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Schweizerisches Bundesblatt.

36. Jahrgang. IV.

Nr. 58.

4. Dezember 1884.

Jahresabonnement (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Pranken.

Einrückungsgebühr per Zeile 15 Bp. -- Inserate sind franko an die Expedition einzusenden.

Druck, und Expedition der Stämpflischen Buchdruckerei in Bern.

# S T #

Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend die auf die Alkoholfrage bezüglichen Postulate und Petitionen.

(Vom 20. November 1884.)

Tit.

Die vorliegende Botschaft war im Wesentlichen bereits von uns festgestellt, als der Nationalrath am 24. Juni d. J. den Beschluß faßte, eine Reihe von Motionen, deren Mehrzahl auf Aenderung verschiedener Artikel der Bundesverfassung abzielt, dem Bundesrathe mit der Einladung zuzuweisen, darüber Bericht und eventuell Anträge zu hinterbringen.

Diesem Beschlüsse gegenüber haben wir uns die Frage gestellt, ob der vorliegende Antrag zu verschieben und mit denjenigen Vorlagen zu verbinden sei, welche wir Ihnen in Bezug auf jene Motionen zu unterbreiten im Falle sein werden. Verschiedene Gründe haben uns veranlaßt, diese Frage zu verneinen.

Soweit diese Motionen mit der gegenwärtigen Vorlage im Zusammenhange stehen, sind dieselben darin berücksichtigt. Zwischen den übrigen uns zum Bericht überwiesenen Gegenständen und demjenigen dieser Vorlage besteht keine innere Verwandtschaft. AllerBundesblatt. 36. Jahrg. Bd. IV.

26

370

dings befassen dieselben sich ebenfalls mit verschiedenen volkswirtschaftlichen Fragen; aber diese gehören ganz andern Gebieten an und sind auch unter sich so verschieden, daß sich kein Grund für eine gleichzeitige Behandlung finden Hißt. Die Alkoholfrage, wie wir die uns vorliegende allgemein nennen wollen, hat mit der Auswanderung und Kolonisation, mit dem Schütze der Arheiter in und außerhalb der Fabriken, mit dem Bankwesen, kurz mit den übrigen in den Motionen angeregten Fragen nichts zu schaffen. Jede dieser Fragen ist zudem so schwierig und so wichtig, daß sie die genaueste Vorbereitung fordert und die Aufmerksamkeit der Behörden und des Volkes in vollem Maße in Anspruch nimmt, wenn deren Erledigung eine ernste, sachgemäße und durch keine Nebenrücksichten bedingte sein soll. Solche Nebenrücksichten machen sich aber naturgemäß sofort geltend, wenn verschiedenartige Aufgaben neben einander behandelt werden, und es ist dies ganz besonders dann der Fall, wenn überdies noch die Erörterung und der Kampf um politische Rechte und Einrichtungen hinzutritt, was nothwendig geschieht, sobald unsere Frage mit den sämmtlichen pendenten Motionen zusammengekettet würde.

Eine solche Verkettung unserer Frage mit all' jenen mannigfaltigen und weitgreifenden Anregungen würde gegenüber dem Nothstande und der Gefahr, in welcher sich infolge der Schnapspest ein großer Theil unseres Volkes befindet, gegenüber den Mahnstimmen der öffentlichen Meinung, gegenüber Ihren eigenen dringenden Einladungen zu baldiger Einbringung einer Vorlage -- wir erinnern nur an den Ständerathsbeschluß vom 9. Juli 1883 , betreffend die Motion Wirz -- als eine wissentliche und frei gewollte Verschleppung, als ein ungerechtfertigtes Außerachtlassen wachsender Schäden erscheinen, für welche w i r die Verantwortung nicht übernehmen können. Haben ja doch Sie selbst dieses Traktandum durch verschiedene Beschlüsse als ein durchaus selbstständiges bezeichnet und zur Behandlung desselben schon vor dem Erscheinen unserer Botschaft eigene vorberathende Kommissionen aufgestellt.

371

Daß aber eine Vorlage des Bundesrathes über die verschiedenen Motionen nicht in nächster Zeit zu erwarten ist, liegt in der Natur der Sache. Wir haben zwar, obschon diese Arbeit von dem neu zu bestellenden Bundesrathe auszuführen sein -wird, im Interesse der Förderung der Sache den einzelnen Departementen die einschlägigen Materien zur vorläufigen Untersuchung und Vorbereitung zugewiesen und sie eingeladen, uns ihre Berichte und Anträge so bald wie möglich und spätestens bis zum \. Mai nächsten Jahres vorzulegen; wir wünschen die Arbeit mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln zu fördern und werden der Bundesversammlung unsere Anträge unterbreiten, sobald dieses in Bexug auf einen oder mehrere der angeregten Punkte möglich sein wird.

