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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer Eisenbahn von Territet nach Montfleuri.

(Vom 22. November 1884.)

Tit.

Im Frühling des laufenden Jahres sind in der Nähe des Hôtel des Alpes in T e r r i t e t Versuche mit einer elektrischen Eisenbahn gemacht worden. Die Länge der Versuchslinie war 50 Meter, die Geleiseweite 50 Centimeter, und es lief die Linie nach beiden Seiten in Kurven von 20 Meter Radius aus, während eine mittlere Steigung von 32, eine größte Steigung von 36 Prozent zu bewältigen war.

Die Resultate dieser Versuche sind so zufriedenstellend gewesen, daß der Besitzer des Hotel des Alpes, Hr. Ami Chessex, sich entschloß, denselben eine praktische Folge zu geben.

Mit Eingabe vom 24. Okt. 1884 richtet nämlich Hr. Chessex an den Bundesrath das Gesuch um die Bewilligung des Baues und Betriebs einer elektrischen Eisenbahn, welche bestimmt sein soll, die Station Territet der Westbahnen mit dem in horizontaler Richtung 885 Meter davon entfernten und 210 Meter höher liegenden Montfleuri zu verbinden. Die Steigung werde im Mittel 23,78 °/o, im Maximum 29,6 °/o und eventuell 32 °/o betragen. Kurven werden zur Anwendung kommen mit 20--30 Meter, ausnahmsweise sogar mit 18 Meter Radius. Die wirkliche Länge der Linie werde 910 Meter sein. Dabei wird eine Spurweite von 60 Centimeter angenommen, und es ist die Geleiseanlage in der Art projektirt, daß während der Fahrt ein am Vehikel angebrachtes Zahnrad in eine

549 Mittelschiene eingreifen kann, damit das Gleiten des Wagens verhindert werde, wie dies bereits bei einer Anzahl von Bergbahnen mit allem Erfolg eingeführt ist. Im Uebrigen ist die Anlage einspurig gedacht, mit einem Ausweichgeleise in der Mitte, wobei der Unternehmer sich immerhin vorbehält, den Verkehr nur mit einem Wagen oder Wagenzug zu besorgen, der abwechselnd aufwärts und abwärts zu fahren hätte, oder zwei Wagen oder Wagenzüge gleichzeitig einzustellen, von denen der eine den Dienst jeweilen in der einen und der andere gleichzeitig in der andern Richtung zu machen hätte, mit Kreuzung auf dem Ausweichgeleise, welch' letzteres Verfahren, wie der Gesuchsteller ausführt, besonders zweckmäßig sein dürfte, weil der niedergleitende Wagen helfen würde, elektrische Kraft zu erzeugen, welche entweder unmittelbar für den aufsteigenden Wagen oder Zug verwendet oder in den Akkumulatoren angesammelt werden könnte.

Auf den Gedanken, elektrische Kraft zur Bewegung der Züge zu verwenden, sei der Gesuchsteller gekommen, weil die Terrainverhältnisse dem Bau einer geraden Linie, wie eine Seilbahn sie erfordere, unüberwindliche Schwierigkeiten entgegengestellt hätten und auch die Steigungsverhaltnis.se zu ungleich seien, um an einen Seilbetrieb denken zu lassen. Die Anwendung der Elektrizität als bewegende Kraft sei ferner vorzuziehen, weil sie weniger schwere Zugsmasehinen erfordere; es genüge, auf denselben Wagen, mit dem man die Transporte befördere, eine 700 Kilogramm schwere Maschine zu stellen, welche 10,s Pferdekräfte vermittle, die man durch Anbringung von Akkumulatoren auf 15 Pferdekräfte vermehren könne. Endlieh werde die Elektrizität, welche bei Tage zur Bewegung der Züge verwendet werde, Nachts Beleuchtungszwecken dienen. Um diese Elektrizität zu erzeugen, sei genügend Wasserkraft bereits im Besitz des Gesuchstellers; auch sei es möglich, dieselbe, nach vorausgegangenem Uebereinkommen mit der Kantonsregierung, noch zu vermehren. Um nicht Kraft unnó'thig zu verbrauchen, werden die Räder des Wagens oder der Wägen im Gegensatz zu denjenigen der gewöhnlichen Eisenbahnfahrzeuge, welche sich mit, der Ai'hse drehen, um diese sich bewegen. Das Kabel, durch welches die Kraft vermittelt wird, soll aus Kupferdraht bestehen und auf hölzernen Langschwellen liegen, welche hinwieder auf Porzellanisolatoren
befestiget seien. Auf diesem ununterbrochenen Kabel werden Besen, bestehend aus metallischen Bändern, reiben, welche die Verbindung des elektrischen Stromes mit der auf dem Wagen befindlichen Maschine zu bewerksleiligen berufen seien.

Der Rückstrom gehe durch das Zahnrad und die Leitschieneu.

Was die Vehikel anbetreffe, so werde es von den zu machenden Erfahrungen abhängen, ob man sich mit einem TransportBundesblatt. 36. Jahrg. Bd. IV.

