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Schweizerisches Bundesblatt

36. Jahrgang. I.

Nr. 13.

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19. März 1884.

Bericht der

nationalräthlichen Kommission betreffend die gewerbliche Enquête.

(Vom 8.ä März 1884.)

Tit.

Das infolge des vielseitig angegriffenen Handelsvertrags mit Frankreich gestellte und von der Bundesversammlung am 26. April 1882 angenommene Postulat: ,,Der Bundesrath ist eingeladen, eine Untersuchung über die Lage derjenigen Industrien und Gewerbe zu veranstalten, welche sich über die Handelsverträge beschweren, und zu prüfen, in welchem Maße zur Hebung dieser Industrien und des Handwerks beigetragen werden könnte, sei es durch die Umarbeitung des Zolltarifs, sei es durch Unterstützung von Handwerker- und Kunstgewerbeschulen, sei es durch andere Mittel", hatte eine Tragweite, welche damals von den Motionsstellern und den zustimmenden Räthen wohl kaum ganz erkannt wurde. Ebensowenig ist die Größe der daraus entstehenden Arbeit geahnt worden.

Andere Staaten, so namentlich Frankreich und Deutschland, verwendeten Jahre auf die Untersuchungen der gleichen Materie.

Dessenungeachtet kann wohl keine dieser Enqueten als vollständig und Alles erschöpfend bezeichnet werden, obwohl bestorganisirte Institutionen den genannten Staaten zu diesem Zwecke zur Verfügung standen. Ueber welche Mittel konnte der Bundesrath zur Erreichung des Zweckes verfügen? Wohl kaum über andere, als die von ihm gewählten, nämlich sich an die Kantonsregierungen und die verschiedenen industriellen und gewerblichen Vereine zu wenden und diese einzuladen, das betreffende Material zu sammeln Bundesblatt. 36. Jahrg. Bd. I.

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und darauf gestützt ihre Gutachten dem Handels- und Landwirthschaftsdepartement einzusenden. Zu diesem Behufe ließ der Bundesrath durch eine Kommission von Fachmännern ein Fragenschema berathen und feststellen, um es an die Kantonsregierangen, den schweizerischen Handels- und ladustrieverein, den schweizerischen Gewerbeverein, die schweizerische gemeinnützige Gesellschaft, den schweizerischen Grütliverein und eine Anzahl Privaten zu versenden, mit der Einladung, die betreffenden Berichte bis spätestens Ende März 1883 einzureichen. Dieses Fragenschema lautet: A. Welche Industrien beschweren sich über die Handelsverträge? Ist die nachfolgende, den neulich an die Bundesversammlung gerichteten Petitionen entnommene Liste derselben vollständig?

Industrien, welche sich über die Handelsverträge beschweren: Landwirthschaft: Lebensmittel.

Gewerbe: Fertige Kleider und Konfektion, Weißzeugfabrikation, Strumpfwirkerei, Schirmwaaren (baumwollene und seidene); Schuhwaaren, Gerberei; Schreinerarbeiten, Möbel, Korbwaaren; Modeartikel, künstliche Blumen; Posamentirwaaren ; Kurzwaaren, Metallwaaren ; Chemische Produkte; Zündholzfabrikation ; Seifen- und Kerzenindustrie; Parfümerien ; Seilerwaaren ; Buchbinderarbeiten ; Feine Korbwaaren; Thon-, Cément- und Glasindustrie.

Seide: Gemischte Gewebe, gemischte Bänder, Floretspinnerei.

Stickerei: Rideaux, Grobstickerei.

Baumwolle: Feinweberei (Wald).

Wollenindustrie.

Leinenindustrie.

Horlogerie: Damenuhren, Schalenmacherei, Ebauchesfabrikation.

Strohindustrie.

B. Welcher Art sind die Beschwerden jeder einzelnen Industrie gegenüber den Handelsverträgen und würden diese Beschwerden ohne Handelsverträge nicht bestehen? Erscheinen dieselben be-

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gründet, sei es vom Gesichtspunkte der besonders als geschädigt angegebenen Interessen, sei es von demjenigen des allgemeinen Wohles aus?

C. Gibt es nicht, unabhängig von den Handelsverträgen, Ursachen, welche wesentlich zu der schwierigen Situation genannter Industrien beitragen ? (Z. B. Entwicklung einer gleichartigen Großindustrie, Maschinenbetrieb, ungenügender Berufs- oder Lehrlingsunterricht, unvollkommenes Werkzeug, lange Kreditfristen und Mangel an Vertrauen, freiwilliges und gezwungenes Feiern, Mangel an Sparsamkeit etc.)

D. Ueber das Verhältniß der in Frage stehenden Industrien zu den andern und zu der Landwirthschaft. Sind dieselben in Wirklichkeit schlechter gestellt als die letztern? Welches ist der Arbeitslohn bei den verschiedenen Industrien .und Gewerben? Wie viele Stunden umfaßt die normale Arbeitszeit bei den zu vergleichenden Industrien? Ist die Beschäftigung ununterbrochen oder nur zeitweilig? Welches ist die Nebenbeschäftigung und in welchem Verhältniß besteht die Hauptbeschäftigung zur Nebenbeschäftigung, beziehungsweise zur Landwirthschaft? Welches sind die sanitarischen und Brnährungsverhältnisse? Haben die Arbeitgeber und die Arbeiter der sich beschwerenden Industrien in der That mehr Mühe aufzuwenden als die andern, um mit dem gleichen Betriebsfond, der gleichen Arbeitsintensität, dem gleichen Sinn für Ordnung und Sparsamkeit, der gleichen Sorgfalt für Vervollkommnung ihrer Arbeitsmethoden etc. sich eine analoge Stellung zu verschaffen ?

Kann man z. B. ausfindig machen, welche Kategorien von Industriellen am meisten Ersparnisse zurücklegen ? (Eine Tabelle über die Preisschwankungen, welche die von den sich beklagenden Industrien produzirten Artikel erfahren haben, wäre ebenfalls von großem Nutzen.)

E. Ueber die Mittel, welche vorgeschlagen werden, um der mißlichen Lage jeuer Industrien abzuhelfen.

1. Umarbeitung des Zolltarifs.

(Hinsichtlich dieses Tarifs sind dem schweizerischen Zolldepartement bereits sehr zahlreiche Eingaben gemacht worden; sofern demselben noch andere eingereicht werden wollen, so hat dieß beförderlichst zu geschehen, indem laut Postulat der Bundesversammlung der Bundesrath seine Vorschläge behufs endgültiger Bereinigung des Zolltarifs im Laufe dieses Jahres der Bundesversammlung /u machen hat.)

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2. Vervollkommnung des Berufsunterrichts.

(Für die Landesausstellung in Zürich wird über die bestehenden Schulen für den Berufsunterricht eine umfassende Statistik angefertigt.

Dieselbe wird auch bei der gegenwärtigen Untersuchung benutzt.

Es werden demnach hier nur diejenigen Fragen gestellt, deren Beantwortung in jener Statistik nicht vorgesehen ist.)

Welche Resultate hat man mit den bestehenden Berufsschulen erreicht? Genügen dieselben den Bedürfnissen? Welche wären zu gründen, welche zu vervollkommnen- und auf welche Weise?

Wie könnte man, außerhalb der Schulen für den Berufsunterricht, die Ausbildung des Lehrlings fruchtbringender gestalten?

3. Andere Mittel.

Finden sich in der Bundes- und kantonalen Gesetzgebung Hindernisse, welche der Entwicklung der sich beschwerenden Industrien entgegenstehen? Welche Gesetzgebungen wären, bejahenden Falls, zu modifiziren welche einzuführen? Sind die Kreditverhältnisse derart geordnet, daß sie den gerechten Ansprüchen jener Industrien Genüge leisten? Welche Maßregeln sind im gegenteiligen Falle zu ergreifen?

Entwicklungö der Genossenschaften.' Kreditgesellschaften, KonO ,, ' sumvereine etc.; Aufmunterung zur Sparsamkeit in allen ihren Formen. Welche Schritte können hiebei als nutzbringend empfohlen werden ?

Anwendung von Aufmunterungsmitteln, wie Schutz der Erfindungen, industriellen Zeichnungen und Modelle, Preisausschreibungen, Ausstellungen, permanente Museen, gewerbliche Journale etc.

Halten Sie dafür, daß die Bildung freiwilliger Handwerkerinnungen ein geeignetes Mittel wäre, die Lage des Handwerks zu verbessern ?

F. In welchem Maße kann oder soll der Staat (Bund, Kantone) Beiträge leisten an die als nothwendig erseheinenden Abhülfsmittel?

Bis zu welchem Grade ist die Wahl und Anwendung dieser Mittel der Privatthätigkeit zu überlassen ?

B e r n , den 20. Mai 1882.