Es dürfen jedoch diese neuen Aufgaben für uns kein Grund sein, die Abwicklung einer alten dringenden Aufgabe zu verschieben.

Wir haben somit die Ehre, Ihnen den nachfolgenden Bericht vorzulegen.

372

Tit.

Nachdem die schon im Jahre 1878 in der Bundesversammlung aus fiskalischen Gründen augeregte höhere Besteurung von Tabak und Sprit in dem Zollgesetee vom 20. Juni 1879 einen vorläufigen Abschluß gefunden hatte, wurden unterm 23. Dezember 1881 bei Gelegenheit der Berathung des Budgets pro 1882 die Postulate gestellt und angenommen: ,,Der Bundesrath wird eingeladen , von der im Bundesgesetze vom 20. Juni 1879, Art. 2, erhaltenen Ermächtigung, betreffend Erhöhung des E i n g a n g s z o l l s auf B r a n n t w e i n u. s. w., bald thunlichst in geeigneter Weise Gebrauch zu machen.tt (Dieses ist sofort nach Abschluß des Handelsvertrages mit Frankreich geschehen durch die Bundesrathsbeschlüsse vom 12. und 17. Mai 1882.)

,,Der Bundesrath wird ferner eingeladen, zu prüfen, oh nicht auf dem Wege der Verständigung mit den Kantonsregierungen Maßregeln zu ergreifen sind , um d e m s i c h steigernden, übermäßigen Genuß von Alkohol zu steuern und darüber Bericht und Anträge vorzulegen.14 Eine von der schweizerischen gemeinnützigen Gesellschaft, welche sich in ihrer Jahresversammlung von 1881 ebenfalls mit dieser Frage befaßt hatte, zu diesem Zwecke eingesetzte und beauftragte Kommission fand die Ursache der zunehmenden Trunksucht in der Zunahme der Wirtschaften, welche wiederum eine Folge davon sei, daß durch die Interpretation des Artikels 31 der Bundesverfassung der Grundsatz der Normalzahl, welcher vor 1874 den meisten kantonalen Wirthschaftsgesetzen zu Grunde gelegen habe, beseitigt worden, und beantragte daher in einer Eingabe vom Mai 1882: ,,Es sei entweder durch eine authentische I n t e r p r e t a t i o n des Art. 31 der Bundesverfassung, oder wenn nöthig durch eine E r g ä n z u n g desselben, d e n k a n t o n a l e n B e h ö r d e n d e r endgültige Entscheid über die A u s ü b u n g des Wirthsch aftsge werbes und des Kleinhandels mit B r a n n t w e i n zuzugestehen.a Dieser Antrag wurde unterstützt durch mehrere andere Petitionen: der kirchlichen Bezirksversammlung der beiden bernischen

373

Amtsbezirke Interlaken und Oberhasle, ferner der kirchlichen Bezirkssynode des Oberaargaus, welche letztere auch eine Vertheurung des Branntweins durch Erhöhung des Eingangszolls und der Brennereigebühren und Bestrafung der Trunkenheit wünscht, endlich durch eine Eingabe des Zentralkomitee der Quartier- und Gassenleiste der Stadt Bern. -- Auch der Große Rath des Kantons Bern wünscht (Beschluß vom 7. Februar 1883) eine I n t e r p r e t a t i o n d e s A r t . 31 in obigem Sinne.

In geistigem Zusammenhang mit der Eingabe der schweizerischen gemeinnützigen Gesellschaft, wenn auch weniger bestimmt den einzuschlagenden Weg andeutend, ist auch das von der Bundesversammlung bei Behandlung des Geschäftsberichts pro 1881 unterm 30. Juni 1882 angenommene Postulat: ,,Der Bundesrath wird eingeladen , Bericht zu erstatten über d i e Möglichkeit, d e m a l l z u s t a r k u m sich g r e i f e n d e n Wirthschaftswesen S c h r a n k e n z u s e t z e n , unter Beifügung einei- Uebersicht über den S t a n d des W i r t h s c h a f t s w e s e n s i n d e n K a n t o n e n und, s o weit thunlich, in a n d e r n S t a a t e n."

Gleichzeitig wurde noch das Postulat angenommen : ,,Der Bundesrath wird eingeladen, über die Frage Bericht zu erstatten, ob es nicht angezeigt und vom verfassungsmäßigen Standpunkte aus zuläßig sei, von Bundeswegen die nöthigen Maßnahmen zu treffen, um die K o n s u m e n ten vor gefälschten oder gesundheitsschädlichen Getränken zu schützen.a Unterm 17. Mai 1882 beschloß der Große Rath des Kantons Neuen bürg: ,,Der Staatsrath wird eingeladen, bei den Bundesbehörden die nöthigen Schritte zu thun für die E i n f ü h r u n g e i n e r besondern Steuer auf die F a b r i k a t i o n und die E i n f u h r d e r A l k o h o l e unter Abstufung d e r Steuer i m umgekehrten Verhältnisse der Qualität, so daß die Alkohole um so höher besteuert werden , je geringer ihr Werth ist.