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wagen, der gleichzeitig die dynamo-elektrische Maschine und Personen und Güter befördere, begnügen wolle, oder ob mau die Maschine in einem besondern Wagen plaziren und demselben l -- 2 Transportwägen anhängen wolle. In jedem Falle sei das Maximum der gleichzeitigen Transportleistung in einer Richtung acht Personen ohne den Führer, und wenn man annehme, daß die Fahrt neun Minuten und eine Minute Haltezeit beanspruche, unter der Voraussetzung der Bedienung durch nur e i n e n Wagen oder e i n e n Zug, in der Stunde 24 Personen in jeder Richtung.

Die Baukosten sind im Ganzen zu circa 100,000 Franken, die Einnahmen aus dem Betrieb zu 20,000 Franken, die Betriebsausgaben zu 12,500 Franken veranschlagt, wonach eine Rendite tur die Inhaber der Baiin von etwa 7 1 /2 % prognostizirt wird.

Die Konzession wird im Wesentlichen unter denselben Bedingungen verlangt, wie diejenigen sind, unter denen die Drahtseilbahn von Territet nach Montreux-Glion steht, welchem Unternehmen, wie Herr Chessex bemerkt, keine Konkurrenz gemacht werden wolle, da dasselbe sich von Territet aus in anderer Richtung als die elektrische Bahn bewege. Die vorgeschlagenen Taxen im Personenverkehr, l Franken bergwärts, 75 Kappen thalwärts und Fr. 1. 50 für Hin- und Rückfahrt, seien als Maximalsätze aufzufassen, und seien zum Theil geringer als die, welche der nur 534 Meter langen Drahtseilbahn Territet-Montreux-Glion (Konzession vom 21. Juni 1881, Eisenbahnaktensammlung n. F. VI, 157) bewilligt worden seien. Die für den Gepäck verkehr in Aussicht genommenen Taxen entsprechen d e n SäUen d e r Baiin (2 Rappen per Kilogramm anstatt l Va Rappen auf letzterer Bahn).

Die Regierung des Kantons Waadt, welcher das Gesuch zur Vernehmlassung unterbreitet wurde, und die sich auch bei der am 15. November stattgefundenen Konzessionskonferenz hat vertreten lassen, unterstützt das Gesuch des Hrn. Chessex.

Das technische Eisenbahninspektorat glaubt, daß das Projekt des Hrn. Chessex sich mit den anderwärts bestehenden elektrischen Bahnen deßwegen nicht gut vergleichen lasse, weil es ausnahmsweise große Steigungen ausweise; dasselbe hält dessen ungeachtet die Ausführung, nach den im letzten Frühling vorgenommenen Versuchen, für möglich. Ob die zur Erzeugung der nöthigen Elektrizität vorhandene Wasserkraft hinreiche, könne nur die Erfahrung lehren. Mit Rücksicht a u f d i e letztere Bemerkung i s t denn auch i m Artikel 8 zeugung der Elektrizität eventuell vorgesehen worden.

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Im Uebrigen entspricht die Vorlage, wie sie in der Konzessionskonferenz vereinbart wurde, im Wesentlichen nicht bloß der Konzession für Territet-Montreux-Glion, sondern auch den weitern Konzessionen, die unter ähnlichen Verhältnissen theils wiederholt schon ertheilt worden sind und theils in der gegenwärtigen Session vorgelegt werden.

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Wir beantragen, dem nachstehenden Beschlußentwurf die Genehmigung zu ertheilen, und benutzen den Anlaß, Sie, Tit., neuerdings unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 22. November 1884.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bun d e s p r ä s i d e n t : Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

(.Entwurf)

Bundesbeschluß betreffend

Konzession einer Eisenbahn von Territet nach Montfleuri.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1) eines Gesuches des Hrn. Ami Chessex in Territet, vom 12. Oktober 1884; 2) einer Botschaft des Bundesrathes vom 22. November 1884,

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beschließt: Dem Herrn Ami C h e s s e x in Territet wird zuhanden einer zu bildenden Aktiengesellschaft die Konzession zum Bau und Betrieb einer elektrischen Eisenbahn von der Station Territet (Schweizerische Westbahngesellschaft und Territet-Glion) bis zum Gasthof Montfleuri oberhall) Territet unter den folgenden Bedingungen ertheilt: Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren, vom Datum dieses Beschlusses an gerechnet, ertheilt.

Art. 3.

Der Sitz der Gesellschaft ist im Kreise Montreux.

Art. 4. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrathes oder weitern Ausschusses der zu bildenden Gesellschaft soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

Art. 5. Bis zum 1. April 1885 sind dem Bundesrathe die Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Die Vorlage der Baupläne, der Pläne über die Betriebseinrichtungen und des Finanzausweises soll bis spätestens am 1. Januar 1886 stattfinden.

Mit der Bauausführung soll, vorbehaltlich der Plangenehmigung, vor dem 1. März 1886 begonnen werden.

