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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer Straßenbahn Frauenfeld-Wyl.

(Vom 16. Juni 1884.)

Tit.

Das Initiativkomite für eine Straßenbahn von Frauenfeld nach Wyl hat unterm 21. April und 19. Mai 1882 mit dem Regierungsrath des Kantons Thurgau den nachstehenden, am 21. November gleichen Jahres vom thurgauischen Großen Rath genehmigten Vertrag abgeschlossen: ,,1. Dem benannten Komite wird für die Dauer von 30 Jahren bewilligt, auf der Landstraße Frauenfeld-Wyl ein Bahngeleise au legen und dasselbe für Personen- und Waarenverkehr zu betreiben, wozu Dampf, komprimirte Luft oder Elektrizität als bewegende Kraft benutzt werden kann.

2. Das Bahngeleise soll mindestens eine Spurweite von l Meter haben, mit der Oberkante der Schienen im Niveau der Straßenkrone liegen, so daß mit gewöhnlichen Fuhrwerken über dasselbe leicht weggefahren werden kann, und die Straße so wenig als möglich kreuzen. Es soll so gelegt werden, daß die äußersten Punkte der zu transportirenden Wagen 0,3 m. vom Straßenrande oder 0,15 in.

von der Trottoirlinie abstehen ; bei Gebäuden soll die Entfernung wenigstens l m. von deren Fensteröffnungen beiragen.

3. Das Aufreißen der Straße und das Legen der Schienen soll mit möglichster Beförderung geschehen; die Wiederherstellung der Straße soll wo möglich noch am nämlichen Tage stattfinden und der Verkehr derselben darf nicht unterbrochen werden.

'293 4. Wo für die Anlage der Bahn eine Korrektion der Straße, eine Verlegung von Wasser- oder Gasleitungen etc. nothwendig wird, hat dies auf Kosten der Gesellschaft zu geschehen, und zwar ersteres je auf die ganze Straßenbreite. Gegen die Anlage neuer Leitungen von Wasser oder Gas, oder die Anlage' von Abzugskanälen, Dohlen etc. nach der Anlage der Bahn, kann die Gesellschaft keinerlei Einwendungen erheben. An der Korrektion der Straße beim Krebsbaeh, oberhalb Münchweilen, übernimmt der Staat die Hälfte der Kosten.

5. Der regelmäßige Unterhalt der Straße wird wie bisher durch den Staat besorgt ; doch hat das Komite nach dem Legen der Schienen den Unterhalt der Straßenstrecke zwischen denselben und eines Streifens von 60 cm. Breite längs und außerhalb derselben auf die Dauer von 4 Monaten zu übernehmen. Jede Beschädigung der Straße durch Arbeiten an dem Geleise hat die Gesellschaft wieder herzustellen. Ueber den Unterhalt der Pflasterung zwischen und längs dem Geleise innerhalb der Ortschaften hat sich die Gesellschaft mit den betreffenden Ortsgemeinden zu verständigen.

6. Die zur Verwendung kommenden Lokomotiven sollen möglichst wenig Geräusch verursachen, leicht angehalten werden können, gedeckte Räder und keine schimmernden Theile haben, um das Scheuen der Pferde möglichst zu verhüten. Sie sollen ferner mit einem automatischen Läutwerk versehen sein, damit die Annäherung des Zuges auf größere Entfernung bemerkt werden kann.

7. Die Personenwagen müssen für 2 Klossen eingerichtet sein und dürfen höchstens eine Breite von 2 m. haben. Sie sollen mit beweglichen Fenstern und mit Einrichtung für Heizung und Beleuchtung versehen sein.

8. Die Fahrgeschwindigkeit darf in Ortschaften und in gedeckten Kurven nicht mehr als 10 km. per Stunde betragen. Im Falle von Hemmnissen oder beim Scheuen von Pferden und Hornvieh muß die Fahrgeschwindigkeit ermäßigt oder der Zug angehalten werden. An Markttagen darf zwischen 9 Uhr Morgens und 7 Uhr Abends ohne besondere Verständigung der Ortsbehörden nicht durch Frauenfeld gefahren werden.