Der Ertrug "dieser Steuer wäre zwischen dem Bund und den Kantonen zu theilen."

In einer Eingabe vom 7. Oktober 1882 verlangte dann noch die Generalversammlung der Caisse centrale des pauvres du district de Courtelary : V) eine Revision und Erhöhung der T a r i f e auf der E i n f u h r der Alkohole, und 2) B e s c h r ä n k u n g des gegenwärtig unbehinderten B r a n n t we inhandels.

Annexe »u numéro 57 de la feuille fédérale.

Etat des sociétés suisses de bienfaisance en pays étrangers et tableau de répartition des subsides en 1884.

Actif social a la fin le l'exercice 1882.

Actif social 1'oDverturc o l'exercice 1884.

Dépenses eu 1888.

(Siège de la société.

Nom de lu société.

1. Alcxuodrie d'Egypte .

2 Alexandrie d'Egypte .

3. Alger

iôpital des diacouesstis Jociété suisse de secoure Société helvétique dejbien/'aisaoce Schweiz. Verein und Schweiz. Unterstutzungskafise .

Schweiz-deutscher Untei-sttltzungsverein Concordia .

Verein Helveti» Société suisse do bienfaisance

116,593.

5,807.

9,8U4.

12,482.

2,709.

935.

15,371.

54 30 15 77 05 43 63

15,456.

6,693.

1,176.

2,392.

92.

1,847.

187.

-- 50 95 51 -- 46 72

123,243.

6,218.

4,021.

19,612.

2,766.

1,129.

16.639.

35 55 25 -- 86 50 35

Société suisse de bienfaisance Société suisse Schweiz. Cnterstutzungsverein i m Ausland . . . .

Schweiz.

Wohlthatigkeitsgeselisehaft, 1 1 . Berlin . . . . . .

12. Berlin société helvét. de secours mutuels et de bienfaisance Société suisse de bienfaisance 14. Bordeaux · 1 5 Boston . . . . - Schweiz. Hüifsverein 16. Bruxelles . . - . · Société philhelvétique Société suisse ' 17 Bucarest Schweiz. Unterslützangsverein i 18. Budapest : 19. Buenos-Aires . - - Société philanthropique suisse . .

20. Buenos-Aires . . · Société de secours mutuels Helvétia ..

i 21. Caire (le) . . . . Société suisse de secours ! 22. Caire (le) - - - - Diakonissen-Hospital

9,357.

173.

57.

1 1,605.

786.

3,674.

8,471.

5,736.

7,042.

7,404.

8,978.

69,011.

8,878.

4,524.

10,110.

20 70 90 97 46 58 15 70 10 22 10 60 40 35 15

1,302.

501.

1,474.

3,312.

1,100.

3,456.

2,068.

1,562.

1,405.

1,453.

,1,347.

14,231.

1,642.

2,526.

-- 10 OS 75 05 55 65 50 45 70 35 20 20 22

9,181.

336.

109.

12,055.

836.

3,899.

9,447.

5,770.

7,270.

7,517.

9,497.

72,502.

12,317.

4,929.

60 50 94 -- 44 99 05 40 85 57 60 80 80 09

3,871. 45 416. 39 13,637. 85

2,722.

397.

1.756.

1J287.

491.

214.

422.

418.

1,736.

1,431.

630.

3,207.

Hl 63 95 25 60 94 84 31 30 35 11

3,952.

533.

13>958.

2,522.

913.

481.

752.

270.

3,031.

1,475.

526.

4,257.

90 53 35 65 90 52 99 01 45 30 -- (Ì7

3fi 21 10 74 75 61 95

291.

1,038.

1,435.

314.

486.

1,299.

556.

_

25 60 35 96 87 18 25

182.

730.

2,755.

518.

7,220.

19,510.

3,570.

90 11 35 35 10 61 85

29 35 05 15 35

1,261.

708.

6,160.

61,313.

2,955.

'

61 90 45 85 54

-- 5,547.

6,549.

4,324.

13,324.

8,440.

93 55 20 55 41

Société suisse de bienfaisance . . .

Schweiz. Hüifsverein

5,528.

_ 58

Société suisse de bienfaisance . . . ;

898. 02 0,737. 40

748.

«19.

789.

7,605.

25 65 26 95

5,499.

1,150.

1,023.

6,683.

Fr.

