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Schweizerisches Bundesblatt.

36. Jahrgang. III.

Nr. 31.

21. Juni 1884.

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Druck und Expedition der Stämpflischen Buchdruckerei in Bern.

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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend das Militärstrafgesetzbuch für die schweizerische Eidgenossenschaft.

(Vom 30. Mai 1884.)

Tit.

Wir haben die Ehre, Ihnen hiemit den von uns genehmigten Entwurf eines neuen Militärstrafgesetzbuches vorzulegen, welches an die Stelle des bisherigen vom 27. August 1851 treten soll und womit zugleich das bisher noch provisorisch fortbestehende Verhältniß der kantonalen Militärjustiz seine Erledigung nach den Bestimmungen des Art. 20 der Bundesverfassung und des Art. 227 der eidg. Militärorganisation findet.

Schon die Vorschrift der letztern, daß die militärische Rechtspflege lediglich eine eidgenössische sein soll, würde uns haben bewegen müssen, eine Revision des bisherigen Gesetzes vorzuschlagen ; es kamen hiezu jedoch auch noch zahlreiche Gründe technischer Natur. Das bisherige Gesetz war seinerzeit aus einer bloßen, unter damaligen Umständen etwas rasch vorgenommenen, Ueberarbeitung und Adjustirung des vorangehenden von 1838 entstanden, welches seinerseits wieder auf provisorischen Arbeiten der Jahre 1806 bis 1817 beruhte. 1 ) In letzter Linie basirten diese Arbeiten nicht auf ·einer unsern jetzigen nationalen und politischen Verhältnissen ent*) Vide Repertorium II, pag. 333 ff., und- ,,Grundzüge eines Militärgesetzbuches für die schweizerische Eidgenossenschaft, Bericht an das Eidg.

Militärdepartement, 1876", in welchem die historischen Verhältnisse gründlich auseinandergesetzt sind.

Bundesblatt. 36. Jahrg. Bd. III.

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198 sprechenden und aus denselben hervorgegangenen Auffassung des Militärstrafrechts, sondern auf Strafgesetzgebungen für die Schweizertruppen in fremden Diensten, namentlich auf dem für nationale Truppen wenig geeigneten ,,Code pénal militaire pour les régiments Suisses" von 1816, welcher in Frankreich und nachmals auch n o oh in Neapel geltend war. Die Vermischung der militärischen und gemeinen Verbrecher, sowie der Verbrechen, die nur im aktiven Dienste oder Kriege vorkommen, mit denjenigen des Instruktionsdienstes., oft in einem und demselben Artikel, sowie die ursprünglich« Berechnung des Verfahrens, als Ganzes betrachtet und vor Einführung der Jury, -- auf den aktiven Dienst sind die deutlichen Spuren dieses historischen Vorbilds, bei dem eben von einem bloßen Instruktionsdienste nie die Rede war, sondern die Truppen stets auf einer Art von Kriegsfuss stehend gedacht wurden. Mit dieser hergebrachten Richtung; des ganzen Gesetzes kontrastirten dann völlig einzelneeingeschobenee Artikel, ganz besonders aber die mit dem übrigen Theile nicht übereinstimmende Einführung derGeschwornenu gerichte, die in keinem eidg. Militärstrafverfahren vor 1851 existirten, daher niemals, bei einem größeren aktiven Dienste ihre Probe abgelegt habenundd in einem solchen auch nicht ausführbarsind..

Die Mängel desjetzigenn V e r f a h r e n s beruhen zum wesentlichen Theil auf diesem Einen Punkte.

Als h ervorstechende Fehler des gesammten heutigen Ge, setzes und Verfahrens sind besonders außer den bereits genanntendie in der ganzen Entstehungsgeschichte und Auffassung liegen, folgende zu bezeichnen : Die sehr hohen Minimalstrafen ein/einer besonders häufig auch im Instruktionsdienste vorkommend or Verbrechen, vorzugsweise des Diebstahls, der auch im geringsten Betrage mit 6 Monat Gefängniss bestraft werden muß, weil er beinahe ausnahmslos qualifizirt ist, während umgekehrt schwere Verbrechen, selbst die allerschwersten, wie der Verrath im Kriege gegen die Eidgenossenschaft, mit, einer relativ sehr großen Milde behandelt werden *) und manche andere, nicht vorhanden oder mangelhaft ') Der Versuch eines Militärs, z. B. also des Eidg. Generals selber, die Eidgenossenschaft in die Gewalt und Abhängigkeit einer fremden Macht zu bringen, kann nicht mit dem Tode bestraft werden (Art. 47). Ebenso wenig verfällt dieser Strafe,
wer an dem gewaltsamen Umsturz der Bundesverfassung Theil nimmt, oder ein Kommandant, dar w i s s e n t l i c h falsche Rapporte abstattet, oder ohne Berathung, oder selbst gegen den Willen eines Kriegsraths belagert« Festungen übergibt (Art. 44, 46). Jedes militärische Verbrechen, also selbst Verrath im Krieg, verjährt schon in Einem Jahr nach Auflösung des Korps, dem der Verbrecher angehörte (Art. 38Ì. Auch entferntere Verwandte und Verschwägerte eines Vorräthers, seihst wenn sie ebenfalls Militärs sind, sind nicht schuldig, einen Anschlag auf Verrath oder

199 dcfinirt sind (Mißbrauch der Dienstgewalt, Spionage, Verletzung verschiedener dermalen bestehender völkerrechtlicher Verträge, Maraude, Meuterei etc.). Im Prozeßverfahren hat die Praxis bereits nothgedrungen bedeutende Aenderungen herbeigeführt, die gesetzlicher Anerkennung bedürftig sind. Die Voruntersuchung, die von dem sogen.

Strafpolizeibeamten gemacht und vorn Auditor höchstens ergänzt werden sollte, wird in Folge von absolut nothwendigen Anordnungen des Militärdepartements eigentlich von dem Auditor, der sofort beigezogen werden muß, gemacht und selbst bei dieser Vorsicht kommt es vor, daß unrichtige Voruntersuchungen in Folge der nicht gut angeordneten und daher zu wenig bekannten Vorschriften von den Großrichtern zurückgewiesen werden. Die Bildung der Geschwornenliste, wie sie in den Art. 216 und 228 ff. vorgeschrieben ist, ist auch in den gewöhnlichen Fällen des Instruktionsdienstes nicht möglich, die große Liste wird faktisch eben einfach aus den jevveilen gerade vorhandene», vielleicht gar nicht zahlreichen, Truppen gebildet und die Richter werden ebenso jeweilen für den Fall und aus einer oft sehr geringen Auswahl von gerade zur Hand befindlichen Offizieren ernannt. Das umständliche Verfahren und die ungleichen Urtheile der Greschwornengerichte haben eine Tendenz zur Folge, den Angeklagten wo immer möglich disziplinarisch zu behandeln, oder zum Geständnisse zu veranlassen. Umgekehrt können bei dem jetzigen Verfahren Fälle sich ereignen und s i n d thatsächlich vorgekommen1), wo in der Hauptsache g e s t ä n d i g e Angeklagte sonstige schwerste Verbrechen, der ihnen bekannt ist, anzuzeigen (Art. 85).

Das deutsche Militärstrafgesetz, Art. CO, kennt dagegen gar keine Ausnahme von der Anzeigepflicht. Andere, wie z. B. der neue dänische Art. 65 , hahen hlos eine Strafmilderung bei Verwandten. Wer einen Obern thätlich mit der Waffe angreift und verletzt, kann im Enstruktiousdienste nnr mit 3 Jahren Gefängnis bestraft werden (Art. 65). Vergehen aus Fahrlässigkeit sind im Allgemeinen, wenn nicht das Gesetz etwas Anderes im einzelnen Falle vorschreibt, gänzlich straflos (Art. 14).

*) Ein solcher Bericht vom 15. Juni 1880 eines Schulkommandanten an den betreffenden Waffenchef lautet wörtlich wie folgt: ,,Der Beklagte gestand in der öffentlichen kriegsgerichtlichen Verhandlung die That
neuerdings ein, mit dem Beifügen, es hätte in seiner Ahsicht felegen, die entwendeten Fr. 20 seinem Kameraden gleich nach der Rückehr in die Heimat wieder zurückzuerstatten. Verschiedene Entlastungszengen wurden vernommen, die sowohl über sein früheres Leben als auch über sein Betragen während der Eekrutenschule sich zu seinen Gunsten äußerten, und sein Vertheidiger, welcher der Sprache in hohem Maße Meister ist, verstand es, auf die Gemüther der Zuhörer und die Geschwornen in der Weise einzuwirken, daß nach stattgehahter Délibération dieser Letztern vier derselben die ihnen vorgelegten Prägen mit ,,Ja", vier mit ,,Nein" beantworteten.

Der Großrichter der 1. Division, Herr Major Doret, machte den Vorsitzenden der Geschworenen darauf aufmerksam, daß der Art. 379 des Ge-

200 von den Geschwornen nicht verurtheilt werden und gar kein RichterSpruch zu Stande gebracht wird. Der Verurtheilte kann in keinem Falle, selbst wenn er ein Millionär wäre, in die sämmtlichen Kosten des Verfahrens verurtheilt werden (Art. 395), ebensowenig kann sein Prozeß aus irgend einem Grunde, selbst wenn die klarsten neuen Beweise zu Tage treten, revidirt werden. Eine Begnadigung soll nach Antritt der Strafe nur der Bundesversammlung und zwar auch dieser nur mit Beschränkungen zustehen (Art. 428), während der oberste Kommandirende, somit im Frieden das Militärdepartement (Art. 270), die Strafe v o r ihrem Autritt g a n z erlassen kann (Art. 427).

Es m u ß sogar der Verurtheilte auf die Möglichkeit einer s o l c h e n sofortigen Begnadigung ausdrücklich aufmerksam gemacht und so zu sagen aufgefordert werden, davon innert einer kurzen peremtorischen Frist v o r Antritt der Strafe Gebrauch zu machen (Art. 398), eine Vorschrift, die keineswegs etwa auf den Dienst im Felde beschränkt ist und ohne die Möglichkeit eines sofortigen Strafnachlitsses jedes vernünftigen Sinnes entbehrt. In der setzes sie verpflichte, so lange zu deliberiren, bis sich pro oder contra eine Mehrheit von 6 gegen 2 gebildet hätte, und ließ daraufhin die Geschworeneu neuerdings in Abstand treten. Nach ca. 1 1/2 Stunden kehrten dieGeschwo-; renen wieder in den Gerichtssaal zurück, ohne zu einem andern Resultat gelangt zu sein.

Der Gerichtshof berieth sich sodann über die in einem solchen Falle zu treffenden Verfügungen und faßte den Bescheid, die Geschworenen zum dritten Mal zur Délibération abtreten zu lassen, ihnen den Inhalt des Art. 379 neuerdings ins Gedächtniss rufend.

Die dritte Délibération dauerte neuerdings über eine Stunde. Um 4 Uhr ungefähr traten die Geschworenen wieder in den Gerichtssaal und erklärten durch das Organ ihres Vorsitzenden, des Herrn Major Bourgoz, daß sie zu keinem andern Resultate gelangen könnten, ,,les convictions étant tellement fermement établies de part et d'antre, qu'un rapprochement paraissait impossible," Nach Anhörung dieser Erklärung sah sich der Gerichtshof veranlaßt, in der Angelegenheit neuerdings einen Bescheid zu erlassen.

Die Wahl war nicht groß, entweder mußte die Sitzung vertagt werden, oder man mußte den Geschworenen gegenüber zu Maßregeln greifen, die wohl in England und
in Amerika, in der Schweiz aber noch nie zur Anwendung gekommen sind, d. h. man mußte dieselben so lange absperren, bis sie zu einem gesetzlich gültigen Verdikte gelangt sein würden.

Der Gerichtshof wählte den erstem Ausweg und hat nun Herr Major Doret, nebst Beilegung des Verbalprozesses der Verhandlungen, über die Sache sowohl an das Eidg. Militärdepartement berichtet als auch an Herrn Oberauditor Oberst Bützberger sich gewandt und fernere Weisungen verlangt.

Daß eine derartige Verhandlung, wo ein eingestandener und nebenbei zur Evidenz bewiesener qualifizirter Diebstahl zu keiner Bestrafung gelangen kann, keinen guten Eindruck machen kann und der Disziplin schädlich sein muß, liegt wohl außer Präge. Die Jury im kriegsgerichtlichen Verfahren ist und bleibt eine Lotterie und hätte mit don übrigen Lotterien der Schweiz abgeschafft werden sollen."

201 Praxis kommt dessenungeachtet diese Begnadigungsart äußerst selten in Anwendung.

o" Es kommt im Allgemeinen hinzu, daß das Gesetz viele undeutliche und sich widersprechende Vorschriften und eine so mangelhafte Eintheilung und Reihenfolge der Materien enthält, daß es . zu einem mühsamen Studium selbst für die Justizoffiziere wird und das bei den Akten liegende Urtheil .eines hohem Offiziers, der zugleich Auditor seines Kantons ist, rechtfertigt: ,,daß es ungemein schwer hält, sich im gegenwärtigen Militärstrafgesetz zurechtzufinden, und daß mau namentlich, was den formalen Theil desselben anbelangt, beim Nachschlagen nach irgend einer Gesetzesstelle sicher sein kann, dieselbe entweder gar nicht oder dann in einem Abschnitte oder Titel zu finden, wo sie logischer Weise n i c h t stehen sollte."

Die Unpopularität des militärischen Strafverfahrens, nicht allein bei den Truppen selber, sondern auch bei dem allgemeinen Publikum, das oft Zeuge zeitraubender, kostspieliger und im Resultate verfehlter militärischer Gerichtsverhandlungen wird, ist zu nicht geringem Theile, nach allgemeinem Urtheil, weniger der Sache selbst, als der jetzigen Gesetzgebung zuzuschreiben, und es wird, so lange dieselbe besteht, auch bei der größten Sorgfalt in der Anwendung, nicht möglich sein, die Militärjustiz in der allgemeinen Achtung zu heben.

I.

Der Gang der bisherigen A r b e i t e n zum Behufe einer gründlichen Verbesserung des jetzigen Gesetzes und Verfahrens ist der folgende gewesen : Zunächst beauftragte das Militärdepartement den Herrn Professor H i l t y in Bern, Major im eidgenössischen Justizstab und dermalen Großrichter der V. Armeedivision, die in mancher Beziehung schwierige Aufgabe einer zweckmäßigen und erschöpfenden Revision zu studiren und darüber einen Bericht zu erstatten. Dieser, oben bereits citirte B e r i c h t liegt Ihnen gedruckt vor, unter dem Titel : ^Ueber die Grundzüge eines Militärgesetzbuches für die schweizerische Eidgenossenschaft, Bern 1876, und 2. Auflage \STS." Eine kleinere Kommission von Sachverständigen prüfte hierauf unter dem Vorsitze des damaligen Chefs des Militärdepartements, Herrn Bundesrath Scherer, diese Ideen und ertheilte dem Verfasser derselben die nöthigen Direktionen zur Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfes.

202 auf dieser Grundlage. Der hierauf erschienene E r s t e ,,Entwurf eines schweizerischen Militärstrafgesetzes, Bern 1878", ging, wie die beigefügten Motive des Nähern auseinandersetzen, von dem Gedanken aus ein g a n z k u r z e s Gesetz (welches in der Thal bloß HO Artikel enthielt) an die; Stelle des jetzigen zu introduziren, das in dem Dienstbüchlein der Soldaten hätte abgedruckt werden sollen und daher eigentlich bloß die nothwendigsten Bestimmungen in einer sehr strikten Zusammenfassung, .und namentlich keinen ausführlicheren allgemeinen Theil enthielt. Da die Justiz ausschließlich festen, sachverständigen Gerichten, ohne jede Betheiligung von Geschworuen, anvertraut war, so durfte allerdings Kenntniß der gemeingültigen Grundsätze de? Strafrechts seitens solcher Richter vorausgesetzt und fast ausschließlich der m i l i t ä r i s c h e Gesichtspunkt bei der Redaktion in's Auge gefaßt werden. Eine große Kommission, welche im Oktober 1879 zu einer kurzen Sitzung zusammentrat., ging iudeß von diesem Systeme, ab und sprach sich in ihrer Mehrheit für ein Gesetzbach nach bisheriger Art und Weise, wiewohl in möglichst kurzer und praktischer Fassung, aus. Diese Frage, in welcher sich auch die seitherigen Kritiken von militärischen und sonstigen Sachverständigen auf verschiedenen Standpunkten befinden, erscheint nu nmehr durch den zweiten Entwurf als erledigt und ist der Bundesrath mit der großen Mehrzahl aller Kritiker der Ansicht, daß die Lösung der Aufgabe in demselben eine glückliche, das richtige Maß nach keiner Seite überschreitende gewesen sei.

Abgesehen von dieser allgemeinen Frage über die zu Grunde liegende Idee des Ganzen, erstreckten sich die Beschlüsse der erweiterten Kommission im Wesentlichen auf folgende erhebliehe Punkte: Die Todesstrafe wurde mit Mehrheit der Stimmen finden Instruktionsdienst ausgeschlossen. In Bezug auf die kapitale Frage, der Geschwornengerichte war die überwiegende Meinung zwar offenbar gegen dieselben geriehtot, doch wurde nicht abgestimmt und ein allgemeiner Auftrag in dem Sinne ertheilt, daß wo möglich ein Mittelweg ausfindigO zu machen sei. Ebenso erschien die in dem Ersten Entwurf enthaltene grundsätzliche Abänderung der Disziplinarstrafgewalt im Sinne, des deutschen Systems der Kommission als unseren bisherigen Anschauungen zu sehr widersprechend. Alles
Uebrige, was speziell relevirt wurde, betraf weniger maßgebende, zum Theil sogar bloß redaktionelle Fragen. Die allgemeine Eintheilung und übersichtliehe Anordnung des Stoffes und namentlich das System der völligen Trennung des Instruktionsdienstes von dem aktiven und eigentlichen Kriegsdienst, durch das sich der Entwurf besonders vortheilhaft von dem jetzigen Gesetze unterscheidet, wurde als sehr zweckmäßig anerkannt und sollte fernerhin die Grundlage der Ausführung bilden.

203 Auf Grund und im Sinne dieser Beschlüsse wurde nun der Erste Entwurf von dem Redaktor völlig umgestaltet, hierauf im Laufe des Jahres 1881 die neue Redaktion artikelweise mit dem damaligen ·Stellvertreter des Militärdepartements, Herrn Bundesrath H a m m e r , besprochen und darnach der ^Z weite Entwurf eines Militärstrafgesetzbuches für die schweizerische Eidgenossenschaft" festgestellt, welcher nun einen Haupttheil von 140 und einen Anhang von 33 Artikeln enthielt, die ihrem wesentlichen Inhalte nach auch im gegenwärtigen definitiven Entwürfe erscheinen. Eine französische Uebersetzung dieses zweiten Entwurfs wurde ebenfalls noch im Laufe des Jahres 1881 von Herrn Ständerath C or na z, Major im eidg. Justizstab und Mitglied der Kommission, angefertigt und hierauf das Projekt in beiden Sprachen an die Kantone, die schweizerischen Militärgesellschaften, die Offiziere des Justizstabes und eine große Anzahl von militärischen und juristischen Sachverständigen der Eidgenossenschaft und des Auslandes zur Kritik vertheilt.

Von diesen Autoritäten gingen seither, größtentheils im Laufe des Jahres 1882, theilweise auch noch 1883, eine Reihe von mitunter ausführlichen K r i t i k e n ein, die sieh in der weitaus größten Mehrzahl sehr günstig über das vorhandene Werk äußerten und im Einzelnen den Berathungen der nachmals zusammentretenden Schlußredaktionskommission zur Wegleitung gedient haben. Ein zusammenfassender A u s z u g aus diesen Kritiken liegt Ihnen, neben den Originalen derselben, zur Einsicht vor in einem gedruckten Schlußbericht des Gesetzesredaktors an das eidg. Militärdepartement vom Juli vorigen Jahres (pag. 28--53 desselben), dem wir einen Theil unserer Ausführungen entheben. Die wesentlichsten und zum Theil ausführlichsten dieser Kritiken sind, in Bezug auf den allgemeinen Theil und die Grundsätze des Strafrechts, von den Professoren des Strafrechts v. L i s z t in Marburg (Redaktor der deutschen Zeitschrift für die gesammte Strafrechtswissenschaft), K i l l e r in Czernowitz und W a c h in Leipzig, sowie dem Herrn Generalprokurator (früheren Justizminister) G l a s e r in Wien abgegeben worden, denen der Bundesrath für ihre eingehenden und in dem jetzigen Entwurf vielfach berücksichtigten Bemerkungen besonders zu Dank verpflichtet ist. In Bezug auf den völkerrechtlichen Theil sprechen
sich namentlich aus die HH. Charles L u c a s , Mitglied des Institut de France, Professor H o r n u n g in Genf und Oberst R o t h p l e t z , Professor der Militärabtheilung des Polytechnikums in Zürich. Von den Mitgliedern des Eidg. Justizstabes haben sich vorzugsweise die HH. Großrichter B l a t t n e r , A l b r i z z i , J a c o t t e t , die HH. Auditoren S e h n e i d e r , D u n a n t , R a r n b e r t , C a m e n i s c h , u n d ebenso

·204 die Kantonalauditoren von Bern und "Waadt, Z ü r i c h e r D u p l a n , in detaillirten Gutachten geäußert.

und

Auf Grund dieser sämmtlichen Besprechungen und der darauf gegründeten, ebenfalls gedruckten Vorschläge des Redaktors, nahm im Anfang April dieses Jahres die engere Kommission, bestehend aus den HH. Oberauditor B ü t z b e r g e r , Oberstdivisionär Loc o m t e , Major des Justizstabs C o r u a z , Hauptmann des Justizstabs Schneider 1) und dem Redaktor des Gesetzes, dieabschließlichee Bereinigung undSchlussredaktionn des Entwurfes vor, durch welche namentlich der bisherige Anhang demselben als VII. Titel förmlich angeschlossen und eine Anzahl von Modifikationen angebracht wurden, welche -- um so mehr, als sie das gelungene System des Ganzen in keiner Weise beeinträchtigen, -- als wesentliche Verbesserungen einzelner Vorschriften betrachtet werden dürfen.

In dieser abschließlichen Form wurde das Projekt von dem Bundesrathe durchberathen und die Vorlage desselben an die Bundesversammlung mit der Beifügung beschlossen, daß der Bundesrath dasselbe als eine grundsätzliche und konsequent durchgeführte Verbesserung der jetzigen Militärjustizverhältnisse ansieht, welche alleu Bedürfnissen der gegenwärtigen Zeit und den Einrichtungen unserer Armee für Friedens- und Kriegszeiten gleichmäßig entspricht.

Die längere Dauer der gesammten Arbeiten an diesem Entwurf wird bei der Wichtigkeit des Gegenstandes und im Vergleich zu den derartigen Unternehmungen anderer Staaten kaum befremden. Eine Deutsche Militärstrafprozeßordnung befindet sich seit Erstellung des Militärstrafgesetzbuches vom 20. Juni 1872 noch immer in Vorbereitung durch den General-Auditor. Gegenwärtig besteht fortwährend noch verschiedener Militärstrafprozeß in einzelnen Staaten dieses Landes. Der Reichstag forderte schon 1876 den Reichskanzler durch eine förmliche Resolution auf, bald eine einheitliche Militärstrafprozeßordnung vorzulegen, worüber sieh der damalige Kriegsminister in einer Sitzung von 1882 dahin äußerte: es aei in einer solchen Sache große Vorsicht und Geduld geboten, indem es sieh darum handle, allgemeine Rechtsgrundsätze mit den Prinzipien in Einklang zu bringen, dio, den Lebenskern einer Armee ausmachen, was eine sehr schwere und zeitraubende Aufgabe sei. Beinahe alle Europäischen Staaten arbeiten seit 1870 mehr oder weniger an Aen*) Herr Oberst R o t h p l e t z war durch Krankheit an der Theilnahme verhindert.

205 deruugen iu ihrer Militärjustiz *) ; überall aber befinden sich diese Arbeiten noch im Stadium der Vorbereitung. In Frankreich ist seit den großen Erfahrungen von 1870/71 blos eine neue Instruktion über das Kriegsrecht für die Offiziere zu Stande gekommen, von Staaten ähnlicher Natur wie die Schweiz haben überhaupt nur Schweden und Dänemark ihre Militärstrafgesetze im Jahre 1881 nach längern Vorbereitungen, einigermaßen revidirt. Nirgends aber handelte es sich um eine so durchgreifende Abänderung, bei welcher auf das Vorhandene gar n i c h t gefußt werden konnte und überall blos um die ungemein viel leichtere Aufgabe eines Militärstrafgesetzes nach deutschem Muster, neben dem ein a l l g e m e i n e s b ü r g e r l i c h e s S t r a f g e s e t z b u c h den allgemeinen Theil und die Bestrafung der gemeinen Verbrechen bereits enthält. Eine Arbeit wie die unsrige hat ihre ganz besondern Schwierigkeiten, wenn sie der Natur unseres Bundesstaats mit allen seinen höchst verschiedenartigen Anforderungen gerecht werden will. Vom allzu ausschließlich militärischen, oder wieder vom blos formal-juristischen Standpunkte darf sie nicht aufgefaßt werden, sondern soll volksthümlich und den historischen und politischen Verhältnissen des konkreten Staatswesens, für das sie bestimmt ist, gänzlich angepaßt sein. In dieser Hinsicht sind namentlich alle fremden Kritiker, mehr sogar als unsere einheimischen, völlig einig und Einer derselben bezeichnet es in seinem Berichte an die französische Akademie als einen besondern Vorzug des Entwurfs, daß dieser wesentlichsten Forderung ein Genüge geschehen sei.2) Andererseits darf die Demokratisirung; unserer militärischen Einrichtungen, wie sie von einigen Seiten angestrebt wird, auch nicht weiter gehen als der Gegenstand sie verträgt, und kann man eben ein Militärstrafgesetz nur auf die Voraussetzung aufbauen, daß es dem Gesetzgeber und Beurtheiler mit einer Aufrechterhaltung und selbst Verbesserung der militärischen Einrichtungen unseres Landes und der Neubelebung des alten kriegerischen Geistes der Bevölkerung E r n s t sei. Der eigenthümliche *) Vergleiche hierüber das in der Herausgabe begriffene Werk des Herrn Brigadeauditor G r a n in Christiania: ,,Fonctionnement de la justice militaire dans les différents Etats de l'Europe." Derselbe hat zum Zweck der Sammlung
von Materialien für eine neue norwegische Militärstrafgesetzgebung alle Staaten Europas schon zum zweiten Male persönlich bereist. Der schweizerische Entwurf ist in diesem Werke bereits ausführlich besprochen.