Art. 6. Bis zum 1. Juni 1887 muß derjenige Theil der konzessionirten Linie, welcher zwischen dem Bahnhof von Territet und der Zufahrtsstraße zum Gasthof von Montfleuri liegt, und welcher ungefähr vier Fünftheile der totalen Länge der ganzen Bahn ausmacht, vollendet und dem Betrieb übergeben werden. Die übrige Strecke kann auf einen spätem, zwischen dem Konzessionär und dem Bundesrath zu vereinbarenden Termin ausgebaut werden.

Art.

7. Der Bundesrath ist berechtigt, auch nach Genehmigung des Trace eine Abänderung desselben zu verlangen, wenn eine solche durch Fürsorge für die öffentliche Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 8. Die Bahn soll einspurig, mit einem Ausweichgeleise in der Mitte ausgeführt werden. Die Geleiseweite zwischen den innern Rändern der Schienen soll in den geraden Strecken 60 Centimeter sein. Der Betrieb der Linie wird nach dem elektrischen

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System, mit Hülfe einer zwischen den Geleisen liegenden Zahnradsi-hiene und eines hydraulischen oder von anderei-Kraft unterhaltenen Motors staltfinden.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. w., sind Eigenthum des Kantons Waadt und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den Bundesbeamten, welchen die Ueberwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebs obliegt, hat die Bahnvervvaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Theilen der Bahn und des Materials zu gestatten und das /.ur Untersuchung nöthige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 11. Der Bundesrath kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlaß geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nöthigenfalls entlassen werden.

Art. 12. Die Gesellschaft wird auf der konzessionirten Bahn Personen und Gepäck befördern, Güter nur insoweit als sie nicht sperriger Natur sind und das Gewicht eines einzelnen Collo nicht 75 Kilogramm übersteigt.

Vom 15. April bis 15. Oktober, während welcher Periode der regelmäßige Betrieb stattfindet, soll die Beförderung von Personen täglich mindestens 10 Mal nach beiden Richtungen von einem Bndpunkt der Bahn zum andern und unter Anhalt bei allen Stationen stattfinden.

Zwischen den fahrplanmäßigen Zügen können, nach den Bedürfnissen des Dienstes, Extrazüge eingeschaltet werden.

Art. 13. Das mindestens drei Monate vor der Betriebseröffnung dem Bundesrathe vorzulegende Transportreglement soll nicht vor ausgesprochener Genehmigung in Vollzug gesetzt werden. Jede Aenderung desselben unterliegt ebenfalls der Zustimmung des Bundesrathes.

Art. 14. Die Gesellschaft wird ermächtigt, für den Transport von Personen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze zu beziehen : Fr. 1. -- für die Bergfuhrt, ,, --. 75 ,, ,, Thalfahrt und ,, 1. 50 ,, ,, Hin- und Rückfahrt.

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Fünf Kilogramm des Reisendengepäcks sind frei, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für das übrige Gepäck der Reisenden kann eine Taxe von höchstens 20 Rappen per Colli, wenn diese nicht mehr als 10 Kilo gramin wiegen, für schwerere Colli von 2 Rappen per Kilogramm bezogen werden.

Von den zum Transport angenommenen Gütern können 2 Rappen per Kilogramm bezogen werden.

Der Bundesrath ist berechtigt, nach Ablauf der ersten fünf Betriebsjahre eine Revision der Taxen vorzunehmen.

Art. 15. Die im Artikel 14 aufgestellten Taxbesti m mutigen beschlagen bloß den Transport von Station zu Station. Die Waaren sind von den Aufgebern an die Stationsladplätze abzuliefern und vom Adressaten auf der Bestimmungsstation abzuholen. Das Aufund Abladen der Waaren ist Sache der Gesellschaft, und es darf eine besondere Taxe dafür nicht erhoben werden. Für den Fall, daß die Gesellschaft später einen unbeschränkten Güterverkehr einrichten .sollte, kann der Bundesrath abweichende Anordnungen gestatten.

Art. 16. Für die Einzelnheiten des Transportdienstes sind besondere Réglemente und Tarife aufzustellen. ^ Art. 17. Die sämmtlichen Tarife sind mindestens sechs Wochen, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrathe zur Genehmigung vorzulesen.

Art. 18. Vom 1. Mai 1903 an sollen sowohl der Bund als der Kanton Waadt und die betheiligten Gemeinden jederzeit das Recht haben, die Bahn sammt dem Betriebsmaterial und allem Zugehör gegen Ersatz der Erstellungskosten an sich zu ziehen. Streitigkeiten, welche über die Fesstellung dieser Kosten entstehen, sind durch das Bundesgericht zu entscheiden.

Wenn der Kanton Waadt oder die interessirten Gemeinden demgemäß die Bahn an sich gebracht haben, so ist der Bund nichts desto weniger befugt, sein Rückkaufsrecht auch ihnen gegenüber jederzeit zur Geltung zu bringen.

\ Art. 19. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung .der Vorschriften dieser Konzession beauftragt.

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