Fr.

r A^rT am . . ' . i u,, . Augsburg . - . 7 . Bahia .

.

.

-

-

·

l e

q Rôlfort 10 Berlin

23

24.

' 25.

; 26.

' 27.

28

·

CftDDÉSS

Société suisse de secours mutuels . .'

-

Ciirlsruhe - - - · Chicago Cincinnati . . - CopeDhagcn · Crefeld

' 30 Eibcrfeld-B»rmeii .

32 Frauttfurt a/M · · 33. Frankfurt a/M . . .

34 QT

G<eS ß.ßhwßiler

.

.

.

.

36. Hamburg

, J 37. .Havre (la) . . . .

3 8 . Kaiifbeuren . . . .

> 39 KhâvkofT 1

40. Leipzig 41. Lille

. 42. Lima 43. Lisbonne 44. Livorno

; 45. Londres ! 47. Lyon 48. Lyon ; 49. Madrid ; 5 0 . Manchester . . . .

51 . Mannheim . . . .

52. Marseille

i 5 3 . Marseille . . . .

. 5 4 . Melbourne . . . .

57. Milan

58. Montevideo .

Schweiz. Unterstützungskasse . . : Caisse suisse de secours Schweiz. Unterstützungsverein Ffelvetia; Schweizer-Gesellschaft · Société suisse de bienfaisance Société de bienfaisance Helvétia .

Société suisse de bienfaisance . . . ; Società elvetica di beneficenza. . .

Fonds de secours uour les Suisses pauvrets Hôpital el dispensaire français Société suisse de secours Société suisse de secours mutuels . . ·

;

Svviss Society of Victoria . .

Société helvétique . . .

.

. ; . . . . . . .

. . . .

Asile et domicile des institutrices . . ;

Fr.

Fr.

Fr.

1

70 645

100 50 100 --

195 175 55 150 --

100 200 450 50 100 250 50

100 100 200 450 50 200 250 50

-- 100 115 605 30 200 210 85

150 200 100 300

150 200 100 '. 300

200

200 : 100

210 180 255 265 90 230 100

100 100

200 100

' 100 ' 100 : 200 : 100

50 100 100

100 _

150 100 100 100 --

100

150

50 100

-- 100

100

100

100

60

. . fio

200

200 100 100 100 150 100

»0 175 425 70 75 260 115

150 100

-- 150 100 400 150 .--

--

95 75 20 80

35 30 75 320 165

100 200

100

-- 150

-- 150 100 dOO 160 -- _.

150

1 1 1

A renoncé en faveur de sociétés moins prospères qu'elle, jl A loußmbsidc de lu Confédération ol des cantons.

Voir la note au bas du tableau.

-- 110 210 590 100 375 200 ,_ 140 35

\ i

Voir la noie au bas du tableau.

N n jamais envoyé du i-Hpjjorf.

Voir la note au bus rtu tableau.

N'a uns envoyé de rapport pour l'exereiee 186'2 ni 1083; ne reçoit pus de subside de la CHI» fédération.

A renoncé à toufsubaide de la Confédération.

Voir Iti noto au boa du tableau.

1100

--50

50 50

100

Voir la note au t>;i$ du tableau.

N'a jamais envnyé de rapport.

10,499. --

7,064. -- 4,645. 20

11,627. 20 9,897. 10

150

-- 20 20 935 10

325.

180.

6.295.

1,837.

341.

870.

1,002.

7,856.

50 65 60 30 25 44 35 IIS

144.

183.

49,000.

1.112.

427, 4,391.

484.

18,531.

5,886. 60

Déficit

--

42,625.

1,009.

262.

4,503.

2,946.

18,555.

-- 46 09 13 62 36

90 60 -- 34 05 11 50 05

100

100

-- 150 150 100 450 150

-- 150 150 100 450 150

1200

2200

70 50 140 215 100 250 85 780

;

Le subside du Conseil fédéral subii une augmentation extraordioaire de fr. 500 à^oausc de l'épidémie cholérique.

1250

347. 90

j1

Voir la notti ini bas du tableuu.

750

--

',

Le subside du Conseil fédéral u ole augmenté de IV. 100 en raison de l'épidémie cholérique.

13,833. -- 3,096. 20 62. --

150 50

t

Voir la note an bas du tableau.

Voir la note au busgdti tableau, f/hôpital bien qu'un voie de construction n'est pa« encore ouvert. Voir la uote flu bas du tableau.

18,302. 95 337. 50 670. 35

50

j ||

220 120

105 430

100

/oir la uote au bua du tableau.

Voir In uotc au bus du tableau.

170 65

100 100

100

1

Fr.

100 250

100 250

Observations.

3,574. 30 2,553. -- 98. 50

--

. . . .

. . . .

150.

781.