9. Die Gesellschaft ist für alle aus dem Bahnbetriebe entstehenden Schädigungen an Leben und Eigenthum verantwortlich, nach Maßgabe des eidgenössischen Haftpflichtgesetzes für Eisenbahnbetrieb. Das Personal hat alle Sorgfalt darauf zu verwenden, daß Störungen und Unglücksfälle
vermieden werden. Dero Regierungsrathe steht das Recht zu, die Entlassung von Lokomotivführern zu verlangen, welche sich gegen diese Bestimmungen verfehlen.

Bundesblatt. 36. Jahrg. Bd. III.

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10. Es sollen täglich in jeder Richtung wenigstens drei Züge geführt werden. Der Fahrtenplan bedarf der Genehmigung des Regierungsrathes.

11. Die Benutzung der Straße ist unentgeltlich, so lange das Unternehmen nicht einen Reingewinn von mehr als 6 % nach Dotirung des Erneuerungsfondes abwirft. Von diesem Zeitpunkt au ist aus dem Mehrertrag dem Staate jährlich eine Pachtsumme von 100 Fr. per Kilometer zu entrichten.

12. Zur Erwerbung der Bundeskonzession für das Unternehmen wird eine zweijährige Frist (vom Datum des Abschlusses dieses Vertrages an) festgesetzt. Die Bahnanlage ist innert einer Frist von 2 Jahren nach der Erlangung der Konzession durch die Bundesbehörden zu vollenden und in Betrieb zu setzen. Mit Ablauf dieser Frist tritt ohnedies der Vertrag außer Kraft.

13. Die Uebertragung der aus diesem Vertrage hervorgehenden Rechte und Pflichten auf Drittpersonen oder eine Aktiengesellschaft bedarf der Genehmigung des Regierungsrathes.

14. Das Legen des Geleises darf erst an Hand genommen werden, wenn der Finanzausweis durch den schweizerischen Bundesrath als geordnet erklärt ist und die dem Regierungsrathe vorzulegenden Detailpläne über die Geleiseanlegung, die Korrektionsarbeiten an der Straße und das Rollmaterial genehmigt sind.

15. Nach der Vollendung der Bahn ist dein Regierungsrathe eine Abschrift der Baurechnung zuzustellen.

16. Nach Ablauf des Vertrages kann derselbe erneuert werden.

Der Kauton hat jederzeit das Recht, die Bahnanlage sammt Rollmaterial als Eigenthum au sieh zu ziehen, und zwar wahrend der Vertragsdauer gegen Ersatz der Erstellungskosten, nach Ablauf des Vertrages gegen Vergütung des dannzumaligen Werthes. Wenn eine Einigung über diese Taxation nicht erzielbar ist, hat das schweizerische Bundesgericht die Uebernahmssumme festzusetzen.

Tritt keine dieser Eventualitäten ein, oder wird der Betrieb aus irgend einem Grunde vor Ablauf des Vertrages eingestellt, so hat die Gesellschaft das Geleise zu entfernen und die Straße wieder in Ordnung zu stellen."

Gestützt hierauf und unter Vorlage der in der bundesräthliehen Verordnung vom 1. Februar 1875 zum Bundesgesetz vom 23. Dezember 1872 über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen vorgeschriebenen Nachweisungen (Amtl. Samml. n. F. I, 241)

295 stellt das Romite mit Eingabe vom 28. Mai 1882 das Gesuch um Ertlieilung der Bundeskouzession für sein Projekt. Mit Bezug auf dieses ergibt sich aus den Akten, daß zwischen den beiden Bndpunkten Frauenfeld und Wyl die Stationen und Haltestellen Murkart, Matzingeu, Jakobsthal, Wängi, Rosenthal und Münchweilen im thurgauischen Murgthal bedient werden sollen, wie denn als Zweck der Unternehmung die bessere Verbindung dieser Ortschaften und indirekt auch des Lauchthals unter sich und mit den an den beiden Endpunkten anschließenden Linien der Nordost- und der Vereinigten Schweizerbahnen angegeben wird.

Als eigentliche Straßenbahn wird die Linie nur auf dem Gebiet des Kantons Thurgau gebaut ; kurz bevor sie aus demselben tritt und -- in der Nahe von Wyl -- St. Gallischen Boden berührt, verläßt sie die Landstraße, um der hier bedeutenden Steigung der letztern (5 °/o) auszuweichen und eine günstige Einfahrt in den Bahnhof Wyl zu gewinnen. Im Uebrigen sind die Niveau Verhältnisse der Straße normal; die Steigungen gehen, abgesehen von der Strecke zwischen dem Viehmarkt in Frauenfeld und dem Nordostbahn-Bahnhof, nicht über 30 %o und auch die Kurven sind für eine Straßenbahn nicht ungünstig zu nennen.