') ,,On doit louer l'auteur de ce projet de code d'avoir bien senti qu'un code pénal Suisse ne peut jamais être une simple application de lois étrangères, et c'est précisément par où pèche le code militaire actuel. Le projet du nonveau code porte l'empreinte d'aucune imitation des codes pénaux existant en Prusse, en France, ou en d'autres pays", etc.

206 Gegensatz zwischen dorn militärischen K o m m a n d o r e c h t und dem bürgerlichen und vollends dein demokratischen Staats- und Privatrecht tritt bei uns natürlich stärker als irgendwo sonst hervor. Er kann nur überbrückt werden durch das Gefühl der Notwendigkeit einer kräftigen Armeeorganisation und einen starken Patriotismus, da die G e w o h n h e i t fehlt, die anderswo aus dein Bürger Soldaten macht.

In der Lage, in der sieh jetzt alle kleineu Staaten Europa's befinden, müssen dieselben entweder Alles, was das Geschick herbeiführt, geduldig über sieh ergehen lassen, oder das lebhafte Gefühl besitzen , daß mit bloßen unausgeführten Grundsätzen der Militärverfassung und ohne eine scharfe Disziplin eine tüchtige Armee nicht erhalten worden kann. Im Gegentheil, in derartigen Verhältnissen sollte oben der militärische G e i s t des gesammten Volkes Vieles e r s e t z e n , was anderwärts durch die bereits in den allgemeinen Staatseinrichtungen liegende Autorität uad straffe Zusammenfassung aller Kräfte erreicht wird. Bin einsichtiger militärischer Beobachter sagt nicht mit Unrecht, daß man Krieg heutzutage nur mit zweierlei Soldaten führen könne: ,,entweder mit völlig gedrillten, wo das eiserne Muß den guten Willen des einzelnen Mannes ersetzt und bis zu einem gewesen Maße überflüssig macht, oder dann mit Man nera, von denen Joder in der allgemeinen Bache seine eigene persönliche sehen und fördern muß." Das letztere ist u n s e r Fall und von diesem Staudpunkt muß bei der Beurtheilung eines j e d e n Militärsgesetzes der Eidgenossenschaft ausgegangen werden.

O O O ö O Abgesehen von dieser allgemeinen und stetsfort n o t h w e n dig en Grundlage and Voraussetzung des Entwurfes, sind nun allerdings in der «weiten Reduktion desselben manche (nach mehrfach geäußerten Ansichten entschiedener Militärs zu zahlreiche) Spuren einer gewissen Akkommodation an Verhältnisse und Ansichten einzelner Landestheile, oder an bisherige Gewohnheiten, zu finden, die indessen, nach unserm Dafürhalten, den Entwurf keineswegs verunstalten und einem schroffen Festhalten au vielleicht zwar zweckmäßigen, aber auf allzu großen Widerstand stoßenden Neuerungen vorzuziehen sind. Denn vergessen können wir auch bei einem Militärgesetze doch nicht, daß wir in einem Staate leben, in welchem Gesetze einer unschwer anzuregenden
Agitation äußerst leicht zum Opfer lallen, oder selbst bei rechtlicher Geltung in ihrer Handhabung sehr gefährdet sind, sobald sie auf positive Abneigungen und entgegengesetzte Gewohnheiten einzelner Landestheile stoßen.

In solchen Fällen von den ursprünglich eingenommenen konsequenten Anschauungen Etwas nachgegeben zu haben, scheint uns ein V o r z u g des zweiten Gesetzesentwurfs zu sein.

207 II.

Die G r u n d g e d a n k e n des gesammten Entwurfes sind diejenigen, welche von Pradier-Fodéré in der Vorrede zu seinem bekannten Commentar des französischen Code de justice militaire als die maßgebenden für jedes solche Gesetz- bezeichnet werden, und können wir auch unsererseits wörtlich sagen: ,, L'esprit général, qui a présidé à la rédaction du nouveau Code de justice militaire peut se résumer ainsi: organisation des tribunaux militaires dans le but d'assurer la répression éclairée mais énergique de tous les actes contraires à la discipline, et de consacrer l'indépendance du juge et les garanties de l'accusé qui sont le premier besoin de la justice et l'honneur des nations civilisées; maintien de la séparation des juridictions civiles et militaires , sauf de rares exceptions commandées par des circonstances extraordinaires et tendant à protéger l'armée contre ces tentatives criminelles qui , dans les temps de trouble, cherchent à altérer son esprit et à l'éloigner de ses devoirs; célérité dans l'instruction et la procédure, afin d'arriver à une répression rapide , si nécessaire dans les armées et si indispensable surtout quand elles se trouvent en présence de l'ennemi ou sur un territoire en état de siège; enfin, modération dans les peines, en les mettant en rapport avec le progrès des moeurs publiques, sans cependant affaiblir ni désarmer la puissance militaire, qui, pour triompher des grandes épreuves, auxquelles elle peut être soumise au dedans comme au dehors , a besoin des ressorts énergiques qui assurent et conservent son action. " ,,La marque d'une bonne législation consistera enfin dans la distinction judicieuse qu'elle aura su tracer entre deux situations, dont la confusion est un des vices de celle qui nous régit depuis la Révolution. L'armée, en effet, est sur le territoire ou à l'étranger ; elle est en état de paix ou en état de guerre , et la raison dit qu'elle ne peut être régie de la môme manière, selon qu'elle se trouve dans l'un ou l'autre de ces états. a Anschließend an diesen allgemeinen Gesichtspunkt äußert sich der letzte Redaktionsbericht über die g a n z e A n l a g e des Ges e t z e s wie folgt: ,,Die einzelnen G r u n d g e d a n k e n des Entwurfes, welche bestehen bleiben müssen, sind folgende: In der Anlage und Redaktion will der Entwurf auch jetzt noch, trotz sehr bedeutender Erweite-

208 rung, besonders i:n allgemeinen Theil und dem 2. Titel, ein möglichst k u r z e s und für Jedermann, ganz besonders auch für Nichtjuristen, l e i c h t v e r s t ä n d l i c h e s Gesetzbuch erstellen, in welchem alle Materien so geordnet sind, daß sie mit geringer Mühe gefunden werden können. Auf Einzelnheiten der Redaktion und die verschiedenen Ansichten , die darüber herrsehen können , ist hier kaum naher einzutreten und wird es sogar zweckmäßigO sein,7 wenn die» O auch in der Kommission nicht im Uebermaß geschieht, indem eine bloße redaktionelle Ueberarbeitung auch noch nach den Beschlüssen der Bundesversammlung stattfinden kann. Der Redaktor seihst hält die Redaktion eines Gesetzes für die vorteilhafteste, die ganz genau und ohne Wiederholungen oder Widersprüche sagt, was sie will, und dabei möglichst viel in möglichst wenige Worte und Artikel zusammenfaßt. Dabei müssen die Gegenstände in einer logisch leicht begreiflichen Weise auf einander folgen und muß jeder Gegenstand wo möglich in Einem Artikel, wo dies aber nicht thunlich ist, wenigstens in mehreren sich unmittelbar folgenden Artikeln abgethan werden. DiesenRücksichten auf Uebersichtlichkeit der Anordnung und Kürze und Gemeinverständlichkeit des Ausdrucks sollten alle andern , die mehr technischer Natur sein würden, mindestens untergeordnet sein.

Damit hängt unmittelbar zusammen, daß das Gesetzbuch durchaus praktisch b r a u c h b a r und a u s f ü h r b a r für a l l e Fälle, von der Rekrutirung bis zur Kriegführung, selbst auf ausländischem Boden , sein muß; es ist dies ein Rahmen, der mannigfache Abstufungen in sich birgt, welche nicht immer leicht zu berücksichtigen sind. Ganz besonders darf das P r o z e ß v e r f a h r e n im F e l d e k e i n w e s e n t i i ch a n d e r e s sei n, als im Instruktionsdienst, so daß es im Friedengeübtt werden kann und nicht erst im Feld, unter sonstigen mannigfachen Schwierigkeiten und ohne jede bisherige Praxis in Anwendung kommenmussó , oder gar einer völlig willkürlichen und verschiedenen Behandlunganheimfällt. 1)) Diese 1 ) Dies letztere wäre unter dem jetzigen Gesetze, bei der Unmöglichkeit,, eine Jury zu bilden, hei dem Kassationsverfahren, das jede Möglichkeit einer raschen Exekution aufhebt, und bei der Langsamkeit und Schwerfälligkeit der ganzen Prozedur die nothwendige Folge eines
jeden Kriegszustandes, und es ist sehr bezeichnend, daß sogar das frühere, raschere und einfachere Verfahren ohne Jury in dem doch so kurzen Sonderbundsfeldzug nicht angewendet wurde, sondern General Dufour alle kriegsrechtlichen Verhandlungen erst nachträglich abthun ließ. Es ist aber nicht immer zulässig und vielleicht nicht einmal zweckmäßig, solche Prozeduren in den tiefen Frieden hinein zu verlängern in welchem sie mit ganz andern Augen als im Felde betrachtet werden. Der Sonderbundskrieg Kann also nach keiner Richtung

209

p r a k t i s c h e B r a u c h b a r k e i t i n a l l e n vorkommenden Fällen scheint, m i r b e i W e i t e m d i e h a u p t ä c h l i c h s t e unter den einzelnen Anforderungen zu sein, die k e i n e n andern Rücksichten zu lieb außer Auge gesetzt werden darf, und hierin liegen die Gründe, aus welchen einzelne Kritiken, die unter andern Umständen und von einem andern Gesichtspunkte ausgehend ihre große Berechtigung haben möchten, dennoch abgelehnt werden müssen. Es wird eben bei vielen Punkten einfach darum sich handeln, zu w ä h l e n , ob man ein in jeder Lage, in welche die umstände die Eidgenossenschaft versetzen können, anwendbares und wirksames Gesetzbuch, mit einem raschen und auch im Sturm kriegerischer Ereignisse durchaus m ö g l i c h e n Verfahren haben will, oder ob man es vorzieht, sich darauf zu verlassen, dergleichen Umstände werden nicht vorkommen, oder dann durch außerordentliche Hülfsmittel des Augenblicks bewältigt werden können. Die Redaktion hält diese letztere Anschauung für eine schädliche. Dagegen ist allerdings in dem zweiten Entwurf noch in ausgedehnterem Maßstabe als in dem Ersten, der gewöhnliche Instruktionsdienst von dem aktiven Dienst und Kriegsdienst möglichst ausgeschieden, und es ist namentlich jenem Mittelstadium größere Aufmerksamkeit zugewendet worden, welches -- ohne Instruktiousdienst zu sein -- doch noch nicht in den völligen Kriegszustand übergegangen ist, ein Fall, der bei uns, namentlich bei Gränzbesetzungen, zu den häufigeren gehören wird. Die Subsumirung dieser Verhältnisse unter die Kriegsartikel schien für die weitaus größere Zahl der vorkommenden Fälle innerlich gerechtfertigter zu sein, als die Zusammenstellung dieses ,,aktiven Dienstes" mit der Instruktion ; immerhin mußte eine Ausnahme für ganz geringfügigen Wachtdienst einzelner Truppenabtheilungen, bei Festen etc., gemacht und dem Bundesrath eine gewisse Befugniß zur Bestimmung der Grenzen gelassen werden (Art. l Kriegsartikel)."1 einen Maßstab zur Beurtheilung der Wirksamkeit unserer Militärstrafgesetzgebung im Felde abgeben. In unserm l e t z t e n äußern Kriege von 1815, als sechs Bataillone am 9. Juli (dem Gedächtnißtage von Sempach) auf Einmal meuterten, ihre Soldaten 211 Hunderten aus einander liefen und schließlich eine ganze Brigade aufgelöst und zum Theil entwaffnet werden mußte,
fand nach monatelangem Herumtasten am Ende gar keine Anwendung von militärischem Rechte statt, und'so würde es nach dem jetzigen Prozednrsystem mit aller Sicherheit neuerdings gehen, wenn nicht die höhern Offiziere es auf sich nähmen, nach militärischer Nothjwendigkeit zu verfahren. Vgl. Repertorium von 1814--48, pag. 292.

Pradier in seinem Commentar, pag. 112, rühmt noch die rasche Répression aller Vergehen im Militärdienst, welche ,,chez quelques nations et notamment en Suisse" stattfinde. Innert 24 Stunden werde jedes Urtheil exequirt. Er meint damit wahrscheinlich die alte Zeit, oder den Code Gady.

210 Der Bundesrath geht mit diesen Anschauungen in allen Theilen einig und glaubt sie auch der Bundesversammlung zur Annahme empfehlen zu sollen.

Ebenso erscheinen ihm in dem erwähnten Berichte, pag. 18 u. folgende, diejenigen Fragen richtig bezeichnet zu sein, von welchen die ganze Anlage des Gesetzes abhängt und deren entgegengesetzte Auffassimg eine gänzliche, nach unserer Ansichtdurchauss nicht zu befürwortende, U m a r b e i t u n g des Entwurfs bedingen würde.

Der Bericht bezeichnet als solche ,,prinzipielleFragen"1 : ,,1) Eine Abänderung des Systems, wonach fortan der Friedenszustand die Basis des Gesetzes im Allgemeinen bildet, mit einem A n h a n g über dea aktiven Dienst und den Kriegsdienst. Man könnte allerdings auch, wie dus jetzige Gesetz, beides durch einander werfen, oder hei jedem einzelnen Artikel des Friedensgesetzes die Verschärfungen für den aktiven Dienst oder Krieg anbringen *), oder endlich zwei völlig gesonderte Gesetze erstellen.

So scharf aus einander gehalten wie in unserm Entwürfe ist bisher in keinem Gesetze der Instruktions- und der aktive und Kriegsdienst, wobei allerdings in Betracht kommt, daß stehende Armeen diesfalls auch im Frieden immer einigermaßen als im aktiven Dienst stehend betrachtet werden. Das System des Entwurfes seheint mir auf die speziellen Verhältnisse u n s e r e K Landes allein vollständig zu passen.

,,2) Wichtigor noch und ebenfalls grundlegend ist die Frage, die mitunter, mehr allerdings in der Fresse, als in der speziellen Kritik, doch vereinzelt auch in dieser, aufgeworfen wird, ob nicht mit der ganzen Einrichtung von Militärgerichten zu brechen und (wenigstens unbedingt im Frieden) auch der militärische Verbrecher an die b ü r g e r l i c h e n S t r a f g e r i c h t e zu weisen und militärisch nur für Ordnungsfehler zu bestrafen sei. Eventuell könnte allenfalls die militärische Gesetzgebung und Justiz; für die sog.

m i l i t ä r i s c h e n Verbrechen, im Gegensatz zu den gemeinen, beibehalten werde:) wollen, doch würde damit bereits der Hauptgesiehtspunkt, Ausschluß von Ausnahmegerichten, die namentlich Bin Kritiker als inkonstitutionell ansieht, wegfallen, denn wenn mau doch Militärjustiz und Militärstrafgesetz beibehalten muß, so läßt sich ihre Ausdehnung auf die sog. gemeinen Verbrechen leicht rechtfertigen. Ebenso untergeordnet
ist die Frage, ob man Civilstrafbehörden nach besondern militärischen Gesetzen und ProzedurVorschriften urtheilen lassen soll, was allerdings auch denkbar "·) So z. Th. das deutsche Militärstrafgesetz, §§ 71--73, 95, 97, 108, 140.

21Î wäre. Wirkliehe Aufmerksamkeit verdient daher nur die Frage: Sollen nicht die Militärgerichte, im Frieden wenigstens, g a n z wegfallen und Militärs, die sich vergehen, an die bürgerlichen Behörden zur Untersuchung und Bestrafung verwiesen werden?

Daß dies eine ungemeine Erleichterung der militärischen Oberen sein würde, liegt auf der Hand, ebenso könnte dabei die energische Bestrafung von gemeinen Verbrechen, gegenüber wenigstens dem jeteigen Zustande, nur gewinnen, und endlich ist das unser historisches System aus den Zeiten, in denen die Eidgenossenschaft als Staat Krieg führte. Noch nach der späteren stark modifizirten Militärorganisation des 17. Jahrhunderts, dem Defensionale, wurden der Regel nach schwere Verbrecher mit einer kurzen Voruntersuchung nach Hause geschickt, um von ihren heimischen Obrigkeiten abgeurtheilt zu werden, und fand die Justiz im Feld nur ausnahmsweise und auch dann nicht eigentlich eidgenössisch, sondern durch die Hauptleute und Kriegsräthe der einzelnen Orte über die Ihrigen statt. *) Darin liegt aber auch zugleich die ') Def ensional, Zusätze vom 29. Mai 1668 und 15. Dez. 1676. Dieselben lauten : ,,Die Justiz belangend, obwohl in dem Defensionalwerckh verssechen, daß die Malefiz Personen, so leib undt leben verwürckt, Jeder seiner Oberkeith nacher Hauss verschickt undt von dersselben gerechtfertigt werden sollen, hat man jedoch bewegender Ursachen halber besser sein befunden, den Oberkeiten zue hinderbringen undt die dahin zue erinnern, dissers exécution den Kriegräthen zue überlassen, weil ein gleiches under den Eydtg.

Regimentern in fürstlichen Diensten practiciert werde, auch theils im Sempacher Brieff verssehen sseye und umb dass sovil mehr, weil bereits ettlicher Ortten, hoche Officierer dissen Gewalt empfangen, damit durch die Ungleichheit hierob kein confusion undt ungelegenheit erwachssen thüe Die Justiz, dannethin belangend, solle dieselbige einem jeden Orth über seine Soldaten von den Officieren auss allen desselben Compagnien, denen der jüngste Hauptmann beywohnen solle, verwalten zu lassen übergeben und die Appellation für desselben Orths Kriegs-Räht und übrige Hauptleuth zugelassen seyn, vorbehalten die fahl, so Leib und Lehen berühren, welche mit einer rundlichen Beschreibung dess Handels eigentlicher Beschaffenheit den Obrigeiten lediglich sambt
den Fehlbaren sollen übersendet werden. Jeder Obrigkeit aber wird hierbey überlassen, ihren Kriegs-Rähten und Hauptleuten desshalber mehrern Gewalt zuertheilen. Gleichmässige Ueberweisung an die Obrigkeiten solle auch beschehen aller Officierer Verbrechen bis auff den Fourir, es treffe gleich die Ehr oder den Leib an. Es wird auch an einem jeden Orth so nur eine, oder zwo Compagnien im Feld hat überlassen, disere Justitz mit einem andern Orth gemein zu haben nach Belieben."

Wie sonderbar übrigens bei einem solchen gemischten System mitunter die Verhältnisse sich gestalten können, siehe bei Solms Commentar zu Art. 50--52, 58 des deutschen Militärstrafgesetzbuches. Es müssen jedenfalls eine Reihevon Ausnahmen gemacht werden, in denen doch der Soldat vom bürgerlichen Richter a n d e r s zu bestrafen ist, als der Bürger, der die gleiche Handlung verübt. Es läßt sich eben nicht leugnen, daß der Ausnahmeznstand dea militärischen Lebens auch Ausnahmegesetze erfordert.

g

212 Kritik des Systems: denn nicht allein würden wir j e t z t wohl nach den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Strafrechts einen Genfer, der in Appenzell stiehlt, nicht mehr nach Genf zur Untersuchung une: Beurtheilung schicken können, sondern der appenzellischen Justiz überlassen müssen , sondern auch in der alten Zeit war diese heimatliche Justiz eine äußerst unregelmäßige und ungleiche, so daß folgenreiche Verbrechen, wie der Verrath von Novara (1500) und der (angebliche oder wirkliche) großartige Kriegsverrath von Malignano, nur an einzelnen untergeordneten Theilnehmern gestraft wurden, während die wirklich Schuldigen frei ausgingen. Schwerste militärische Fehler, wie die unmotivirte Aufgabe von Domodossola und des Eschenthals durch die schweizerische Besatzung, die den Verlust dieses Thals im ewigen Frieden von 1510 nach sich zog, oder die Waffenstreckung von Pavia, sind niemals untersucht worden. Auch die vereinzelten Flüchtlinge, die die ihrigen bei St. Jakob verließen, entgingen zwar nicht der verdienten Verachtung, aber, trotz des Sempacherbriefs, der Strafe. Von einer eigentlichen Autorität der Befehlshaber über andere Truppen, als ihre eigenen kantonalen, war bei diesem System kaum jemals ernstlich die Rede. Eine viel größere Garantie, für eine völlig gerechte und ganz gleichmäßige Justiz der Kantone hätten wir auch jetzt im Ganzen genommen nicht, wenn das historische, heimatliche System unbenommen werden sollte, und überdies .sind die Strafgesetzbücher der Kautone dermalen noch so verschieden (zum Theil sogar nicht einmal vorhanden), daß ja nunmehr, seit 1879, das gleicht) Verbrechen an dem-Einen Orte mit dem Tode bestraft werden könnte, das in dem andern vielleicht einer weit geringeren Strafe unterläge. Würde man hingegen nach gewöhnlichen strafrechtlichen Grundsätzen die bürgerlichen Gerichte des Kautons aburtheilen lassen, auf deren Gebiet ein Verbrechen begangen worden ist, so konnte (abgesehen davon, daß dies oft auf Märschen und Eisenbahnfahrten oder bei Komplotten, oder fortgesetzten Verbrechen seine Schwierigkeiten in der Ausführung hat) gelegentlich wohl ein Genfersoldat in Appenzell I.-Rh. vor Gericht gestellt werden, wo er weder die Sprache versteht, nodi ein eigentliches Kriminalgesetz existirt. Diese Schwierigkeiten werden uns bei näherer Besichtigung immer wieder
bewegen müssen, eidgenössische Militärjustiz und Militärgesetzgebung im Frieden und i'ür den Krieg beizubehalten, in der Hoffnung, es werde gelingen, ein praktisches Gesetz und ein rasches und gutes Verfahren zu erstellen. Dem j e t z i g e n Zustand würde ich hingegen die bürgerliche Strafjustiz für die gemeinen Verbrechen bei weitem vorziehen und mich, wenn keine Möglichkeit einer andern gründlichen Revision vorläge, entschlossen haben, ein verbessertes Dis-

213 ziplinarstrafgesetz, mit einer starken Erweiterung auf militärische Vergehen überhaupt, und mit einem abgestuften System von Einzelrichtern und militärischen Disziplinargerichten vorzuschlagen.

,,3) Eine letzte, entscheidende Frage, die damit in einiger Verbindung steht, ist die, ob die Militärjustiz auf die t e r r i t o r i a l e D i v i s i o n s e i n t h e i l u n g aufzubauen sei, oder auf die Divisionen selbst (wie im Ersten Entwürfe) basirt werden solle. Die Nachtheile des Erstem, jetzt adoptirten Systems sind die, daß Verbrecher, die einer Division angehören, unter Umständen vor das Militärgericht einer andern gelangen können, in deren Gebiet sie ein Verbrechen begehen. Dagegen ist es sehr schwierig, wenn man das System des ersten Entwurfs adoptirt, für jeden Fall ein klar feststehendes Forum zu finden, indem eben die Divisionen nicht immer als solche besammelt werden, sondern Mannschaft aus verschiedenen Divisionen zusammenkommt, für die denn auch nicht immer ihr eigenes Gericht einberufen werden kann, sondern konsequentermaßen wieder besondere, gemischte Gerichte aufgestellt werden müßten. Ueberdies sind auch lange nicht alle Truppen in die Divisionen eingetheilt und begegnet man bei diesem System auf Schritt und Tritt formellen Schwierigkeiten, während das territoriale eine gewisse Einfachheit und Natürlichkeit, sowie die Analogie mit dem im bürgerlichen Leben geltenden Grundsatze für sich hat.

Die Divisionskreise sind dann eben die Militärkantone der Eidgenossenschaft und eine ganz natürliche Ausnahme tritt nur ein in den Fällen, in denen die eidgenössische Armee im A u s l a n d e operirt. Ein Versuch im entgegengesetzten Sinne liegt in dem Ersten Entwurfe zur Einsicht vor ; die Redaktion hat sich aber nach längerer Ueberlegung entschlossen, denselben in diesem Punkte, auch ohne eine ganz bestimmte Direktion seitens der Kommission, abzuändern.

Diese drei Fragen also, welche mit der ganzen Anordnung des Gesetzes zusammenhängen, scheinen am meisten geeignet zu sein, i n t a k t b e l a s s e n z u w e r d e n . 1 4 Die letztgenannte, praktisch sehr wichtige Frage ist nunmehr in den letzten Komniissionsberathungen durch einen Z u s a t z in Art. 7 2 des Entwurfs unsere Erachtens glücklich gelöst worden und entspricht jetzt nach unserem Dafürhalten diese Gerichtsorganisation allen
Bedürfnissen unseres Militärlebens weit besser, als dies sowohl nach dem jetzigen, als auch den etwas einseitigeren, unter sich entgegengesetzten, Systemen des Ersten und zweiten Entwurfes, die damit verglichen werden können, der Fall gewesen wäre.

Bundesblatt. 36. Jahrg. Bd. 111.

15

214 III.

Aus den e i n z e l n e n D i s p o s i t i o n e n d e s G e s e t z e s heben wir auf Grundlage des mehrerwähnten Redaktionsberichtes Folgendes hervor: Die logische E i n t h e i l u n g desselben in sieben Titel, wovon ein jeder ein selbstständiges abgeschlossenes Ganze bildet, und die Trennung des Inslruktiousdienstes vom aktiven Dienst, dio vollständig und in einer für unsere Armee passenden Weise durchgeführt erscheint, so wie es bei keinem der bisher überhaupt bestehenden Militärjustizgesetze der Fall ist, hat dem Projekte von Anfang an Freunde erworben. Sie hat in dem /.weiten Entwürfe noch dadurch erheblich gewonnen, daß der Artikel l der Kriegsartikel den aktiven Dienst mehr: deflnirt, überhaupt die Unterscheidung der beiden großen, innerlieh durchaus verschiedenen, Arten des Militärdienstes an selbstständige äußere Merkmale anknüpft, die gar nicht '/M verkennen sind, und damit eii.e besondere Proklamation der Kriegsartikel durch irgend eine Behörde, die leicht Bedenken hervorrufen könnte, überflüssig macht. Eine gewichtige Stimme der letzten Redaktionskommission (Obérât Lecomte) wollte noch denjenigen Instruktionsdienst, in welchem gesammte taktische Einheiten für mehr aKs M Tage besammelt werden, ebenfalls unter die Kriegsartikel stellen und den ersten Artikel derselben folgendermaßen ergänzen : Ad Alinea l, am Sehlusse: ,,Ainsi que pour tout service dans lequel des unités tactiques seraient sur pied pendant plus des quinze jours.a Das zweite Aluea würde dann folgendermaßen gelautet haben: ,,Ne sont pas soumis aux articles de guerre: a. les divers services d'instruction d'une durée inférieure à.