2,185.

385.

6,546, 19,510.

3,328.

--

Scbweizer-Unterstützungsverein Helveli:i;

Oeuvre hospitalière

596. 40 445. 42 1,083. OB 244. 11 3,317. 29 1,393. 51 492. 93 4,560. 92

5,499.

5,671.

4,417.

3,195.

5,330.

Société suisse : Société helvétique de secours mufuels de bienfaisance Société suisse de bienfaisance Schweizer- Verein Helvétia . . . . ' Schweiz. Unterslützungsvorein Schweiz. Unterstützungsverein Société mutuelle suisse Société helvétique de bienfaisance.

! 59. Montréal . . . .

60. More/.

6 1 . Moscou . . . .

62. Molhauscn . . .

63. Milllheim iv.'Kli . .

6 4 . München . . . .

6 6 . Naples

Schweizer- Verein ETelvetia

Cercle suisse Société suisse de bienfaisance . .

Société suisse de secours mutuels

56. Milan

: 6 5 . Nancy

Schweiz. Wohlth&tigkeitsgesellschaft Schweiz Wohlthätiffkeitsffesellscliiift · · Scliweizev-Hülfsvereiii : Schweizer- Verein Schweizer-Hülfsverein Schweizer-Unterstatzungsverein Alpenfösli . . . .

Société suisse de bienfaisance Schweizer-Gesellschaft Schweizer- Verein Helvetin .

Société helvétique de bienfaisance . . :> I

abside abside absides can» (Site! édera! onaux en ça eu 1888. 1884.

1884.

'

Transmet pour la première fois son' rapport: reçoit pour la

première fois un subside de la Confédération. .

Voir la note nu bas du tableau.

Voir la uotf. au bas du tableau.

(

Voir la itotu nu bng du ratfleuu.

Le subside du Conseil fédéral requit une augmentation extr«ordinaire de fr. 1000 co raison des dépenses émisées à la <

société par l'épidémie cholérique.

6 7 . Naples i i ' ,

68. New Orléans . .

69. New York . . .

70. Nice 71. Nice 72. Nîmes 73. Odessa . . . .

Schweizer-Gesellschaft

|

74. Paris

Swiss beuevolent society ' Asile évangélique Société helvétique de secoure . . . !

Société suisse Helvétia ' . . . . .

Société suisse do bienfaisance . . . : Asile suisse .

. ! . . . .

75. Paris

Comité des dames suisses et home suisse . . . .

16,966.

36,432.

128,873.

7,950.

899.

31,883.

80,000.

70 11 77 95 59 23 --

4,945.

29.605.

21J777.

3,854.

427.

2,226.

24,100.

15. _

90 18 60 65 70 94 80

5,861.

39,063.

129,386.

8,331.

'875.

3,565.

90,000.

05 25 12 70 04 24 --

100

--

200

200

1200 --.

1200

150 100 150

-- 150 100 150

250 990 100 245 70 335 340

8,147. --

9,347. 04

-- 100

300

250

76. Paris

Société helvétique de bienfaisance

76,101. 90

38,159. 20

86,648. 10

1550

2060

890

77. l'aris

Société suisse de secours mutuels

48,753. «7

35,736. 55

60,914. 89

550

850

465

7 8 . Patcrsûn . . . .

Swiss benevoleiit society

79. Pforzheim

-- --

.

. .

Schweizer-G-eselIschaft

60. Philadelphia .

. .

Schweiz. Wohlthätigkeitsgesellächaft . .' . . .

Schweiz. Unterstatzungsverein Helvétia . . . .

81.

82.

I SX ' 84.

i 85.

86.

Reutlingen . .

Biga Rio de Janeiro .

Rome St-Louis . . .

St-Pétersbourg .

.

' 18,422. --

Société de secours mutuels des Suisses . . . .

-- 4,999.

134,069.

8,161.

5,310.

58,023.

2,337.

i 88. San Francisco . .

8H. San Franeiseo . .

Société suisse de accours Swiss mutuai benevolent society

736. 80 111,337. 65

' 90. Sao Paulo : y i . Strassburg 1 J2. Stuttgart .

U3. Stuttgart .

Helvétia

Schweizer- Verein

.

.

.

87. Si-Pétersbnnrg . .

9 4 . Trieste

.

. . .

. . .

. . .

. . . .

95. Tarin

96. Valparaiso . . .

9 7 . Varsovie . . . .

, » 8 . Venezia . . . .

:

' 99. Washington |j 100. Wien

Société philanthropique suisse J Société helvétique de bienfaisance Hülfsgesellschaft Helvétia

Société suisse de bienfaisance

.

.

50

.

46 30 55 65 40

81. --

103. 85

4,724. 25

20,916. --

-- 1,036.

10,266.