Die Baukosten werden vom Romite zu Fr. 540,000 für die 17,15 Kilometer ßahnlänge veranschlagt, wovon Fr. 240,000 in Aktien aufgebracht und Fr. 300,000 durch Anleihen beschafft werden sollen.

Als Betriebseinnahmen sind Fr. 66,500 berechnet, nämlich : Fr. 41,700 aus dem Personenverkehr, Fr. 22,300 aus dem Güterverkehr und Fr. 2500 aus indirekten Eingängen, wogegen an Betriebsausgaben Fr. 43,295 büdgetirt sind, die sich folgendermaßen vertheilen : Fr. 4850 auf die allgemeine Verwaltung, Fr. 11,764 auf die Bahnunterhaltung, Fr. 2191 auf den Expeditionsdienst, Fr. 3540 auf den Fahrdienst, Fr. 17,750 auf die Zugkraft und Fr. 3200 auf Miethe in den Ansehlußbahnhöfen u. dgl.

Der hierauf sich ergebende Jahresgewinn würde Fr. 23,205 betragen und mit Fr. 13,500 für Verzinsung der Obligationen verwendet werden müssen, während der Rest von Fr. 9705 zur Verfügung der Aktionäre bliebe.

Wir beantragen, die gewünschte Konzession unter den im nachstehenden Beschlußentwurf enthaltenen Bedingungen zu ertheilen.

Diese Bedingungen, soweit sie sich nicht hinsichtlich der Konzessionsdauer (Artikel 2) und der Fahrgeschwindigkeit (Artikel 12, Absatz 2) ausschließlich aus den im Eingang erwähnten Vertrag ent-

296 halteneil Verabredungen ergeben, entsprechen den Vorschriften, welche in neuerer Zeit bei Gestattung von Straßenbahnen (Waiden burger bahn, Bundesrathsbeschluß vom 24. Februar 1880, Eisenbahnaktensammlung n. F. VI, 10, Aargauisch-luzernische Seethalbahn, Bundesrathsbeschluß vom 25. April 1882, Eisenbahnaktensammlung n. F. VII, 26, und Langenthal-Huttwy], Bundesbeschluß vom 20. Dezember 1882, ibid. V, 102) aufgestellt worden sind. Die im Art. 10 des Vertrags mit dem Kanton Thurgau anbedungenen mindestens drei tägliche Züge sind mit Zustimmung des Konnte auf vier vermehrt worden.

Sie haben, bis auf einen Punkt, auch die Zustimmung der betheiligten Kantonsregierungen erhalten. Dieser eine Punkt betrifft die Taxen (Art. 15, 17 und 18). Für diese sind vom Komi t« die bei den eben genannten drei Straßenbahnen bewilligten Maximalsätze vorgesehlagen, mil der Abweichung indessen, daß der Salz für die II. Personenwagenklasse auf '10 Rp. -- dort 10 Va Rp. -- angenommen werden will. Die Regierung des Kantons Thurgau aber verlangt, daß die zu erhebenden Taxen im Maximum auf die Ausätze reduzirt werden, welche bei deu Normalbahnen (Normalkonzession, Botschaft des Bundesrathes vom 10, Juli 1873, Eisenbahnaktensammlung u. F. I, 38) in der Regel erhoben werden.