15 jours; b. les écoles do recrues, de tir, d'état-major, centrales, etc. et en général lous les cours ou services d'instruction sans unités tactiques régulières ; c. les services de garde et de police, etc."

Die übrigen Mitglieder der Kommission glaubten jedoeh bei der einfacheren, in die Augen springenden, Unterscheidung zwischen I n s t r u k t i o n s d i e n s t und a k t i v e m D i e n s t bleiben und eine weitergehende Anwendung der Kriegsartikel vermeiden »u sollen,

215 die überdies mit der Notwendigkeit einer Umarbeitung dieses wichtigen und in seiner jetzigen Fassung und Anordnung allgemein gebilligten Titels verbunden gewesen wäre.

Dagegen erscheinen nun in der definitiven Redaktion die Kriegsartikel nicht mehr als ein bloßer ,,Anhang" 1 zu dem Friedensgesetze, sondern als letzter Titel desselben, eingeführt durch Art. 4 des allgemeinen Theiles (Titel I), und behalten lediglich ihre besondere, lateinische, Nummeratur bei, weil sie mitunter selbstständig bekannt gegeben werden müssen. (Kriegsartikel II.)

Ebenso hat die vollständig durchgeführte Ausscheidung der gemeinen Verbrechen von den militärischen, die diesem Projekte eigenthümlich ist, allgemein befriedigt,gleicherweise die Unterscheidung zwischen Militärgericht und Kriegsgericht, welches letztere bloß in den Fällen der Anwendung der Kriegsartikel unter diesem Namen auftritt. Die Stellung des Titels über das militärgerichtliche Verfahren v o r die Ordnungsfehler hat den Grund, daß eben nur die in den Titeln IT und HI genannten strafbaren Handlungen dem Militärstrafverfahren unterliegen. Der sechste Titel mit seinen nicht unwichtigen Gegenständen mußte auch irgendwo in diesem Gesetze untergebracht werden, wenn man nicht ein besonderes Gesetz darüber erlassen wollte, und es scheint das hie und da geäußerte Bedenken, daß diese Gegenstände nicht ganz unter dea allgemeinen Titel ,,MilitärStrafgesetzbuch" passen, das eine gewisse Berechtigung hat, doch nicht hinreichend stark, um die im Allgemeinen passende Bezeichnung des gesammten Werkes abzuändern.

Im Einzelnen enthält der e r s t e T i t e l zunächst die Personen, auf welche das Friedensgesetz mehr oder weniger Anwendung hat, in besondereKlassenabgetheilt. DieCivilbevölkerung wird nur in den Fällen, weichein einem e i n z i g e n Artikel (70) genau umschrieben sind, im Frieden unter Militärjustiz gestellt. Der folgende Theil des Ersten Titels enthält die nothwendigen Gegenstände eines allgemeinen Theils eines Strafgesetzbuches. Besondere Abweichungen von den geltenden Vorschriften sind, daß Geldstrafen nur in den eng begränzten Fällen von Art. 70 und 118 zulässig sind, in denen sie nicht werden vermieden werden können, daß Strafschildwache von den bisher üblichen Strafgattungen ausgeschlossen ist, daß auch Fahrlässigkeit immer disziplinarisch bestraft
werden k a n n (was jetzt nicht der Fall ist) und daß die Todesstrafe für den Friedensstand ausgeschlossen ist, letzteres auf bestimmtes, mit Mehrheit angenommenes Verlangen der großen Kommission. Die Versorgung der Verurtheilten, ihre Beschäftigung und die Folgen der militar-

216

gerichtlichen Untersuchung u n d Verurt hei!ungg i n Rücksicht auf eineWeiseegeordnet,,dieo leicht übersichtlich ist uud bisher öfter geäußertenWünschenu entsprechen wird.

In dem z w e i t eu T i t e l sind die wesentlich im Militärleben vorkommenden gemeinen Verbrechen aufgezählt und möglichst praktisch definirt. Denkbar ist immerhin, daß noch andere vorkommen könnten (/. B. etwa Bigamie, Theilnahme an Kindsmord, Meineid). Hiefür ist in Art. 48, Übereinstimmend mit dem jetzigen, aber etwas unklaren Art. S, der b ü r g e r l i c h eu G e s e t z g e b u n g ihr Recht vorbehalten, um nicht solche, kaum jemals während des Militärdienstes vorkommen de Verbrechen mitschleppen zu müssen. Manche Bedenken erregte unfänglich, besondere iu diesem Titel, der Wegfall der M i n i m a , doch isi dieser größere Spielraum für die, Justiz, gegenüber besonders den jetzigen, oft viel zu lichen Minima von anderer Seite ebenso lebhaft begrüßt worden und findet, sieh auch iu andern neuen Strafgesetzbüchern. 1) Mau muß dem Richter uud derPraxis« ebendochh auch eiuige Vernunft zutrauen und es wird sieh Huchh bei einer weit festeren Komposition der Militärgerichte, als sie bisher vorhanden war, bald eine Praxis bilden, währendMinimaa leicht entweder zu hoch ausfüllen, oder den Richter verleiten sieals die regelmässigev Strafe anzuwenden, von der nur bei vorhandeneErschwerungsgründeneu abgegangen wird, wie diejetztst der Fall i s t E i n i n allgemeines Minimum für die Zuchthausstrafen, wo es anöthigsteneu erscheint, enthält der A r t i k e 6 ( i des Gesetzes, und ebenso -sind iu den Kriegsartikeln X, XXIV, XXVII, XXXI näherBegränzungenen der Strafandrohung eingetreten, die bisherige Bedenkon gegen einallzu.grosseìu Latitude zu beseitigen geeignet sind. Die hie und da vorkommendenichtit gänzlich zu vermeidende Abwechslung iu der allgemeinen Bezeichnung ,,Verbrechen" und ,,Vergehen" hatte anfänglich ebenfalls Opposition gefunden; am zweckmäßigsten wäre als allgemeiner Ausdruck ,,strafbarHandlung"'- gewesen, wie er im Ersten Entwurf enthalten war , von der großen Kommission aber beseitigt wurde.

Doeh würde man bei konsequentester Durchführung finden, daß er sich hie uud da sehunbehülflicheh in der Redaktioausnimmt.t.

Jedenfalls ist es nichmöglich,i, Verbrechen und Vergehen je nach der Strafbarkeit, beziehungsweise den
Strafartelizu»n unterscheiden, du dieselben, in Ermanglung von Minima, in vielen Fällen oben dem Ermessen des Richters anheimfallen, und hat eine solchUnter-r') Vgl. z. B. das deutsche, schwedische und dänische Militärstrafgesetz und das deutsche und ungarische bürgerliche Strafgesetzbuch.

217

Scheidung eigentlich auch keinen praktischen Zweck. 1 ) Sehr verschiedene Ansichten bezüglich der Strafbarkeit bestehen im Einzelnen über das D u e l l , das u n t e r G l e i c h s t e h e n d e n nach dem Entwürfe (Art. HO und fil) an sich nicht strafbar ist,sondern lediglich in seinen Folgen strafbar werden kann. Die Militärpersonen, die sich darüber aussprecheu, sind meist dafür, dasselbe noch mehr zu erleichtern. Die Redaktion theilte die in den Militärstaaten jetzt wieder aufkommende Vorliebe für dieses Institut nicht, betrachtet es aber i sich eine augenblickliche Mißstimmung in dauernden Haß umsetzt.

Im Uebrigen ist dieser im zweiten Entwurfe bedeutend vermehrte und umgearbeitete zweite Titel, der einstweilen eine Art von konkurrirendem Strafgesetzbuch neben den bürgerlichen bildet, nebst dem Titel IV naturgemäß der Kritik vorzugsweise unterworfen, da ja über Verbrechen und Strafen auch im bürgerlichen Leben dio verschiedensten Ansichten herrschen und selbst die Definitionen öfters noch streitig sind, oder sonst Schwierigkeiten bieten. Der Redaktor folgte, nach seinem Berichte, unter dem Bestreben möglichster Kürzung und Einfachheit in der Ausdrucksvveise, meist den deutschen Definitionen, und Sie entnehmen den eingegangenen Berichten , daß diese Partie von mehreren bedeutenden Strafrechlslelirern des Auslandes sorgfältig geprüft worden ist. Im Uebrigen muß auch hier natürlich der militärische Gesichtspunkt stets der vorherrschende bleiben und müssen deßhalb auch in Staaten , wo ein einheitliches bürgerliches Strafgesetz gilt und im Allgemeinen vor den Militärgerichten in Bezug auf die gemeinen Verbrechen zur Anwendung kommt, immer eine Reihe von Ausnahmen und besondern Bestimmungen beigefügt werden, welche oft sehr schwerfällig erscheinen, so daß auch von diesem rein technischen Gesichtspunkte betrachtet, ein vollständiges Gesetzbuch, ohne Verweisung auf bürgerliches Recht, vorzuziehen sein dürfte. Sollte übrigens in der Zukunft ein allgemeines schweizerisches Strafgesetz zu Stande kommen, so ist der Gesetzgeber, bei der jetzigen Bintheilung des Militärstrafgesetzhuehs, durch nichts
verhindert, das neue Gesetz an die Stelle des II. Titels zu setzen.

J ) Das deutsche Militärstrafgesetz gebraucht sehr oft ,,Vergehen" als allgemeinen Ausdruck, obwohl es in Art. l Verbrechen und Vergehen unterscheidet. Auch das neue schwedische Gesetz gebraucht als allgemeine Bezeichnung bald ,,strafbare Handlung", bald ,,Verbrechen".

218 Der T i t e l III über die militärischen Vorgehen ist zum weitaus größten Theil völlig neu und im Ganzen sehr wenig beanstandet worden. Neu ist in demselben, gegenüber dem jetzigen Gesetz, außer (ter bessern Zusammenstellung und Anordnung, ganz besondersdie systematische Beschränkung der militärischen Dienstgewalt, eine Forderung der Zeit, die wiederholt auch im deutschen Reichstag, seihst, gegen die verbesserten Bestimmungen des neuen dortigen Militärstrafgesetzes von 1872, zur Geltung zu bringen versucht wurde. Die Definitionen sind vielfach denjetzigen,, mitunterunrichtigen,, nicht entsprechend.

D a s Wichtigste idiesem.i Titel i s t d e r Anfangs- unSchlußartikel.l.

als eine wörtlichReproduktionon der dort: genannten, idieiReldaktionon deMilitärstrafgesetzeses nichrechtht passenden Vergehen, währendochdi einjederzeitigejvöllige'Uebereinstimmungng diesebeideneu Gesetze in diesen, mehr politischen, Funkten von der Kommission verlangt war unauch'wirklich'i als eine dringende Notwendigkeierscheint.t.

Es ist überdies leicht denkbar, daß diesUebereinstimmungg 1 stetsforerhalten'bleiben.n.

In

;tus degleichen'praktischeneGründen'stattlt ( A r i 5 6 ) . ) E s K s sind das übrigenauchÌseltene;' Fälle, dieunt'.ogewöhnlichenen Vorhältnissen g'nnichtivorkommenen und für die daher einsolcheie Citation völlihinreicht,t, die eigentlicblossoü einLückekvermeidenin soll. Der Art. 70 verdankt seinen Ursprung zum Theil bekannten Vorgängen u n v i e l f a ' n e lie Postulatai eu. Kr sucht die richtige MittzwischenedemtBedürfnißiß eines lieferSchutzes«^ und zwischen einein mit Recht sgenannteneMilitarismus" 1 zu/n treffenCivilpersonenen kommen im Frieden nur durch diesen und mir insoweit sie etwa milirischeie Funktionen a u s ü b e n a u c h l i noch durch die Vorschriften d e s " 2 . Artikeln m i t deMilitärjustiz/- i n geschlossen u n d derselbe audas,Nothwendigstete beschränkt ist.

Berichte gestellt w e r d e n w e n n n u sie einer rascheundxsichereneJustiz/, i u solchen In dem wichtiger: T i t e l I V , das Verfahren bei reffend , das gründlich reformirt werden mußte, sind die zwei Gesichtspunkte für seine Redaktion maßgebend gewesen: r a s c h e s , s i c h e r e s , i m

m i t

219 F e l d e a u c h m ö g l i c h e s Verfahren, ohne alle u n n ö t h i g e n oder unzweckmäßigen Formalitäten *), und Beseitigung, oder Verbesserung desGreschwornensystems. Der erstere Gesichtspunkt bedingt namentlich die früher (im zweiten Entwürfe nicht mehr wesentlich) angefochtene V o r u n t e r s u c h u n g durch den Auditor (Art. 76), unter Beizug jedoch einer Urkundsperson, eine Einrichtung, die thatsächlich schon jetzt besteht, und die eben so absolut nothwendige K a s s a t i o n durch den Oberauditor mit Zuzug von bei der Hand befindlichen Offizieren (Art. 104). Die Kompetenz dieses hohen Offiziers ist damit noch lange nicht so groß als die eines Truppenkommandanten, oder als diejenige, welche er jetzt schon hat und jederzeit haben muß, ein Strafverfahren gänzlich zu hemmen und statt desselben disziplinarische Bestrafung anzuordnen. Im aktiven und besonders im eigentlichen Kriegsdienst ist es gar nicht möglich, ein Eidgenössisches Kassationsgericht stets bei der Hand zu haben, und es könnten durch bloßes, ganz muthwilliges, Einlegen einer Kassationsbeschwerde alle Strafexekutionen, oft auf unberechenbare Zeit hinaus, aufgeschoben und jedenfalls in ihrer augenblicklichen, oft sehr nothwcndigen, Wirkung unmöglich gemacht werden. Auch im Frieden ist übrigens die Kassation eher zu beschränken, und sie hat auch eine so geringe thatsächliche Bedeutung, daß seit Bestand des jetzigen Gesetzes nur drei Fälle und nur eine einzige Kassation stattgefunden haben, die überdies von zweifelhaftem Werthe war.

Hier muß unter allen Umständen ein rasches, der bloßen Prozeßchicane unzugängliches Verfahren substituirt werden, wenn man nicht den ganzen Effekt des Strafverfahrens auf das Spiel setzen will. Bezüglich der modifizirten G e s c h w o r n e n g e r i c h t e (Art. 87), deren Name statt der im Militärleben unpassenden und nicht gebräuchlichen Bezeichnung ,,Schöffengerichte"1 beibehalten worden ist, zeigen die. Kritiken, daß diese Modifikation des zweiten Entwurfs in den französischen Kantonen großen Anklang findet, während in den deutsch-schweizerischen militärischen Kreisen dem System des Ersten Entwurfs immer noch der Vorzug gegeben wird.

Wir wollen hier auf die Vortheile und Mängel des Juryverfahrens nicht eintreten, nur so viel darf wohl ohne alle Uebertreibung gesagt werden, daß es dem
ganzen System der militärischen Hierarchie widerspricht, nirgends anderswo besteht als bei uns und zwar auch erst seit 1851, und in unserem Militärleben, selbst im Frieden, keinen günstigen Erfolg gehabt hat. Im Felde ist es noch *) Pradier in seiner Einleitung zum französischen Commentar betont wiederholt, daß die Beseitigung a l l e r u n n ö t h i g e n Formalitäten des Prozesses der Hauptgesichtspunkt für denselben sei.

220 nie v e r s u c h t w o r d e n : es ist aber leicht abzusehen, daß wahrem!

irgend einer ernstlichen Aktion ein Geschwornengericht nach dein jetzigen System, das (ohne Zeugen oder Experten) 30 Personen (3 Richter, 12 Geschworne, l Auditor, l Gerichtsschreiber, 5 Kassationsrichter, 7--9 Ersatzmänner) oft für mehrere Tage zu ausschließlicher Disposition haben muß, niemals in Funktion treten könnte. Im Frieden aber Geschworne über Vergehen urtheilen zu lassen, die relativ geringe Strafen nach sich ziehen, dagegen im Krieg Verbrechen, die oft die Todesstrafe zur Folge haben, ständigen Gerichten anzuvertrauen, hätte ebenfalls wenig Konsequenz für sich. Das jetzige System des zweiter, Entwurfs sucht nach dem Ausdruck des Redaktors diesen praktischen Uebelständen zu begegnen und ,,doch dio Vorurtheile für ei le volkstümlichere Rechtsprechung, als durch ständige Militärgerichte, zu schonen.a Jedenfalls ist es m ö g l i c h , auf diese Weise zu einer prompten Justiz, auch im Felde, zu gelangen, ohne die ganz nothwendige Uebereinstimmung des Verfahrens im Krieg und Frieden aufgeben zu müssen, auf deren Beibehaltung wir besonders dringen zu müssen glauben. -- Viele ,,Verbesserungen" im Geschwornensinne dürfen aber nicht mehr dazu kommen; es ist nach dem Dafürhalten des Redaktors und auch nach dem unsrigen in dieser Richtung nun das Aeußerstmögliche geschehen. Gau» neu in unserm Militärstraf v erfahren ist ferner die R e v i s i o n (Art. 106 und 107), die jetzt gänzlich fehlt, die Verweisung des R e c h n u n g s w e s e n s an die Verwaltungsbeamten (Art. 109), die Uebertragung der B e g n a d i g u n g im Frieden an den Bundesrath (Art. 101) und die nähere Anordnung des K o n t u m a zia l v e r f a h r e n s (Art. 110 und 111).

Der f ü n f t e T i t e l , über die Ordnungsfehler, hat, in Folge von ausgesprochenen Ansichten in der Kommission und außerhalb derselben, das bisherige System einer (jetzt etwas regelmäßiger) abgestuften Strafkompetenz aller militärischen Obern dem in dem Ersten Entwurfe enthaltenen (deutschen) Systeme vorgezogen, wonach nur die Inhaber gewisser Kommandos die Strafkompetenz haben, ander« Obere dagegen blos eine provisorische, beziehungsweise eiu Antragsrecht. Beide Einrichtungen mögen ihre Vortheile haben, im letzteren Falle ist die Sache komplizirter, um für alle Fälle den
richtigen Inhaber der Disziplinarstrafgewalt zu finden, und Ausnahmen von der allgemeinen Regel müßten für Stabsoffiziere jedenfalls gemacht werden (Vgl. den ersten Entwurf Art. 69--71). Für die Erhaltung der Disziplin wäre dagegen wohl das deutsche System des Ersten Entwurfs vorzuziehen gewesen. 1) a ) Vgl. §§ 5 und 7 der preußischen Disziplinarstrafordnung, Kommentar von Solms, pag. 347. Schweden und Dänemark haben dieses System auch angenommen; es erscheint aber überall in der Ausführung etwas komplizirt.

221

Wesentlich sind sodann in diesem Titel die nähere, bis jetzt ganz mangelnde Feststellung der Disziplinarstrafbei'ugniß außerhalb des eigentlichen Dienstes (Art. 118) und die Aufstellung von E h r e n g e r i c h t e n nach dem Postulat des Art. 80 der eidg. Militärorganisation (Art. 124--132). Es war vorauszusehen, daß diese gänzlich neue Institution zahlreiche Bemerkungen veranlassen werde; doch sind dieselben im Allgemeinen günstig und wünschten das Institut eher noch, z. B. auf Entscheidung von Injuriensacheii zwischen Offizieren, auszudehnen, was aber weder seinem nächsten Zweck, noch der Anleitung der Militärorganisation entsprechend ist.

Die Hauptsache dabei ist die Möglichkeit, untaugliche Elemente des Offizierstandes zu entfernen, tauglichen aber eine Rechtfertigung bei unverschuldetem Unglück, das leicht in Kriegsfällen massenhaft auftreten kann, zu gewähren, und endlich müssen sich Ehrengerichte in ihrer Form und Verhandlungsart, sowie durch eine gewisse Oeffentlichkeit, von gewöhnlichen Gerichten unterscheiden und alsOrgane einer Art von militärischer öffentlicher Meinung qualifiziren.

In dem s e c h s t e n T i t e l ist, nachdem der Artikel 133 in der Fassung des zweiten Entwurfes durch Schlußnahme des Bundesrathes größtenteils gestrichen wurde, nunmehr bloß noch dasM i l i t ä r t e s t a m e n t (Art. 139) besonders bemerkenswert!!.

Dasselbe ist eine unsern neuern Militärgesetzen (nicht aber unsero» altern Kriegsrechte) unbekannte, jedoch öftere Vorkommnissen schon im Instruktionsdienst, sowie ganz besonders im Felde entsprechende und daher allgemein beifällig aufgenommene Einrichtung. Es versteht sich von selbst und ist übrigens auch deutlich ausgedrückt, daß das materielle Erbrecht dadurch nicht berührt wird , sondern es sieh bloß um die äußere F o r m letztwilliger Verfügungen handelt, die sich nach allgemeinen Rechtsregeln nach dem Orte der Abfassung und nicht nach demjenigen der Heimat, oder des Wohnsitzes des Erblassers richtet. Wenn sich daher ein Schweizer im Ausland bei letztwilligen Verfügungen sogar nach ausländischen Gesetzen richten darf und muß , so sollte er im Militärdienst der Eidgenossenschaft sich auch gewisser allgemein geltender und bekannter Formalitäten bedienen dürfen, wo Gefahr im Verzüge ist.

Die K r i e g s a r t i k e l enthalten in ihrem ersten Theile
bis Art. 10 die -- im Ganzen sehr geringen -- Modifikationen, welche im aktiven Dienste an den übrigen Theileii des Gesetzes eintreten.

Wir halten es für einen besondern Beweis der praktischen Brauchbarkeit des ganzen Gesetzes, daß der Uebergang vom Friedenszustand in den Ernstfall sich so leicht und ohne große Verande-

222

rungen vollzieht, und glauben, daß nicht leicht ein besseres System gefunden werden könnte. als diese durchgeführte und Jedermann auf den ersten Blick und ohne weitere Erklärung schon verständliche Unterscheidung «wischen Instruktions- und aktivem Dienste, welchem letztern sich der eigentliche Kriegsdienst ganz natürlich, sils eine bloße Art des aktiven Dienstes, anschließt, wie denn auch in der That (hei Gränzbesetzungen K. B.) Etwas, was heute noch, oder bei einzelnen Theilen dur Année bloß ein solcher aktiver Dienst ist, morgen , oder bei andern, plötzlich zum Kriege werden kann, ohne daß es immer möglich wäre, vorher noch eine Proklamation über den Eintritt des Kriegszustandes zu erlassen.

Der Soldat, der in den a k t i v e n Dien s t tritt, ist daher von vornherein aufmerksam nu machen , daß dies ein ganz anderes Verhältniß als der bloße Uebungsdienst ist, das eine etwas veränderte Strafgesetzgebung erfordert, und es wird nur von Nutzen sein können, wenn sowohl Offiziere als Mannschaft sieb in allen solchen Fällen rechtzeitig mit dein Gedanken des wirklichen Krieges, der Jeden sonst plötzlich überraschen kann, und mit den notwendigen Bedingungen und Folgen eines solchen Ereignisses vertraut machen.

Diese gesammte Einrichtung scheint uns also -- was die beste Empfehlung für dieselbe überhaupt ist --- genau auf die wirklichen Vorkommnisse und namentlich auf die Art und Weise zu passen, in welcher für unsern neutralen Staut, der nie einen Angriffskrieg führen, sondern zum Kriege bloß durch von seinem Willen nicht abhängige Ereignisse und in der Kegel dann unvermuthet und stur Vertheidigung des eigenen Landes, genöthigt worden wird, der Krieg überhaupt entsteht.

Im Uebrigen ist dieser wichtige Titel VII des Entwurfes ein Versuch, den die Eidgenossenschaft mit der Codifizirung von völkerrechtlichen Grundsätzen macht, welcher auch imAuslandee Beachtung gefunden hat. Andere Staaten, wie Frankreich /.B.,, haben eine Art allgemeinerer Instruktion für die Offiziere über diese Gegenständeausgearbeitet 1),, während unser System letzung mit Strafe Bedroht wird, im Uebrigeu aber freie Hand MI behalten. Die Grundsätze, welche sich nicht, auf speziell schweizerische Verhältnisse beziehen, sind den ,,lois de la guerre sur terre" des völkerrechtlichen Instituts und deSchlussprojektete der Brüs*) Oder sie haben besondere Gesetze über den sog. Belagerungszustand" Vgl. z. B. für Preußen Solms Commentar, p. 547.

223 seier Konferenzen von 1874 angepaßt und eine praktische Ausführung derselben, soweit es das Bedürfniß des Gesetzes mit sich bringt.

Ganz besonders sind hiefür die Artikel XXIV und XXVII bis XXXII zu bemerken. Dem von der Kritik gestellten Postulate, ·es möchte in diesen Fällen, die allerdings von außerordentlich verschiedener Schwere und Strafbarkeit sein köanen, dem Richter doch wenigstens eine Art von Maßstab an die Hand gegeben werden, damit er nicht selbst die ganze Stufenleiter von Strafen, von vielleicht geringfügiger Gefängnißstrafe an bis zur Todesstrafe, zur Disposition habe, ist in der abschließenden Redaktion dadurch entgegengekommen worden, daß namentlich in Art. XXIV, welcher die wesentlichen Fälle von Verletzung des Völkerrechts zusammengefaßt enthält, Zuchthausstrafe als Regel gilt und Todesstrafe nur eintreten kann, wenn in der betreffenden Handlung zugleich ein Vergehen liegt, welches auch ohne den völkerrechtlichen Gesichtspunkt zu den schwersten gehören würde (z. B. Mord; Todtschlag, Körperverletzung, Brandstiftung). Ebenso ist die strenge Behandlung der Schildwachen im Felde, die übrigens auch in unserem jetzigen Gesetze angedroht ist, in Art. XXI auf ,,äußere00 Schildwachen, ,,die unmittelbar vor dem Feinde stehen", beschränkt und dieser Begriff des ,,vor dem Feinde Stehens"1 nach Vorgang des deutschen Militärstrafgesetzbuches näher definirt worden 1), so daß auch hiegegen unsers Erachtens keinerlei praktische Bedenken mehr obwalten können. Die ausnahmsweise Behandlung der Spione nach Art.

XXIX, die dieselben allerdings nur für die augenblickliche, nicht gelungene, Kundschafterei verantwortlich macht, entspricht den vorkommenden Verhältnissen und der Theoriedes modernen Kriegsrechts, wie sie in den lois de guerre und den Brüsselerkonferenzen ihren Ausdruck gefunden hat. 2 ) Der Redaktor des Entwurfs macht hierüber in seinem Bericht, gegenüber den Einwendungen einiger hohen Stabsoffiziere, die unseres Erachtens erschöpfende Gegenbemerkung: ,,Es wird übrigens Niemand durch diesen Artikel verhindert, ein der Spionage verdächtiges Individuum, dessen Verdächtigkeit durch früliere, gelungene, Akte dieser Art hinreichend feststeht, während 1

) Deutsches Militärstrafgesetz Art. 11 und 141.