2,056.

1,844.

9,359.

147.

62 80 50 50 61 50

--

4,970.

139,772.

9,568.

6,095.

60,162.

4,384.

200

610

--

-- 150 350 15C 250 300

--30 265 345 385 670 --

350 150 250 300 --

861.

_ 65

1,465. --

--

200

100

65 83 88 15 59 58

450

-- 450 _

--

--

.

Schweiz. Hüllsgesellsehaf'l, . . . . . . . .

Schweizer-Verein Helvétia . . .

Schweizer-Gesellschaft .

Società elvetica dì soccorso Société de secours suisse Schweiz. Wohlthätigkeitsvereiii . . ' . . . .

Société suisse do bienfaisance Società elvetica d i beneficenza . . . ' . . . .

Schweiz Wohlthätigkeits°-esellschaft Schweiz, üntorstutzuogsverein . . . ; . . .

3,725.

1,024.

2,008.

3,719.

10,816.

15,961.

8,452.

6,157.

1,680.

18,187.

05 75 05 3C 35 41 -- 32 60

1,343,711.21

35 83 80 38 55 V 06 81 68 58

200 150 100 100 15( 100 100 200 250 200

441,272. 44 1,311,978.22

16,650

1,768.

1,521.

1,284.

570.

2,379.

3,019.

1.285.

1,028.

1,118.

4,135.

70 06 12 11 75 5( 71 34 21 71

3,597.

1,261.

2,136.

1,719.

10,493.

15,493.

8,570.

6,554.

1,626.

17,893.

10

-- 50

·200 150

:

100 100 150 100 100 200

;

250

135 ,._

50 385 135 185 180 400 140 110 275

Transmet pour la première ibis son rapport; recuit pour la première fois un tsubside de la Confédération.

Voir la note au bas du lablcau.

Ne i-ecoit pas do flubsido do la Con/VTdération. Lo mon ton t du

l'actif social n'est indique qu'approxi mati veinent.

Voir la note au bus du hibleun. Le subside du Conseil fédéral est augmenté de fr. 200 à emise de l'épidémie cholérique qui sévit il Paris.

Le subside du Conseil fédéra) est augmenté de fr. 500 a cause de l'épidémie cholérique qui aévil il Paris.

T.e subside du Conseil fédéral est augmenté do (V. 300 à.

cause de l'épidémie cholérique qui sévit à Paris.

; N'a pas transmis de rapport pour 1882 ni 1883: ne reçoit. -.

pas de subside de la Confédérution.

Transmet pour la première fois son rapport; reçoit pour la : première Pois un subside de la Conféd^ralion.

N'a jamais transmis de rapport.

Ne reyoit putì du subside de la Con foderati o n comme ótant exclusivement une société de secours mutuels.

N'a pas transmis du rapport pour 1883; ne reçoit pas de subside de lu Confédération comme étaut exclusivement une soc.iété de secours mutuels.

N'a jamais transmis do rapport. Voir Iß note au bas du tableau.

Voir la not» nu bus du tableau.

280

200

620

19,600

21,690

I

,

'i

; Subsides cantonaux classés par cantons.

('mitons.

Subsides.

1 Lucerne Uri .

i Schwan ' Untev\valden-]e-hiis | Glaris ! Zoug j Fribourg : Soleure | Bàie-ville : Bàie-campagne

. . . .

A reporter .

Cantons.

Observations.

Subsides.

Fr.

Fr.

2 800 1 865.

1,000.

100.

300.

100.

100.

650.

125.

850.

500.

700.

350.

9,140 400.

500.

60 1,500.

1,000 1,500.

800.

1,500.

1,690.

200.

1,400.

2,000.

--- -- -- -- -- -- -- -- -- --

9,140. --

Appânaell-Rh-ext St-eall Somme mise A la libre disposition (In conseil fédéral. :

Argovie Thurgovie T essia Vaud Valais Neuch&tel Genève Total . . .

Observations.

',

-- --

-- -- -- -- -- -- _ _

Somme mise à ta libre dtspuditiou (lu conseil federiti. ,

21:690. --

Note. LU conseil fédéral a. réparti entre 18 sociétés ou institutions de bienfaisance, les subsides que les gouvernements des cantons d'uri (f'r, 100), d' (fr, 1UÜ) et le-bua (tr. 100), de îctiaffhousu (fr. 400) et de Thurgovie (fr. 000) ont rnîs à. sa disposition sans en déterminer l'emploi. Le comité des dmnes auissea et home suisac & Paris a reçu une allocation de fr. 250; la 'auciêté''suisse de secourn . Alexandrie d'Ei^'ptc en a reçu une de fr. 200; l'hôpital des dinconesses du Caire, l'hôpital et dispensaire français de Londres, l'oeuvre hospitalière de Marseille, l'asile évangélique dé Nice et la goeiété suisse de ·ientaisance de Valparaiso ont reeu des allocations de fr. 100; l'hôpital des diaconcases d'Alexandrie d'Egypte ei tea sociétés suisses de bieniaiauHcc de Belfovl, de Buenos-Airc-s (Helvelia), du Caire, d'Elberfeld-Barmen, e Kaut'beuren, de Manchester, de Montréal, de Moroz, dû Mflllheim s/Rh. et de Sao Puulo ont reçu des subsidua de IV. 50.