Der Vorsteher des Schweiz. Handels- und Landwirtschaftsdepartements Wenn auch eine große Anzahl Antworten auf dieses sehr einläßliche Fragenschema einlangte, welche viel Interessantes enthalten, so ist doch zu konstatiren, daß diese Antworten und Ein-

453 gaben nicht als vollständig die ganze Materie erschöpfend ungesehen werden können. Namentlich von den Kantonsregierungen sind in Antwort auf dieses Rundschreiben verhältnißmäßig nur wenige Eingaben gekommen, nämlich nur aus acht Kantonen, und selbst diese wenigen sind durchaus nicht erschöpfend, denn die meisten derselben beschlagen nur einzelne Punkte, oder erklären, es sei ihnen nicht gelungen, die gewünschte umfassende Auskunft zu erhalten.

So beschränkt sich die Eingabe der Regierung von Schwyz auf folgende Begehren : a) daß der österreichische Zoll auf verziert gebundene Bücher wegfalle ; b) daß der italienische Zoll auf gebundene Bücher und Bilder beseitigt oder auf ein erträgliches Minimum reduzirt werde ; c) Abschluß einer Konvention mit Oesterreich zum gegenseitigen Schütze des Urheberrechts.

Obwalden bemerkt einzig , daß für seine hauptsächlichsten Exportartikel (landwirtschaftliche Produkte) der schweizerischfranzösische Handelsvertrag nicht ungünstig sei.

Der Staatsrath von Freiburg theilt mit, daß die Käseindustrie mit dem Handelsvertrage mit Frankreich zufrieden sei. daß hingegen die Tabakfabrikanten, der Holzhandel und die Glasfabrikanten sich über denselben beschweren.

Ferner spricht er sich über Stillstand von Handel und Industrie dahin aus, daß die langen Kredite, die Erleichterung des Hausirhandels und Mangel an Sparsamkeit große Schuld daran tragen.

Im Uebrigen begnügt er sich, zu bemerken, daß Lehrlingswerkstàtten wünschbar wären, daß man seit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Arbeit in den Fabriken und den seitherigen Erfahrungen diesfalls keine weitern Gesetze wünsche.

Für die Großindustrie empfiehlt er als geeignete Mittel die Handelsverträge, die Ausstellungen, den gewerblichen Unterricht, für das Kleingewerbe die Bildung von Genossenschaften.

Die Regierung von Schaffhausen erklärt, es sei ihr nicht gelungen, etwas Erhebliches zur Lösung der Frage beizutragen, obwohl sie sich an die Direktion des Gewerbewesens, das kaufmännische Direktorium und den kantonalen Gewerbe verein für Auskunft gewendet habe.

Die Regierung von Aarau ließ das Fragenschema an die Bezirksämter, den aargauischen Handels- und Industrieverein, den

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kantonalen Gewerbeverein, die landwirtschaftliche Gesellschaft, die Weinbaugesellschaft, den Gartenbauverein, die aargauische Tabakgesellschaft und die Kulturgesellschaften von Aarau und Zofingen vertheilen. Das eingegangene Material, auf welches wir theilweise zurückkommen werden, ließ sie im Original an das Handels- und Landwirthschaftsdeparteraent einsenden. Sie bemerkt noch, daß sie auf eine eigene Würdigung der verschiedenen Ansichten und Anträge nicht eingehe, weil ihr die erforderlichen technischen Organe zur Prüfung und Begutachtung der in Betracht kommenden Spezialfragen abgehet).

Das Landwirthschafts- und Handelsdepartement des Kantons Waadt hat das Fragenschema ebenfalls an verschiedene Vereine übermittelt, unter andern dem Verein junger Kaufleute in Lausanne, welcher eine Preisarbeit eines seiner Mitglieder über die betreffenden Fragen einreichte.

Im Allgemeinen findet das genannte kantonale Departement : Die Aufgabe der Behörden bestehe darin, die industrielle Bevölkerung zu unterrichten und den Einzelnen und Gesellschaften, welche durch ihre Energie und Geschicklichkeit zu Fortschritten gelangen, vernünftige Unterstützungen zu gewähren.

Der Staatsrath von Wallis übersandte das Fragenschema ebenfalls den industriellen Etablissements und Gesellschaften, erhielt aber nur eine einzige Eingabe einer Woll- und Filzfabrik, welche sich darauf beschränkt, zu verlangen, daß für ihren Artikel günstigere Bedingungen bei den Handelsverträgen erlangt werden.

Der Staatsrath von Genf bemerkt, die eingeleitete Enquete sei in diesem Kanton gleichgültig aufgenommen worden und habe zu keinem Resultat geführt. Der Staatsrath hält dafür, daß es besser wäre, die Besehwerden nicht in solchem Umfange zu provoziren, sondern sie jeweilen sich von selbst geltend machen zu lassen, wobei man dann diejenigen Maßnahmen treffen könne, welche jeweilen als geboten erscheinen.

Von sämmtlichen übrigen Kantonsregierungen sind auf das Fragenschema gar keine Antworten erfolgt. Wir glauben uns aber nicht zu täuschen, wenn wir annehmen, daß noch von verschiedenen Kantonen Eingaben nachträglich einlangen werden ; wenigstens ist uns bekannt, daß in mehreren die Enquête an die Hand genommen worden ist, die Arbeit aber als eine so große erkannt wurde, daß eine längere Zeit zu deren Bewältigung nöthig sei, als die vorge-

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sehriebene Frist. Wir zweifeln daher auch nicht, daß noch wertvolles Material von dieser Seite zu erwarten sein dürfte.

Aus sämmtlichen eingelaufenen Berichten mag aber der Bundesrath die Ueberzeugung geschöpft haben, daß ein vollständiges Resultat der Enquête auch bei längerem Zuwarten kaum erhältlich wäre, und da ihm daran lag, schon für das Jahr 1884 Maßregeln in bestimmter Richtung ergreifen zu können, beschloß er, die Enquete für einmal als geschlossen zu betrachten und einen allerdings speziellen Antrag zu einem Bundesbeschluß der Bundesversammlung jetzt schon zu unterbreiten, laut seiner Botschaft vom 20. November 1883.

Einläßlichere Berichte sind von den verschiedenen Vereinen, an welche sich der Bundesrath^ebenfalls gewandt hatte, eingegangen ; so von : der Gen trai ko m mission der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft; vom Verein Schweizerischer Wollen- und Halbwollenfabrikanten; der Sektion Zofingen des Vereins Schweizerischer Geschäftsreisender; vom Verein für Handel und Industrie in Langenthal ; vom Gewerbeverein Luzern ; vom Gewerbeverein Wald; der Chemischen Gesellschaft in Basel ; der Sektion der Handwerker des Basler Gewerbevereins; der Société industrielle et commerciale de la Vallée du Joux ; der Société des jeunes commerçants de Lausanne ; der Handwerker- und Gewerbevereins des Kreises Aarau; dem Aargauischen Handels- und Industrieverein; dem Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrievereins mit Fachberichten von Folgenden : vom Schweizerischen Spinner- und Weberverein; von der Kommission für Handel und Gewerbe des Kantons Appenzell A.-Rh. ; vom Thurgauischen Handels- und Gewerbeverein ; vom Bernischen Verein für Handel und Industrie; von der Association commerciale et industrielle Genevoise; sodann vom Schweizerischen Gewerbe verein, und endlich von 28 Privaten.

Alle diese Eingaben enthalten viel Interessantes. Auffallend ist indessen, daß die meisten nur wenige Punkte berühren und nur ganz vereinzelt sich auf eine Beantwortung des Fragenschemas in allen seinen Theilen einlassen.

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Die eingehendste, am meisten Aufklärung bietende dieser Eingaben ist unstreitig diejenige des Schweizerischen Gewerbevereins, welche, in 3 Theile getrennt, Ihnen im Druck mitgetheilt worden ist. Der erste Theil behandelt den schweizerischen Zolltarif.

Der zweite Theil enthält das Resultat der Gruppenbesprechungen verschiedener Gewerbe mit Spezialgutachten über das Handwerk, von Herrn Autenheimer, früherem Direktor des Technikums in Winterthur, und mit einer sehr einläßlichen Abhandlung über die Frage der gewerblichen Erziehung in der Schweiz, von Herrn Professor Bendel in Schaffhausen, früherem Direktor des Gewerbemuseums in St. Gallen. Beides werthvolle Arbeiten.

Der dritte Theil behandelt die Gewerbegesetzgebung in der Schweiz, von Herrn Ständerath Göttisheim verlaßt.

Ferner enthält diese Eingabe Fachschriften, z. B. über bessere Benutzung inländischer Rohstoffe, von Herrn Nationalrath und Regierungsrath Karrer von Aarau. Und über die Frage : Warum beziehen schweizerische Händler ihre Waaren vorzugsweise aus dem Auslande ? von Herrn Kiefer in Basel.