Die Bau- und Betriebsverhältnisse der Straßenbahn FraueufeldWyl seien durchaus nicht schwierig und die Baukosten viel billiger als bei einer Normalbahn, so daß durchaus kein Grund vorhanden sei, den Verkehr ausnahmsweise zu belasten. Das Komite hat dagegen zur Unterstützung seiner Ansprüche vor Allein aus darauf verwiesen, daß nach den von ihm sorgfältig aufgestellten Berechnungen die normalen Taxen voraussichtlich zur Verzinsung des Baukapitals nicht hinreichen würden. Sodann seien die gewünschten Maximalsätze begründet mit Rücksicht auf die ähnlichen Verhältnisse, die sich bei den Straßenbahnen linden, denen sie schon früher bewilligt worden seien , und selbst den Normalbahnen mit ihrem größern Verkehr seien mit Rücksicht auf ungünstige Steigungs- und Richtungsverhältnisse schon Taxerhöhungen bewilligt worden. Der Vertreter des St. Gallisehen Regierungsraths hat bei deu Konzessionsverhandlungen erklart, daß er Einwendungen gegen die vom Komite gewünschten Maximaltaxen nicht erhebe, und auch wir halten dafür, daß man diese bewilligen soll ; einmal
aus den vom Komite angeführten Gründen, und dann, weil in der Botschaft des Bundesraths vom 11. September 1873 betreffend die auf Bahnstrecken mit größern Steigungen zu erhebenden Taxen (Bundesblatt 1873, III, S. 708) in der That als Ausgangspunkt für die Taxenberechnung die Steigungsverhältnisse angenommen sind. Endlich kann nach Artikel 24 des Konzessionsentwurfs eine Taxreduktion gefordert

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werden, wenn der Reinertrag während drei nach einander folgenden Jahren 8 °/o überstiegen hat. Da nun die thurgauischen Behörden durch die Vorschrift im Artikel 11 des Eingangs genannten Vertrags, daß eine Entschädigung für die Benutzung der Straße von der Bahnverwaltung erst bezahlt werden müsse, wenn der Reingewinn nach Dotirung des Erneuerungsfonds 6 % ergebe, einen Unternehmergewinn in diesem Betrag als zuläßig erachten, so will es uns scheinen, daß eine besondere Nöthigung, die Taxmaxima schon jetzt niedriger zu stellen und damit vielleicht das Zustandekommen des Unternehmens zu gefährden, nicht vorliegt.

Die ausnahmsweise Taxe von 10 Rp. für die Fahrt vom Bahnhof Frauenfeld nach dei' Station in Frauenfeld selbst ist in den besondern Betriebsschwierigkeiten begründet und auch von der Kantonsregieruug nicht beanstandet.

Soweit in den Artikeln 18 und 20 ein von der bisher üblich gewesenen Redaktion der Konzessionen verschiedener Wortlaut aufgenommen wurde, ist die Aenderung in dem Bestreben begründet, die Bestimmungen des Bundesrathsbeschlusses vom 23. November 1883 über die Aufhebung des Eilgutzwanges in den neu zu gestaltenden Verhältnissen überall zur Geltung zu bringen. Die Konzessionsbewerber sind damit einverstanden.

Ebenso besteht Einverständniß darüber, daß des im Eingang dieser Botschaft reproduzirten Vertrags zwischen dem Kanton Thurgau und dem Komite, betreifend die Benutzung der Landstraße in der im Artikel 27 des Konzessionsentwurfs festgestellten Art und Weise, gedacht werden soll. Ein Vorbehalt für den Kanton St. Gallen ist s nicht nöthig, da, wie bereits erwähnt ist, die Landstraße auf dortigem Gebiet nicht in Anspruch genommen wird.

Indem wir Ihnen die Genehmigung^ des nachstehenden Beschlußentwurfs empfehlen, benutzen wir den Anlaß, Sie wiederholt unserer Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 16. Juni 1884.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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(Entwurf)

Bundesbeschluß betreffend

die Konzession einer Straßeneisenbahn Frauenfeld -Wyl.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft,

nach Einsicht a. einer Eingabe des Initiativkomite für die Erstellung einer Straßeneisenbahn von Frauenfeld nach Wyl, vom 28. Mai 1884; b. einer Botschaft des Bundesrathes vom 16. Juni 1884, beschließt: Dem ungern Comité fur Erstellung einer Straßeneisenbahn Frauenfeld-Wyl, nämlich den Herren C. A. Schweitzer in W ungi, A. W i l d in Frauenfeld, A. K o c h in Frauenfeld, M a r t i n i in Frauenfeld, E. K o 11 b r u n n er in Frauenfeld, Ed. M e i l e in Wyl und C. S e i l e r n in Wyl, zuhanden einer zu bildenden Aktiengesell schaft, wird die Konzession für den Bau und Betrieb einer Straßen eisenbahn vom Bahnhof der Nordostbahn in Frauenfeld bis zum Bahnhof der Vereinigten Schweizerbahnen in W y l unter den in nachfolgenden Artikeln enthalteneu Bestimmungen ertheilt.

Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie, alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung linden.

Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von dreißig Jahren, vom Tage der Eröffnung der Bahn an gerechnet, ertheilt.

Art. 3.

Der Sitz der Gesellschaft ist in Frauenfeld.

299 Art. 4. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrathes oder weitern Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

Art. 5. Binnen einer Frist von sechs Monaten, vom Datum des Konzessionsaktes an gerechnet, sind dem Bundesrathe die vorschriftmäßigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Vor dem 1. März 1885 ist der Anfang mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu machen.

Art. 6. Bis zum 1. September 1885 ist die ganze konzessionirte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Der Bundesrath ist berechtigt, auch nach Genehmigung des Tracé eine Abänderung desselben zu verlangen, wenn eine solche durch Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 8. Die Bahn wird mit einspurigem Unterbau und einer Geleiseweite von l m. erstellt. Soweit zur planmäßigen Ausführung Grunderwerbungen nöthig sind, findet das Bundesgesetz betreffend Verbindlichkeit zur Abtretung von Privatrechten vom 1. Mai 1850 Anwendung.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. w., sind Eigenthum desjenigen Kantons, auf dessen Gebiet sie gefunden werden, und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den Bundesbeamten, welchen die Ueberwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Theilen der Bahn und des Materials zu gestatten und das zur Untersuchung nöthige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 11. Der Bundesrath kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu gegründeten Klagen Anlaß geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nöthigenfalls entlassen werden.

Art. 12. Die Beförderung von Personen soll täglich mindestens viermal, nach beiden Riehtungen von einem Endpunkt der Bahn zum andern und unter Anhalt bei allen Stationen erfolgen.

Dem Bundesrath bleibt vorbehalten, die Geschwindigkeit der Züge zu bestimmen. Jedenfalls darf die Fahrgeschwindigkeit in

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Ortschaften und in gedeckten Kurven nicht mehr als 10 km. per Stunde betragen.

Art. 13. Das mindestens drei Monate vor der Betriebseröffnung dem Bundesrathe vorzulegende Transportreglement soll nicht vor ausgesprochener Genehmigung in Vollzug gesetzt werden. Jede Aenderung desselben unterliegt ebenfalls der Zustimmung des Bundesrathes.

Art. 14. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wägen nach amerikanischem System mit zwei Klassen aufstellen. In der Kegel sind allen Personenzügen Wägen beider Klassen beizugeben ; Ausnahmen kann nur der Bundesruth gewähren.

Die Gesellschaft hat stets ihr Möglichstes zu thun, damit all« auf einen Zug- mitPersonenbeförderung sich Anmeldenden durch denselben, und zwar auf Sitzplätzen, befördert werden können. Auf Verlangen des Bundesrathes sind auch mit Waarenzügen Personen zu befördern.

Art. 15. Die Gesellschaft wird ermächtigt, für den Trausport von Personen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze zu beziehen : in der zweiten Wagenklasse 10 Rappen per Kilometer, in der dritten Wagenklasse 7 Rappen ,, ,, der Bahnlänge.

Diese Taxen beziehen sich bloß von Bahnhof Wyl bis Bahnhof Marktplatz Frauenfeld; von Marktplatz Frauenfeld bis Nordostbahnbahnhof ist eine Taxe von 10 Rappen für U. und III. Wagenklasse festgesetzt.

Für Kinder unter (irei Jahren, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird, ist nichts, für solche zwischen dem dritten und dem zurückgelegten zehnten Altersjahre die Hälfte der Taxe in beiden Wagenklassen zu zahlen.

10 kg. des Reisendengepäcks sind frei, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für das übrige Gepäck der Reisenden kann eine Taxe von höchstens 3 Rappen per 50 kg. und per Kilometer bezogen werden.

Das Minimalgewicht für das zur Beförderung aufgegebene Gepäck ist 25 kg. Die Minimaltaxe beträgt 25 Rappen. Es wird vorbehalten, unter Beobachtung der gesetzlichen Publikationsfristen, die Minimaltaxe auf 40 Rappen zu erhöhen.

Für Hin- und Rückfahrt am gleichen oder folgenden Tage sind die Personentaxen mindestens 20 ° o niedriger anzusetzen, als für einfache und einmalige Fahrten.