374

Nach solchen und so vielen andern in diesem Sinne lautenden Kundgebungen erwartete man vom Bundesrathe die sofortige Einbringung eines Gesetzes oder eines Verfassungsparagraphen, durch welche der unserm Volke drohende physische, moralische und ökonomische Ruin abgewendet werden könnte; und als der Bundesrath noch eine Enquete anordoete, um dasjenige zu ermitteln, was Jedermann genugsam zu kennen glaubte, so äußerte sich der Eifer für die gute Sache in lauten Anklagen.

So erfreulich es uns indessen ist, zu sehen, daß die Zahl derjenigen, welche eine gründliche Bekämpfung der bestehenden Uebelstände wünschen, im Zunehmen begriffen ist, so ist uns doch der Widerstand, welchen in einer Menge von Kantonen die von den Regierungen behufs der Einschränkung der Wirthsehaften, der Fabrikation und des Verkaufs von Branntwein vorgeschlagenen Gesetze bei den Katitonsräthen und namentlich hei den Volksabstimmungen gefunden haben, ein Zeichen, daß selbst die Bedeutung und das Wachsthum dieser Uebelstände von sehr Vielen noch nicht hinlänglich gewürdigt werden, und daß eine Bundesregierung, welche einschneidende Anträge zu stellen gedenkt, sich mit dem nöthigen Beweismaterial zu versehen hat.

Ist aber schon in der Hauptsache eine nicht zu unterschätzende Meinungsverschiedenheit vorhanden, so werden die Dissonanzen, selbst unter denjenigen, welche mit uns gegen das Uebel vorgehen wollen, wo möglich noch größer, sobald wir zur Besprechung der Mittel und Wege kommen, welche Abhülfe bringen sollen.

Man sehe sich doch nur die wenigen, von uns wörtlich reproduzirten Anträge an, welche alle dasselbe Ziel im Auge haben -- weisen sie uns nicht die entgegengesetztesten Richtungen an, sind sie nicht der lebendigste Ausdruck unserer politischen Differenzen?

Müssen wir nicht besorgen, daß, sobald wir einen dieser Anträge, gleichviel welchen, zu dem unsrigen machen und verwirklichen wollen, sofort eine Menge Derjenigen, welche mit uns dasselbe Ziel zu verfolgen erklärten, sich mißmuthig ab- und den Neinsagern zuwenden werden?

Erklären wir uns offen über die Sachlage.

Eine Richtung glaubt das Uehel damit, beseitigen zu können, daß alle Kompetenz in dieser Sache einfach den Kantonen zurückgegeben wird. In der Julisitzung des Jahres 1883 ist ja im Ständerath ausdrücklich der Antrag gestellt worden, ,,der Bundesrath solle
bis zum nächsten Zusammentritte der Bundesversammlung einen Antrag- auf Revision der Bundesverfassung in dem Sinne einbringen, daß der Betrieb von Wirthsehaften und der Kleinverkauf von geistigen Getränken nicht unter Artikel 31 der Verfassung zu subsumiren sei."

375 Eine andere Richtung aber will, und zwar nicht etwa bloß aus politischen Gründen, sondern im Interesse der Suche, die Pflichten und Kompetenzen des Bundes in dieser Frage nicht vermindern, sondern vermehren. Diese Richtung hat aus unsern bisherigen Erfahrungen die Ueberzeugung geschöpft, daß die Kantone, welche Kompetenzen sie auch bekommen mögen, in der Bekämpfung der Brantweinpest ohnmächtig und daß allein die Bundesgesetzgebung Ordnung zu schaffen im Stande sei.

Eine dritte Richtung anerkennt die Notwendigkeit einheitlichen Vorgehens, will aber gleichwohl die freie Bewegung der Kantone nicht in Frage stellen, sondern die E-nheit auf dem Wege der Vers t ä n d i g u n g herstellen. Das also wird von dieser Seite zugegeben, daß die Kantone vereinzelt die Produktion und den Verkauf von Branntwein nicht beherrschen können, wenn neben ihnen andere Kantone der Sache freien Lauf lassen, daß vielmehr aller in der Schweiz fabrizirte und aller eingeführte Branntwein denselben AnO ·Forderungen und denselben Steuern unterworfen werden muß, wenn eine Wirkung erreicht werden soll. Und dennoch soll diese zu einem Erfolg absolut nothwendige Einheit nicht durch Bundesvorschriften, sondern durch eine ^Verständigung mit den Kantonsregierungen a gesucht werden, eine Verständigung, welche jedoch «iner Zustimmung der gesetzgebenden Faktoren in allen 25 Kantonen, d. h. der Kantonsräthe, beziehungsweise des Volkes, bedarf.

