. Der Berichterstatter geht deßhalb seinerseits noch einen Schritt weiter und glaubt behaupten zu dürfen, daß in allen diesen Fällen der Gesetzgeber seine Pflicht verletzt, die Erhöhung dann nicht auszusprechen, wenn eineErhöhung zur Förderung einer inländischen Industrie angezeigt ist. Die Förderung darf dann keine künstliche mehr genannt werden, sondern sie beruht auf der Berücksichtigung der natürlichen Konkurrenzverhältnisse des Weltmarktes. Es ist aber unnatürlich, wenn die. die Schweiz umgebenden Staaten durch ihre Zollschranken erreichen, daß die schweizerische Produktion von der Konkurrenz auf ihrem Gebiete ausgeschlossen ist, während deren Produktion auf dem Gebiete der Schweiz sich sogar mit Ueberlegenheit auf die Konkurrenz einlassen kann.

Derartige Ansichten, welche bei unserer ersten Berathung wiederholt geltend gemacht worden sind, sind bei der diesmaligen weniger betont worden, sondern es ist getrachtet worden, den vom Ständerath eingeschlagenen Weg zu befolgen. Deßhalb sind der Meinungsverschiedenheiten (Differenzen) nur wenige mehr, so daß und mehr auf- oder abschlagen können, ist. Mißwachs, Kreditverhältnisse n. s. w. haben den bestimmenden Einfluß. Heißt es ja, um das Gesagte zu erhärten, in der Eingabe der kaufmännischen Gesellschaft selber und auch in andern Petitionen, daß die Eingangszölle, welche auf der
Exportindustrie lasten, von dieser selber bezahlt werden müssen, also von den Produzenten und Handelsleuten, nicht vom konsumirenden Volke. Solches gilt aber nicht bloß von den Exportindustrien, sondern von der Mehrzahl der Gegenstände, welche eingeführt werden, uni im Lande verbraucht zu werden. Der Importeur zahlt alle Male da, wo im Inland eine e n t s p r e c h e n d e Ind u s t r i e besteht, welcher er K o n k u r r e n z machen will; es gilt dieses im großen Maßstabe selbst von der Landwirtschaft, z. B. im Weinbau, Tabakhau, überhaupt von allen Anpflanzungen, die in erheblicher Ausdehnung gepflegt werden und auf die Preise demnach von Einfluß sein können."

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eine baldige Begleichung derselben nicht zu den Unmöglichkeiten gehört. Die Beleuchtung derselben gehört der Spezialdiskussion an, und es ist zu hoffen, daß durch eine ruhige und umsichtige Berathung und Besprechung ,,mehr Licht" in die Sache gebracht und noch manche Aufklärung ermöglicht werde. Hierorts erlaubt sich der Berichterstatter nur noch wenige Worte. Das Gesammtresultat der Berathungen Ihrer Kommission ergibt gegenüber deu Beschlüssen des Ständerathes gemäß der Zusammenstellung auf Seite 10 des Differenzenheftes eine Abweichung von annähernd Fr. 200,000, d. i. Fr. 18,816,699 gegen Fr. 19,010,300 nach dem Beschlüsse des Ständerathes; die Differenz ist also bloß noch l %.

Wenn auch zugestanden werden muß, daß dieselbe keine unüberwindliche mehr ist, so muß doch gefragt werden, ob sie nicht eine derartige sei, daß dadurch das finanzielle Gleichgewicht in deu Finanzen des Bundes gestört wird. -- Denn das darf nie außer Acht gelassen werden, daß dieses Motiv das eigentliche konstitutionelle und bewegende bei der Revisionsarbeit gewesen ist, während glücklicher Weise nach den Ergebnissen der Staatsrechnung der letzten Jahre man nicht mehr unter den Wirkungen eines Defizites hat berathen müssen und man sich ruhigem Würdigungen und Bemessungen hat hingeben können. Es ist besonders auch die Befürchtung geäußert worden, daß ein ,,Zu viel" für eine ökonomische Verwaltung auch ungesund sei.

Ihre Konimission verweist Sie auf ihre Berechnungen auf Seite 70 u. ff. des Berichtes vom 10. März 1883, in welchem sie die von der Verwaltung erstrebte Summe von 20 Millionen Franken als zu hoch gegriffen erachtete. Heute muß sie: zugeben, daß durch die beabsichtigten Beschlüsse betreffend die laudwirthschaftliche und gewerbliche Enquete neue Lüsten auf das Budget des Bundes fallen werden. Auf der andern Seite ist aber nicht MI Übersehen, daß gerade die Zolleinnahmen in deu letzten Jahren eine erhebliche Progression zeigen. Die Kommission hat daher mit Rücksicht auf die Notwendigkeit einer klugen Oekonomie in der Bundesverwaltung sich nicht genöthigt geglaubt, eine durchaus nivellirende Ziffer herstellen zu sollen, und ist der Ansicht, dass eiue abwartende Stellung gegenüber den Resultaten der kommenden Jahresrechnungen angemessen sei. Sie hält das Abwarten um so mehr für angezeigt, als sie der A: sieht ist,
daß, wenn einmal die Notwendigkeit nach größereuZolleinnahmenn erzeigt ist, auf gleiche Weise vorgegangen werden könne, wie es durch das Bundesgesetz vom 28. Juni 1879, betreffend Zollerhöhung auf Tabak, gescheiten ist. Es wurde geäußert, daß dann gerade auf die Punkte zurückgegriffen werden könne, inBezug auf welche heutzutage noch Differenzen bestehen.