Sodann haben ferner auf Veranlassung des schweizerischen Handels- und Landwirthschaftsdepartements die Herren Nationalrath Riniker, Professor Hunziker und Professor Wolfinger eine sehr interessante einläßliche Abhandlung über das gewerbliche Bildungswesen in Oesterreich, Wurtemberg, Frankreich und der Schweiz verfaßt, welche Ihnen ebenfalls in Form einer Broschüre niitgetheilt worden ist und welche ein eingehendes Studium verdient. Endlich liegt ein Bericht des Herrn Dr. Willi, Chef der Handelsabtheilung im schweizerischen Handels- und Landwirthschaftsdepartement, vor, über die Centralstelle in Stuttgart, welche Herr Willi im Auftrage des Departements besuchte und über die er sich die genaueste Auskunft verschaffte.

Es ist daher aus dieser Enquete, wenn auch kein ganz vollständiges, doch immerhin ein reichhaltiges, werthvolles Material hervorgegangen.

Betrachten wir nun die in den verschiedenen Eingaben enthaltenen Klagen, Beschwerden, Wünsche und Begehren etwas näher und behandeln wir in erster Linie die Klagen und Besehwerden, so erhellt vor Allem aus, daß diejenigen, welche Bezug auf die H a n d e l s v e r t r ä g e haben, sich so zu sagen ohne Ausnahme darin gipfeln, daß bei diesen Verträgen nicht diejenigen Zollerleichterungen auf- den Ausfuhrartikeln erhältlich gewesen seien, die man gewünscht hätte, und daß hinwieder die schweizerischen

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Zollansätze zum Theil so niedrig gebunden worden seien, daß der Schweizerfabrikant nicht, genug geschützt sei, um die Konkurrenz des Auslandes aushaken zu können. Ferner, es seien einzelne Industrien nicht gehörig bei den Unterhandlungen vertreten gewesen und daher gewissermaßen geopfert worden zu Gunsten anderer Industrien.

Gegen die Handelsverträge als solche im Allgemeinen ist keine einzige Klage laut geworden, und die Frage : wie sich die Lage ohne Handelsverträge gestalten würde und ob es nicht unabhängig von diesen andere Ursachen gebe, welche wesentlich zu der schwierigen Situation der nothleidenden Industrien beitragen, blieb größtentheils ohne Antwort. Nicht eine einzige Eingabe will überhaupt von Handelsverträgen nichts wissen, und wenn einzelne Ansichten in Betreff derartiger Verhandlungen geäußert werden, so sind es theilweise ganz' abnorme, wie z. B. diejenige : es sollen nur Handelsverträge mit unbedingter voller Reziprozität auch dei* Zollverträge abgeschlossen werden.

Hinweisungen auf die für uns ungünstige sogenannte Handelsbilanz, wobei betont wird, daß die Schweiz für circa 300 Millionen mehr ein- als ausführe, beängstigen uns keineswegs, denn es ist ein längst überwundener Standpunkt der Nationalökonomie, daß diejenigen Länder verarmen müssen, welche mehr ein- als ausführen.

Die Erfahrung lehrt das Gegentheil. Zudem kommt bei der Schweiz der große Fremdenverkehr in hohem Maße in Betracht.

Eine große Zahl der laut gewordenen Klagen betreffen den schweizerischen Zolltarif.

Auf diese treten wir hier nicht näher ein, weil wir mit dein Bundesrathe vollkommen einig gehen, daß diese Klagen, sowie dio betreffenden Begehren, von der Zolltarifkommission zu behandeln sind und bei der definitiven Festsetzung des neuen Zolltarifs erörtert werden können. Aus diesem Grunde hat auch der Bundesruth dieselben insgesammt dem Zolldepartement überwiesen.

Zahlreich sind die Klagen über das schweizerische Fabrikgesetz, insbesondere über den Normalarbeitstag von 11 Stunden, welcher gewissen Industrien die Konkurrenz mit dem Auslande außerordentlich erschwere. Es sind in dieser Beziehung sehr interessante Beispiele mit genauer Berechnung in einzelnen Eingaben enthalten.

Ferner über das Verbot der Kinderarbeit in seiner allgemeinen Anwendung, namentlich während der Jahre, welche zwischen dem
Aufhören der gesetzliehen Schulpflicht und dem 14. Altersjahr liegen, da in mehreren Kantonen die Schulpflicht nur bis zur Vollendung des 12. oder 13. Altersjahres reicht.

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Wenn wir auch nicht umhin können, manchen dieser Klagen eine gewisse Berechtigung zuzuerkennen, so halten wir doch mit dem Bundesrathe dafür, daß bei diesem Anlasse das Fabrikgesetz nicht in Frage kommen solle. Wir sind übrigens immerhin der Ansicht, daß die betreffenden Eingaben einer genauen Prüfung und Würdigung unterzogen werden müssen und daß die Wünschbarkeit, einzelne Bestimmungen des Gesetzes über Arbeit in den Fabriken zu modißziren sich immer klarer herausstellen wird. Bei Behandlung der Wünsche und Begehreu werden wir auf diesen. Gegenstand zurückkommen.

Vielfach sind auch Klagen über das Lehrlingswesen und die zu weit getriebene G-ewerbefreiheit. Auf ersteres werden wir später Gelegenheit haben, näher einzutreten. Was sodann den zweiten Punkt, die Gewerbefreiheit, betrifft, so gehen auch hier wieder die Klagen meistens gegen das Ueberhandnehmen der Wirthschaften.

Diese Angelegenheit wird einer ernsten Prüfung nicht entzogen werden können. Wir betrachten sie aber als nicht in den Kreis unserer heutigen Aufgabe gehörend.

Weitere zahlreiche Klagen betreffen das Tarifwesen der Eisenbahnen. Da diese Frage gegenwärtig von einer Ihrer Kommissionen geprüft wird, se glauben wir nicht, sie auch hier näher behandeln y.u sollen, sondern es sei der Bericht der betreffenden Kommission abzuwarten.

Ferner wird über das Kreditwesen, sowie über die Ungleichheit der Gesetzgebung in den verschiedenen Kantonen, über Betreibung und Konkursverfahren, vielfach geklagt. Da vom cidge nössischen Justiz- und Colizeidepartement ein einheitliches eidgenössisches Gesetz über letztere vorbereitet wird, so halten wir auch hier nicht angezeigt, den Gegenstand näher zu erörtern.

Auch über die Lage der Landwirtschaft, die wachsende Verschuldung der Grundstücke, unerschwinglichen Zinsfuß u. s. w., sind viele Klagen laut geworden. Da indessen eine eigene landwirthschaftliche Enquête bereits angeordnet ist, so wollen wir derselben in keiner Weise vorgreifen und lassen alle darauf bezüglichen Eingaben hier unberührt. Ferner sind Klagen laut geworden über die unheilvollen Folgen des ßundesgesetzes betreffend Civilstand und Ehe, als Quelle häufiger Verarmung. Auch über Mangel an Sparsamkeit, Ueberhandnahme des Luxus, zu viele Feste etc.

wird geklagt; aber die Vorschläge zur Abhülfe beschränken sich meist auf fromme Wünsche
und die Anregung, die Sparkassen zu vermehren.

Nachdem wir mit möglichster Kürze die hauptsächlichsten Klagen berührt haben, welche in den verschiedenen Eingaben sich

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kundgegeben haben, gehen wir zu den Wünschen und Begehren über.

Diese hat der Bundesrath unter Zuzug einer aus 20 Fachmännern bestehenden Kommission aus verschiedenen Gegenden der Schweiz geprüft und in drei Kategorien eingeteilt, nämlich: A. in solche, deren Behandlung Aufgabe des Bundes allein wäre ; B. in solche, welche den Bund und Kantone, C. in solche, welche die Kantone allein angehen; D. in solche, deren Erledigung der Privatthütigkeit überlassen bleiben muß.

Zu K a t e g o r i e A g e h ö r e n : 1) die Wünsche, welche sich auf die Handelsverträge beziehen; 2) Erlaß eines Bundesgesetzes über Betreibung und Konkursverfahren ; 3) Aenderung der bestehenden Gesetzgebung im Sinne der Erleichterung des Fabrikbetriebes; 4) Revision des Bundesgesetzes betreffend Civilstand und Ehe ; 5) Anordnung einer schweizerischen Gewerbezählung; 6) Gründung einer schweizerischen Handels- und Gewerbekammer ; 7) Ausrichtung eines jährlichen Bundesbeitrages an den schweizerischen Gewerbeverein ; 8) Entsendung schweizerischer Konsularagenten auf alle wichtigeren auswärtigen Handelsplätze. Prüfung der Frage der Einführung von Berufskonsnln; 9) Einführung dei- obligatorischen Kontrolirung aller Gold- und Silbenvaaren ; 10) Regelung des Eisenbahnwesens. Reform der Eisenbahntarife ; 11) Förderung der Sparsamkeit (Postsparkassen); 12) Abschluß von Konventionen mit dem Ausland zum gegenseitigen Schütze des Urheberrechtes ; 13) Ermäßigung der Posttaxen auf kleinen Paketen, sowie der Telegraphentaxen ; 14) Einführung des Schutzes der Erfindungen, Muster und Modelle ; 15) Einschränkung der Gewerbe- und Niederlassungsfreiheit; 16) Aufstellung einer schweizerischen Gewerbeordnung. (Innungswesen, Verhältniß zwischen Meister und Arbeiter, Lehrlingswesen, Arbeitsbücher etc.)