) ,,L'espion qui'réussit à sortir du territoire occupé par l'ennemi n'encourt, s'il tombe plus tard au pouvoir de cet ennemi, aucune responsabilité pour ses actes antérieurs." Lois de guerre, art. 26. Brüsseler-Schlußprotokoll Art. 21. Vgl. auch Blnntschli, modernes Kriegsrecht, Art. 132 und folgende.

2

224 der Dauer des Krieges festzuhalten, dagegen ist die Bestrafung für g e l u n g e n e f r ü h e r e Spionage nicht erlaubt. Wir sind in diesem Anhang des Militärstrafgesetzbuches und ganz vorzugsweise in denjenigen Artikeln desselben, welche sieh auf die kriegsgerichtliche Behandlung f r e m d e r , nicht der eigenen Truppe ungehöriger, Personen beziehen, nicht völlig Herr unserer Gesetzgebung, sondern müssen uns g e n a u an diejenigen Anschauungen halten, welche durch die theoretische Literatur des modernen Kriegs- und Völkerrechts und namentlich durchKonferenzresultate,, wie dieobbezeich-neten, als festgestellt betrachtet werden können. Audi würde es der Eidgenossenschaft, die bereits in ihrem ältestenKriegsrecht,, demSempacherbrief,, der Tendenz huldigte, dieses Rechtmöglichstt zuhumanisirenu,schlechtt anstehen, in ihrem neuesten Produkte hinter der ganzen übrigen Weltzurückzubleiben."1 Besondere Aufmerksamkeit in unsern militärischen Kreisen hot endlich ebenfalls der Art. XXVI erregt, der zwar nur dein bisherigen Gesetze (.Art. 30) entspricht. Es wurde u. A. vorgeschlagen, einen einschränkenden Beisatz folgenden Inhalts beizufügen : flwenn nicht der Obere «1s wahnsinnig erkannt wird, oder die Strafbarkeit der Handlung offen darliegt". Wir theilen hiebei unsererseits die Ansicht der Redaktion, welche sagt: ,,Die Redaktion muli befürchten, daß ein j e d e r solche Zusatz dem Untergebenen eine Beurtheilung zumuthet, oder wollen wir lieber sagen zuläßt, die mit dein ersten Erfordern i là erfolgreicher Kriegführung, raschen», und nicht vorwiegend zu Ueberlegung geneigtem Gehörsinn in der ganzen komplizirten Maschinerie, iu offenem Widersprüche stellt.

Reiterregimenter, wie hei Reichshofen oder Vionville, «regen überlegene Infanterie oder Artillerie ansprengen zu lassen, würde leicht von Untergebenen als Wahnsinn betrachtet werden können, und ebenso ist über die Strafbarkeit einer Handlung, z. B. Uebergabe einer Festung, Abschluß einer Kapitulation, oder über den vielleicht verrätherischen Sinn und Zweck einer Ordre, ein verschiedenes Urtheil denkbar. Die Möglichkeit einer Kritik von dergleichen würde den Vorwand zu jeder Insubordination abgeben. Es kann allerding» gerade bei Kapitulationen schon Fälle geben, wo der patriotische Muth einzelner Untergebener den Ungehorsam gegen Befehle schwacher
Oberer als gebotene Pf li eh t betrachten sollte. So hat es Niemand gebilligt, daß die preußische Kavallerie, welche vor der Kapitulation von Maxen im .siebenjährigen Krieg bereits durchgebrochen war, auf Befehl des Generals Fink zurückkehrte und sich kriegsgefangen gab. Ein ähnlicher Fall kam auch hei der berühmten Kapitulation von Baylen vor. Napoleon I. sagt darüber kurz : ,,Celui qui coin-

225 mande et ceux qui obéissent sont également des traîtres.c; -- Umgekehrt wurde der Marschall Bazaine wegen ,,capitulation en rase campagne a nach dein nämlichen Gesetze verurtheilt, welches aus Anlaß der Ergebung von Dupont erlassen worden war und noch heute gilt. Seine Unterbefehlshaber aber, die allen seinen Maßregeln protokollarisch zugestimmt hatten, gingen sämmtlich straflos aus und halfen ihn noch durch ihre Zeugnisse verurtheilen.

Es ist nicht möglich, für alle Fälle, wie sie der Krieg bringen kann, eine allgemein bindende Vorschrift zu machen, und es ist auch gar nicht nothwendig, daß der Patriotismus stets D e c k u n g in einem Paragraphen finde. Seiner Natuv entsprechend ist es, auch etwas für das Vaterland zu w a g e n . Man wird sich daher, wenn man einen solchen Artikel überhaupt beibehalten will, nothgedrungen mit dem bisherigen Grundsatz begnügen und darauf verlassen müssen, daß militärisch nicht zu rechtfertigende Befehle von Obern ihre Remedur jederzeit durch entgegengesetzte Anordnungen Höherstehender finden können. a Mittelst des Schlußartikels XXXIII wird endlich dafür Sorge getragen, daß auch k ü n f t i g e Verträge, oder eigene Deklarationen völkerrechtlichen Inhalts sofort und o h n e Weiteres ihren wirksamen rechtlichen Schutz nach Maßgabe der Bestimmungen des jetzigen Artikels XXIV finden, und es sind dabei auch mit Absicht die s c h i e d s g e r i c h t l i c h e n E n t s c h e i d u n g e n erwähnt, welchen die Eidgenossenschaft bei sich erhebenden völkerrechtlichen Differenzen allen befreundeten Staaten gegenüber sich gerne unterwerfen wird und welche überhaupt in der Zukunft in jeder gesetzlichen Regelung des modernen Kriegsrechts ihren Platz finden dürften.

Wir halten diesen siebenten Titel in seiner jetzigen Ausarbeitung für eine besonders empfehlenswerthe Verbesserung des jetzigen Gesetzes, wie er denn auch der erste derartige Versuch ist, der überhaupt unseres Wissens bisher irgendwo gemacht worden ist. Von unserem, leider vor dem Erscheinen des zweiten Entwurfes verstorbenen, Völkerrechtslehrer Bluntschli liegt eine beifällige Kritik bereits des Ersten Entwurfes zu einem solchen Kriegsrecht bei den Akten. Die seitherige zweite Redaktion und darauf folgende Kommissionsberathung hat denselben unseres Erachtens noch in einigen wesentlichen Punkten verbessert.

Wir sprechen am Schlüsse den Wunsch aus, Sie möchten dieses wichtige Gesetz in analoger Weise behandeln, wie seiner

226

Zeit das Obligationenrecht, indem Sie sich auf die Beschließung allfälliger grundsätzlicher Verbesserungen oder Zusätze beschränken, die Redaktion derselben jedoch zur Vorberathung zurückweisen.

Indem wir uns somit erlauben, Ihnen die Annahme des Gosetzesentwurfes zu empfehlen, benutzen wir den Anlaß, Sie unserer vollkommensten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 30. Mai 1884.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Welti.

Der Stellvertreter des Kauzlers der Eidgenossenschaft:

Schatzmann.

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(Entwurf)

Bimdesgesetz betreffend

das ,,Militärstrafgesetzbuch für die Schweizerische Eidgenossenschaft."

Erster Titel.

Allgemeine Bestimmungen.

Artikel 1. Den V o r s c h r i f t e n d i e s e s G e s e t z - Geltung des Gesetzes.

bûches unterliegen: 1) Alle Wehrpflichtigen, welche sich im eidgenössischen oder kantonalen Militärdienste oder in einem sonstigen dienstlichen Verhältnisse befinden, sowie diejenigen, welche ohne ein solches, aber mit Erlaubniß, in Militärkleidung auftreten.

2) Alle Wehrpflichtigen, welche der Obliegenheit zum Eintritt in den Dienst, oder zu einer dienstlichen Verrichtung, oder zur Marschbereitschaft nicht nachkommen, oder sich diesen Pflichten durch falsche Angaben über ihren Gesundheitszustand oder durch Verschlechterung desselben zu entziehen versuchen, -- mit Bezug auf diese strafbaren Handlungen.

3) Personen, welche Wehrpflichtige zur Verletzung ihrer militärischen Obliegenheiten zu verleiten suchen, oder in anderer Weise die militärische Ordnung und die Sicherheit des Landes gefährden, -- mit Bezug auf diese strafbaren Handlungen, nach den näheren Bestimmungen des Art. 70 dieses Gesetzes.

228 2. I) e u W e h r p f^l i c h t i g e Q s i n d g 1 o i c h g o s t e 111 : 1) Personen, welche mit ihnen in irgend einer dienstlichen, von den Militärbehörden autorisirten Verbindung stehen, insoweit ihre strafbaren Handlungen sich auf diese Verbindung beziehen. Zu diesen Personen gehören insbesondere Bereiter, Bediente, Putzer, Wäscher, Lieferanten und dgl., oder solche, welche dienstliche Verrichtungen hui den Truppen überhaupt besorgen, wie militärische Transporte, Post- und Telegraphendienst, Eisenbahndienst, Marketenderei, militärische Bäckerei und Schlächterei, Kasernenverwaltung, Magazinirung, Spitaldienst, Munitionsfabrikation u. s. w.

2) Das gesammte militärische Instruktionspersonal für die Dauer der Unterrichtskurse.

3) Die von den eidgenössischen Militärbehörden anerkannten Freiwilligen, sowie überhaupt alle ohne gesetzliche Verpflichtung Dienstleistenden.

Instruktionsdienstundl aktiverDienst..

3. Im I u s t r u k t i o u s d i e n s t e finden lediglich die Titel I his VI Anwendung, während im a k t i v e n stimmungen gleichzeitig geltun, welche nung ,,Kriegsartikel" in dem Titel VII

(1er eidg. Truppen dieses GesetzbuchesD i e n s t e die Beunter der Bezeichenthalten sind.

Straf arten und ihre Wirkungen.

4. Die in diesem Gesetzbuche zur Anwendung kommenden Strafen sind folgende : 1) Die Todesstrafe (Titel VII).

2) Die Zuchthausstrafe. Dieselbe darf nicht auf weniger als ein Jahr ausgesprochen werden.

3) Die Gefängnißstrafe. Die längste Dauer derselben ist auf sechs Jahre festgesetzt.

4) Der Arrest.

5) Das Konsigniren.

6) Geldbußen in den Fällen der Art. 70 und 118.

229

7) Soldenteug, nach den Bestimmungen des Art. 7.

8) Zeitweise Einstellung im Grade.

9) Degradation und Dienstentlassung, nach den Bestimmungen der Art. 10 und 11.

10) Strafexerzieren und Militärfrohnen (corvées), welche letzteren jedoch nur gegen Soldaten zulässig sind.

Der Wachtdienst darf niemals als Strafe auferlegt werden.

5. Die Freiheitsstrafen schwererer Gattung -- Zuchthaus- und Gefängnißstrafe -- werden in den Strafanstalten desjenigen Kantons abgebüßt, in welchem der Verurtheilte seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines solchen seinen Aufenthalt hat, gegen eine Entschädigung seitens der Eidgenossenschaft. Befindet sich in dem betreifenden Kantone keine angemessene Strafanstalt, so ist der Bundesrath berechtigt, den Verurtheilten zu den gleichen Bedingungen in einer Strafanstalt eines andern Kantons, vorzugsweise eines solchen, der dem nämlichen Divisionskreise angehört, unterzubringen.

Die Gefängnißstrafe besteht in der bloßen Einschließung des Verurtheilten in einem Gefängniß oder in einem Korrektionshause. Der zu Gefängniß Verurtheilte kann zur Arbeit nur insoweit angehalten werden, als deren Ertrag zur Deckung der von der Eidgenossenschaft zu bezahlenden Entschädigung nothwendig ist.

6. Die g e r i n g e r e n F r e i h e i t s s t r a f e n -- Konsigniren, Arrest und strenger Arrest -- finden (mit Vorbehalt des in Art. 115 genannten Falles und der Kriegsartikel) ausschließlich in den dazu bestimmten m i l i t ä r i s c h e n Lokalitäten statt.

S t r e n g e r Arrest kann bei Soldaten und Unteroffizieren mit Beschränkung der Nahrung auf Wasser und Brod für jeden zweiten Tag, bei allen Militärpersonen, die Seitengewehr tragen, mit Abnahme desselben verschärft werden.

Bundesblatt. 36. Jahrg. Bd. III.

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230 7. Mit dein s 111 e u gen A r r e s t ist bei Unteroffizieren und Offizieren die Einschließung oder Bewachung und das Verbot, Besuche zu empfangen, verbunden. Jede Freiheitsstrafe, welche den Bestraften am Ausrücken verhindert, hat ohne weitere Verfügung zur Folge, daß derselbe für ihre ganze Dauer den Anspruch auf S o l d verliert und bloss Verpflegung erhält.

8. Die Strafe des K o u s i g u i r e n s besteht in dem Verbot, die gewöhnlichen militärischen Lokalitäten (Zimmer, Zelt, Kaserne, Lager) außer der Dienstzeit zu verlassen. Diese Strafe darf nicht mit Zuthaten, wie Abbruch an der gewöhnlichen Nahrung, Abnahme des Seitengewehrs, Soldentzug, verschärft worden.

9. Gegen g a n z e Truppenkörper sind Ehrenstrafen.

wie Verbot des Entrollens der Fahne, des klingenden Spieles, des Tragens der eidgenössischen Armbinde etc., nur in Fallen von Meuterei, unehrenhafter Aufführung oder Feigheit vor dem Feind und durch besondern motivirten Beschluß do> Bundesrathes, beziehungsweise des Höchstkommandirenden, zulässig.

10. Mit der Zuchthausstrafe ist immer der V e r l u s t d e r b ü r g e r l i c h e n E h r e n r e c h t e , sowie eines jeden militärischen Grades, und die Versetzung in die Klasse der Militärsteuerpflichtigen, wegen moralischer Unfähigkeit zum Wehrdienste, verbunden.

Die nämlichen Folgen können durch das Urtheil auch an eine Gefängnißstrafe geknüpft werden, welche mehr als ein Jahr dauert.

Die W i e d e r e i n s e t z u n g solcher Personen in ihren früheren Ehrenstand kann, nach abgebüßter Strafe, durch den Bundesrath erfolgen.

11. Für U n t e r o f f i z i e r e ist zeitweise oder gänzliche Degradation ohne Dienstentlassung in Verbindung mit andern Strafen, oder auch als selbstständige Disziplinarstrafe zulässig.

231 In S t r u k t u r e n können auf Grund einer jeden militärgericht liehen Verurtheilung durch Verfügung des Bundesraths ihrer Anstellung- enthoben und ebenso während hängender Voruntersuchung in ihren dienstlichen Verrichtungen eingestellt werden.

Die in Art. 2, Ziffer l, genannten Personen können durch Verfügung der militärischen Oberen, unter deren Befehl oder Aufsicht sie stehen, ihrer Dienstverrichtung gänzlich oder zeitweise enthoben werden.

12. Die in diesem Gesetzbuche angedrohten Strafen kommen, insofern im einzelnen Falle nichts Anderes bestimmt ist, nur in Anwendung, wenn die strafbare Handlung oder Unterlassung mit r e c h t s w i d r i g e m V o r s a t z e verübt worden ist.

Vorsatz.

Fahrlässigkeit.

Jedoch können nus F a h r l ä s s i g k e i t begangene Handlungen, welche im Falle rechtswidrigen Vorsatzes nach diesem Gesetzbuche mit Strafe bedroht sind, immer disziplinarisch geahndet werden.

13. Handlungen, welche nur den Anfang der Ausführung eines Vergehens enthalten -- V e r s u c h -- sind milder zu bestraten, als das vollendete Vergehen.

Versuch.

Ist die Ausführung der beabsichtigten Handlung von dem Thäter aufgegeben worden, ohne daß er durch von seinem Willen unabhängige Umstände an der Vollendung des Vergehens gehindert worden ist, oder hat er seihst vor der Entdeckung seiner Handlung den zur Vollendung des Vergehens gehörigen Erfolg durch eigene Thätigkeit abgewendet, so kann stets Disziplinarstrafe angewendet werden.

14. Wenn mehrere Personen ein Vergehen gerneinsam verüben, so wird jede derselben als Thäter (Theilnehmer) bestraft. Der gleichen Strafe wie der Thäter unterliegt, wer einen Andern zu einem Vergehen durch Geschenke, Versprechungen, Drohung, Mißbrauch des Ansehens oder der

Theilnehmer.

Anstifter.

232

Gewalt, absichtliche Herbeiführung oder Beförderung eines Irrthums, oder durch andere Mittel vorsätzlich bestimmt hat (Anstifter).

Gehilfe.

15. Wer die Vorübung eines Vergehens absichtlich befördert, oder erleichtert, oder zu dessen Beförderung oder Erleichterung Andere bewegt (Gehilfe), wird nach den über die Bestrafung des Versuchs aufgestellten Grundsätzen (Art. 13) bestraft,

Begünstiger.

16. Wer nach Vollendung eines Vergehens, jedoch ohne vorheriges hierauf bezügliches Einverständniß, dem Thäter in Bezug auf dasselbe wissentlich förderlich ist, beispielsweise durch Aufnahme, Gebrauch, Verhehlung oder Verkauf von Gegenständen des Vergehens, oder durch Beihilfe zur Flucht u. s. w., wird, als B e g ü n s t i g e r , gleich einem Gehilfen bestraft.

Solidarhaft der Betheil igten.

17. Alle nach den Art. 14--16 an der Verübung eines Vergehens betheiligten Personen haften den durch dasselbe Beschädigten solidarisch für den Schadensersatz. Ueber die Vertheilung dieser Haftpflicht unter ihnen selber soll das Urtheil stets eine Bestimmung enthalten.

Aufhebungsgründe der Straf torkelt.

18. Die in diesem Gesetzbuche vorgesehenen Handlungen oder Unterlassungen werden n i c h t b e s t r a f t : 1) Wenn der Thäter im Augenblicke des Vergehens ohne sein Verschulden der Urtheilskraft oder Willensfreiheit beraubt war, wie insbesondere im Falle von Geistesstörung, unverschuldeter Bewußtlosigkeit oder Sinnestäuschung.

2) Wenn derselbe sich im Zustande gerechtfertigter N o t h w e h r befand, indem er nicht mehr gethan, als nothwendig war, um einen gegenwärtigen, rechtswidrigen

233

Angriff auf Leib, Leben. Eigenthum, oder Freiheit seiner selbst, oder eines Andern abzuwenden.

Auch eine Ueberschreitung der Grenzen gerechtfertigter Nothwehr kann straflos sein, wenn sie in Folge des mit dem Angriffe verbundenen Schreckens, oder anderer Umstände wegen entschuldbar erscheint.

3) Wenn der Thäter zu der strafbaren Handlung durch unwiderstehliche G e w a l t , oder durch eine solche D r o h u n g , oder einen solchen N o t h s t a n d gezwungen wurde, welche mit einer gegenwärtigen, auf keine andere Weise abwendbaren Gefahr für Leib und Leben seiner selbst, oder eines nahen Angehörigen verbunden waren.

4) Wenn die strafbare Handlung auf bestimmten, auf ein militärisches Dienstverhältniß Bezug habenden Befehl eines militärischen Vorgesetzten stattgefunden hat.

19. In allen anderen Fällen können bei der S t r a f z u m e s s u n g , innerhalb der von dem Gesetze gestatteten Gränzen, namentlich in Betracht gezogen werden: 1) Als M i l d e r u n g s g r ü n d e : Beschränkung der Urtheilskraft oder Willensfreiheit durch erhebliche Umstände, mit Ausnahme jedoch von selbstverschuldeter Trunkenheit; freiwilliger Ersatz des Schadens oder sonstige Abwendung der übeln Folgen der That; ein Alter unter 16 Jahren.

2) Als E r s c h w e r u n g s g r ü n d e : frühere Bestrafung, Verabredung des Vergehens durch mehrere Theilnehmer (Komplott), die Eigenschaft als Anstifter, Rädelsführer oder als Graduirter bei einem von Mehreren begangenen Vergehen, beharrliches Läugnen oder falsche Anklage gegen Andere bei der Untersuchung oder Verhandlung.

Strafmilderung und Straferschwerung.

234 Konkurrenz von Vergehen.

20. Wenn durch eine und dieselbe Handlung verschiedene Bestimmungen dieses Gesetzes verletzt sind, oder wenn Jemand durch mehrere selbstständige Handlungen mehrere Vergehen, oder dasselbe Vergehen mehrere Male begangen hat, so wird bei der Strafausmessung zunächst derjenige Artikel des Strafgesetzes in Anwendung gebracht, welcher die schwerste Strafe, beziehungsweise Strafart, enthält; es darf aber der Richter das Maximum derselben bei Freiheitsstrafen um ein Viertheil, bei Geldstrafen um die Hälfte erhöhen.

Strafverjährung.

21. Die S t r a f k l a g e gegen die in diesem Gesetzbuche mit Strafe bedrohten Handlungen oder Unterlassungen v e r j ä h r t in folgenden Fällen und Zeiträumen: 1) Bei Vergehen, welche mit Zuchthaus bestraft werden können, in 10 Jahren vom Tage der Begehung, oder wenn eine Untersuchung stattgefunden hat, vom Tage der letzten Untersuchungshandlung an gerechnet.

2) Bei den geringeren strafbaren Handlungen, welche jedoch nicht ausschließlich mit Ordnungsstrafen bedroht sind, in 5 Jahren unter den gleichen Bedingungen des Verjährungsbeginnes.

3) Ordnungsfehler verjähren innerhalb drei Monaten nach Aufhören des Dienstes oder der dienstlichen Verrichtung, in der sie begangen wurden.

22. Gegen Abwesende erlassene oder sonst nicht zur Ausführung gekommene militärische S t r a fu r t h e i I e können nach 20 Jahren, vom Tage des Urtheils au gerechnet, nicht mehr vollzogen werden.

Nicht zur Vollziehung gelaugte Todesurtheile müssen, .sobald die Armee weder ganz noch theilweise mehr vor dem Feinde steht, oder die inneren Unruhen beseitigt und die zu ihrer Beseitigung verwendeten Truppenkörper aufgelöst sind, in lebenslängliche Zuchthausstrafe umgewandelt werden.

235 23.

Verbrechen, welche ausnahmsweise von den b ü r g e r l i c h e n G e r i c h t e n zu beurtheilen sind (Art.'48), verjähren nach den Vorschriften der betreffenden Kantonalgesetzgebung.

Zweiter Titel.

Von den gemeinen Verbrechen.

24. Wer einen Andern vorsätzlich und widerrechtlich des Lebens beraubt, ist, wenn er dabei mit Vorbedacht handelte, des M o r d e s schuldig und wird mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft.

Handelte er hingegen ohne Vorbedacht, so ist er des T o d t s c h l a g s schuldig und wird mit Zuchthaus bis auf 20 Jahre bestraft.

Mord.

Todtschlag

25. Lebenslängliche Zuchthausstrafe kann auch bei dem Todtschlage angewendet werden, wenn er begangen worden ist, um ein der Ausführung des Verbrechens entgegen stehendes Hinderniß zu beseitigen, oder um sich der Ergreifung auf frischer That zu entziehen, oder im Falle des Vorhandenseins von Erschwerungsgründen (Art. 19).

Bei schwerer widerrechtlicher Reizung des Thäters, sowie bei Vorhandensein von Milderungsgründen (Art. 19), kann hingegen ausnahmsweise auch Gefängnißstrafe eintreten.

26. Wer den Tod eines Menschen aus Nachlässigkeit, oder Mangel an Vorsieht, ohne jegliche feindselige Absicht herbeigeführt hat, ist der f a h r l ä s s i g e n T ö d t u n g schuldig und wird mit Gefängniß bis auf 2 Jahre bestraft.

Fahrlässige Tödtung.

236 Körperverletzung

27. Wer ohne die Absicht zu tödten einen Andern an seinem Körper oder an seiner Gesundheit beschädigt, macht sich der K ö r p e r v e r l e t z u n g schuldig und wird in schwereren Fällen, welche Tod des Verletzten, Lebensgefahr, Verstümmelung oder bleibende Nachtheile für die Gesundheit nach sich gezogen haben, mit Zuchthaus bis auf 10 Jahre bestraft.

Wenn blos eine geringfügige Mißhandlung beabsichtigt war, oder wenn der Erfolg ein geringfügiger ist, oder bei Körperverletzung aus Fahrlässigkeit, soll in der Regel Gefängnißstrafe angewendet werden. Ganz unbedeutende Fälle, denen auch keine darüber hinausgehende feindselige Absicht zu Grunde lag, können mit Zustimmung des Oberauditors disziplinarisch erledigt werden.

28. Köperverletzungen, welche in der Absieht zu tödten geschehen, sind, ohne Rücksieht auf den eingetreteneu geringeren Erfolg, als V e r s u c h des M o r d e s oder T öd lisch l a g s, je nach den weiteren Umständen des Falles, au bestrafen.

Tödtung und Kürperverletzung in R a u f h a n d e l n und im D u e l l .

29. Wenn Tödtungen oder Körperverletzungen die Folge eines R a u f h a n d e l s unter mehreren Personen sind, so wird jeder Thäter nach Maßgabe der bei ihm obwaltenden Absicht und des eingetretenen Erfolges seiner eigenen Handlungen bestraft, unter Berücksichtigung von bei ihm allfällig vorhandenen Erschwerungs- oder Milderungsgründen nach Art. 19.

Ist der Antheil eines jeden Theilnehmers an dem eingetretenen Erfolge nicht mit Gewißheit auszumitteln, oder ist derselbe dem Zusammentreffen von Handlungen verschiedener Personen zuzuschreiben, so werden sämmtliche Betheiligte nach deu Grundsätzen der vorangehenden Art. 25 bis 28 gleichmäßig bestraft.

Es kann jedoch in solchen Fällen, oder überhaupt gegenüber Theilnehmern an einem Raufhandel, denen irgend

237

ein bestimmter Erfolg ihrer Theilnahme nicht nachzuweisen ist, stets Gefängnißstrafe, und bei offenbar ganz unbedeutender Betheiligung auch Ordnungsstrafe angewendet werden.

30. Ist die Tödtung oder Körperverletzung im geordneten Z w e i k a m p f e erfolgt, so ist immer auf Gefängnißstrafe, bei geringfügiger Körperverletzung auf Ordnungsstrafe zu erkennen.

Sekundanten, Aerzte, Kartellträger und andere Personen, welche bei einem Zweikampfe, in der Absicht seine Gefährlichkeit zu vermindern, thätig sind, werden nicht als Theilnehmer, Gehilfen oder Begünstiger eines Vergehens betrachtet.

31. Wer eine Weibsperson mit Gewalt, oder durch Drohung einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben, oder mittelst Beibringung von betäubenden Mitteln zur Unzucht mißbraucht, macht sich der N o t h z u c h t schuldig und wird mit Zuchthaus bis auf 10 Jahre, wenn aber die Genothzüchtigte an den Folgen der verübten Gewalttätigkeit stirbt, mit lebenslänglichem Zuchthause bestraft.

