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Kreisschreiben des

Bundesrathes an sämmtliche eidgenössische Stände, betreffend die Jacquard-Webereien.

(Vom 29. November 1884.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Mit Schreiben vom 16. Februar 1884 lenkte eine Kantonsregierung die Aufmerksamkeit unsers Handels- und Landwirthschaftsdepartements auf mehrfache, in J a c q u a r d - W e b e r e i e n ihres Kantons vorgekommene schwere Fälle von Bleierkrankungen der Arbeiter. Die von ihr darüber angeordnete Untersuchung ergab als Ursache derselben den Bleistaub, der, durch Aneinanderreihen deiin der Anzahl von vielen Tausenden an den Jacquard-Webstühlen angebrachten, bei jedem Schuß auf- und niedersteigenden Bleistäbchengewichte erzeugt, theilweise der Respirationsluft sich beimengt, theilweise am Boden und auf den festen Gegenständen sich niederschlägt.

Aus den Berichten einiger über das Vorkommen gleicher Krankheiten in ihren Kantonen angefragten Regierungen geht hervor, daß solche in denselben bisher nicht beobachtet wurden, daß aber in den betreffenden Jacquard-Webereien statt bleierner Stäbchen beinahe ausschließlich e i s e r n e Stäbchen zur Anwendung kommen.

Aus den einschlägigen Berichten des Fabrikinspektorates sodann ergibt sich, daß auch schon versucht wurde, die Bleistäbchen durch einen festhaftenden Ueberzug vor dem Abreiben zu schützen, daß dieses Verfahren jedoch keine vollkommene Abhülfe gewährt, weil der Ueberzug sich bald abnutzt, und daß nur durch die Verwendung von Eisenstäbchen die höchst gefährliche Einwirkung des Bleies auf Gesundheit und Leben der Arbeiter beseitigt werden

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kann. Der Ersatz der Bleistiibchen durch Eisenstäbchen würde nach Berechnung des Fabrikinspektorats, wenn dafür ein Zeitraum von zwei Jahren festgesetzt wurde, dem Eigenthümer nur geringe Kosten, circa Fr. 20 per Webstuhl, auferlegen.

Mit Rücksicht auf diese Verhältnisse und gestützt auf Art. 2, Alinea 4, Art. 3, Alinea 3, und Art. 5, litt, d, des Bundesgesetzes betreffend die Arbeit in den Fabriken haben wir daher folgende Schlußnahmen gefaßt: 1. J a c q u a r d - W e b e r e i e n mit mehr als 5 Arbeitern, welche in einer oder mehreren, demselben Besitzer gehörigen Räumlichkeiten betrieben werden, sind als Fabriken im Sinne von Art. l des Bundesgesetzes betreffend die Arbeit in den Fabriken zu betrachten, falls die Webstühle durch Motoren betrieben werden oder mit Bleistäbchengewichten versehen sind. Trifft keine dieser beiden Bedingungen zu, so sind sie erst bei einer Arbeiterzahl von mehr als 25 als Fabriken zu betrachten.

2. Die Bleistäbchengewichte an allen Jacquard-Webstühlen sind innerhalb zwei Jahren, vom 1. Januar 1885 an gerechnet, durch Eisengewichte zu ersetzen.

3. Bis zur vollständigen Durchführung dieser Maßregel wird auf die Jacquard-Webereien, in welchen Bleistäbchengewichte verwendet werden, im Sinne von Art. 5, lilt. d, des Bundesgesetzes betreffend die Arbeit in den Fabriken die Haftpflicht ausgedehnt.

Indem wir uns beehren , Ihnen diesen Beschluß zur Kenntniß zu bringen, laden wir Sie gleichzeitig ein, denselben gemäß Art. 17 des Gesetzes zur Ausführung zu bringen.

Dabei benutzen wir neuerdings den Anlaß, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, sammt uns in Gottes Machtsehutz zu empfehlen.

B e r n , den 29. November 1884.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Kreisschreiben des Bundesrathes an sämmtliche eidgenössische Stände, betreffend die Jacquard-Webereien. (Vom 29. November 1884.)

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1884

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58

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04.12.1884

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