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B. Bund und Kantone.

1) Förderung der Ausstellungen.

2) Vergebung von Arbeiten und Lieferungen an Einheimische, und zwar nicht nur mit Rücksicht auf das billigste Angebot, sondern auch auf Moralität und Tüchtigkeit des Bewerbers.

3) Reorganisation und Unterstützung des gewerblichen Unterrichts. Errichtung von Gewerbemuseen.

4) Gegenseitige offizielle Mittlieilnng der Kantone untereinander über Ausweisungen, kriminelle Bestrafungen, Fallimente.

5) Gesetzliche Fixiruug eines' einheitlichen Längenmaßes der Strohgeflechte.

C. Kantone.

1) Obligatorische Krankenversicherung der Arbeiter und Dienstboten, Invalidenversicherung.

2") Regelung des Kredits und Biirgschaftswesens.

3) Erlaß von Wuchergesetzen.

4) Schärfere Bestrafung leichtsinnigen Bankerotte.

5) Revision der Gesetzgebung über das Hypothekarwesen.

6) Gesetzliche Zinsfußreduktion.

7) Vereinfachung des Gerichtsverfahrens.

8) Einführung der Progressivsteuer.

9) Reduktion der Stempeigebühreu auf Handelspapieruu.

10) Aufiiebmig der auf dem Kochsalz lastenden Steuern.

11) Beseitigung oder Verminderung der dem Handwerke aus der Zuchthausarbeit entstehenden Konkurrenz.

12) Intensivere Verfolgung der Lebensmittelfälschung.

13) Unterstützung der Genossenschaften, Kreditvereine etc.

14) Förderung der Sparsamkeit (Schulsparkassen).

D. Privatthätigkeit.

1) Aufmunterung der Baarzahlung.

2) Einschränkung des Luxus und der Feste, Förderung der Sparsamkeit (Jugendsparkassen).

3) Gründung von Genossenschaften, Kreditgesellschaften (der Gewerbetreibenden unter sieh), Rohstoffvereinen, Konsumvereinen, Association von Kapital und Arbeit etc.

4) Errichtung von Verkaufcentralstellen.

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5) Verdrängung der Sitte, Waaren, welche die Schweiz produzirt, aus dem Auslande zu beziehen (Ofïmersuuiformen) etc.

6) Einführung neuer Industriezweige, Erweiterung bestehender Ausnutzung der inländischen Rohstoffe.

7) Permanente Ausstellung inländischer Baumaterialien.

8) Rationeller Betrieb der Gewerbe.

9) Entwicklung des Assekuranzwesens.

10) Rationellere Volksernährung.

Gehen wir nun zur Beleuchtung dieser Begehren über, so können wir uns meistens kurz fassen, da der Bundesrath in seiner Botschaft sämmtliche Begehreu, welche den Bund allein oder Bund und Kantone gemeinsam berühren, näher erörtert und wir uns großen Theils auf seine Auseinandersetzungen beziehen können.

Ad A i betreffend Handelsverträge. Die geäußerten Wünsche können in die wenigen Sätze zusammengefaßt werden, daß bei künftigen Unterhandlungen Allem aufgeboten werde, um von den 'kontrahirenden Staaten weitere Konzessionen als bisher, namentlich in Bezug auf Zollansätze, zu erhalten, und daß bei diesen Unterhandlungen möglichst, viele Industriezweige durch Experten vertreten seien. Hinsichtlich des ersteren Wunsches bemerkt der Bundesrath mit vollem Recht, daß er selbstverständlich jeweilen sein Möglichstes thun werde, daß aber begreiflich trotz aller Anstrengungen nicht Alles erhältlich ist, was man gerne urreichen würde, weil man es mit einer Gegenpartei zu thun hat, welche ihre Interessen eben auch wahrt. Hinsichtlich des zweiten Begehrens betont der Bundesrath, daß die jeweilen au konsultireuden Kommissionen in der Zahl ihrer Mitglieder eine Grenze haben müssen und daß es allerdings nicht möglich ist, Vertreter jeder einzelnen kleinen Industrie in dieselben zu berufen, ebensowenig wie zu den eigentlichen Unterhandlungen, daß aber stets das Mögliche gethan werde, deren Wünsche durch Vermittlung der Kantonsregierungen, Vereine, und durch einzelne Industrielle selbst, kennen zu lernen.

Mehr kann in der That kaum geschehen ! Der Bundesrath sieht sich daher auch nicht veranlaßt, in Bezug auf diese Ziffer l Anträge zu formuliren.

Ad 2 kann nochmals darauf hingewiesen werden, daß bereits ein einheitliches eidgenössisches Gesetz über Betreibungs- und Konkursverfahren vom Justiz- und Polizeidepartement vorbereitet wird.

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Ad 3 Fabrikgesetz. Die einberufene Kommission von Fachmännern ist zwar mit dem Bundesrath darüber einig, daß es nicht opportun sei, das Gesetz jetzt zu revidiren, sondern gerathen, über seine Wirkungen noch mehr Erfahrungen zu sammeln; dennoch ist unzweifelhaft anzuerkennen, daß, wenn auch obige Ansicht eine gewisse Berechtigung hat, für manche Industrien der elfstündige Normalarbeitstag von großem Nachtheil ist, ja strikte gar nicht immer eingehalten werden kann. Dies wird auch eingesehen und daher kommt es, daß so häufig die Bewilligung '/XL temporärer Verlängerung der Arbeitszeit von den betreffenden Behörden ertheilt wird. Leider aber allerdings in den verschiedenen Kantonen nicht nach gleichen Grundsätzen und in gleichem Maße, was begreiflich z,u neuen Klagen Anlaß gibt. Ebenso nachtheilig wirkt das unbedingte Verbot aller Kinderarbeit bis zum zurückgelegten 14. Altersjahr. Es gibt einzelne Industrien, wie die Spinnerei, namentlich aber die Seidenzwirnerei, welchen die Kinderarbeit fast unentbehrlich ist, weil die sehr leichte Arbeit für Erwachsene nicht lohnend ist und weil besonders bei der genannten Seidenzwirnerei die feinern Kinderfinger für die Arbeit viel geschickter und geeigneter sind, als die Hände erwachsener Arbeiter. Mit Recht wird sodann hauptsächlich betont, daß, so lange in mehreren Kantonen die pflichtige Schulzeit nicht bis zum vollendeten 14. Jahre daure, die freie Zeit der Kinder nicht zu ihrem eigenen Besten ausgefüllt werden könne, oder aber, daß die Kinder bei Hause, z. B. in der Hausindustrie, unverliältnißmäßig angestrengt werden. Es ist nicht zu bestreiten, daß eine regelmäßige leichte Arbeit in gesunden Lokalen während höchstens 6 bis 8 Stunden im Tage, welche genügen würden, für die Kinder viel zuträglicher wäre, als das Nichtsthun und Herumlungern oder Ueberanstrengung zu Hause, und für viele Eltern, wäre es eine wahre Wohlthat, ihre Kinder während dieser Zeit wohl versorgt zu wissen und durch einen kleinen Lohn, den diese dabei verdienen könnten, an die Kosten der Haushaltung einen Beitrag zu erhalten Wir sind daher auch der Ansicht, daß eine Revision des Fabrikgesetzes sich mit der Zeit als wünsch bar herausstellen werde, um wirklich begründeten Klagen gerecht werden zu können, daß es aber jetzt noch verfrüht wäre, eine solche Revision vorzunehmen, weil noch mehr
Erfahrungen gesammelt und auch die Arbeiterkreise erst gehört werden sollen. Wir finden uns daher, wie schon oben gesagt, nicht veranlaßt, jetzt schon eine solche Revision zu beantragen, besonders da wir uns überzeugt haben, daß der Bundesrath sich angelegen sein läßt, Mittel und Wege zu finden, um bestehenden Uebelständen abzuhelfen.

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Ad 4. Eine Revision des Gesetzes über Civilstand und Ehe können wii- gegenwärtig trotz laut gewordener Klagen in einer vereinzelten Eingabe ebenso wenig empfehlen, als der Bundesvath und seine Expertenkommission.

Ad 5. Der Wunsch nach einer genauen Gewerbestatistik, mit welcher zugleich eine möglichst zuverlässige Handelsstatistik zu verbinden wäre, wie sie gegenwärtig vom schweizerischen Handelsund Industrieverein studirt wird und auch in der vom Bundesrath einberufenen obgenannten Kommission von Fachmännern neu angeregt worden ist, hat in der Theorie unstreitig viel Bestechendes.

