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Kreisschreiben des

Bundesrathes an sämmtliche eidgenössische Stände, betreffend die Ertheilung des Schweizerbürgerrechts.

(Vom 10. März 1884.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Das Bundesgesetz betreffend die Ertheilung des Schweizerbürgerrechts und den Verzicht auf dasselbe vom 3. Heumonat 1876 bestimmt im Art. 2, Lemma l, daß die Bewilligung zur Erwerbung eines schweizerischen Kantons- und Gemeindebürgerrechts nur an solche Bewerber ertheilt werden darf, welche seit zwei Jahren in der Schweiz ihren ordentlichen Wohnsitz haben. Unter ,,ordentlichem Wohnsitz" ist der wirkliche und ununterbrochene Aufenthalt verstanden.

Vielfach sind die Bewerber nicht in der Lage, dieses Requisit zu erfüllen. Es ist dies namentlich bei solchen der Fall, welche das Bürgerrecht in der alleinigen Absicht erwerben wollen, sich der Militärdienstpflicht in ihrem Heimatlande zu entziehen. Diese Leute begnügen sieh oft, eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung zu erwirken, ohne davon Gebrauch zu machen und ihren Wohnsitz wirklich nach der Schweiz zu verlegen.

Nun sind aber die Fälle nicht selten, daß Zeugnisse über ,,den zweijährigen ordentlichen Wohnsitz in der Schweiz" von den Ortspolizeibehörden auf die bloßen Nachweise ertheilt werden, daß der Betreffende vor zwei Jahren eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung erhalten, daß er seinen Heimatschein noch nicht zurückgezogen, oder daß er sich noch nicht abgemeldet habe etc.

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Wir müssen ein solches Verfahren, durch welches das Bundesgesetz in seiner Hauptbestimmung verletzt wird, als ein fahrläßiges bezeichnen und dürfen Ihrer Unterstützung sicher sein, wenn wir anmit verlangen, daß ernstlich dagegen eingeschritten werde.

Der Bundesrath hält strenge daran fest, daß jeder Bewerber um das Bürgerrecht sich über eine ununterbrochene zweijährige Anwesenheit in der Schweiz auszuweisen habe, und kann nicht zugeben, daß durch die bloße Einlage von Schriften und die Ertheilung von Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligungen die persönliche Anwesenheit ersetzt werden könne.

Wir laden Sie daher ein. dafür Sorge tragen zu wollen, daß die fraglichen Zeugnisse sich über den gesetzlich geforderten w i r k l i c h e n W o h n s i t z aussprechen und daß darin angegeben werde, auf welche Nachweise hin dieselben ausgestellt worden seien, indem ,wir sonst die Gesuche um Bewilligung zur Aufnahme in das Bürgerrecht abzuweisen im Falle wären.

Wir ersuchen Sie, uns gefälligst über die Maßregeln zu verständigen, welche Sie zur Vollziehung dieses Kreisschreibens Betroffen haben, und benutzen den Anlaß, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, sammt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

B e r n , den 10. März 1884.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Kreisschreiben des Bundesrathes an sämmtliche eidgenössische Stände, betreffend die Ertheilung des Schweizerbürgerrechts. (Vom 10. März 1884.)

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Jahr

1884

Année Anno Band

1

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12

Cahier Numero Geschäftsnummer

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

15.03.1884

Date Data Seite

430-431

Page Pagina Ref. No

10 012 246

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