32. Der gleichen Strafe unterliegt jeder, wenn auch nicht gewaltsame, Mißbrauch eines Kindes unter 16 Jahren, oder einer wahnsinnigen, blödsinnigen, oder bewußtlosen Person.

Unzüchtige Handlungen geringeren Grades, welche an s o l c h e n Personen verübt werden, können auch mit Gefängniß bestraft werden.

33. Andere Verletzungen der weiblichen Schamhaftigkeit gegen den Willen der betheiligten Weibsperson, widernatürliche Unzucht zwischen erwachsenen Personen des männlichen Geschlechtes, oder mit Thieren, unzüchtige Handlungen, die öffentliches Aergerniß erregen, sowie die

Geschlechtliche Vergebungen.

238 Verbreitung unzüchtiger Schriften oder Abbildungeil werden mit Gefängniß, in geringfügigen Fällen disziplinarisch bestraft.

Entführung.

34. Wer sieh einer Weibsperson gegen ihren Willen, oder vor ihrem zurückgelegten 16. Altersjahr gegen den Willen ihrer Eltern oder Vormünder bemächtigt, um sie.

zur Unzucht zu mißbrauchen oder zur Ehe zu bewegen oder sie zu einem solchen Zwecke Dritten zu überliefern, macht sich der E n t f ü h r u n g schuldig und ist mit Gefängniss,ini schwereren Fällen mit Zuchthaus his auf 5 Jahre zu bestrafen.

Hausrechtsverletzung.

83. Wer widerrechtlich in eine fremde Wohnung eindringt, oder auch ohne widerrechtlichen Aufenthalt daselbst an dort befindlichen Personen oder Sachen widerrechtliche Gewalt ausübt, wird, wenn kein schwereres Vergehen damit verbunden ist, wegen V e r l e t z u n g d e s H a u s r e c h t e s mit Gefängniß bestraft.

Kultusstörung.

36. Der gleichen Strafe unterliegt wegen K u l t u a n t ö r u u g, wer Gegenstände der religiösen Verehrung oder eines kirchlichen Kultus vorsätzlich zerstört, beschädigt oder verunreinigt, ebenso wer einen Gottesdienst oder eine einzelne gottesdienstliehe Verrichtung absichtlich stört oder verhindert, oder einen Religionsdiener während der Ausübung seiner Amtsverrichtungen beschimpft.

Unbedeutende Fälle von Hausrechtsverletzung, oder Kultusstörung können mit Zustimmung des Oberauditors disziplinarisch bestraft werden.

Menschenraub.

Widerrechtliche Gefangenhaltung.

3 7 . J e d e a n d e r e w i d e r r e c h t l i c h e Gewaltt h ä t i g k e i t g e g e n P e r s o n e n außer den in den vorangehenden Artikeln aufgeführten, ganz besonders die gewaltsame und widerrechtliche Ergreifung von Personen mit einem andern Zweck als dem der Entführung ( M e n s c h e n r a u b ) oder die w i d e r r e c h t l i c h e Gefangenhal tu u g wird, wenn kein schwereres Vergehen damit verbunden ist,

239

je nach der Dauer der Gewaltanwendung und der Gefährlichkeit der hiezu verwendeten Mittel mit Gefängniß oder mit Zuchthaus bis auf 5 Jahre, in ganz geringfügigen Fällen disziplinarisch bestraft.

38. Wer widerrechtlich und ernstlich einen ihm in Drohung.Schwere militärischem Range Gleichstehenden mit einer schweren Falsche Anklage.

Benachteiligung seiner selbst oder naher Angehöriger bedroht oder gröblich an seiner Ehre verletzt oder verleumdet, wird, wenn damit kein schwereres Verbrechen verbunden ist, mit Gefängniß bis auf 6 Monate bestraft.

Absichtliches f a i s e h es Z e u g n i ß oder fa l seh e A n k l a g e vor einem militärischen oder bürgerlichen Vorgesetzten oder in öffentlichen Verbandlungen oder Publikationen wird mit Gefängniß bis auf l Jahr, sofern jedoch die Bestrafung eines Unschuldigen mit einer Zuchthausstrafe daraus erfolgte, mit Zuchthaus bis auf 10 Jahre bestraft.

Falsches Zeugniß oder falsche Anklage, welche, ohne die Absicht, unwahre Angaben zu machen, blos aus Fahrlässigkeit und Unbedacht geschehen, können, insoferne keine nachtheiligen Folgen daraus entstanden sind, disziplinarisch bestraft werden.

39. Wer absichtlich und widerrechtlich eigene oder Brandstiftung.

fremde Gebäulichkeiten, Zelte, Brücken, Schiffe, Magazine, im Freien liegende Vorrätbe, Früchte auf dem Felde, Waldungen in Brand steckt, so daß damit Gefahr für Menschen oder für weiteres fremdes Eigenthum verbunden ist, macht sich der B r a n d s t i f t u n g schuldig und wird mit Zuchthaus bis auf 20 Jahre bestraft. Auf lebenslängliches Zuchthaus kann erkannt werden, wenn bei dem entstandenen Brande Menschen, die sich in den vom Brande ergriffenen Räumlichkeiten befanden, Leben oder Gesundheit verloren haben, oder wenn die Brandstiftung zum Zwecke der Begehung eines andern schweren Verbrechens verübt wurde, oder wenn dieselbe

240 Kur Nachtzeit geschehen oder mit Vorkehrungen verbunden war, welche eine Löschung des Feuers absichtlich erschwerten oder verhinderten.

Andere gemeingefährliche Eigen thorasbeschädi gungen.

40. Der Brandstiftung stehen gleich die vorsätzliche und widerrechtliche Sprengung und Unterminirung, die Herheiführung von Wassergefahr, die Beschädigung von Eisenbahn- und Straßenanlagen, sobald damit eine a l l g e m e i n e G e f a h r für Leben oder Eigenthum Dritter verbunden ist.

41. Wer blos aus Unvorsichtigkeit, Fahrlässigkeit oder in der Absicht, sein Eigenthum zu schützen, eine Sache in gemeingefährlicher Weise beschädigt (Art. 39 und 40), kann auch mit Gefängniß, in geringfügigen Fällen, welche keine wesentlichen Folgen nach sich gezogen haben, mit Zustimmung des Oberauditors disziplinarisch bestraft werden.

In der Regel findet disziplinarische Bestrafung statt, wenn der Thäter selbst vor der Entdeckung den Brand wieder gelöscht, beziehungsweise eine anderweitige Eigenthumsbeschädigung in ihren wesentlichen Folgen abgewendet hat

Raub.

42. Wer mit Anwendung von Gewalt oder von gefährlichen Drohungen einer Person eine ihm nicht gehörige bewegliche Sache wegnimmt, in der Absicht, sieh dieselbe widerrechtlich zuzueignen, macht sieh des R a u h e s schuldig und wird mit Zuchthaus bis auf 20 Jahre bestraft.

Erschwerende Umstände (.Auszeichnungen) bei dem Raube sind, außer den allgemeinen, in Art. 19 aufgeführten Erschwerungsgründen, namentlich : das Einsteigen oder Einbrechen ; die Bewaffnung, Verkleidung, Maskirung oder sonstige Unkenntlichmachung des Thäters; die Begehung der Thal, auf offener Landstraße.

Bis auf lebenslängliches Zuchthaus kann erkannt werden, wenn die hei Begehung des Raubes verübte Gewaltanwendung

241

Tod oder schwere Körperverletzung einer Person zur Folge gehabt hat, oder mit schwerer Mißhandlung oder Peinigung verbunden war.

In geringfügigen Fällen und namentlich wenn noch überdieß Milderungsgründe nach Art. 19 vorhanden sind, kann Gefangnißstrafe angewendet werden.

43. Wer einen Andern mit Gewalt oder gefährlicher Drohung zu einer Handlung oder Unterlassung nöthigt, in der Absicht, sich selbst oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vortheil zu verschaffen, ist der E r p r e s s u n g schuldig und wird gleich einem Räuber bestraft.

Erpressung-

In geringfügigen Fällen kann jedoch, auch ohne das Vorhandensein von Milderungsgründen nach Art. 19, auf Gefängnißstrafe erkannt werden.

44. Wer sich absichtlich und rechtswidrig, jedoch ohne Gewaltanwendung gegen Personen, eine fremde bewegliche Sache zueignet, ist des D i e b s t a h l s schuldig und wird mit Gefängniß, oder mit Zuchthaus bis auf 10 Jahre bestraft.

Uebersteigt der Werthbetrag des Diebstahls die Summe von 100 Franken, so soll in der Regel Zuchthausstrafe in Anwendung kommen.

Besonders schwere (ausgezeichnete) Arten des Diebstahls sind : Diebstahl mit Einbruch, Einsteigen, Erbrechung verschlossener Behältnisse; Gebrauch falscher Schlüssel; Bewaffnung des Thäters; Diebstahl an Gegenständen, die der öffentlichen Sicherheit oder der Bewachung des Thätersanvertraut oder aus Kriegs- oder Feuers- und Wassersnoth gerettet worden sind; Diebstahl im Quartier, an Kameraden,, oder Dienstherren.

Diebstähle in einem Werthbetrag von weniger ala 20 Franken können mit Zustimmung des Oberauditors disziplinarisch bestraft werden (vergi. Art. 115).

Diebstahl,

·242 Betrag, Unterschlagung, Untreue.

45. Gleich einem Diebe wird bestraft, wer Andere mittelst absichtlicher Täuschung an ihrem Vermögen beschädigt, um sich oder Dritten rechtswidrige Vermögensvortheile zu verschaffen.

Dergleichen, wer sieh fremde bewegliche Sachen, die er in Besitz oder Gewahrsam hat. rechtswidrig zueignet, oder wer in anderer Weise seine Dienststellung mißbraucht, um sich oder Andern ungehörige Vermögensvortheile zu verschaffen.

Endlich, wer von derartigen Handlungen eines Dritten wissentlich und rechtswidrig zu seinem eigenen Vortheile Gebrauch macht.

Insbesondere fallen unter die Strafbestimmungen dieses Artikels die absichtliehe Verfälschung von Lebensmitteln oder andern Lieferungen jeder Art, die Untreue in der Berechnung, Austheilung, oder sonstigen Verwendung von Sold, Lebensmitteln, Fourage, Munition und anderweitigen militärischen Bedürfnissen, sowie dio Annahme von Geschenken, oder Versprechungen von Lieferanten zum Zwecke irgend einer Begünstigung derselben.

Disziplinarische Bestrafung dieser Vergehen kann unter den nämlichen Voraussetzungen wie hei dem Diebstahle statt linden.

Fälschung.

46. Wer in rechtswidriger Absicht falsche Urkunden.

Münzen oder andere Werthzeichen, Siegel, Stempel anfertigt oder echte verfälscht, oder falsche Eintragungen oder Beurkundungen absichtlieh erwirkt, oder wer von soleheu Fälschungen Dritter wissentlich zu Zwecken der Täuschung Gebrauch macht, wird mit Gefängniß oder mit Zuchthaus bis auf 10 Jahre bestraft.

In ganz geringfügigen Fällen kann mit Zustimmung des Oberauditors disziplinarische Bestrafung eintreten.

Eigenthumsbeschädigung.

47. Wer vorsätzlich und rechtswidrig fremdes Eigenthum beschädigt oder zerstört, ist der E ig e n t h u ni a -

^to

b e s c h ä d i g u n g schuldig und wird, insofern damit keine Gefahr für Menschen verbunden war, mit Gefängniß, oder mit Zuchthaus bis auf 10 Jahre bestraft.

In geringfügigen Fällen kann disziplinarische Bestrafung angewendet werden.

Sind dagegen, auch ohne hierauf gerichtete Absicht des Thäters, Menschen getödtet oder beschädigt worden, so kann, je nachdem ein solcher Erfolg mehr oder weniger vorauszusehen war, Zuchthausstrafe bis auf 20 Jahre erkannt werden.

48. Wenn Militärpersonen sich Handlungen oder Unterlassungen AU schulden kommen lassen, welche in diesem Titel II des Militärstrafgesetzbuches nicht genannt, hingegen nach den bürgerlichen Strafgesetzen des Ortes, wo sie stattgefunden haben, mit Kriminalstrafen bedroht sind, so können solche Vergehen (mit Zustimmung des eidgenössischen Militärdepartements während des Dienstes, oder sonst nach Austritt des Thäters aus demselben) von den b ü r g e r l i c h e n G e r i c h t s b e h ö r d e n strafrechtlich verfolgt werden.

(Vergi. Art. 133.)

Kompetenz der bürgerlichen Behörden.

Dritter Titel.

Von den militärischen Verbrechen.

Strafbare 49. Wer in militärischer Stellung (Art. l, Ziffer l und Handlungeil Art. 2) sich einer derjenigen strafbaren Handlungen gegen dio gegen die Eidgenossenschaft innere oder äußere Sicherheit der Eidgenossenschaft, gegen und gegen das Völkerrecht.

ihre Behörden und Beamtungen, oder gegen das Völkerrecht schuldig macht, welche durch das Eidgenössische Bundesstrafrecht (Abschnitt II, Titel l, 2, 3 und 5, und Art. 65 von Titel 6) mit Strafen bedroht sind, wird, insoweit das geeen-

244

wärtige Gesetz nichts Entgegenstehendes enthält, nach den dortigen Vorschriften, aber von den zuständigen Militärgerichten bestraft.

Es soll jedoch an der Stelle von Geldstrafen stets auf Gefägnißstrafe erkannt werden.

Die militärische Stellung des Thäters gilt bei der Strafausmessung als Erschwerungsgrund.

In ganz geringfügigen Fällen können Ordnungsstrafen in Anwendung kommen.

50. Wer von dem Vorhaben eines Vergehens gegen die innere oder äußere Sicherheit der Eidgenossenschaft oder völkerrechtswidriger Handlungen zu einer Zeit glaubhafte Kenntniß erhielt, in welcher die Verhütung des Vergehens möglieh war, und es unterläßt, hievon rechtzeitige Anzeige zu machen, wird, wenn das Vergehen oder ein strafbarer Versuch desselben zu Staude kam, als Begünstiger bestraft. Ausgenommen sind Ehegatten und Verwandte in auf- und absteigender Linie.

Dienstpflichtverletzung.

51. Wer allgemeine oder ihm besonders aufgetragene militärische Dienstpflichten nicht befolgt oder verletzt, wird mit Gefängnis, in geringfügigen Fällen disziplinarisch bestraft.

Eine V e r l e t z u n g v o n D i e n s t p f l i c h t e n b e geht insbesondere: 1) Wer absichtlieh unrichtige dienstliche Meldungen, Berichte, Atteste etc. ausstellt oder weiter befördert.

2) Wer absichtlich eine Verhaftung, die ihm aufgetragen ist, nicht ausführt oder einen Gefangenen entweichen läßt.

3) Wer strafbare Handlungen von Untergebenen, die er wahrnimmt, nach Möglichkeit zu verhindern unterläßt.

4) Wer strafbare Handlungen Untergebener oder im Grade unter ihm Stehender, von denen er Kenntniß hat, zu melden oder, soweit dieß in seiner Kompetenz liegt, zu bestrafen unterläßt.

245

2>) Wer rechtswidrig von seinen Waffen Gebrauch macht oder seine Untergebenen dazu auffordert, insofern kein schwereres Vergehen damit verbunden ist.

·6) Wer im Dienste, oder nachdem er zum Dienste befehligt worden, sich durch Trunkenheit zur Ausführung seiner Dienstverrichtungen untauglich macht.

7) Wer in vorsätzlicher oder leichtfertiger Weise unbegründete Beschwerden erhebt, insofern dieß nicht in ein schwereres Vergehen (falsche Anklage, Insubordination, Meuterei) übergeht.

·8) Wer ihm anvertraute, oder sonst zur Eenntniß gelangte militärische Dienstgeheimnisse verletzt; insbesondere wer ohne Erlaubniß geheim zu haltende Aktenstücke, ZeichnuDgen, Karten, Pläne, Tabellen, Ordres de bataille, Einrichtungen der Waffen- oder Munitionsfabrikation etc.

mittheilt oder zur öffentlichen Kenntniß gelangen läßt, insofern nicht ein schwereres Vergehen darin begründet ist (Art. 49).

$)) Wer während des Dienstes in öffentlichen Kundgebungen , gegen die militärische Ordnung im Allgemeinen aufreizt oder einzelne Miütärpersonen, militärische Behörden oder ganze Truppenkörper beschimpft oder verleumdet, insofern dieß nicht als Insubordination erseheint (Art. 60 bis 66).

103 Die Bestimmungen der Art. 53 bis 57 und 66 bis 72 des Eidgenössischen Bundesstrafrechtes über Zuwiderhandlungen gegen amtliche Stellung, Beschädigung und Gefährdung von Telegraphen, Post- und Eisenbahnzügen und über die Vfirtheilung der Verantwortlichkeit bei Preßvergehen finden hier analoge Anwendung.

32. Wer vorsätzlich und rechtswidrig oder aus Fahrlässigkeit einen Dienstgegenstand beschädigt, zerstört; preisgibt oder zu Grunde gehen läßt, oder einen solchen, ohne daß dieß in ein schwereres Vergehen übergeht, zu Privat.zwecken mißbraucht, macht sich einer w i d e r r e c h t l i c h e n Bundesblatt. 36. Jahrg. Bd. III.

17

Widerrechtliche Handlungen gegen militärisches Eigenthum.

246

H a n d l u n g gegen m i l i t ä r i s c h e s E i g e n t h u m schuldig: und wird hiefür mit Gefängniß, in geringfügigen Fällen disziplinarisch bestraft.

53. Der gleichen Bestrafung unterliegen Wehrpflichtige, welche auch außer dem Dienst Waffen, Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände, Pferde oder anderes Dienstmaterial, das sich in ihrer Verwahrung befindet, gleichviel ob es ihr Eigenthum ist oder nicht, vorsätzlich oder fahrlässig zerstören, beschädigen, preisgeben, zu Privatzwecken mißbrauchen, oder nicht in gehörigem Stande erhalten.

54. Wer als Vorgesetzter oder im Grade Höherstehen der solche widerrechtliche Handlungen gegen militärisches Eigenthum wahrnimmt, ohne sich denselben zu widersetzen, oder, wenn sie bereits geschehen sind, ohne die Thäter zur Anzeige zu bringen, wird als Begünstiger des Vergehens bestraft.

unerlaubte Desertion,

Entfernung.

55. Wer sich von seiner Truppe oder Dienststellung eigenmächtig entfernt, oder einer Einberufung zu derselben nicht Folge leistet, oder einen ihm ertheilten Urlaub eigenmächtig überschreitet, oder wenn er bei Marschbewegungeii von seiner Truppe abgekommen ist nicht sofort der nächsten Truppenabtheilung sich anschließt, macht sich einer u n e r l a u b t e n E n t f e r n u n g vom D i e n s t e schuldig und wird mit Gefängniß, in leichteren Fällen disziplinarisch bestraft.

Geschieht die unerlaubte Entfernung in der Absicht, sich dauernd der Dienstverpflichtung zu entziehen, so wird sie als Fahnenflucht ( D e s e r t i o n ) mit Gefängniß bestraft.

56. Der nämlichen Bestrafung wegen unerlaubter Entfernung, oder wegen Desertion unterliegen je nach der damit verbundenen Absicht: 1) O f f i z i e r e , welche ohne Erlaubniß in fremden Dienst (yeten, oder ohne Urlaub einzuholen mehr als ein Jahr lang sich außer der Schweiz aufhalten, oder den erhaltenen Urlaub willkürlich überschreiten, oder sich der angeordneten Marschbereitschaft (Piketstellung) ohne Urlaub entziehen (Art. 79 der Militärorganisation).

247

2) G e f a n g e n e oder A r r e s t a n t e n , die sich selbst befreien, oder den Zirnmerarrest brechen.

57. Wird die unerlaubte Entfernung oder Fahnenflucht von Mehreren gemeinsam begangen, so wird sie, wenn auch keine besondere Verabredung hiezu (Komplott) stattgefunden hat, schwerer als bei Einzelnen bestraft.

Geschieht dieselbe in größeren Truppen unter Mitnahme von Waffen oder in Verbindung mit Insubordination, so können die Anstifter und Rädelsführer, sowie überhaupt jeder theilnehmende Offizier und Unteroffizier, mit Zuchthaus bis auf 5 Jahre bestraft werden.

Hingegen fällt als Milderungsgrund bei der Strafausrnessung in Betracht die freiwillige Rückkehr von unerlaubter Entfernung oder Fahnenflucht, und es kann in diesem Falle ausnahmsweise und mit Zustimmung des Oberauditors auch bei der Fahnenflucht disziplinarische Bestrafung eintreten.

58. Wer von dem Vorhaben einer unerlaubten Entfernung oder Fahnenflucht, oder von der Absicht einer Selbstbefreiung Kenntniß hat und es unterläßt, hievon rechtzeitige Anzeige zu machen, wird, insofern das Vergehen zur Ausführung oder bis zu einem strafbaren Versuche gediehen ist, als Begünstiger desselben bestraft.

39. Wer sich vorsätzlich, durch 8 e l b s t v e r s t ü m m e i /».

» .

i i , T-irtn · l u n g oder auf irgend eine andere Art, zur Erfüllung seiner Dienstpflichten untauglich, beziehungsweise weniger tauglich macht oder machen läßt, oder in gleicher Absicht ein auf Täuschung berechnetes Mittel anwendet, wird mit Gefängniß bestraft.

i

SeiostSimulation.

Beschädigung:.

6O. Wer einem an ihn persönlich gerichteten Dienst- Insubordination.

befehl eines Vorgesetzten nicht Folge leistet, oder wer überhaupt dem schuldigen militärischen Gehorsam zu unterziehen

248

sich weigert, macht sich der I n s u b o r d i n a t i o n schuldig und wird hiefür mit Gefängniß, iu leichteren Fällen disziplinarisch bestraft.

61. Als Insubordination wird insbesondere betrachtet: Jede vorsätzliche Verletzung der schuldigen Achtung gegen einen Vorgesetzten oder im Grade Höherstehenden, vorzüglich jede Ehrverletzung, Beschimpfung, oder Verleumdung von solchen ; Widerstand gegen ihre Anordnungen oder Verweise ; wissentliche Angabe von Unwahrheiten in Dienstsachen; Herausforderung eines Vorgesetzten oder im Grade Höherstehenden zum Zweikampf.

In der Ausübung ihres besonderen Dienstes (Consigne) begriffene Ronden, Patrouillen und Schildwachen werden in Bezug auf den ihnen zu leistenden Gehorsam und die ihnen gebührende Achtung Vorgesetzten gleichgeachtet.

62. Die Insubordination ist eine s c h w e r e und darf nicht disziplinarisch bestraft werden : 1) Wenn die Beleidigung oder Verleumdung eines Vorgesetzten oder im Dienstrange, Höherstehenden durch die Presse, oder durch sonstige Verbreitung von Schriften oder Abbildungen geschieht.

2) Wenn die Verweigerung des Gehorsams oder die Verletzung der Achtung gegen Vorgesetzte unter dem Gewehr, oder vor versammelter Mannschaft erfolgt.

3) Wenn die Insubordination mit einer Waffe oder mit einem andern gefährlichen Werkzeuge in der Hand stattfindet, oder unter thatsächlicher Vergreifung an Vorgesetzten oder Höherstehenden.

4) Wenn ein Vorgesetzter mit Gewalt oder Drohungen an der Ausführung eines Dienstbefehls gehindert, oder zur Vornahme einer Diensthandlung genöthigt wird.

249

5) Wenn Versammlungen zum Zwecke von gemeinsamer Insubordination veranstaltet, oder Unterschriften in dieser Absicht gesammelt worden sind.

6) Wenn die Insubordination thatsächlich durch gemeinschaftliche Veranstaltung Mehrerer (im Komplotte) erfolgt.

Wurde der Untergebene durch vorschriftswidrige oder herabwürdigende Behandlung seitens eines Höherstehenden zur Insubordination veranlaßt, so kommt dieser Umstand als strafmildernd in Betracht, und es kann in einem solchen Falle mit Zustimmung des Oberauditors ausnahmsweise auch schwere Insubordination disziplinarisch bestraft werden.

63. Die I n s u b o r d i n a t i o n im K o m p l o t t (Meuterei) kann in schwereren Fällen gegenüber den Anstiftern und Rädelsführern mit Zuchthausstrafe belegt werden. Jeder Graduirte, welcher daran Theil nimmt, ist strenger als der Nichtgraduirte zu bestrafen und jedenfalls seines militärischen Grades verlustig zu erklären. (Vergi. Art. 10 und 11.)

64. Wer von einer Meuterei zu einer Zeit, in welcher die Verhütung derselben möglich ist, Kermtniß erhält und es unterläßt, hievon rechtzeitige Anzeige zu machen, wird, insofern das Vergehen zur Ausführung oder bis zu einem strafbaren Versuche gediehen ist, als Begünstiger desselben bestraft.

65. Theilnehmer an einer Meuterei, welche zu einer Zeit, in welcher die Dienstbehörde nicht bereits anderweitig davon unterrichtet ist, selbst Anzeige erstatten und zur Ordnung zurückkehren, sind straflos, sofern die Verhütung der verabredeten Handlung möglich ist.

Anderenfalls sind sie geringer und jedenfalls nur mit Gefängniß zu bestrafen.

250

66. Jeder an einer Meuterei Betheiligte ist wie ein Rädelsführer zu bestrafen, sobald er, wenn er persönlich von einem Vorgesetzten zum Gehorsam aufgefordert, wird, denselben ausdrücklich oder thatsächlich verweigert.

Ebenso ist wie ein Rädelsführer zu behandeln, wer zur Beförderung der Meuterei irgendwelche militärische Signale anwendet, und derjenige, welcher unter den Meuterern den höchsten Rang einnimmt.

Miasbrauch der Dienatgewalt.

67. Wer als Vorgesetzter, Instruktor oder im Grade Höherstehender seine militärische Stellung und Befugniß absichtlich mißbraucht oder überschreitet, macht sich des M i ß b r a u c h s d e r D i e n s t g e w a l t schuldig u n d wird, insofern damit keine schwereren strafbaren Handlungen (z. B. Tödtung, Körperverletzung) verbunden sind, mit Gefängniß, in leichteren Fällen disziplinarisch bestraft.

In der Ausübung ihres besondern Dienstes begriffene Schild wachen, Ronden oder Befehlshaber von Wachtposten und Patrouillen sind auch in Bezug auf dieses Vergehen Vorgesetzten gleich zu achten.