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Fassen wir diese noch kurz in's Auge, so läßt sich ohne Mühe zunächst herausfinden, daß, wie bei der ersten Berathung, die vor einem Jahre stattgefunden hat, eine der ersten und grundsätzlichen Bestrebungen der Kommission gewesen ist, eine Herabminderung da zu proponiren, wo ein Gegenstand als ein einer Industrie dienender R o h s t o f f aufzufassen war, z. B. das Roheisen, Seide, Serge de Berry -- zur Schuhfabrikation nothwendig -- Pferde und Büffelhaare. Konsequent war gleichzeitig das Verfahren, daß wir da, wo ein Gegenstand, der auch als Rohstoff dient, aber unter dem Gesichtspunkt als Fabrikat einen Aufschlag erlitten hatte, z. B.

Leder, beim fertigen Fabrikat auch eine Erhöhung haben eintreten lassen. Neben der Herabsetzung der Rohstoffzölle war unser zweites Bestreben, einen Aufschlag nicht zuzugeben oder eine Erniedrigung zu erwirken bei Gegenständen, die als solche des a l l t ä g l i c h e n G e b r a u c h e s angesehen werden müssen, wie grobe Holz- und Bürstenbinderwaaren, minderwerthige Schuhwaaren, Messerschmiedwaaren, Waaren aus Zinn, Frucht- und Beerensäfte, Bier -- wo wir also den Standpunkt der Fabrikation haben in den Hintergrund treten lassen -- Filzwaaren, wollene Kleidungsstücke. Es mag bei einigen weitern Herabsetzungen auffallen, daß sie bei eigentlichen Luxusgegenstände wie Geheimmittel, Spielkarten, Herrenhüte sich finden. Dabei ist aber die Absicht der Kommission gar nicht gewesen, den Luxus begünstigen zu wollen, sondern die eidgenössische Staatskasse, die am ersten geschädigt wird, wenn Gegenstände hoch verzollt werden müssen, die leicht geschmuggelt werden können.

Man hätte vielleicht in dieser Richtung noch weiter gehen und auch den Zoll auf ledernen Handschuhen herabsetzen sollen. Aus diesem Grunde sind wir auch auf die weitere vom Ständerathe überwiesene Wiedererwägung, die Erhöhung auf Cigarren und Cigarretten bezweckend, nicht eingetreten. Die Ermäßigung bei den Herrenhüten haben wir vorgeschlagen, weil auch viele minderwerthige Waare unter der gleichen Bezeichnung begriffen und eine weitere Unterscheidung nicht thunlich war.

Außer diesen Differenzen, bei welchen das grundsätzliche Verfahren, das uns geleitet hat, gut herausgefunden werden kann, erübrigt uns noch, von zweien zu sprechen, die als Spezialitäten bezeichnet werden können, bei deren Behandlung
aber unseres Erachtens gute Gründe mitgewirkt haben. Die eine betrifft die Feststellung des Zolles auf gewöhnlichem F e n s t e r g l a s (III, 2, a") auf Fr. 8, d. i. Beibehaltung des von unserm Rathe schon zwei Mal beschlossenen Ansatzes: das erste Mal im Jahre 1878, das zweite Mal im Jahre 1883 im Generaltarif. Wir sind der Ansicht, daß der Ansatz, da die Schweiz übrigens mit Fr. 7 im Konventionaltarife gebunden ist, im Zusammenhange des Ganzen und mit Rück-

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sieht auf Unterhandlungen durchaus beibehalten werden sollte.

Speziell sprechen für die Erhöhung nicht nur die ungünstigen Konkurrenzverhältnisse, welche die schweizerische Glasindustrie bei einem allfälligen Exporte zu bestreiten hat, sondern auch die Frachten, welche im Inlande theuer sind, während die auswärtigen Produzenten noch durch Differenzialtarif begünstigt sind. Die zweite Spezialität betrifft die Erhöhung auf Fr. 1. 25 auf dem P e t r o l e u m (X, 15). Wir haben um so mehr geglaubt, den fiskalischen Betrachtungen des Bundesrathes. der Fr. 1. 50 gewünscht hat, entgegenkommen zu sollen, als die oft gehörte Redensart : "Vertheuerung des Lichtes des Armen" bei der Würdigung der Preisverhältnisse auf dem Gebiete des Handels in diesem Gegenstande eben als eine bloße Redensart sich erweist. Dem bundesräthlichen Vorsehlage haben wir deßhalb nicht beigestimmt, um die Abweichung mit dem Ständerathe nicht zu weit werden zu lassen. Wir glauben, daß seine Beistimmung um so leichter möglich werden sollte, als die Berechnungen von tüchtigen Oekonomen und Handelsleuten dazu geführt haben, daß auch ein höherer Ansatz gerechtfertigt wäre. Anträge in diesem Sinne sind wirklich in unserm Schöße auch gestellt, von der Mehrheit aber in dem Sinne abgelehnt worden, daß es dem Ständerathe möglich werde, uns beizustimmen.

Mit vorzüglicher Hochachtung, B e r n , den 24. April 1884.

Der Berichterstatter d e r n a t i o n a l r ä t h l i c h e n Kommmission:

Dr. S. Kaiser.

Außer dem Berichterstatter hat die Kommission bestanden aus den HH. Beck-Leu, Cramer-Frey, Geigy, Gonzenbach, Grosjean, Hermann, Keller, Künzli, Ruffy, Schmid, Stokmar, Sonderegger, Vautier, Zweifel. (NB. Von diesen Kommissionsmitgliedern hat Hr. Keller, wegen Krankheit entschuldigt, nicht Theil genommen, Hr. Stokmar den ebenfalls wegen Krankheit verhinderten Hrn. Kühn ersetzt.)

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Bericht der Kommission des Nationalrathes zu dem Vorschläge des Ständerathes für das Bundesgesetz betreffend einen neuen schweizerischen Zolltarif. (Vom 24. April 1884.)

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