Die Ausführung der Gewerbestatistik bietet aber so enorme Schwierigkeiten und wäre mit so großen Kosten verbunden, daß wir es begreifen, wenn der Bundesrath davor zurückschreckt, sie an die Hand zu nehmen, besonders da die Erfahrungen in andern Staaten den Beweis geliefert haben, daß trotz aller angewandten Mittel das Resultat solcher statistischer Aufnahmen kein richtiges und erschöpfendes war. Immerhin empfehlen wir dem Bundesrath, die möglichste Vervollkommnung der schweizerischen Handelstatistik, z. B. durch Einführung von Werthziffern bei den Ein- und Ausfuhrtabellen, anzustreben ; denn die neuesten Erfahrungen bei den Handelsverträgen haben nur zu deutlich bewiesen, von welchem Nachtheil der Mangel einer solchen eigenen zuverlässigen Statistik bei den Unterhandlungen sein kann.

Ad 6. Gründung einer schweizerischen Gewerbe- und Handelskammer. Wir theilen die Ansicht des Bundesrathes, welcher gegen die Gründung solcher Institute nicht nur konstitutionelle Bedenken hat, die berechtigt sind, sondern auch an deren praktischer Nützlichkeit zweifelt. -- Wir halten auch dafür, daß der in neuerer Zeit befolgte Modus, nach welchem der Bundesrath bei den bestehenden Vereinen, namentlich dem schweizerischen Handels- und Industrie verein, bei dessen Sitzungen jeweilen das Handels- und Landwirthschaftsdepartement sich durch einen Abgeordneten vertreten läßt, bei dem schweizerischen Gewerbeverein, sowie durch Bxperteneinberufung bei wichtigen Fragen, die wünschbare Auskunft und Orientirung sich zu verschaffen sucht, den Zweck eher erreicht, als dies bei unsern Verhältnissen durch eine Kontrolstelle möglich wäre. Hingegen begrüßen wir die Bereitwilligkeit, die der Bundesrath ausspricht, auch dem schweizerischen Gewerbeverein
eine jährliche Subvention, wie sie unter Nr. 7 nachgesucht wird , zukommen zu lassen.

Ad 8. Das Konsulatswesen betreffend. Es ist nicht neu, daß Wünsche laut werden bezüglich Umgestaltung unseres jetzigen Konsulatswesens; allein wirkliche Verbesserungsvorschlage, welche

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ausführbar sein dürften, sind bis jetzt wohl kaum gemacht worden.

Vor dem empfohlenen System der Borufskonsuln möchten wir warnen; denn erstens wäre dasselbe mit sehr großen Kosten verbanden und zweitens hegen wir bedeutende Zweifel, ob dasselbe zu unseren Verhältnissen passen würde.

Nicht nur bedarf es einer wohl organisirten, langen, praktischen Schule, um solche Konsuln heranzubilden und ist es fraglich, ob bei uns das richtige Material dafür sich fände, sondern wir bezweifeln auch höchlich, ob solche Berufskonsuln unserem Handel bessere Dienste leisten würden, als unsere jetzigen Handelskonsuln, welche größtentheils dnrch ihre eigenen Geschäfte viel genauer mit den Bedürfnissen der Länder, in denen sie wohnen, vertraut sind.

Große Staaten, welche mehr auf die politischen Beziehungen mit dem Auslande ihr Augenmerk lenken müssen, mögen es nöthig erachten, Vertreter zu haben, die namentlich in dieser Beziehung zu ihrer vollen Verfügung stehen. Wir sind nicht im gleichen Falle. Was wir von unsern Konsuln verlangen, sind, nächst der Hülfeleistung an Landsleute durch Rath und That, wenn sie darum angesprochen werden, möglichst zuverlässige Berichte über die Handelsbeziehungen ihrer Konsularkreise, über deren Bedürfnisse an Artikeln, die wir dahin ausführen könnten und dießbezügliche Räthe.

Diese Auskunft kann aber ein Konsul, der selbst Kaufmann ist, sicherlich gründlicher ertheilen, als ein solcher, der ganz auf Mittheilungeu Anderer angewiesen ist. Wir geben zu, daß bis vor Kurzern unsere Konsularberichte von keinem sehr großen Werth oder Nutzen waren; in neuester Zeit sind sie aber entschieden werthvoller geworden, und wenn fortgefahren wird, durch Instruktionen dahin zu wirken, daß in diesen Berichten besonders diejenigen Punkte näher beleuchtet werden, welche für unsern Exporthandel das meiste Interesse haben, und wenn für die zweckmäßigste Veröffentlichung noch ein Mehreres geschieht , so halten wir das bisherige System als das für uns zweckmäßigste. Wir möchten auch hier vor schablonenhaften Vorschriften, wie sie z. B. durch eine Centralstelle ausgearbeitet würden, warnen und setzen großen Werth auf die persönliche Initiative und Eigenart unserer Konsuln.

Dagegen geben auch wir dem Wunsche Ausdruck, daß bei Besetzung der Konsulate sorgfältig vorgegangen werden möchte und neue Konsuln nur
nach genauest eingeholten Informationen ernannt werden sollten.

Ad 9. Kontrolirung sämmtlicher Gold- und Silberwaaren.

In dieser Beziehung haben wir der bundesrätlilichen Botschaft nichts beizufügen.

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Ad iO. Eisenbahntarife und Eisenbahnwesen überhaupt. Diese hochwichtige Sache ist einer eigenen Kommission zur Prüfung und Berichterstattung übertragen und fällt daher für uns die Pflicht weg, näher auf dieses höchst schwierige Kapitel einzutreten, obwohl es den Gegenstand zahlreicher Eingaben bildet.

Ad U. Sparkassen etc. Auch auf diese Begehren glauben wir inicht einläßlicher eintreten /u sollen, da wir erstens diese Materie nicht als strikte zu unserer Aufgabe gehörend betrachten und zweitens, weil diese Angelegenheit bereits beim Postdepartement bezüglich Postsparkassen anhängig ist.

Ad i®. Internationale Regelung des Urheberrechts an Werken der Literatur und Kunst.

Wir zweifeln nicht, daß in Folge der in letzter Sitzung von der Bundesversammlung ratifizirten internationalen Konvention auch in der gewünschten Richtung Vereinbarungen angebahnt werden.

Ad 13. Posttaxengesetz. Da diesbezüglich bereits eine Botschaft des Bundesrathes vorliegt, können wir uns jedes nähern Eintretens enthalten.

7£j$Ad 14. Schutz der Erfindungen, Muster und Modelle. Diese Angelegenheit ist in letzter Session behandelt worden und muß nun das weitere Vorgehen des Bundesrathes abgewartet werden.

Ad 15. Einschränkung der Gewerbe- und Niederlassungsfreiheit und bezügliche Revision des Artikels 31 der BundesverO fassung.

Diese Frage erheischt eine nähere eingehende Prüfung, welche durch die immer zahlreicher auftretenden, zum Theil unberechtigten Klagen, Wünsche und Begehren unabweisbar wird; ihre Tragweite ist aber eine so große, daß sie nicht nebenbei in einem allgemeinen Berieht über die gewerbliche Enquete behandelt werden kann.

Wir empfehlen aber dem Bundesrath, diese Angelegenheit nach allen Seiten zu prüfen.

Ad 16. Aufstellung einer schweizerischen Gewerbeordnung.

Wenn wir auch zugeben müssen, daß eine förmliche Gewerbeordnung auf dem Wege der Gesetzgebung kaum ohne Verfassungsrevision möglich wäre, ein Weg, den man schwerlich beschreiten will, so glauben wir doch mit dem Bundesrathe, daß wesentlichen Uebelständen, über welche so viele Klagen laut geworden sind, durch Erweiterung des Obligationenrechts abgeholfen werden könnte.

Wir rechnen dazu namentlich das Verhältniß zwischen Meister und Lehrling, welches den Gegenstand vieler Eingaben bildet. Weiter gehende Wünsche, wie Kreirung von Innungen, Aufstellung eines Bundesblatt. 36. Jahrg. Bd. I.

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466 Normalarbeitstages für das Gewerbe, Verpflichtung zum Schulbesuch , obligatorische Einführung von Prudhommes etc. müßten hingegen allerdings einer Verfassungsrevision rufen.

Sehr interessanten Aufschluß über die frühern und zum Theil noch bestehenden Gesetze in verschiedenen Kantonen betreffend Gewerbe und Handwerk gibt der dritte Theil der Eingabe des schweizerischen Gewerbevereins, von Hrn. Dr. Göttisheim verfaßt.

In diesem Berichte werden nach Beleuchtung aller bezüglichen Gesetze, namentlich derjenigen der Kantone Bern, Zürich, Baselland, Schaff'hausen und St. Gallen nach deren frühem und jetzigen Bestimmungen, soweit sie nach der Bundesverfassung von 1874 aufrecht erhalten werden konnten, verglichen und einläßlich besprochen.