68. Besondere Fälle des Mißbrauchs der Dienstgewalt sind namentlich folgende: Wenn ein Vorgesetzter Dienste seiner Untergebenen zu Privatzwecken mißbräuchlich in Anspruch nimmt; von ihnen Geschenke oder Versprechungen fordert oder annimmt, oder Geld von ihnen entleiht; sie zu strafbaren Handlungen bestimmt;' ihre vorschriftsmäßigen Beschwerden unterdrückt oder zu unterdrücken versucht, oder sie durch Drohungen und sonstige widerrechtliche Mittel von solchen abzuhalten versucht, wissentlich unverdiente oder unerlaubte Strafen verhängt, beziehungsweise seine Strafgewalt überschreitet; gesetzwidrigen Einfluß auf die Rechtspflege ausübt ; oder endlich die Untergebenen beleidigt, mißhandelt, ungehörig überanstrengt und beschwert oder sonst vorschriftswidrig behandelt.

251 69. Handlungen von Vorgesetzten, im Grade Höherstehenden, oder Wachen, Ronden, Patrouillen, welche bloß den Zweck haben, thätliche Angriffe von Seiten Untergebener abzuwehren, oder, in Ermanglung aller andern Mittel, den durchaus nothwendigen Gehorsam zu erzwingen, können, selbst wenn sie mit Anwendung von Waffen verbunden sind, weder als Mißbrauch der Dienstgewalt, noch überhaupt als strafbare Handlungen angesehen und bestraft werden.

70. C i v i l p e r s o n e n , welche Wehrpflichtige zur straf tarkeit von .

Civilpersonen.

Selbstschädigung oder Simulation (Art. 59), zur unerlaubten Entfernung oder Desertion (Art. 55 bis 58), zur schweren Insubordination (Art. 62 bis 64), zu widerrechtlichen Handlungen gegen militärisches Eigenthum (Art. 52) verleiten oder zu verleiten versuchen, beziehungsweise ihnen dabei behülfHch sind ; oder sie gegen die militärische Zucht und Ordnung aufreizen 5 oder welche endlieh wichtige, zur Vertheidigung des Landes dienende militärische Einrichtungen und Anstalten, wie Befestigungen, Material- und Munitionsvorräthe, Brtickenequipagen, Geschütze, militärische Eisenbahn- oder Telegraphenanlagen u. s. w. absichtlich zerstören, unbrauchbar machen, beschädigen, oder gefährden -- sind von den militärischen Gerichten desjenigen Divisionskreises, in welchem sie diese strafbaren Handlungen begangen haben, mit Gefängniß bis auf ein Jahr, in geringfügigen Fällen mit Geldbuße bis auf 100 Franken zu bestrafen.

252

Vierter Titel.

Von dem militärgerichtlichen Verfahren.

Militärgerichte.

71. Alle strafbaren Handlungen, welche nach diesem Gesetzbuche zu bestrafen sind und nicht in die Klasse, der Ordnungsfehler fallen, werden von e i d g e n ö s s i s c h e n M i l i t ä r g e r i c h t e n nach den Vorschriften dieses Titels beurtheilt.

Vorbehalten bleiben die abweichenden Bestimmungen der Kriegsartikel (Art. IX).

72.

K o m p e t e n t zur Beurtheilung einer solchen Handlung ist das Militärgericht desjenigen eidgenössischen Divisionskreises, in welchem sie verübt worden ist. Bei fortgesetzten oder gemeinsam verübten strafbaren Handlungen Mehrerer oder bei mehreren strafbaren Handlungen Einer und derselben Person, die gleichzeitig zur Beurtheilung gelangen, ist der Ort der Begehung des Hauptaktes, beziehungsweise des Hauptvergehens, für die Bestimmung der Gerichtskompetenz maßgebend.

Wird eine Division unter dem Befehl ihres Kommandanten in den Dienst berufen, so ist stets gleichzeitig das Militärgericht der Division aufzubieten und hat alle bei derselben vorkommenden strafrechtlichen Fälle, ohne Rücksicht auf den Ort ihrer Begehung, allein zu beurtheilen.

Es bleibt dem Bundesrathe vorbehalten, diese Anordnung auch für den Fall der Besammlung Truppenkorps zu treffen und es steht demselben Entscheidung allfälliger Kompeteßzstreitigkeiten Militärgerichten zu.

nämliche kleinerer auch die zwischen

253

73. Die eidgenössischen Militärgerichte werden von dem Bundesrath auf je drei Jahre, je eines für jeden Divisionskreis, beziehungsweise jede Division, ernannt und bestehen aus einem Großrichter als Präsidenten, zwei Richtern, zwei Ersatzmännern, einem Auditor und einem Stellvertreter desselben.

Bestellung

Der Großrichter, der Auditor und dessen Stellvertreter, welcher ebenfalls den Titel Auditor führt, werden aus dem eidgenössischen Justizstabe gewählt, die Richter und Ersatzmänner aus aktiven Offizieren der Armee, welche mindestens Hauptmannsrang besitzen. Dieselben behalten ihre gewöhnlichen militärischen Funktionen neben der Richterstellung bei.

74. Für ein Strafverfahren gegen den Höchstkommandirenden einer Schweizerichen Armee, den Generalstabschef, den Kommandanten eines Armeekorps, einer Division, oder eines selbstständig außer dem Divisionsverband formirten Korps wird jeweilen ein a u ß e r o r d e n t l i c h e s M i l i t ä r g e r i c h t ad hoc, bestehend aus drei Großrichtern mit Oberstenrang und zwei Divisionären, nebst einem Auditor, der ebenfalls Oberstenrang haben soll, von der Bundesversammlung ernannt.

Dasselbe urtheilt ohne Zuziehung von Geschwornen (vergi. Art. 91).

Die Beurtheilung von strafbaren Handlungen der übrigen Offiziere des Armeestabs wird jeweilen vorkommenden Falles vom Bundesrath (im aktiven Dienste von dem Höchstkommandirenden) einem ordentlichen Militärgerichte zur Beurtheilung überwiesen.

7 3. Ein Oberauditor, ein Stellvertreter desselben, 8 Großrichter, 16 Auditoren und 14 zur direkten Verfügung des Bundesrathes (beziehungsweise des Höchstkommandirenden) stehende, nicht eingetheilte, Justizoffiziere bilden den J u s t i z s t a b der Eidgenossenschaft.

Jnstizstub.

254

Dieselben werden von dem Bundesrathe ernannt und müssen (soweit dieß künftige Ernennungen betrifft) vorher bereits als Offiziere in der schweizerischen Armee gedient haben.

Die Offiziere des Justizstabes können während der ganzen Dauer ihrer Dienstpflicht von dem Militärdepartement je nach Bediirfniß zum Dienste in Auszug oder Landwehr verwendet werden.

Vor-

76. Die V o r u n t e r s u c h u n g wird im aktiven Dienste durch die Chefs der Truppeneinheiten (Art. 27--36 der Militärorganisation), beziehungsweise die Kommandanten der Stäbe, zu welchen der Verdächtige gehört, verfügt. Bei kleineren, selbstständig im Dienst befindlichen Truppenabtheilungen geschieht dieß durch den Höchstkommandirenden derselben, im Instruktionsdienst durch den Schulkommandanten.

Sie findet durch den Auditor, oder durch dessen Stellvertreter statt, welche die Verhaftung von Schuld verdächtigen bei allen militärischen und Civilhehörden zu verlangen berechtigt sind. Als Beisitzer und Protokollführer für die Voruntersuchung und eine allfällige Hauptverhandlung wird ein hiezu geeigneter Offizier von der Stelle, welche die Voruntersuchung verfügt hat, ernannt.

Ist keiner der beiden Auditoren sofort bei der Hand, so hat der die Voruntersuchung verfügende Offizier unter sofortiger Einberufung des einen oder andern der Auditoren vorläufig für die Erhaltung der Spuren und Beweismittel des Vergehens, Verhaftung der Schuldverdächtigen und Konstatirung aller wesentlichen Thatumstände Sorge zu tragen.

77. In den Fällen von Art. l, Ziffer 2 und 3 und Art. 2, Ziffer 2 und 3 wird die Voruntersuchung durch das eidgenössische Militärdepartement angeordnet, in den Fällen des Art. 74 durch den Bundesrath.

255 78. Das P r o t o k o l l der Voruntersuchung ist summarisch, dem Hauptinhalte der Verhandlungen entsprechend, zu führen; lediglich die Aussagen der Schuld verdächtigen sind möglichst wörtlich aufzunehmen.

79. K o n f r o n t a t i o n e n von Zeugen mit andern Zeugen, oder von Schuldverdächtigen unter einander sind in der Voruntersuchung ausgeschlossen, außer zur Konstatirung der Identität einer Person.

Die Zeugen sollen vor ihrer Einvernahme zur Wahrheit in ihren Angaben, unter Hinweisung auf das in der Hauptverhandlung zu leistende Handgelübde (Art. 92, Ziffer 3) ermahnt werden.

Alle Depositionen von Zeugen und Schuldverdächtigen müssen den Deponenten vorgelesen und von ihnen unterzeichnet werden.

80. Des Zeugnisses, sowohl in der Voruntersuchung als in der Hauptverhandlung, können sich e n t s c h l a g e n : Personen, welche mit dem Angeschuldigten in auf- oder absteigender Linie verwandt sind, Geschwister, Ehegatten oder Verlobte desselben, sowie solche Personen, denen eine Aussage zu eigenem unmittelbarem Schaden zugemuthet wird.

81. Die Akten der Voruntersuchung dürfen bei der Hauptverhandlung nur vorgelegt werden, um sonst unerklärliche Widersprüche von Zeugenaussagen aufzuhellen, oder Aussagen Verstorbener oder aus andern Gründen zur Hauptverhandlung nicht erhältlicher Personen bekannt zu geben.

82. Wenn sich aus der Voruntersuchung klar ergibt, daß bloß ein Ordnungsfehler vorliegt, so hat der Auditor, unter Einsendung der Untersuchungsakten, derjenigen Stelle, «·eiche die Untersuchung angeordnet hat, behufs weiterer Verfügung hievon Anzeige zu machen.

256 Wenn hingegen Zweifel über die Anwendbarkeit eines militärgerichtlichen Verfahrens, oder über das Vorhandensein eines Vergehens, oder eines auszumittelnden Thäters obwaltet, sowie in den Fällen, in welchen nur mit Zustimmung des Oberauditors disziplinarische Bestrafung eintreten kann, ist, vorgängig jeder weitern Prozedur, dessen Weisung einzuholen.

Anklageschrift.

Verfcheidigung.

83. Das militärcerichtliche Verfahren besinnt mit der Einreichung der Akten nebst einer schriftlichen Anklage Seitens des Auditors an den kompetenten Großrichter, innerhalb 12 Stunden nach Schluß des letzten Voruntersuchungsaktes, beziehungsweise nach Eintreffen der Antwort des Oberauditors (Art. 82).

Die A n k l a g e s c h r i f t soll nichts Anderes enthalten als: 1) die genaue Bezeichnung des Angeklagten und des Vergehens.

2) Die Citation der anzurufenden Gesetzesartikel.

3) Ein Verzeichniß aller Beweismittel, von welchen der Ankläger bei der Verhandlung Gebrauch machen will.

4) Die Bezeichnung der ordentlichen Militärrichter und ihrer Ersatzmänner nebst dei) allfälligen Rekusationen des Anklägers.

84. Der Auditor übermittelt gleichzeitig dem Angeklagten eine Abschrift der Anklageschrift mit der Aufforderung, einen Vertheidiger zu bezeichnen und innert 24 Stunden, von dem Eintreffen desselben an gerechnet, seine allfälligen Rekusationen gegen die Militärriehter, sowie die Beweismittel, welche er bei der Hauptverhandlung anrufen will, bekannt zu geben.

Bezeichnet der Angeschuldigte nicht in thunlichster Bälde einen Vertheidiger, der ohne große Verzögerung der Verhandlungen zu haben ist, so ernennt ihn der Großrichter auf Anzeige des Auditors.

257

85. Der Großrichter ist berechtigt und verpflichtet, die Beweismittel.

Herbeischaffung angerufener Beweismittel, die ihm irrelevant scheinen, oder deren Beibringung mit der nothwendigen Raschheit des Verfahrens unvereinbar erscheint, durch motivirten Bescheid zu verweigern.

Dem anrufenden Theile bleibt es unbenommen, sein Begehren bei versammeltem Gericht, bei Beginn der Verhandlungen, unmittelbar nach der Erledigung allfälliger Einsprachen gegen Gerichtsmitglieder, zu wiederholen (Art. 92).

86. , Dem Auditor, wie dem Angeklagten, steht eine Ein:*ra^ht|fen Einsprache gegen solche Gerichtsmitglieder zu, welche mit dem Angeklagten, beziehungsweise dem Beschädigten, in auf- oder absteigender Linie, oder in der Seitenlinie bis zu dem Grade von Geschwisterkindern verwandt oder verschwägert sind, oder welche am Ausgange des Prozesses ein bestimmt nachweisbares Interesse haben.

Dieselben können auch selbst ihren Austritt begehren.

Ergibt sich hieraus die Möglichkeit, daß die ordentlichen Ersatzmänner unter Umständen zur Kompletirung des Gerichts nicht ausreichen könnten, so ist von dem Großrichter ohne Verzug der Bundesrath um Bezeichnung von nachrückenden Ersatzmännern anzugehen.

87. Alle Anklagen wegen eines Vergehens, welches ° von dem Gesetze mit Gefängnißstrafe über Ein Jahr oder mit einer schwereren Strafgattung bedroht ist, werden unter Beizug von vier G e s c h w o r n e n zu dem ordentlichen Militärgerichte verhandelt.

Die Beiziehung von Geschwornen unterbleibt, wenn der Aageklagte sich in Bezug auf die eingeklagte strafbare Handlung schuldig erklärt und diese Erklärung durch Unterzeichnung der Anklageschrift bestätigt.

Beizug von

Geschwornen.

258 88. Die allgemeine Geschwomenliste besteht aus allen Offizieren und Unteroffizieren der Division. Betrifft die Strafverhandlung einen Unteroffizier oder Soldaten, so bezeichnet der Großrichter 21 Offiziere und 21 Unteroffiziere zur Ausloosung von 7 Offizieren und 7 Unteroffizieren, welche Ausloosung durch den Großrichter selbst oder einen von ihm hiezu bezeichneten Offizier, wo möglich im Beisein de» Angeklagten oder seines Vertheidigers und des Auditors, stattzufinden hat.

Bei seiner Auswahl ist der Großrichter gehalten, alle Abtheilungen der Division successive möglichst gleichmäßig zu berücksichtigen.

89. Gegen die ausgeloosten Geschwornen können die nämlichen Rekusationsgründe wie gegen die Richter (Art. 86) geltend gemacht werden, und wird in einem solchen Falle und nach einem vorgängigen entsprechenden Entscheide des Großrichters die Ausloosung fortgesetzt.

Eine entgegengesetzte Entscheidung des Großrichters ist nach Maßgabe des Art. 85 vor. versammeltem Gerichte anfechtbar und es wird, wenn das Gericht die Rekusation begründet findet, die Ausloosung vor versammeltem Gerichte weitergeführt.

90. Von den 14 gültig ausgeloosten Geschwornen hat zunächst der Auditor, sodann der Angeklagte oder sein Vertheidiger, 4 und zwar jeder Theil je 2 Offiziere und 2 Unteroffiziere, ohne Angabe von Gründen zu verwerfen.

Von den übrig bleibenden sechs nehmen die vier Erstausgeloosten (zwei Offiziere und zwei Unteroffiziere) ihren Binsitz in das Gericht neben den ordentlichen Militärrichtern (Art. 73). Die zwei letzten (ein Offizier und ein Unteroffizier) bilden die Ersatzmänner derselben and nöthigenfalls auch der Militärrichter, sofern deren eigene Ersatzmänner nicht ausreichen, oder nicht rechtzeitig zur Stelle zu bringen sind. Sie

259

wohnen in dieser Eigenschaft den Gerichtsverhandlungen b^i,, um erforderlichen Falles -- und zwar zuerst der Offizier, dann der Unteroffizier -- sofort in das Gericht eintreten zu können.

91. Betrifft die Strafverhandlung einen Offizier (mit Vorbehalt der Bestimmungen des Art. 74), so erfolgt die Ausloosung der Geschwornen direkt aus allen Offizieren der Division, welche von gleichem oder höherem Range als der Angeklagte sind.

Sind nicht mehr als 14 Offiziere von solchem Range vorhanden, so bilden diese ohne Ausloosung die engere Geschwornenliste, aus welcher die Rekusation stattfindet.

Sind weniger als 14 vorhanden, so wird die fehlende Anzahl aus den Offizieren vom nächstfolgenden Range hinzugeloost.

Die Rekusationen finden nach den Bestimmungen der vorangehenden Artikel statt und sollen auch nach Verhältniß der vorhandenen Offiziere von gleichem oder höherem und von niedrigerem Range stattfinden.

92. Die H a u p t v e r h a n d l u n g e ' n der Militärgerichte sind öffentlich, mit Ausnahme der Urtheilsberathung.

1) Sie beginnen mit der Konstituirung des Gerichtes und der Verlesung der Anklageschrift durch den Auditor, an welche sich zunächst die Erledigung von allfälligen Einsprachen gegen Mitglieder des Gerichtes oder von Begehren auf Ergänzung der für die Verhandlung bestimmten Beweismittel anschließen (Art. 85, 86, 89).

2) Nach Erledigung solcher Anbringungen befragt der Großrichter den Angeklagten, welche Erklärung er auf die erhobene Anklage abgeben wolle.

Anerkennt derselbe die ihm darin zur Last gelegten.

T h a t s a c h e n , so kann die Verhandlung ohne eine Beweisführung stattfinden.

CTM^n

<260 3) Bestreitet der Angeklagte hingegen die ihm zur Last gelegten Thatsachen ganz oder theilweise, so legt der Großrichter dem Gerichte die schriftlichen Beweisstücke und anderen Wahrzeichen des behaupteten Verbrechens vor, macht dasselbe nöthigenfalls mit den in Frage kommenden Lokalitäten bekannt und vernimmt sodann die vorhandenen .Zeugen oder Experten.

Den Richtern und Geschwornen, dem Auditor, dem Angeklagten und seinem Vertheidiger steht das Recht zu, Ergänzungsfragen an dieselben zu richten.

Die Zeugen und Experten werden vor ihrer Einvernahme von dem Großrichter zur Wahrheit in ihren Angaben, unter Verweisung auf eine eventuelle Verfolgung wegen falschen Zeugnisses (Art. 38), ermahnt und in's Handgelübde genommen. Dieselben dürfen vor Ablegung ihrer Depositionen der Verhandlung nicht beiwohnen, sondern stehen so lange unter einer von dem Großrichter anzuordnenden Aufsicht, welche Verabredungen unter ihnen zu verhindern hat.

4) Der Angeklagte wird zuletzt, ebenfalls vom Großrichter, verhört und es findet ihm gegenüber das nämliche Fragerecht der Richter. Geschwornen, des Auditors und Vertheidigers statt, wie gegenüber den Zeugen und Experten.

Zur Aufklärung erheblicher Widersprüche zwischen Angaben des Angeklagten und denjenigen der Zeugen und Experten dürfen diese nochmals vorgerufen, eventuell auch Angaben aus den Voruntersuchungsakten verlesen werden (Art. 813.

5) Nach Erschöpfung sämmtlicher Beweismittel erklärt der Großrichter die Beweisführung für geschlossen und es erfolgt je Ein Vortrag des Auditors und des Vertheidigers über die Thatfrage und die Strafausmessung zugleich. Einen .zweiten Vortrag beider Parteien zu gestatten,. liegt im Ermessen des Großrichters.

261 Der Auditor kann an Stelle seines Vertrages auch den Antrag auf Sistirung der Verhandlungen zum Behuf der Erhebung einer neuen, oder der Ergänzung der bisherigen Anklage stellen. Im Falle eines entsprechenden Gerichtsbeschlusses beginnt das Prozeßverfahren vpn Einreichung der neuen Anklageschrift ab (Art. 83) von Neuem, und sind alle Schritte und Erklärungen , welche Seitens des Angeklagten (oder seines Vertheidigers) von diesem Punkte ab früher stattgefunden hatten, für ihn unverbindlich.

6) Nach abgehaltenen Vorträgen erklärt die Verhandlungen für geschlossen und es theilsberathung, sofern nicht das Gericht, Antrag der Parteien, eine Ergänzung der beschließt.

der Großrichter erfolgt die Urauf oder ohne Beweisführung

93.

Die Militärgerichte entscheiden mit einfacher Urtheiisfmiung.

Stimmenmehrheit unter allfälligem Stichentscheid des Großrichters und in völlig freier Würdigung alles Vorgebrachten und aller Beweismittel.

94.

Ueber die gesammten Verhandlungen wird ein summarisches, blos die thatsächlichen Vorgänge der Verhandlung enthallendes P r o t o k o l l durch den Gerichtsschreiber geführt (Art. 76, Lemma 2).

95.

Das militärgerichtliche U r t h e i l wird sofort nach seiner Ausfällung in Schrift verfaßt und soll enthalten : im Falle der Verurtheilung: 1) Einen kurzen, blos das Thatsächliche berührenden Bericht über den Verlauf der Voruntersuchung und Hauptverhandlung.

2) Eine summarische Darstellung der von dem Gerichte als erwiesen betrachteten Thatsachen.

Bundesblatt. 36. Jahrg. Bd. III.

18

262

3) Die Angabe der hierauf angewendeten Gesetzesartikel.

4) Den Urtheilsspruch mit Einschluß des Erkenntnisse» über die dem Angeklagten auferlegten Kosten und allfälligen Entschädigungsleistungen an Dritte, sowie über die Vertheilung dieser Kosten und Ersatzleistungen unter mehreren Angeklagten (Art. 17).

Andernfalls die Freisprechung von der orhobeneu Anklage, oder eine allfällige Ueberweisung zu disziplinarischer Bestrafung.

Im Falle eine solche nicht stattfindet, sondern der Angeklagte einfach freigesprochen wird, so darf er für die nämlichen Thatsachen, auf Grund welcher er gerichtlich angeklagt war, nicht nachträglich disziplinarisch bestraft werden.

Das Militärgericht kann sich auch, anstatt eines Urtheiles, unzuständig erklären, hat jedoch in diesem Falle seinen Beschluß zu motiviren und einen Prozedurbericht (Ziffer 1) in denselben aufzunehmen. Gegen einen solchen Beschluß kann unter den Voraussetzungen des Art. 102 sowohl von dem Auditor als dem Inquisiten Rekurs auf Kassation ergriffen werden.

Kosten.

96. Das Militärgericht ist befugt, einem jeden Verurtheilten die Kosten der Voruntersuchung und Hauptverhandlung, mit Ausnahme jedoch der Soldbeträge der dabei fungirenden Militärpersonen, ganz oder theilweise aufzuerlegen.

Ebenso kann es demselben im Falle der Freisprechung eine von der Eidgenossenschaft zu bezahlende Entschädigung zuerkennen, oder umgekehrt denselben anhalten, einen Beschädigten oder seine Erben in Bezug auf eine Ersatzklage zu befriedigen.

263 97.

Mit der Strafsache in unmittelbarer Verbindung Cmipaiteien.

stehende C i v i l a n s p r U c h e Dritter können gleichzeitig mit der Straf klage Namens der Ansprecher durch den Auditor in der Anklageschrift vorgemerkt und bei der Verhandlung befürwortet werden. Jedoch kann derselbe sie auch (ohne weiteres Präjudiz für eine gesonderte Verfolgung vor den gewöhnlichen Civilgerichten) ablehnen, wenn er sie nicht für hinreichend ausgewiesen hält, oder wenn ihre gleichzeitige Verfolgung die rasche Behandlung und Erledigung der Strafsache unmöglich machen, oder die Vertheidigung des Angeklagten wesentlich erschweren würde.

Unter allen Umständen gilt ein militärgerichtliches Strafurtheil für eine nachfolgende Civilverhandlung als voller Beweis'der in demselben konstatirten Thatsacheu.

98. Das Urtheil eines Militärgerichts UberCivilansprüche Beschädigter ist rechtskräftig, ohne einem Rekurs an das Bundesgericht zu unterliegen, und in der ganzen Eidgenossenschaft vollziehbar.

99. Das militärgerichtliche Urtheil wird in öffent- Bechtsmittei.

licher Sitzung vom Großrichter oder Gerichtsschreiber dem Angeschuldigten vorgelesen und derselbe sodann, sofern es eine Gefängnißstrafe oder eine noch schwerere Strafe enthält, vom Großrichter darauf aufmerksam gemacht, daß er berechtigt sei, noch vor Aufhebung der Sitzung ein Gesuch um B e g n a d i g u n g , oder eine K a s s a t i o n s b e s c h w e r d e , letztere unter Angabe der Gründe, zu Protokoll nehmen zu lassen.

Geschieht das Eine oder das Andere, oder wird die Kassation von Seite des Auditors begehrt, so spricht sich das Gericht darüber sofort in geheimer Sitzung begutachtend aus und es wird sodann das Begehren und die Erklärung des Gerichts darüber dem Urtheile beigefügt und dasselbe nebst allen sonstigen Akten durch den Großrichter der zuständigen Behörde übermittelt.

264 Gegen geringere als Gefängnißstrafen, welche von einen) Militärgerichte ausgesprochen werden, findet weder Kassation noch Begnadigung statt.

100.

Die Aufhebung eines militärgerichtlichen Urtheils kann nur begehrt werden auf dem Wege der B e g n a d i g u n g, der K a s s a t i o n und der R e v i s i o n . Die Benutzung dos Einen dieser Rechtsmittel schließt die des andern nicht aus.

Begnadigung.

101.

Um B e g n a d i g u n g kann ein militärgerichtlich Verurtheilter sofort nach Eröffnung des Urtheils, durch Uebermittelung seines Gesuchs von Seiten des urtheilenden Gerichtes (Art. 99), oder auch jederzeit später selbstständig bei dem Bundesrathe (im Falle des aktiven Dienstes bei dem Höchstkommandirenden) einkommen.

Die Einreichung eines Begnadigungsgesuches sistirt jedoch den Vollzug der Strafe (mit Ausnahme der Todesstrafe) nicht.

Mit gänzlicher Begnadigung ist vollständige R e h a b i l i t a t i o n verbunden. Um eine Rehabilitation kann auch jederzeit nach Abbüßung der Strafe eingenommen werden (Art. 10).

Die Civilfolgen eines Strafurtheils und das Kostenerkenntniß werden durch eine Begnadigung nicht berührt.

Kassation.

102. Die K a s s a t i o n eines militärgerichtlichen Urtheils findet immer statt: 1) Wegen Anwendung unrichtiger Gesetzesartikel, oder 2) wegen Ueberschreitung des Strafmaximums oder der zulässigen Strafart.

Wegen Inkompetenz des Gerichts, wegen Beeinträchtigung der Rechte der Verteidigung, oder wegen Verletzung von vorgeschriebenen Prozeßformen kann Kassation begehrt werden, sofern schon im Laufe der Verhandlung die betreffenden Anträge gestellt und vom Gerichte zurückgewiesen worden sind.

265 103.