301 Für Abonnementsbillets zu einer mindestens 12maligen Benutzung der gleichen Bahnstrecke für Hin- und Rückfahrt während drei Monaten wird die Gesellschaft einen weitern Rabatt bewilligen.

Art. 16. Arme, welche als solche durch Zeugniß zuständiger Behörde sich für die Fahrt legitimiren, sind zur Hälfte der Personentaxe zu befördern. Auf Anordnung eidgenössischer oder kantonaler Polizeistellen sind auch Arrestanten mit der Eisenbahn zu spediren.

Die Gesellschaft hat sich den hierüber vom Bundesrathe aufzustellenden Vorschriften zu unterziehen.

Art. 17. Für den Transport von Vieh mit Waarenzügen dürfen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze bezogen werden : Per Stück und per Kilometer: für Pferde, Maulthiere und über ein Jahr alte Fohlen 20 Rp.; ,, Stiere, Ochsen, Kühe, Rinder, Esel und kleine Fohlen 15 Rp.; ,, Kälber, Schweine, Schafe, Ziegen und Hunde 7 Rp.

Die Minimaltaxe für einzelne Sendungen beträgt 40 Rappen.

Art. 18. Im Tarif für den Transport von Waaren sind Klassen aufzustellen, wovon die höchste nicht über 2 Rappen, die niedrigste nicht über llk Rappen per 50 kg. und per Kilometer betragen soll.

Eine ganze Wagenladung (d. h. 5000 kg. oder 5 Tonnen) von Waaren hat gegenüber den Stücksenduugen Anspruch auf Rabatt.

Die der Landwirtschaft und Industrie hauptsächlich zudienenden Rohstoffe, wie fossile Kohlen, Holz, Erze, Eisen, Salz, Steine, Düngungsmittel u. s. w., in Wagenladungen sollen möglichst niedrig taxirt werden.

Für den Transport von baarem Gelde und von Kostbarkeiten mit deklarirtem Werthe soll die Taxe so berechnet werden, daß für Fr. 1000 per Kilometer höchstens l Rappen zu bezahlen ist.

Wenn Vieh und Waaren in Eilfracht transportirt werden sollen, so darf die Taxe für Vieh um 40 °/o und diejenige für Waaren um 100 % des gewöhnlichen Ansatzes erhöht werden.

Traglasten mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, welche in Begleitung der Träger, wenn auch in besonderen Wägen, mit den Personenzügen transportirt und am Bestimmungsort sogleich wieder in Empfang genommen werden, sind, soweit sie das Gewicht von 15 kg. nicht übersteigen, frachtfrei. Für das Mehrgewicht ist die Taxe für Waaren in gewöhnlicher Fracht zu bezahlen.

Die Gesellschaft ist berechtigt, für den Transport von Fahrzeugen aller Art und außergewöhnlichen Gegenständen Taxen nach eigenem Ermessen festzusetzen.

302 Das Minimum der Trausporttaxe eines einzelnen Stückes kann auf 40 Kappen festgesetzt werden.

Art. 19. Bei eintretenden Nothständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Theuerung der Lebensmittel, ist die Gesellschaft verpflichtet, für den Transport von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten, Kartoffeln u. s. w. zeitweise einen niedrigem Spezialtarif einzuführen, dessen Bedingungen vom Bundesrathe nach Anhörung der Bahnv erwaltung festgesetzt werden.

Art. 20. Bei Festsetzung der Taxen werden Bruchtheile eines Kilometers für einen ganzen Kilometer gerechnet.

In Betreff des Gewichtes gelten Sendungen bis auf 20 Kilogramm für volle 20 Kilogramm. Das Mehrgewicht (bei Reisendengepäck über 25 Kilogramm") wird nach Einheiten von je 10 Kilogramm berechnet, wobei jeder Bruchtheil von 10 Kilogramm für eine ganze Einheit gilt. Bei Geld- und Wertsendungen repräsentiren Bruchtheile von Fr. 500 volle Fr. 500.

Ist die genaue Ziffer der so berechneten Taxe keine durch 5 ohne Rest theil bare Zahl, so darf eine Abrundung nach oben auf die nächstliegende Zahl, welche diese Eigenschaft besitzt, erfolgen.