Es geht daraus hervor, daß manche sichernde Bestimmungen durchaus nicht gegen den Artikel 31 der Verfassung verstoßen würden und daher auch jetzt noch zur Geltung kommen könnten.

Vergleicht man nun solche in den veralteten und in den noch in Geltung stehenden Gesetzen enthaltenen Hauptbestimmungen mit den Forderungen, welche zur Zeit in den Sektionen des Gewerbevereins zum Behufe einer Reorganisation des gegenwärtigen Handwerkerwesens aufgestellt werden, so wird man einer Reihe von Punkten begegnen, in welchen die Wünsche der Jetztzeit mit den Vorschriften der Vergangenheit zusammentreffen. Zwar will man heute von Zünften und Zwangsinnungen meist nichts mehr wissen, dafür ruft man aber freiwilligen Vereinigungen derjenigen Handwerke und Gewerbe, welche durch dar gleiche Interesse aneinander gebunden werden.

Bei diesem Anlasse darf wohl auch darauf hingewiesen werden, wie in Deutschland in neuester Zeit bei Berathung des Unfallversicherungswesens der Gedanke Boden faßt, särnmtliche Angehörige einer und derselben Industrie oder Gewerbes im ganzen Deutsehen Reich in eine Verbindung zu bringen , welche solidarisch für alle Unglücksfalle verantwortlich sein soll.

Ueber das Lehrlingswesen sind die Klagen sozusagen allgemein und es werden vielfach die früheren Verordnungen wieder gewünscht.

Nach denselben durfte nur derjenige Meister Lehrlinge aufnehmen, welcher durch mehrjährige Erfahrungen in der Fremde oder nach Erstellung eines Meisterstückes Beweis dafür abgelegt hat, daß er sein Handwerk wirklich versteht und alle Kunstfertigkeiten desselben kennt.

Darum wurde
auch in dem Lehrvertrage genau festgesetzt, wozu der Meister verpflichtet ist und wogegen sich der Lehrling verwahren kann. Und damit neben der praktischen Ausbildung

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des Lehrlings die geistige nicht zurückbleibe, wird in allen Gesetzen vorgeschrieben, daß der Meister den Lehrling in die Fortbilduugsoder Zeichnenschule zu schicken habe. Warum sollte es nicht möglich sein, ähnliehe Bestimmungen auch heute noch festzustellen und z. B. den Vertrag zwischen Meister und Lehrling wie andere Verträge im Obligationenrecht bezüglich seiner genauen Durchführung unter den Schutz der Gerichte zu stellen und zugleich vorzuschreiben, daß in solchen Verträgen alle Pflichten und Rechte des Meisters wie des Lehrlings genau verzeichnet werden. Das Letztgesagte gilt auch für die Verträge zwischen Meister und Gesellen, wie sie in betreffenden Gesetzen näher ausgeführt sind. Wir halten dafür, daß in dieser Richtung entschieden etwas gethan werden könnte, sei es durch den Bund, sei es durch die kantonalen Gesetzgebungen, und stellen daher ein betreffendes Postulat, folgenderweise lautend : ,,Der Bundesrath wird eiogeladen, zu untersuchen und Bericht und Antrag zu bringen, ob nicht durch einen Nachtrag zum Obligationenrecht die gesetzliche Regulirung der Verhältnisse zwischen Meister und Lehrling und Meister und Gesellen stattfinden solla, dessen Genehmigung wir »Ihnen empfehlen.

Ebenso wird heute ferner häufig darüber geklagt, daß eine unwürdige Konkurrenz, sei es von außen her, sei es unter den Meistern selbst, den goldenen Boden des Handwerkes untergrabe.

Dem einen Uebelstande könnte eine vernünftige Gesetzgebung über das Hausirwesen, über Wanderlager etc. abhelfen, und dem andern Uebel könnte durch Bestimmungen ähnlicher Art, wie sie in den erwähnten Gesetzen bereits enthalten sind, entgegengetreten werden.

Und wenn der Bund, wie bereits bemerkt, auch einstweilen zur Erlassung eines solchen Gesetzes nicht berechtigt ist, so dürfte es an den Kantonen sein, so wie früher, auch jetzt durch ein richtiges Gewerbepolizeigesetz, das sich auf bauliche und lokale Ausstattung der Werkstätten, auf Einrichtungen im Interesse der Gesundheit der Arbeiter, auf Regelung der gewöhnlichen Arbeitszeit, auf Innehaltung der Sonntagsruhe etc. bezöge, wesentlich zu helfen und den vielfach geäußerten Wünschen von Vertretern des Gewerbes gerecht zu werden. Es wäre über dieses Kapitel noch viel zu sagen ; wir verweisen, um nicht zu weitläufig zu werden, auf die erwähnte sehr interessante Eingabe des
schweizerischen Gewerbevereins.

Ad B. Gehen wir nun zu denjenigen Begehren über, welche von Bund und Kantonen zu berücksichtigen sind, so zeigt sich: Ad 1) dasjenige der Förderung der Ausstellungen.

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Große Ausstellungen, welche für die Schweiz von Bedeutung waren, hat der Bund stets unterstützt. Er wird, wie sich der Bundesrath in seiner Botschaft ausspricht, auch in der Zukunft die sogenannten internationalen Ausstellungen, wenn die Betheiligung an denselben unserm Laode von Nutzen ist und gewiße Dimensionen erreicht. Subventioniren, wie die einheimischen Ausstellungen, wenn sie sich über das Gebiet eines einzelnen Kantons hinaus erstrecken. -- Die Subventionirung lokaler Ausstellungen (kantonale Amtsausstellungen) dagegen ist nicht Sache des Bundes.

Einen großen Nutzen bringen interkantonale Spezialausstellungen einzelner Gewerbebranchen. Der Bund wird sich die Förderung solcher angelegen sein lassen.

Ad 2) Bezüglich Vergebung von Lieferungen und Arbeiten an Einheimische sind wir der Meinung, daß berechtigte Begehren jeder Zeit berücksichtigt werden sollten.

Uebrigens dürften solche Wünsche eben so sehr an die Kantonsund Gemeindebehörden gerichtet werden, wie an den Bund.

Nr. 4 und 5 geben uns zu keinen Bemerkungen Anlaß. Auch halten wir es nicht für angezeigt, auf die Wünsche und Begehren, welche nur die Kantonsregierungen, ihre Gesetzgebung etc., noch auf diejenigen, welche ausschließlich die Privatthätigkeit betreffen, näher einzutreten, da der Bund dabei in keiner Weise mithelfen oder einschreiten kann und es demnach nicht Sache dieses Kommissionalberichtes sein kann, dieselben näher zu würdigen und zu beleuchten, so interessant auch manche der bezüglichen Eingaben sind. Hingegen kommen wir endlich auf denjenigen Punkt zu sprechen, welcher den Bundesrath veranlaßt hat, Ihnen einen Bundesbeschluß zur Berathung zu unterbreiten, wie er in der bundesräthlichen Botschaft vorliegt, nämlich a u f d a s G e w e r b l i c h e u n d i n d u strielle Bildungswesen.

In einer großen Anzahl von Berichten wird der Hebung des gewerblichen und industriellen Bildungswesens und einer kräftigen Unterstützung desselben durch den Bund gerufen. Dies hat den Bundesrath veranlaßt, über die Leistungen der Kantone auf diesem Gebiete nähere Erkundigungen einzuziehen und er hat daher uuterm 24. August 1883 folgende Fragen an die Kantonsregierungen gerichtet : 1) Bestehen Anstalten für beruflichen Berufsunterricht in Ihrem Kanton?

2) Welches ist das Budget jeder einzelnen solchen Anstalt'? Wie vertheilen sich die Kosten auf Kantone, Gemeinden und Private?

469 3") Begehrt der Kanton eine Bundessubvention zur Unterstützung solcher Anstalten? Wenn ja, in welchem Betrage? Wie würde derselbe verwendet?

4) Wie groß ist die Summe, welche Ihr Kanton für das gewerbliche Bildungswesen ausgibt. Wie viele Prozente betragen diese Ausgaben von der Gesammtausgabesumme?

Aus der als Beilage II zur bundesräthliehen Botschaft beigegebenen Zusammenstellung der eingegangenen Berichte der Kantonsregierungen erhellt nun, daß in den meisten Kantonen derartige Anstalten bestehen. Wir erlauben uns, auf eine kurze Rekapitulation dieser Antworten uns zu beschränken, indem wir bezüglich der nähern Details auf die Botschaft selbst verweisen.