Bin Kassationsbegehren ist sofort nach Verkündung des Urtheils, vor Aufhebung der Gerichtssitzung, mit seiner Begründung zu Protokoll zu erklären und wird sodann nebst der Gegenerklärung des Gerichts über die zu Grunde liegenden Thatsachen durch den Großrichter dem Oberauditor übermittelt (vergi. Art. 99).

Durch ein rechtzeitig angebrachtes Kassationsbegehren wird der Urtheilsvollzug gehemmt (unter Vorbehalt von Kriegsartikel IX, Ziffer 6).

104.

Der Oberauditor erläßt über jedes an ihn gelangende Kassationsbegehren auf Grund der vorliegenden Akten einen kurzen motivirten Beseheid.

In Fällen, wo es sich um eine höhere als Gefängnißstrafe handelt, soll der Bundesrath zwei Offiziere, welche mindestens Majorsgrad haben, demselben beiordnen.

105.

Im Falle die Kassation ausgesprochen wird, hat der Bescheid den Punkt genau zu bezeichnen, von welchem ab eine neue Verhandlung stattfinden soll, und kann hiemit auch ein anderes als das bisher urtheilende Militärgericht beauftragt werden.

Der Bescheid des Oberauditors geht an den Großrichter des urtheilenden Militärgerichts und wird von demselben auch dem Beschwerdeführer zur Kenntniß gebracht.

106.

Bei der nämlichen Kassationsbehörde kann auch jederzeit auf Grund n e u e r erheblicher Beweismittel R e v i s i o n (Wiederaufnahme eines militärgerichtlichen Prozesses) Seitens des Verurtheilten, oder seiner Erben begehrt werden.

Durch ein Revisionsbegehren wird der Strafvollzug (ausgenommen bei Todesurtheilen) nicht gehemmt (Kriegsartikel 9 vorbehalten).

Findet die Revisionsbehörde, nach Einziehung eines Berichtes des bisherigen Richters, die angebrachten Thatsachen

Revision,

266 ueu und erheblich genug, um ein anderes Urtheil auf Oruud derselben als voraussichtlich erscheinen zu lassen und die vorgeschlagenen Beweismittel zulässig, so überweist sie den Fall nebst allen Akten dem kompetenten Militärgericht zu erneuerter Voruntersuchung und Verhandlung.

107.

Die neue Behandlung des Falles erfolgt nach den gewöhnlichen Vorschriften (Art. 76 u. ff.), doch dürfen die der Revisionsbehörde vorgelegten neuen Beweismittel weder von dem Großrichter noch von dem Gerichte selber als unerheblich ausgeschlossen werden.

Bis zu einer allfälligen gänzlichen oder theilweiseu Aufhebung des früheren Urtheils durch den neuen Spruch des urtheilenden Militärgerichts bleibt das frühere Urtheil in voller Wirksamkeit.

Rechnungswesen.

108.

Sämmtliche bei der Militärjustiz mitwirkende Militär- und Civilpersonen werden für ihre Bemühungen nach einem besondern Réglemente entschädigt.

Für R e q u i s i t i o n e n und Hülfeleistungen jeder Art, welche Seitens der Militärgerichte oder ihrer Beamten von bürgerlichen Behörden oder deren Angestellten verlaugt werden, werden die Entschädigungen geleistet, welche im Verkehr der bürgerlichen Behörden unter einander jeweilen gesetzlich oder üblich sind. Allfällige Streitigkeiten hierüber entscheidet der Bundesrath.

109.

Das gesammte R e c h n u n g s w e s e n der Militärjustiz wird unter der Aufsicht des Großrichters von den zuständigen militärischen Verwaltungsbeamten geführt.

Kontuma/.ialTerfihren.

110.

Wenn ein Angeschuldigter flüchtig ist und nicht herbeigeschafft werden kann, so kann er dessenungeachtet durch das kompetente Militärgericht, ohne Zuziehung von Geschwornen, auf Vorlage der Voruntersuehungsakten und Schuldbeweise durch den Auditor hin, abgeurtheilt werden.

267

Es kann jedoch hiebei keine Freisprechung erfolgen, sondern es muß bei ungenügendem Schuldbeweis das Verfahren suspendirt erklärt werden.

111.

Ein K o n t u m a z u r t h e i l eines Militärgerichts kann jederzeit aufgehoben werden, sobald der Kontutnazirte sich stellt, oder ergriffen wird, und es verlangt. In diesem Falle tritt das regelmäßige Verfahren ein und es wird in demselben unter Aufhebung des Kontumazurtheils ein neues Urtheil ausgefällt.

112.

Wenn bei der Eröffnung eines militärgerichtliehen Urtheils Seitens des Verurtheilten keine Kassation begehrt wird, in andern Fällen nach abweisender Erledigung eines solchen Gesuches, setzt der Großrichter unter das Urtheil den s c h r i f t l i c h e n B e f e h l des V o l l z u g s und übergibt den Verurtheilten, insofern es sich um eine Gefängniß- oder Zuchthausstrafe handelt, mit diesem Urtheil der obersten Polizeibehörde desjenigen Kantons, in welchem derselbe seineu bürgerlichen Wohnsitz hat (vergi. Art. 6).

Ueber den Vollzug der Todesstrafe wird ein besonderes Reglement das Erforderliche verfügen.

118.

Ein D o p p e l eines jeden zur Exekution gelangten militärgerichtlichen Urtheils wird nebst sämmtlichen Akten des Falles dem Oberauditor eingesendet, welcher dieselben, nach genommener Einsicht, im Archiv des eidgenössischen Militärdepartements zu deponiren hat.

r v^ z*^

268

Fünfter Titel.

Von den Ordnungsfehlern.

114.

Wer sich einer nicht bereits nach den Titeln II und III dieses Gesetzbuches mit Strafe bedrohten Handlung )der Unterlassung schuldig macht, welche allgemeinen Dienstvorschriften u n d Reglementen oder i h m besonders Ordnung überhaupt zuwiderläuft, macht sich eines

Hauptsächliche Falle.

Als

O r d n u n g s f e h l e r erscheinen, insofern Vergehen daraus entsteht, insbesondere:

kein

Sschwereres

1) Uebertretungen militärischer Réglemente und Verordnungen ; Nichtbefolgung oder nicht gehörige Vollziehung von Dienstbefehlen; geringfügige Ueberschreitungen der Dienstgewalt ; geringfügige Fälle von Insubordination, sofern namentlich keine besondere böswillige Absicht des Widerstandes dabei obwaltet; Dienstversäumnisse, Verspätungen und Nachlässigkeiten jeder Art.

2) Unreinlichkeit und Unordnung in Bezug auf Person, Waffen, Kleidung und Ausrüstung.

3) Nicht gehörige Unterhaltung von Ausrüstungsgegenständen und Dienstpferden außer Dienst (Art. 161 und 201 der Militärorganisation), ungehörige Verwendung dieser Pferde außer dem Dienst (Art. 193 der Militärorganisation).

269 4) Tragen oder Ausleihen vom Staat erhaltener Kleidungsstücke außer Dienst und ohne Bewilligung der eidgenössischen oder kantonalen Militärbehörden.

5) Willkürliche Abweichung von den über Kleidung, Bewaffnung, Ausrüstung und Unterscheidungszeichen bestehenden Vorschriften (Seite 51 des Dienstbüchleins).

6) Veräußerung, Verpfändung oder Verleihung militärischer Gegenstände, beziehungsweise Ankauf, Pfandnahme oder Entlehnung von solchen, sofern darin nicht ein gemeines Verbrechen begründet ist (Art. l59 der Militärorganisation).

7) Unbefugtes Tragen von Unterscheidungszeichen oder der Uniform überhaupt (Art. 151 der Militärorganiaa tion).

8) Betrunkenheit oder sonstiges rohes, widerwilliges, ungebührliches oder unanständiges Verhalten in Worten oder Handlungen, sofern es nicht in ein schwereres Vergehen übergeht.

9) Ungebührliches Betragen auf Märschen zu oder von den Sammelplätzen, insbesondere alles Schießen, sofern nicht ein schwereres Vergehen vorliegt (Seite 51 des Dienstbüchleins).

10) Ungebührliches Betragen von Dienstpflichtigen gegen Militärbeamte und Vorgesetzte in Dienstsachen, auch wenn der eine oder andere Theil oder beide in bürgerlicher Kleidung sind.

11) Gewöhnliche Raufereien und Streitigkeiten unter Militärs oder mit Bürgern, geringfügige thätliehe oder wörtliche Beleidigungen, Beschimpfungen und Drohungen, sofern solche nicht in ein schwereres Vergehen übergehen (Art. 61 und 62).

12) Leichtsinniges Schulden machen und liederlicher Lebenswandel überhaupt.

270 13) Veranstaltung von Versammlungen oder Sammlung von Unterschriften zum Behuf der Berathuug militärischer Dinge oder zur gemeinsamen Boschwerdeführung über militärische Anordnungen, ohne Bewilligung der Vorgesetzten.

14) Oeffentliche Beschwerdeführung über Dienstangelegenheiten mit Umgehung der militärischen Vorgesetzten.

15) Unwahre Angaben gegen Vorgesetzte, sofern darin kein schwereres Vergehen liegt.

16) Unerlaubter Verkehr mit Arrestanten und Gefangenen.

17) Nichtleistung oder nachlässige und verspätete Ausführung von anbefohlenen Arbeiten außer dem Dienst (Art. 93 der Militärorganisation).

18) Ungeeignete Behandlung, Verletzung des militärischen Anstandes, rohe Ausdrucksweise von Vorgesetzten gegen Untergebene.

19) Nichtbestrafung, resp. Nichtanmeldung von Dienstfehlem Untergebener, oder ungerechte und übertriebene Vorzeigungen oder Bestrafungen.

20) Tragen von auswärtigen Orden und Titeln im Dienst und die Annahme von solchen überhaupt (Art. 150 der Militärorganisation).

21) Unterlassung oder Verspätung der An- oder Abmeldung bei Wechsel des Wohnortes.

22) Absichtliehe Beseitigung, Verheimlichung oder der Mißbrauch des Dienstbüchleins (vergi, pag. 2 und 49 desselben), sofern nicht ein schwereres Vergehen daraus entsteht.

23) Unterlassung rechtzeitiger Stellung zur Rekrutirung oder ärztlichen Untersuchung, oder zu sonstigen Inspektionen jeder Art, sofern dies nicht als eine unerlaubte Entfernung oder Desertion erseheint.

24) Die Verheimlichung von Fehlern oder Krankheiten oder sonstige unwahre, oder unvollständige Angaben bei der ärztlichen Untersuchung.

271

115.

Ordnungsfehler werden mit einfachem oder Ordnangestrtóm.

strengem Arrest bis auf höchstens 30 Tage, Konsigniren, Militärfrohnen (corvées), oder Strafexerziren bestraft.

U n t e r o f fi z i e r e können auch mit Einstellung im Grad oder Degradation bestraft werden (vergi. Art. 4 u. 11), und zwar sowohl in Verbindung mit anderweitigen Ordnungsstrafen oder ohne solche.

Ausnahmsweise können k l e i n e D i e b s t ä h l e und betrügerische Handlungen geringfügigen Betrages von dem Höchstkommandirenden mit Arrest bis auf 60 Tage bestraft werdeu (Art. 44 und 45), welcher auch in solchen Fällen in einem bürgerlichen Gefängnisse angeordnet werden darf.

116.

Jeder m i l i t ä r i s c h e V o r g e s e t z t e oder im strafkompeteM.

Grade Höherstehende hat innert den in Art. 122 und 123 näher bezeichneten Schranken die Disziplinarstrafgewalt über die ihm Untergebenen, oder im Grade unter ihm Stehenden und ist bei eigener Verantwortlichkeit schuldig dieselbe auszuüben, sobald von solchen in seiner Gegenwart Ordnungsfehler begangen werden, welche in seine Strafkompetenz fallen, andernfalls aber bei den Vorgesetzten des Thäters Rapport zu erstatten.

Es können jedoch Strafexerzieren und Militärfrohnen nur von militärischen Obern oder Höherstehenden verhängt werden, welche dem gleichen Korps, wie der Bestrafte, angehören.

117.

Den Wehrpflichtigen g l e i c h g e s t e l l t e Personen werden für Fehler, welche ihren speziellen Dienst anbetreffen, von denjenigen Militärpersonen bestraft, unter deren Aufsicht, und Kontrole sie stehen.

Für Fehler und Nachlässigkeiten, welche speziell die Ausübung der Kriegsverwaltung, des Eisenbahn-, Justiz- oder Medizinaldienstes betreffen, steht die Disziplinarstrafgewalt den Vorgesetzten oder im Grade Höherstehenden der betreffenden Korps zu.

272 118. Alle Ordnungsfehler, welche a u ß e r d e i n D i e n s t , aber bei Anlaß einer besondern dienstlichen Verrichtung (Stellung zur Rekrutirung, Inspektion von Waffen, Pferden, Arbeiten der Offiziere außer Dienst u. s. w.) begangen werden, können von den militärischen Vorgesetzten, welche mit, diesen Vornahmen betraut sind, und im Falle es durch dieselben nicht geschieht, durch die eidgenössischen oder kantonalen Militärbehörden (eidgenössisches Militärdepartement, Waffenchefs, Divisionäre, kantonale Militärdirektionen, Kreiskommandanten) bestraft werden.

Den Waffenkontroleuren und den Sektionschefs steht eine Strafkompetenz zu G e l d b u ß e n bis auf Fr. 5 zu.

.119. Jeder militärische Vorgesetzte, welcher p r o v i s o r i s c h ein höheres Kommando ausübt, oder welcher sich außer Verbindung mit seinen Oberen befindet, hat für die Zeit dieses Dienstes oder dieser Unterbrechung der Verbindung diejenige Disziplinarstrafkompetenz, die dem ordentlichen Befehlshaber in solchen Fällen zusteht.

120. Von jeder disziplinarischen Bestrafung, sowie von jedem Ordnungsfehler, welcher die Strafkompetenz des Meldenden übersteigt, ist unverzüglich im T a g e s r a p p o r t Meldung zu erstatten.

Es kann jedoch der Fehl bare auch im letzteren Fülle einstweilen von jedem Vorgesetzten oder im Grade Höherstehenden konsignirt, oder in Arrest gesetzt werden.

Wenn im Grade Höherstehende einen nicht unter ihrem Befehl stehenden Fehlbaren bestrafen, so haben sie überdieß seinen unmittelbaren Vorgesetzten hievon unverweilt zu benachrichtigen.

121. Jeder disziplinarisch Bestrafte ist schuldig, sich der ausgesprochenen Strafe ohne Weiteres zu unterziehen.

Es Weiht ihm jedoch unbenommen, nach Antritt der Strafe sich zum Tagesrapport bei dem Oberen desjenigen zu melden, der die Strafe verhängt hat, und es kann in diesem Falle

273 die Strafe aufgehoben, gemildert oder verschärft, sowie auch der Strafende wegen unangemessener Handlungsweise selber bestraft werden.

122.

Dem Bundesrath, dem eidgenössischen Militä?'departement und dem Höchstkommandirenden bei einer eidgenössischen Truppenaufstellung zum Zwecke des aktiven Dienstes steht die Befugniß zu, a l l e in diesem Titel vorgesehenen Ordnungsstrafen gegen alle unter dem Militärstrafgesetzbueh stehenden Personen zu verhängen.

Die gleiche Befugniß kommt zu den kantonalen Militärdirektionen , den in Art. 247 der Militärorganisation bezeichneten Waffen- und Dienstchefs und den Kommandirenden einer im Dienste befindlichen Armeedivision oder selbstständigen Brigade, mit Bezug auf die unter ihrer Verwaltung, beziehungsweise unter ihren Befehlen Stehenden.

123.

Im Uebrigen haben die Inhaber nachstehender militärischer Grade die folgenden Strafbefugnisse : 1) E i d g e n ö s s i s c h e O b e r s t e n : Alle Disziplinarstrafen mit Ausnahme der Degradation von Unteroffizieren.

2) O b e r s t l i e u t e n a n t s : Arrest bis auf 20 Tage und alle andern Disziplinarstrafen mit der gleichen Ausnahme.

3) M a j o r e : Arrest bis auf 10 Tage und alle andern Disziplinarstrafen mit der gleichen Ausnahme.

4) H a u p 11 e u t e : Arrest bis auf 7 Tage, Einstellung im Grade gegen Unteroffiziere, Konsigniren, Militärfrohnen, Strafexerzieren für die gleiche Zeitdauer.

5) O b e r l i e u t e n a n t s : Die nämlichen Strafarten, mit Ausnahme der Einstellung im Grade, bis auf 5 Tage.

6) L i e u t e n a n t s : Die nämlichen Strafen, wie Oberlieutenants, bis auf 3 Tage.

ütrafbefugnisse der einzelnen Grade.

274

7) A d j u t a n t - U n t e r o f f i z i e r e , Feldweibel und F o u r i e r e : Arrest, Konsigniren und Militärfrohnen bis auf 2 Tage.

8") W a c h t m e i s t e r , K o r p o r a l e und G e f r e i t e : Die nämlichen Strafen bis auf einen Tag.

Ehrengerichte.

124. Im Falle ein O f f i z i e r in oder außer dem Dienst sich schlechter Aufführung oder einer Handlung schuldig macht, welche sich mit seiner militärischen Stellung nicht verträgt, so kann gegen ihn von dem eidgenössischen Militärdepartement, dein ihm vorgesetzten Divisionär, oder seineu sonstigen höchsten Vorgesetzten, Dienstentlassung durch Ausspruch eines E h r e n g e r i c h t e s verlangt werden.

Ein solches Begehren ist schriftlich an den Bundesrath (im aktiven Dienst an den Höchstkommandirenden) zu richten und mit den erforderlichen Beweismitteln (beziehungsweise der Bezeichnung von solchen) zu begleiten.

125.

Eine Ueberweisung zu ehrengerichtlicher Beurtheilung findet auch durch den Bundesrath gegenüber jedem Offizier statt, welcher in Konkurs gerathen, oder von einem bürgerlichen Strafgericht zu einer Gefängniss- oder Zuchthausstrafe verurtheilt worden ist, oder inKriminalunter-suchung steht.

Die oberste kantonale Militärbehörde ist verpflichtet, einen jeden solchen Fall, der sich in ihrem Kanton ereignet, in das eidgenössische Militärdepartement unverzüglich einzuberichten.

126.

In allen diesen Fällen (Art. 124 und 125} bezeichnet der B u n d e s r a t h (im aktiven Dienste der Höchstkommandirende) zur ehrengerichtlichen Beurtheilung der Sache 14, im militärischen Range dem Angeschuldigten Mindestens gleichstehende Offiziere, mit angemessener Berücksichtigung des Truppenkörpers und der Waffe, denen derselbe angehört, von welchen der Angeschuldigte -- dem âne Abschrift der gegen ihn gerichteten Eingabe und diese

275 Liste mitzutheilen ist --' innert einer ihm hiefür zu bezeichnenden Frist die Hälfte ohne Angabe von Gründen ver- .

werfen darf.

Macht er hievon keinen, oder keinen rechtzeitigen, oder einen unvollständigen Gebrauch, so wird von Seiten der Wahlbehörde die Zahl durch das Loos bis auf 7 reduzirt.

Der im Dienstrange höchste oder bei gleichem Range mehrerer der älteste unter den Verbleibenden übernimmt das Präsidium des dadurch gebildeten Ehrengerichts.

127. Dem angeschuldigten Offiziere bleibt es freigestellt, sich vor diesem Ehrengerichte gegenüber der gegen ihn vorliegenden Anzeige an einem Tage, welchen der Präsident hiezu anberaumen wird, mündlich oder schriftlich zu verantworten, oder auch durch einen von ihm hiezu bevollmächtigten Offizier dei- eidgenössischen Armee verantworten zu lassen.

Unterläßt er jede Art von Verantwortung, so urtheilt das Ehrengericht auf Grund der ihm vorliegenden Akten.

In jedem Falle urtheilt dasselbe in völlig freier Würdigung des vor ihm Angebrachten und ist befugt Beweismittel und Beweisanträge, die ihm unerheblich für die Beurtheilung der Sache erscheinen, abzulehnen.

Bezüglich der Zeugnißpflicht vor Ehrengerichten sind die Bestimmungen des Militärstrafverfahrens (Art. 80) anwendbar.

Die Verhandlungen, mit Ausnahme der Diskussion über den Spruch selber, sind öffentlich für alle Offiziere der eidgenössischen Armee.

128.

Das Ehrengericht entscheidet ohne Beifügung von Motiven, ob es nach Erwägung alles Vorliegenden den angeschuldigten Offizier für unwürdig erachte (oder nicht), seine dienstliche Stellung ferner einzunehmen.

Zur Ausfällung eines gültigen ehrengerichtlichen Spruches, bedarf es einer Mehrheit von 5 Stimmen; kann eine solche Mehrheit nicht erzielt werden, so verbleibt der Angeschuldigte bis auf Weiteres in seiner dienstlichen Stellung.

verfahren,

27 B

129. Ein ehrengerichtlicher Ausspruch wird schriftlich und mit der Unterschrift aller Mitglieder des Ehrengerichts versehen, nebst allen vorhandenen Akten und einem kurzen., bloß das Thatsächliche der Verhandlungen ohne die Diskussion enthaltenden, Protokolle dem eidgenössischen Militärdepartement eingesendet und von demselben dem Bundesrathe, den Behörden oder Vorgesetzten, welche das Ehrengericht beantragt haben, und dem unmittelbaren Vorgesetzten des Angeschuldigten zur Kenntniß gebracht, welcher letztere dafür zu sorgen hat, daß dieser Spruch hei der nächsten dienstlichen Besammlung des Truppenkorps, zu dem der Angeschuldigte gehört, zur allgemeinen Kenntnis gelange.

130. Ein von einem Ehrengerichte als dienstunwürdig erklärter Offizier wird in die Klasse der Militärsteuerpflichtigen versetzt.

Es kann jedoch ein solcher jederzeit bei dem eidgenössischen Militärdepartement um Revision seines Prozesses einkommen und es kann dasselbe, sofern ihm hinreichende .Gründe hiefür, sei es durch neue Beweismittel oder in sonstiger Weise, vorzuliegen scheinen, die Beurtheilung der Sache einem neuen Ehrengerichte übertragen, für welches, soweit möglich, die Mitglieder des früher urtheilenden vorzuschlagen sind.

.131.

Im Falle einer Anzeige aus dem Grunde einer vor der bürgerlichen Strafbehörde obschwebenden kriminal gerichtlichen Untersuchung, oder des Konkurses, kann das Ehrengericht, sofern die Sachlage noch zweifelhaft erscheint, mit einfacher Mehrheit auf S u s p e n s i o n der Verhandlungen, mit einstweiliger Einstellung des vorzeigten Offiziers in seinen militärischen Funktionen erkennen.

132. Die Mitglieder eines Ehrengerichtes beziehen ihren gewöhnlichen eidgenössischen Tagessold, liebst der reglementarischen Reiseentschädigung, allfällige Zeugen oder Experten die im Militärstrafprozesse geltenden Entschädigungen (Art. 108).

277

Dem Angeschuldigten dürfen in k e i n e m Falle Kosten auferlegt werden. Ebensowenig hat er einen Anspruch auf irgendwelche Kostenvergütung, oder sonstige Entschädigung.

Sechster Titel.

Von der militärischen Kompetenz in Civilsachen.

133. Zur Einleitung oder Fortführung einer b ü r g e r l i c h e n S t r a f u n t e r s u c h u n g oder eines P o l i z e i s t r a f v e r f a h r e n s gegen im Dienst befindliche Wehrpflichtige bedarf es der Erlaubniß des eidgenössischen Militärdepartements.

Einige allgemein» Bestimmungen.

134. S o l d , W a f f e n , m i l i t ä r i s c h e K l e i d u n g s und A u s r ü s t u n g s g e g e n s t ä n d e oder D i e n s t p f e r d e von Wehrpflichtigen können weder gepfändet, noch für Forderungen mit Beschlag belegt, noch in Konkursmassen einbezogen werden.

135. Die V e r ä u ß e r u n g oder V e r p f ä n d u n g eines von dem Bunde oder den Kantonen gelieferten Bewaffnungs-, Bekleidungs- oder Ausrüstungsgegenstandes oder Dienstpferdes ist u n g ü l t i g und die bürgerlichen Erwerber eines solchen sind ihrem kompetenten Richter zu geeigneter Bestrafung zu überweisen (vergleiche bundesräthliche Verordnung vom 29. Oktober 1875).

136. Wehrpflichtige Verpfänder, Veräußerer, Ausleiher oder Uebernehmer und Entlehner von Ausrüstungsgegenständen jeder Art, auch wenn sie dem Veräußerer, Verpfänder oder Ausleiher gehören, sind nach Art. 114, Ziffer 6, des Militär-Strafgesetzes zur Strafe zu ziehen.

Bundesblatt. 36. Jahrg. Bd. III.

19

278 rechtsstreitigkeiten unter Militärpersonen.

137. R e c h t s s t r e i t i g k e i t e n zwischen Militärpersonen oder denselben Gleichgestellten (Art. l, Ziff. l, und Art. 2), welche w ä h r e n d des D i e n s t e s und aus d e m D i e n s t v e r h ä l t n i s s e s e l b e r e n t s t e h e n , sowie Inj u r i e n s t r e i t i g k e i t e n , welche während des Dienstes entstanden sind und nicht unter die Art. 38, 61, 68, 114 des Militär-Strafgesetzes fallen, können auf Verlangen eines jeden Betheiligten durch den Großrichter, unter dessen Jurisdiktion der beklagte Theil sich befindet, nach einem vorgängig zu bestimmenden summarischen Verfahren, erledigt werden.

Ein solches Urtheil soll schriftlich und motivirt sein und ist in der ganzen Eidgenossenschaft vollziehbar, ohne einem Rekurs an das Bundesgericht zu unterliegen, sofern es sich nicht um die Kompetenz handelt.

Militärtestament.

138. L e t z t w i l l i g e V e r f ü g u n g e n , welche eine Militärperson (Art. l, Ziffer l und Art. 2) bei drohender Gefahr des Ablebens schriftlich abfaßt, oder abfassen läßt, sind f o r m e l l g ü l t i g , sofern sie mit ihrer Unterschrift, oder einem diese ersetzenden Zeichen versehen und durch zwei Offiziere beglaubigt sind.

Im nämlichen Falle drohender Gefahr des Ablebens können solche letztwilligen Verfügungen auch m ü n d l i c h von vier Militärpersonen entgegengenommen werden. Dieselben sind jedoch gehalten, die vernommene Verfügung sobald thunlich in einen von ihnen allen unterzeichneten and mit dem gehörigen Datum versehenen Akt niederzuschreiben und denselben der Kanzlei einer benachbarten Gerichtsstelle, oder einem Militärarchiv zu übergeben.