Art. 21. Die in den Artikeln 15, 17 und 18 aufgestellten Taxbestimmungen beschlagen bloß den Transport von Station zu Station.

Die Waareu sind von den Aufgebern an die Stationsladpätze abzuliefern und vom Adressaten auf der Bestimmungsstation abzuholen.

Auf den Hauptstationen hat jedoch die Gesellschaft von sich aus die gehörigen Einrichtungen für das Abholen und die Ablieferung der Güter im Domizil des Aufgebers, bezw. des Adressaten zu treffen.

Das Auf- und Abladen der Waareu ist Sache der Gesellschaft, und es darf eine besondere Taxe dafür in der Hegel nicht erhoben werden. Ausnahmen hievon sind nur unter Zustimmung des Bundesrathes zuläßig für einzelne Klassen von Wagenladungsgütern, für lebende Thiere und andere Gegenstände, deren Verladung mit besondern Schwierigkeiten verbunden ist.

Art. 22. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind besondere Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 23. Die sämmtlichen Tarife sind mindestens sechs Wochen, ehe die Eisenbahn dein Verkehr übergeben wird, dem Bundesrathe zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 24. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nach einander einen acht Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zuläßige Maximum der Trausporttaxen verhältnißmäßig herabzusetzen. Kann diesfalls eine Vor-

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ständigung zwischen dem Bundesrathe und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet darüber die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschließlich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrath eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solehe Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 25. Sofern die Gesellschaft eine grundsätzliche Aenderung der Tarife vorzunehmen beabsichtigen sollte, so hat sie ihr daheriges Projekt sammt dem neuen Tarife der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 26. Die Gesellschaft ist verpflichtet, den vom Bundesrathe mit der Kontrole über den Betrieb beauftragten Organen freien Zutritt in den Bahnhöfen und die unentgeltliche Benutzung eines geeigneten Lokals zu gewähren.

Art. 27. Im Uebrigen wird die Gesellschaft den Bestimmungen des am 21. April und 19. Mai 1882 mit dem Regierungsrath des Kantons Thurgau abgeschlossenen und am 21. November 1882 vom Großen Rath genehmigten Vertrages betreffend die Benutzung der Landstraße und die Rückkaufsrechte des Kantons Thurgau unterstellt, soweit dessen Inhalt den Bestimmungen der gegenwärtigen Konzession nicht widerspricht.

Art. 28. Für die Geltend machung des Rückkaufrechtes des Bundes gelten folgende Bestimmungen: a. Der Rückkauf kann frühestens auf 1. Mai 1903 und von da an jederzeit erfolgen. Vom Entschluß des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem wirklichen Eintritte desselben Kenntniß zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Rückkäufer Eigenthümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören.

Immerhin bleiben dieürittmannsrechte hinsichtlich des Pensionsund Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn sammt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande dem Bunde abzutreten.

Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge gethan werden, und sollte auch die Verwendung des Erneuerungs- und Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnißmäßiger Betrag von der Rückkaufssumme in Abzug zu bringen.

c. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt den 25faehen Werth des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn

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Jahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft notifizirt wird, unmittelbar vorangehen, in der Meinung, daß die Entschädigungssumme in keinem Falle weniger, als die nachgewiesenen erstmaligen Anlagekosten der bestehenden Einrichtungen, jedoch unter Abzug des Betrages des Erneuerungs- und Reservefonds, betragen darf.

Bei Ermittlung der Anlagekosten und des Reinertrages darf lediglieh die durch diesen Akt konzedirte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluß aller anderer etwa damit verbundener Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesammten Ueberschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Rerservefond einverleibt wurden.

e. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Ruckkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen möchten, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichts.

O

ö

Art. 29. Hat der Kanton Thurgau den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein daheriges Recht, wie es im Art. 28 definirt worden, jederzeit auszuüben, und der Kanton hat unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie Letzterer dies von der konzessionirten Gesellschaft zu fordern kompetent gewesen wäre.

Art. 30. Der Bundesrath ist mit dem Vollzuge der Vorschriften dieser Konzession, welche mit dem Tage ihrer Promulgation in Kraft tritt, beauftragt.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer Straßenbahn Frauenfeld-Wyl. (Vom 16. Juni 1884.)

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21.06.1884

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