1. Zürich besitzt die beiden Gewerbemuseen in Zürich und Winterthur, die Seidenwebschule in Zürich und 107 Handwerksgewerbefortbildungsschulen. Mit dem Gewerbemuseum in Zürich ist eine Kunstgewerbeschule verbunden mit dem Zwecke künstlerischer Heranbildung von tüchtigen Arbeitskräften beiderlei Geschlechts für die verschiedeneu Zweige der Kunstindustrie, insbesondere die Ausbildung von Zeichnern, Lithographen, Zeichnungslehrern etc.

Für obige Anstalten leistet der Kanton Zürich von Staatswegen folgende Subventionen: An die Gewerbemuseen zusammen .

.

. Fr. 15,000 ,, ,, Seidenwebschule .

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.

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.

. 9,000 ,, ,, Fortbildungsschulen .

.

.

.

,, 16,160 Für andere ähnliche Zwecke .

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.

.

. ,, 17,830 zusammen jährlich Fr. 57,990.

2. Bern. Der Kanton Bern besitzt folgende Anstalten : Die Uhrenmacherschulen in Biel und St. Immer; die Zeichnenschulen St. Immer und Brienz ; die Muster- und Modellsam ml ung in Bern; verschiedene Handwerker- und Gewerbeschulen; die Kunstschule in Bern.

Die Staatsausgaben für obige Anstalten und das Gewerbebildungswesen überhaupt spezifiziren sich nach dem Berichte des Regierungsrathes im Jahre 1882 auf zusammen Fr. 38,151, nämlich: An die Fach- und Gewerbeschulen .

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. F r . 17,093 Beitrag a n d i e Kunstschule .

.

.

.

.

. 5,000 ,, ,, ,, Anstalt für Ofenmalerei ,, 1,800 ,, ,, ,, Muster- und Modellsammlung .

. ,, 7,000 Dazu kommen noch für Stipendien an arme Jünglinge zur Erlernung von Handwerken ,, 7,258 a.

b.

c.

d.

e.

470

Schon für das Jahr 1883 waren aber größere Beiträge in Aussicht genommen.

3. Luzern. Der Kanton Luzern hat an derartigen Anstalten: a. Die Kunstgewerbeschule; b. ,, Fortbildungsschule für technisches Zeichnen; e. ,, Handwerker-Fortbildungsschule in Luzern; d. eine gleiche in Kriens.

An Staatsbeiträgen wird nur ein einziger von Fr. 200 an die Handwerkerfortbildungsschule in Luzern verzeichnet.

Die Regierung verlangt daher für einmal keine Bundessubvention.

4. Uri hat nur als Abtheilung der Kantonsschule eine gewerbliche Fortbildungsschule.

5. Schwyz. lu diesem Kanton bestehen 2 derartige Anstalten, nämlich : a. Die gewerbliche Fortbildungsschule des Handwerkervereins Schwyz ; b. der Fortbildungsverein in Einsiedeln.

Staatsbeiträge bisher keine.

6. Obwalden hat drei freiwillige Gemeinde-Zeichnenschulen in Samen, Kerns und Engelberg. Keinen Staatsbeitrag.

7. Nidwaiden besitzt zwei Zeichnenschulen in Staus und Buochs.

Leistet keinen Staatsbeitrag.

8. Glarus hat fast in jeder Gemeinde freiwillige Fortbildungsschulen. In vier derselben wird das Zeichneu als Vorbereitung für den gewerblichen Beruf gelehrt. Die ausgesetzten Staatsbeiträge betragen an diese vier Schulen : Für Glarus Fr. 600 ,, Schwanden .

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.

.

.

.

.

,, 400 ,, Näfeis '.

.

,, 350 ,, Hätzingen ,, 200 zusammen

Fr. 1550

und die Regierung verzichtet daher auf einen Bundesbeitrag.

9. Zug hat nur eine Sonntagzeichnenschule für Lehrlinge und Handwerker, und zwar eine freiwillige.

471 10. Freiburg. Der Staatsrath erklärt, daß in diesem Kanton keine école professionelle bestehe und daß seine Schritte bei der Gemeinde Freiburg zur Gründung einer solchen, trotz der angebotenen Staatssubvention von Fr. 2000, erfolglos geblieben seien.

11 Solothurn. In diesem Kanton existirt in der Stadt Solothurn eine städtische Handwerkerschule.

Die Stadtgemeinde Ölten besitzt eine gewerbliche Fortbildungsschule, beide ohne Subvention.

Dagegen ist eine Sammlung aller gewerblichen Erzeugnisse aus allen Zeiten angeordnet unter dem Namen des "Historischarchäologischen Saales", an welchen der Staat Fr. 500 " beiträgt.

12. Basel-Stadt. In diesem Kanton befinden sich zur Zeit folgende Anstalten für gewerblichen Berufsunterricht: a. Die Zeichnungs- und Modellirschule, verbunden mit einer Lehrlingsschule. Eine Sonntag-Abendschule für Gesellen.

Eine Kunstgewerbeschule, erst in ihren Anfängen vorhanden ; b. das Gewerbemuseum; c. die mittelalterliche Sammlung.

Es wird für diese Anstalten insgesammt ein Neubau projektirt mit ein um Kostenaufwand von circa Fr. 700,000. Bei Ausführung des Projektes müßte der Staat eine jährliehe Subvention von Fr. 35,000 bewilligen. Zur Zeit gibt der Kanton für die bestehenden Anstalten per Jahr folgende Beiträge: A n die Zeichnenschule .

.

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. F r . 8,000 ,, d a s Gewerbemuseum .

.

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.

. 5,500 ,, die Mittelalterliche Sammlung 400 " Fr. 13,900 13. Basel-Land. Es besteht in Liestal eine freiwillige, Handwerkerschule, an welche die Stadt Fr. 200, der Staat Fr. 90 jährlich bezahlt. Die Regierung verlangt keine Bundessubvention.

14. Schaffhausen hat eine gewerbliche Fortbildungsschule in Schaffhausen. Die jährlichen Ausgaben werden ganz von der Stadtgemeinde getragen.

15. Appenzell A.-Rh. hat fast in allen Gemeinden theils freiwillige, theils obligatorische Fortbildungsschulen, in deren manchen das Zeichnen ein Hauptfach bildet. Eine Anstalt für gewerblichen

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Berufsunterricht im engern Sinne des Wortes besitzt der Kanton nicht. Hingegen betheiligt er sich finanziell bei der Zeichnenschule in 8t. Gallen.

Für die Fortbildungsschulen enthält das Staatsbudget Fr. 2000 und als Beitrag an die Zeichnenschule in St. Gallen Fr. 1000, im Ganzen sonach Fr. 3000.

16. Appenzell l.-Rh. besaß eine Fortbildungsschule für Lehrlinge, deren Kosten vom Gewerbeverein getragen werden; sie mußte aber aus Mangel an Hülfsmitteln wieder eingestellt werden. Hingegen liegt im Plane, eine Schule zur Bildung von Handstickereien zu errichten, wenn hiefiir eine Bundessubvention in Aussicht steht.

Für diesen Fall erklärt sich die Standeskotnmission bereit, eine solche Schule ebenfalls angemessen zu unterstützen.

17. St. Gallen besitzt in drei Bezirken Anstalten für das gewerbliche Bildungswesen, nämlich : In St. Gallen eine Zeiehnungsschule für Industrie und Gewerbe ; ein Industrie- und Gewerbetnuseum ; ein Musterzimmer ; im Bezirk Toggenburg die toggenburgische Webschule in Wattwil; im Bezirk Unter-Rheiuthal eine freiwillige Zeichnensehule für Keramik.

Die erstgenannten drei Anstalten in der Stadt St. Gallen stehen unter der Oberleitung des kaufmännischen Direktoriums. Sie stehen nicht nur Bewohnern des Kantons, sondern auch Auswärtigen offen.

Sie werden subventionirt : vom kaufmännischen Direktorium mit .

.

.

vom Staate mit von der politischen Gemeinde mit von der Genossengemeinde St. Gallen mit .

.

von andern Kantonen (Appenzell A.-Rh. u. Thurgau) mit

Fr. 20,000 ,, 10,000 ,, 5,000 ,, 2,000 ,, 1,150

Der Rest der Kosten, welche sich jährlich auf zirka Fr. 50,000 belaufen, wird von Vereinen und zwar sowohl st. gallischen als appenzellischen, sowie durch sehr mäßige Schulgelder in der Zeichnenschule gedeckt.

Die Webschule in Wattwil erhält sich aus freiwilligen Beiträgen von Vereinen und Privaten und wird vom Staate subventionirt mit Fr. 1500.

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Die Zeichnenschule in Berneck ist noch klein und wird von der Gemeinde, von Privaten und vom kaufmännischen Direktorium pekuniär unterstützt. Im Budget des Staates figtiriren demnach für die Webschule im Wattwil Fr. 1500, jetzt .

. Fr. 2,000 für die Anstalten in St. Gallen unter dem einheitlichen Namen Industrie- und Gewerbe-Museum .