Die in der einen oder andern dieser Formen getroffenen letztwilligen Verfügungen verlieren ihre Kraft, sofern der Testator nicht während seines Militärdienstes, oder binnen drei Monaten nach seiner Entlassung aus demselben verstorben ist.

279

Siebenter Titel.

Kriegsartikel.

Artikel I. Im Falle des a k t i v e n D i e n s t e s , d.h. .Aktiver wenn die Eidgenössische Armee, oder eine Abtheilung derselben, zum Kriege gegen einen äußeren oder inneren Feind, zur Aufrechterhaltung der schweizerischen Neutralität durch Besetzung der Grenzen oder sonstiger Landestheile, zur Verhütung oder Bewältigung von inneren Unruhen, oder zur Aufrechterhaltung der Ordnung bei einzelnen besonderen Veranlassungen aufgeboten ist -- kommen neben, beziehungsweise an Stelle der Vorschriften des Militär-Strafgesetzbuches, die nachstehenden K r i e g s a r t i k e l in Anwendung.

Dienst.

N i c h t in den Bereich derselben fallen der Instruktionsdienst jeder Art, sowie der Wacht- und Polizeidienst einzelner Truppenabtheilungen bei eidgenössischen oder kantonalen Festlichkeiten.

In zweifelhaften Fällen entscheidet der Bundesrath über die Anwendbarkeit der Kriegsartikel.

II. Die Kriegsartikel sollen bei Beginn des aktiven Dienstes den der Militärgerichtsbarkeit unterworfenen Militärpersonen (Art. l, Ziff. i und 2, und Art. 2 des Militär-Strafgesetzbuches) auf geeignete Weise in Erinnerung gebracht und ebenso der Civilbevölkerung, soweit sie unter ihre Wirksamkeit gestellt wird, öffentlich bekannt gegeben werden.

III. Außer den in Art.

buches genannten Personen tärischen Strafgesetzgebung z u s t a n d e s noch folgende

l und 2 des Militär-Strafgesetzfallen in den Bereich der miliim F a l l e e i n e s K r i e g s Personen:

Abänderungen ron Titel I des Militärstrafgesetzes.

280 1) Alle diejenigen, welche zum Feiude der Eidgenossenschaft gehören und sich in ihrer Gewalt befinden, also namentlich feindliche Truppen und Zugehörige derselben (letztere nach Analogie des Art. 2 des MilitärStrafgesetzbuches), Kriegsgefangene, Ueberläufer, Werber, Wegweiser, Kundschafter, oder andere Agenten des Feindes.

2) Alle Angehörigen des feindlichen Staates oder sonstige Fremde, welche innerhalb der Eidgenossenschaft, oder in den von ihren Truppen besetzten Gebieten, an feindseligen Handlungen gegen die Eidgenossenschaft theilnehmen.

IV. Dem eidgenössischen Bundesrath, sowie dem Höchstkommandirenden einer eidgenössischen Armee, im Nothfalle auch den Kommandanten vereinzelt operirender Armeekorps oder Divisionen, bleibt es vorbehalten, i in K r i e g e gegen einen äußeren oder inneren Feind und für die Dauer der aktiven kriegerischen Operationen die gesammten Bewohner der von dem Kriege berührten eigenen oder fremden Laudestheile unter das Militär-Strafgesetzbuch, mit Einschluß der Kriegsartikel, zu stellen und demgemäß, insoweit dieß hiedurch bedingt ist, die Preßfreiheit, das Vereinsrecht, die Gewerbeund Verkehrsfreiheit, die Kultus- und Niederlassungsfreiheit ganz oder theilweise zususpendiren..

Es muß jedoch eine solche Maßregel vor ihrem Inkrafttreten öffentlich ausgekündet werden und darf nicht länger andauern, als das Kriegsbedürfniß es unmittelbar erheischt.

Abänderungen von Titel II u. II des Militärstrafgesetzes.

V. Die im aktiven Dienste begangenen gemeinen und militärischen Verbrechen werden nach den Bestimmungen der Titel II und III dieses Gesetzes bestraft ; es kann jedoch in denjenigen Fällen, in welchen lebenslängliches Zuchthaus angedroht ist, ferner im Falle von Hochverrath, schwerer Insubordination im Komplott, Desertion vor dem Feind oder zu dem Feind hinüber auch auf T o d e s s t r a f e erkannt werden.

281 VI. Ebenso können O r d n u n g s f e h l e r , sofern eine strengere Behandlung derselben im Interesse der Manuszucht nothwendig erscheint, im Ein verstau dniß mit dem Auditor zu kriegsgerichtlicher Behandlung überwiesen und mit Gefängnißstrafen bis auf l Jahr bestraft werden.

Abänderung von Titel V des MilitärStrafgesetzes.

VII. C i v i l p e r s o n e n , welche im aktiven Militärdienst befindliche oder zu einem solchen aufgebotene Wehrpflichtige zur Verletzung ihrer militärischen Obliegenheiten zu verleiten suchen, oder welche in K r i e g s z e i t e n die militärische Ordnung und Sicherheit des Landes gefährden, können durch die militärische Justiz mit Zuchthaus bis auf 10 Jahre bestraft werden. Kompetent hiefür ist das Kriegsgericht derjenigen Division, in deren Kreis, beziehungsweise Okkupationsgebiet, das Vergehen begangen wird.

VIII. C i v i l p e r s o n e n , welche gemeinschaftlich mit Militärs oder denselben Gleichgestellten (Art. l, Ziff. l und 2, und Art. 2 des Militär-Strafgesetzbuches) während des aktiven Dienstes derselben Verbrechen begehen, oder als Anstifter, Gehilfen, Begünstiger bei solchen betheiligt sind, können g l e i c h z e i t i g mit den militärischen Betheiligten und nach den Bestimmungen des Militärstrafgesetzes, beziehungsweise der Kriegsartikel, durch das für die militärischen Theilnehrner kompetente Kriegsgericht abgeurtheilt werden.

IX. Die Militärgerichte nehmen im Falle des aktiven Dienstes die Bezeichnung K r i e g s g e r i c h t e an.

Sie verfahren nach den Vorschriften des Militär-Strafgesetzbuches (Titel IV), jedoch mit folgenden A u s n a h m e n : 1) Mit jeder kriegsgerichtlichen Untersuchung kann durch Verfügung des Höchstkommandirenden S u s p e n s i o n des Angeklagten in seinen dienstlichen Funktionen und Gefängnißhaft, mit jeder kriegsgerichtlichen Verurtheilung durch das Urtheil D i e n s t e n t l a s s u n g und Versetzung in die Klasse der Militärsteuerpflichtigen verbunden werden.

Abänderungen von Titel IV des Militärstrafgesetzes.

282 2) la Fällen von G e s c h ä f t S i l b e r H ä u f u n g kann der Großrichter einer im aktiven Dienst befindlichen Division, unter Zustimmung des Oberauditors, Angeklagte, deren Beurtheilung weniger dringend erscheint, nebst den Protokollen der Voruntersuchung an das Militärgericht einer anderen, aufgebotenen oder nicht aufgebotenen, Division abgeben.

3) An die Stelle des Bundesrathes, beziehungsweise des eidgenössischen Militärdepartements, tritt, insbesondere in den Fällen der Art. 9, 10, 11, 74, 86, 101, 104, 124, 126, 130, 133 des Militär-Strafgesetzbuches der H o c h s tko m m a u d i r en d e , im Nothfalle bei abgeschnittenen Truppenkorps, die sich unmittelbar vor dem Feinde befinden, auch der Kommandant eines solchen.

4) Bin solcher Kommandant ist auch befugt, zur Behandlung dringender Straffälle, die keinen Aufschub gestatten, ein a u ß e r o r d e n t l i c h e s K r i e g s g e r i c h t , bestehend aus 3 Offizieren, zu ernennen, welches sodann mit Hinzuloosung von 4 weiteren Offizieren, beziehungsweise 2 Offizieren und 2 Unteroffizieren (je nachdem der Straffall Offiziere, oder Unteroffiziere und Soldaten betrifft), mit allen Befugnissen und naeh dem Verfahren der ordentlichen Militärgerichte aburtheilt. Die Stelle des Auditors übernimmt dabei der nächsthöchste Offizier nach dem Kommandanten.

5) Im Kriegsfalle und unmittelbar vor dem Feind kann der Höchstkommandirende, beziehungsweise der Kommandant eines abgeschnittenen Truppenkorps, die K a s s a t i o n oder R e v i s i o n eines Strafurtheils anordnen und ebenso, unter eigener verwertender Beurtheilung solcher Begehren, die Exekution eines kriegsgerichtlichen Urtheils befehlen.

6) Dem Höchstkommandirenden steht während der Dauer eines Krieges gegen einen äußeren oder inneren Feind das B e g n a d i g u n g s r e c h t gegenüber allen kriegsgerichtlichen Verurteilungen zu.

283

X. Jeder S c h w e i z e r b ü r g e r , welcher in einem KriegsTenath.

äußern oder innern Kriege der Eidgenossenschaft die Waffen gegen dieselbe trägt, oder in Beamten- oder diplomatischer Stellung, oder in irgend einer andern Art an den Peinseligkeiten gegen dieselbe aktiven Antheil nimmt, oder überhaupt durch irgend eine Handlung oder Unterlassung vorsätzlicher Weise die Absichten des Feindes begünstigt, macht sich des H o c h v e r r a t h e s im K r i e g e (Kriegsverraths) schuldig und wird -- gleichviel ob er unter die in Art. l und 2 des Militär-Strafgesetzbuches aufgezählten Personen gehöre oder nicht -- in der Regel mit Zuchthaus bis auf Lebenszeit, in schwereren Fällen mit dem Tode bestraft.

XI. Mit den gleichen Strafen können wegen der nämlichen Handlungen oder Unterlassungen auch alle E i n w o h n e r der Schweiz von nichtschweizerischer Nationalität, oder die Bewohner der von den schweizerischen Truppen okkupirten fremden Gebiete belegt werden, insofern ihnen die Kriegsartikel vorher öffentlich bekannt gegeben worden sind.

XII. Den Strafen des Hochverrathes im Kriege unter- Besondere Fälle.

liegen i n s b e s o n d e r e Schweizerbürger und unter den Voraussetzungen des Kriegsartikels XI auch andere daselbst genannte Personen, 1) Wenn sie feste Plätze, Pässe, Vertheidigungsanstalten, Truppen oder einzelne Militärs, Schiffe, Kassen, Zeughäuser, Magazine oder sonstige Vorräthe an Waffen, Munition oder Kriegsbedarf jeder Art vorsätzlich in Feindesgewalt bringen, oder für den eigenen Bedarf unbrauchbar machen.

2") Wenn sie dem Feinde Mannschaft werben oder zuführen oder die eigene Mannschaft verleiten, zu desertiren, oder zum Feinde überzugehen.

3) Wenn sie' dem Feinde in böswilliger Absicht Mittheilungen machen, welche die eigene Kriegsführung betreffen, beziehungsweise einen solchen Verkehr Dritter

·284 vermitteln oder befördern, oder umgekehrt den eigenen Truppen dienstliche Mitteilungen, die ihnen obliegen, vorenthalten, oder absichtlich falsche Angaben machen.

4) Wenn sie dem Feinde ohne einen Zwang, der mit unmittelbarer Lebensgefährdung verbunden ist, als Wegweiser, Boten, Telegraphisten oder in ähnlicher Stellung Dienste leisten oder in solcher Stellung die eigenen Truppen absichtlich irre führen.

5) Wenn sie absichtlich oder aus grober Fahrlässigkeit eine ihnen obliegende Sorge für die Verpflegung oder Sicherheit der eigenen Truppen unterlassen oder untaugliche Munition, Waffen- oder sonstige Kriegsbedürfnisse anschaffen, anfertigen oder anfertigen und austheilen lassen.

6) Wenn sie Kriegsgefangenen, oder Spionen und Hochverräthern zur Befreiung verhelfen.

7) Wenn sie als Befehlshaber eines Platzes, eines zum Kriegsdienste verwendeten Schiffes, eines Vertheidigungspostens oder einer Truppenabtheilung überhaupt kapituliren, ohne vorher alle Mittel der Vertheidigung erschöpft zu haben.

8) Wenn sie feindliche Kriegsanlehen zur Betheiligung auflegen oder öffentliche Aufforderungen hiezu erlassen, oder dem Feinde Waffen, Munition oder andern Kriegsbedarf liefern oder mit der Fabrikation solcher Gegenstände, mit dem Bewußtsein ihrer feindlichen Bestimmung, sich gewerbsmäßig beschäftigen.

XIII. Die bloße Betheiligung bei feindlichen Kriegsanlehen oder bei Industrie-, Handels- und Transportgeschäften, welche feindlichen Kriegszwecken dienen, wird gegenüber Wehrpflichtigen und ihnen gleichgestellten Personen (Art. 1.

Ziff. l und 2, und Art. 2 des Militärstrafgesetzes) mit Zuchthaus bis auf 5 Jahre, bei andern Bürgern und Einwohnern der Schweiz und der von ihren Truppen okkupirten Gebiete mit Gefängniß bestraft.

285 XIV. Wer während des Gefechtes aus Feigheit die Feigheit vor Flucht ergreift oder Andere durch Worte oder Zeichen dazu veranlaßt, oder durch Vorsehützung von Verwundung, Krankheit, oder durch absichtlich herbeigeführte Trunkenheit sich einer mit Gefahr verbundenen Dienstleistung zu entziehen sucht, oder auf dem Marsche und bei dem Angriffe heimlich zurückbleibt, sich wegschleicht, versteckt, Waffen oder Munition wegwirft oder im Stiche läßt, Geschütze oder Militärfuhrwerke zur Erleichterung der Flucht ausspannt, oder sich ohne vorherige gehörige Gegenwehr gefangen nehmen läßt -- macht sich der F e i g h e i t vor d e m F e i n d e schuldig und wird mit Zuchthaus bis auf Lebenszeit, in schwereren Fällen mit dem Tode bestraft.

XV. Jeder militärische Vorgesetzte oder im Grade Höherstehende ist berechtigt, einen solchen Feigling, der einer Aufforderung zur Pflicht nicht augenblicklich Folge leistet, niederzumachen, oder niedermachen zu lassen.

XVI. Wird hingegen einem derartigen Befehle sofort Folge geleistet, oder hat Jemand, der sich einer feigen Handlungsweise schuldig gemacht, später hervorragende Beweise von Tapferkeit oder Aufopferung abgelegt, so kann er für die vorangegangene Feigheit disziplinarisch bestraft, oder auch gänzlich mit Strafe verschont werden.

XVII. Wehrpflichtige oder denselben gleichgestellte piundemne, Personen, welche im Kriege ohne Brlaubniß ihrer militärischen Requisitionen.

Vorgesetzten und ohne dringendes Bedürfniß den Landeseinwohnern gehörige Sachen offen wegnehmen, oder abnöthigen oder welche ohne Befugniß hiezu, beziehungsweise mit Ueberschreitung einer solchen oder einer dringenden Nothwendigkeit, Requisitionen vornehmen oder Kriegsschatzungen und Zwangslieferungen auflegen, oder welche endlich für weggenommenes oder requirirtes Eigenthum die Ausstellung von Empfangs-Bescheinigungen verweigern, machen sieh

286

einer P l ü n d e r u n g (unbefugten Requisition) schuldig und werden hiefür mit Gefängniß, in unbedeutenden Fällen disziplinarisch bestraft.

dentemachen.

XVIII. Die Nichtablieferung von im Gefechte gemachter Beute wird, sofern keine entgegenstehenden besondern Verordnungen hierüber erlassen werden, disziplinarisch bestraft.

XIX. Wenn Personen, welche nicht zu der Armee gehören, sich im Gefolge derselben Plünderung oder Beutemachen erlauben, oder Gefangene, Verwundete und Todte berauben, so können dieselben von dem Kriegsgerichte derjenigen Division, in deren Gewalt sie sich befinden, mit Gefängniß oder Zuchthaus bestraft und in Fällen, wo sie gegen Verwundete Gewalt anwenden, oder dieselben tödten, oder sich gegen die Verhaftung zur Wehre setzen, von jeder Militärperson auf frischer That straflos niedergemacht werden.

Marodiren.

Vergehen von Schildwachen.

XX. Wehrpflichtige oder denselben gleichgestellte Personen, welche als Nachzügler sieh Bedrückungen gegen die bürgerlichen Einwohner des eigenen oder feindlichen Landes erlauben, werden wegen M a r o d i r en s mit Gefängniß, in geringfügigen Fällen disziplinarisch bestraft.

Wird diese Handlung von Mehreren begangen, die sich zur fortgesetzten Ausübung derselben verbunden haben, oder artet dieselbe in strafbare Plünderung, Zerstörung oder andere Verbrechen aus, so kann auch Zuchthausstrafe bis auf 10 Jahre eintreten.

XXI. Wer als ä u ß e r e S c h i l d w a c h e oder V e d e t t e einer unmittelbar vor dem Feinde stehenden Truppe seinen Posten verläßt, oder auf demselben schläft, oder sieh durch Betrunkenheit dienstunfähig macht, wird mit dem Tode bestraft.

Fand das Vergehen unter besonders entschuldbaren Verhältnissen und ohne Nachtheil für die eigene Armee statt, oder stand die Truppe nicht unmittelbar vor dem Feinde, so kann Zuchthausstrafe angewendet werden.

287 In Fällen anderen aktiven Dienstes kann auch Gefängnißstrafe eintreten.

Als unmittelbar vor dem Feinde befindlich ist jede Truppe zu betrachten, bei welcher, in G-ewärtigung eines Zusammenstoßes mit dem Feinde, der Sicherheitsdienst gegen denselben begonnen hat.

XXII. Personen, welche mittelst vorsätzlicher oder erGefährdung tn * Kriegsmacht fahrlässiger Verletzung einer Dienstpflicht, jedoch außer den im Felde.

in Kriegsartikel X--XIII genannten Verhältnissen, den eigenen Truppen Gefahr oder Nachtheil bereiten oder die Unternehmungen des Feindes befördern, werden wegen G e f ä h r d u n g der K r i e g s m a c h t ira F e l d e mit Zuchthaus bis auf 5 Jahre, in geringfügigen Fällen mit Gefängniß bestraft.

XXIII. Ebenfalls mit Gefängniß, in schwereren Fällen widerstand gegen mit Zuchthaus bis auf 5 Jahre werden alle Einwohner des * Ordnungen."

eigenen oder eines von den eigenen Truppen okkupirten ·Gebietes bestraft, welche: 1) entgegen einem Befehl der militärischen Obergewalt, jedoch ohne hochverrätherische Absicht, Pferde, Waffen, Lebensrnittel, Munition, oder andere Kriegsbedürfaisse bei sich verbergen, dem ö f f e n t l i c h e n B e d ü r f n i s s e e n t z i e h e n oder die gesetzlichen Zahlungsmittel anzunehmen sich weigern; 2) sieh der Uebergabe von Bisenbahnen und anderer Transportmitteln oder überhaupt von Gegenständen jeder Art, welche für den öffentlichen Dienst auf gehörige Weise r e q u i r i r t werden (Art. 226 der eidgenössischen Militärorganisation) absichtlieh widersetzen, oder solche Gegenstände verheimlichen, zerstören, beschädigen oder bei Seite schaffen, oder Anderen hiezu behiilflich sind ; 3) sich während der Dauer des Krieges allgemeinen Anordnungen der militärischen oder bürgerlichen Gewalt

288 mit Worten oder thatsächlich widersetzen, oder Ander» dazu anleiten; 4) sich eine den Erfolg der Kriegführung gefährdende Agitation zum Behufe von Verfassungsveränderungen oder Veränderung der militärischen Obergewalt zu Schulden kommen lassen; 5) sich über innere Verhältnisse oder über die Leitung der Kriegsangelegenheiten eigenmächtig mit einer fremden Macht in Verhandlungen begeben.

Vergehen gegen das Völkerrecht,

XXIV. Mit Zuchthaus werden Wehrpflichtige oder ihnen gleichgestellte Personen bestraft, welche: 1) die inoffensive Bevölkerung des feindlichen Landes mißhandeln oder bedrücken; 2) dem Feinde gegenüber von Gift, oder von soleheu Waffen oder sonstigen Kriegsmitteln Gebrauch machen., welche durch die Konvention von St. Petersburg, oder durch irgend eine spätere Vereinbarung, welcher die Eidgenossenschaft beigetreten sein wird, verboten sind : 3) in verrätherischer Weise, z. B. unter Vorgabe, sieh ergeben zu wollen, unter Gebrauch falscher Fahnen oder Uniformen, oder unter dem Schutz einer Parlamentärflagge den Feind angreifen : 4) Feinde, die sich ergeben wollen, oder feindliche Verwundete, welche sich nicht weiter zur Wehr setzen, tödten, oder Todte verstümmeln ; 5) die Genferkonvention, oder ähnliche zum Schutze der Verwundeten und Kranken getroffene Vereinbarungen und Dienstbefehle verletzen ; 6) Kriegsgefangene oder Parlamentäre oder andere Personen, die der Armee mit Erlaubniß folgen, ohne Grund tödten, verwunden, mißhandeln, beleidigen, oder ihnen den notwendigen Lebensunterhalt verweigern ;

289 7) ohne eine militärische Notwendigkeit, beziehungsweise mit Ueberschreitung der Gränzen einer solchen, oder eines gegebeneu Befehles, boshaft oder muthwillig verwüsten ; 8) sich anderweitige, hier nicht aufgeführte Verletzungen des allgemein anerkannten Kriegsreehts civilisirter Völker, oder besonderer hierauf bezüglicher Verträge, Réglemente und Proklamationen der eidgenössischen Behörden, oder des Höchstkommandirenden zu Schulden kommen lassen.

Liegt in einer dieser strafbaren Handlungen zugleich ein Verbrechen, welches in den Titeln II und III dieses Gesetzes mit l e b e n s l ä n g l i c h e m Zuchthaus bedroht ist, so kann .statt dieser Strafe auch auf Tod erkannt werden.

Liegt dagegen lediglich ein leichtes Vergehen gegen die Bestimmungen dieses Artikels vor, so kann dasselbe mit Zustimmung des Oberauditors auch mit Gefängniß bestraft werden.

XXV. Jeder Vorgesetzte oder im Grade Höherstehende, Grundsätze der i i · rr · rii.

u j T> t j Verantwortlich ·welcher i m K r i e g e untergebene von der .Begehung der keit.

durch die Kriegsartikel mit Strafe bedrohten Handlungen, bei ·denen er sie betrifft, nicht nach allen seinen Kräften abhält, oder sofern die Handlung oder ein strafbarer Versuch derselben schon stattgefunden hat, nicht zur Anzeige bringt, wird mit der nämlichen Strafe belegt, welche auf das Vergehen gesetzt ist.

XXVI. Jeder Untergebene oder unter militärischem Befehl Stehende ist straflos, wenn er im K r i e g e eine der durch die Kriegsartikel verbotenen Handlungen auf den ausdrücklichen Befehl irgend eines militärischen Vorgesetzten oder im Grade Höherstehenden begeht, und die Verantwortlichkeit dnfür geht allein auf den befehlgebenden Oberen über.

Geringfügige Ueberschreitungen von derartigen Befehlen können in allen Fällen disziplinarisch bestraft werden.

290

Spione.

XXVII. Wer dem Feinde als S p i o n dient, gleichviel, ob er zu den Militärpersonen oder zu den Bürgern oder Einwohnern des eigenen, eines fremden, oder des feindlichen Staates gehöre, soll von dem Kriegsgerichte der Division, in deren Gewalt er geräth, zum Tode, in minder schwere» Fällen zu Zuchthausstrafe verurtheilt werden.

XXVIII. F e i n d l i c h e M i l i t ä r p e r s o n e n , welche ohne Verkleidung in das diesseitige Operationsgebiet sich begeben, Träger von offiziellen Depeschen, welche ihre Sendung offen betreiben, Luftschiffer und der feindlichen Armee attachirte Kriegskorrespondenten, welche ihre Stellung- nicht mißbrauchen, dürfen nicht als Spione behandelt, sondern bloß gefangen genommen werden.

XXIX. Ein Spion darf immer nur für diejenige Kundschaftung, bei welcher er ergriffen worden ist, nicht aber für frühere Handlungen ähnlicher Art, bestraft werden.

vergehen von

XXX. Wer als feindlicher P a r l a m e n t ä r , oder als Begleiter eines solchen das auf ihn gesetzte Vertrauen 7,u Kundschafterei, Anstiftung von Insubordination, Desertion, oder in sonstiger Weise mißbraucht, kann von dem Kriegsgerichte der Division, in deren Gewalt er sich befindet, als Spion behandelt werden.

XXXI. Der gleichen Behandlung können feindliche Militärpersonen unterworfen werden, welche die Bestimmungen und Abzeichen der Genferkonvention, oder einer ähnlichen Vereinbarung oder Verordnung zum Schutze von Verwundeten, Kranken, Spitälern etc. in täuschender Absicht mißbrauchen, um damit einen persönlichen, oder allgemeinen militärischen Vortheil zu erzwecken.

Kriegahaft.

XXXII. Während der g a n z e n D a u e r d e s K r i e g e s können in V e r hat't gesetzt werden:

291 1) Ausländer, welche eine ihnen von den schweizerischen Civil- oder Militärbehörden eingeräumte Stellung, die ihnen die Beobachtung militärischer oder politischer Maßregeln erlaubt, in absichtlicher oder fahrlässiger Weise zur Schädigung der schweizerischen Interessen mißbrauchen.

2) K r i e g s g e f a n g e n e , die aus einem dem Völkerrecht entsprechenden Gewahrsam oder unter Bruch eine» freiwillig abgegebenen Versprechens entfliehen, oder sich in der Kriegsgefangenschaft störrisch und widersetzlich benehmen.

Doch dürfen dieselben anders als auf der Verfolgung und zum Behufe der Wiedereinbringung weder getödtet, noch verletzt, auch nicht anders als mit Gefängniß für die Flucht bestraft und unter keinen Umständen zu irgend welchen Mittheilungen gegen dasInteresse ihres Staates, oder zur Abgabe von Ehrenwort und sonstigen Versprechungen g e n ö t h i g t werden.

XXXIII. Insoweit die Eidgenossenschaft späterhin Schiussvorbehait durch neue Verträge oder schiedsgerichtliche Entscheidungen, oder durch eigene einseitige Deklarationen zur Beobachtung neuer, beziehungsweise anderer Regeln des Kriegsrechtes verpflichtet wird, sind an die Nichtbeobachtung solcher Verpflichtungen, sobald deren Publikation erfolgt ist, die nämlichen Straffolgen geknüpft, welche in Art. XXIV für die Verletzung völkerrechtlicher Grundsätze aufgestellt sind.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend das Militärstrafgesetzbuch für die schweizerische Eidgenossenschaft. (Vom 30. Mai 1884.)

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21.06.1884

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