. ,, 10,000 zusammen

Fr. 12,000

Noch ist zu bemerken, daß die gewerblichen Fortbildungsschulen im Kanton nicht aufgeführt sind, während es deren manche gibt, so namentlich die in St. Gallen, welche vortrefflich ausgestattet und sehr frequentirt ist. Deren Kosten, welche von der Gemeinde St. Gallen und vom kaufmännischen Direktorium getragen werden, belaufen sich jährlich auf über Fr. 7000.

18. Graubünden. In diesem Kantone existiren keine Anstalten für gewerblichen Unterricht, einzig hält der Gewerbeverein in Chur eine freiwillige Sonntagssßhule, in welcher Handwerkslehrlinge Unterricht im Freihandzeichnen ertheilt wird. Der Kanton unterstützt zu diesem Zwecke den Gewerbeverein mit einem Jahresbeitrag von Fr. 112. 50. Zudem subventionirt er den Hülfsverein für arme Knaben, die ein Handwerk lernen wollen, mit Fr. 400 jährlich.

19. Aargau. Im Kanton Aargau bestehen zur Zeit folgende Handwerksschulen : a. in Aarau, b. in Lenzburg, c. in Brugg, d. in Baden, e. in Zofingen, ferner zwei Zeiehnenschulen in Rheinfelden und in Muri.

Neben diesen Handwerksschulen gibt es eine große Zahl von Fortbildungsschulen wie überall.

Seit 1883 konnte die Regierung wieder Fr. 2500 im Ganzen für Unterstützung aller dieser Schulen aufs Budget, nehmen.

20. Thurgau hat zur Zeit noch keine eigentlichen Anstalten für gewerblichen Berufsunterricht, dagegen 17 freiwillige Fortbildungsschulen. Dieselben haben Anspruch auf staatliche Unterstützung, wenn nöthig, für einmal scheint keine erforderlich zu sein.

21. Tessin. In diesem Kanton existirt keine Anstalt für gewerblichen Berufsunterricht.

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22. Waadt. Abgesehen von der kantonalen Industrieschule besteht die Einrichtung der Société industrielle et commerciale, alljährlich Kurse zu veranstalten für beide Geschlechter, in welchen Kursen Sprachen, Zeichnen und Modelliren gelehrt werden.

Der Staat gewährte bisher der genannten Gesellschaft einen Jahresbeitrag von Fr. 500.

23. Wallis hat drei Fortbildungsschulen für junge Gewerbsleute ohne staatliche Unterstützung.

24. Neuenburg besitzt folgende Anstalten: die Uhrenmacherschule in Neuenburg, eine gleiche in Locle, eine gleiche in La Chauxdefonds, eine gleiche in Fleurier.

Diese vier Schulen erhalten vom Staate eine jährliche Subvention von je Fr. 5000, zusammen sonach von Fr. 20.000.

Daneben besteht 5) eine Schule für Fachzeichner und Modelliren in Neuenburg mit einem jährlichen Staatsbeitrag von ,, 400 6) eine Kunstschule in La Chauxdefonds mit einem jährlichen Staatsbeitrag von .

,, 250 7) die Gesellschaft für Fachunterricht in Locle mit einem Staatsbeitrag von .

.

.

.

· " 150 8) die Museumsgesellschaft Fleurier mit einein Staatsbeitrag v o n .

.

.

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.

.

.

250

1) 2) 3) 40

Im Ganzen belaufen sich sonach die Staats beitrage für diesen Zweck a u f .

.

.

.

O

Fr. 21,050 i

'25. Genf. In diesem Kauton dienen der rein gewerblichen Berufsbildung folgende Institutionen: 1) L'école d'horlogerie, 2) l'école des arts industriels, 3) die städtische Zeichnenschule in Genf, 4) l'école spéciale d'art appliqué à l'industrie, 5) l'académie professionnelle, von der Stadt erhalten.

Das Budget der Uhrenmacherschule lastet ganz auf der Stadt m i t d e r Summe v o n .

.

.

.

.

.

. Fr. 55,000 dasjenige der école des arts industriels ganz auf dem Staate mit dem Betrage von ,, 78,160

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Für die école spéciale d'art appliqué à l'industrie gibt d e r Staat einen Beitrag v o n .

.

.

. F r . 3,000 so daß der Staat allein für diese Spezialanstalten ohne seine Auslagen für die Handeis- und Industrieschule zu rechnen, welche zum allgemeinen Unterrichtswesen gehört, wie in andern Kantonen auch, jährlich d i e Summe v o n .

.

.

.

.

. 81,000 ausgibt.

Diese Zusammenstellung der Anstalten, welche in den verschiedenen Kantonen zur .Förderung des gewerblichen Bildungswesens bestehen, bietet ein höchst interessantes Bild und unterstützt unstreitig in hervorragender Weise die vielen Wünsche, die sich kundgeben : der Bund möge durch kräftige Beihülfe diese Bestrebungen unterstützen. Es wird allgemein anerkannt, daß er gerade auf diesem Wege weitaus am zweck mäßigsten und nutzbringendsten der Industrie und ganz besonders dem Gewerbe zu Hülfe kommen könne.

Wir begrüßen daher auch mit wahrer Freude den Beschluß des Bundesrathes, Ihnen einen bezüglichen Antrag zu einem Bundesbeschluß vorzulegen, dessen Annahme gestatten wird, schon in diesem Jahre die betreffenden Anstalten zu unterstützen und zu fördern.

Das vorgeführte Bild gibt aber auch einen sehr interessanten Einblick in die entsprechenden Bestrebungen und Anstrengungen in den verschiedenen Landestheilen. Man kann dieselben nicht nach dem Maßslabe des Vorhandenseins von mehr oder weniger Industrie in den einzelnen Kantonen bemessen, sondern nach den Bedürfnissen und der Erkenntniß dieser Bedürfnisse. Auf diesen beruht auch der so große Unterschied in den Leistungen der verschiedenen Kantone, namentlich denjenigen aus Staatsmitteln. Wir haben darum auch absichtlich diese, letztern überall aufgeführt,, um den großen Unterschied zu zeigen, und uns mit den Gesammtbüdgets der Anstalten weniger befaßt.

Obenan unter allen Kautonen steht unstreitig Genf, welches wie im gesammten Unterrichtswesen, so auch in diesen Spezialfachern wirklich Großes leistet und ein wahrhaft nachahmungswürdiges Beispiel bietet. Dann folgen Zürich, Bern, Neuenburg, Basel und St. Gallen mit lobenswerthen Anstrengungen, während andere ebenfalls industrielle Kantone bedeutend zurückstehen. Aber wie überall, zeigt sich doch der gute Wille, mehr zu thun, selbst in größtentheils agrikolen Kantonen.

Im Allgemeinen kann jedenfalls konstatirt werden, daß in der Schweiz eine schöne Zahl solcher Anstalten besteht, welche eine

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Unterstützung des Bundes in vollem Maße verdienen. Wir unterschreiben daher auch jedes Wort, wenn der Bundesrath in seiner Botschaft sagt: ,,Es unterliegt keinem Zweifel, daß das wirksamste Mittel, die nothleidenden Gewerbe und Industrien zu heben, in der Förderung des Bildungswesens auf diesem Gebiete besteht."

Auch sind wir vollkommen mit ihm einverstanden, wenn er vorzieht, an die bestehenden Verhältuisse anzuknüpfen und die bestehenden Institutionen zu fördern, als ein einheitliches Programm für den gewerblichen und industriellen Unterricht aufzustellen. Jede Landesgegend hat ihre charakteristischen Bedürfnisse und Eigenheiten, welche gepflegt und berücksichtigt werden müssen, wenn der Eifer des Publikums und der Schüler nicht erkalten soll. Auch müssen solche Anstalten, wie Gewerbemuseen etc. Jedem leicht zugänglich sein, daher nahe liegen, wenn sie wirklich nutzbringend wirken sollen, und wir würden es daher als einen Fehler betrachten, wenn die Schweiz das Beispiel anderer Staaten befolgen und große Centralanstalten errichten wollte. Ihre Kommission hat daher mit großer Befriedigung den Vorschlag des Bundesrathes begrüßt und empfiehlt Ihnen einstimmig, auf den vorliegenden Bundesbeschluß einzutreten, indem sie sich vorbehält, bei Berathung der einzelnen Artikel desselben Abänderungsanträge zu stellen.

B e r n , den 8. März 1884.

Der Berichterstatter: E. Gonzenbach.

Mitglieder der Kommission: HH. E. Gonzenbach.

H. Bühler-Honegger.

G. Favon.

L. Karrer (Aargau).

Moos-Siegwart.

Schild-Rust.

J. Zürcher.

N o t e . Die Anträge der Kommission werden den Mitgliedern der Bundesversammlung in einem FolioMatte ausgetheilt.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der nationalräthlichen Kommission betreffend die gewerbliche Enquête. (Vom 8.

März 1884.)

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1884

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13

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19.03.1884

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