Wer sich erinnert, welche Schwierigkeiten früher dem Abschlüsse «ines alle Kantone umfassenden Konkordates gegenüber standen, der wird uns zugeben, daß seit der Einführung von Referendum und Initiative ein solches Konkordat zur Unmöglichkeit geworden ist ; es würden die Kantone A, B, C ihre Gesetzesvorschriften über die Wirtschaften oder die Branntweinfabrikation ein oder zwei Mal abändern, bevor die Kantone Y oder Z dazu kämen, für die Vereinbarung die Zustimmung des Volkes zu erlangen, und unterdessen würden die Kantone, welche nichts gethau, den Gewinn aus solcher Fabrikation beziehen, während die übrigen Kantone den daraus resultirenden Schaden zu tragen hätten.

Sehen wir uns aber vor die Alternative gestellt: entweder die Regelung dieser Materie wiederum der kantonalen Kompetenz zuzuweisen, oder aber sie ganz oder zu einem großem Theile der Bundesgesetzgebung zu unterwerfen -- und wir
werden sehen, daß das Eine wie das Andere eine Revision der Bundesverfassung voraussetzt -- dann wird eine sehr einläßliche Untersuchung nicht nur unsere Pflicht, sondern auch Bedingung des Erfolges sein.

Die bemühenden Erfahrungen, welche die kantonale Gesetzgebung auf diesem Gebiete gemacht hat, sind uns ein Beweis, daß nur durch das Zusammenwirken Derjenigen, welche die Bedeutung

376 und Größe des Uebels erkennen, einschneidende Gesetze gegen dasselbe ein- und durchgeführt werden können; dieses Zusammenwirken) wird aber gefährdet durch die Differenzen, welche mit der Macht von Glaubensansichten uns trennen, sobald von Verfassungsrevision,, von Mehrung der kantonalen oder der Bundeskompetenzen die Rede ist. Diese Gefahr wird nur überwunden, wenn aus einer eingehenden Untersuchung eine bestimmte Einsicht desssen, was uns helfenkann, uns über unsere politischen Differenzen erhebt.

Diese Untersuchung wäre eine äußerst vielseitige geworden,, wenn die schweizerischen Vereine, welche bisher wiederholt dieseFrage behandelt haben und mit vcrdankenswerther Bereitwilligkeit ihre Mitarbeit zusagten, zu den einläßlichen Studien und statistischen.

Erhebungen sich hätten entschließen können, welche das ihnen vorgelegte und von ihnen modifizirte und ergänzte Arbeitsprogramm in Aussicht genommen hatte. Es mußte doch dieser Weg auch einmal versucht werden, nachdem man ihn bisher den Behörden so oft empfohlen hatte, und es schien keine Frage mehr zu diesem Versuche geeignet zu sein, als die vorliegende, in welcher von jenen Vereinen schon so oft gearbeitet worden war. Nachdem es sich aber herausgestellt, daß diese Vereine, beziehungsweise ihre Vertreter, uns zwar wohl schätzbare Monographien J , von welchen wir Ihnen einige gedruckt mittheilen, liefern können, aber doch nicht in der Lage sind, zeitraubende Untersuchungen mit statistischen Aufnahmen, wie die verlangten, durchzuführen, so wandten wir uns im Juli 1883 mit einem auf das Notwendigste reduzirten Fragenschema an die Kantonsregierungeu, wohl wissend, daß wir den mit andern Arbeiten überladenen Organen der kantonalen Verwaltung nicht allzu viel statistische Bemühungen verursachen dürfen.

Wenn wir bemerken, daß die Antworten der Kantonsregierungen etwas spät, von dreien sogar erst im Laufe des verflossenen Januars, manche nachträgliche Ergänzungen erst im Februar, eingingen , so sagen wir das nicht als Vorwurf, sondern zur Entschul1

Es sind dies folgende Arbeiten : Comte, curé à Châtel-S'-i)enis : Rapport sur les bibliothèques et conférences anti-alcooliques.

G-unzinger, Seminardirektor in Solothurn : Bekämpfung des Alkoholismus durch die erziehende Thätigkeit.

Dr. Ad. Hägler-Gutzwiler in Basel : Beziehung des Euhetages zum Alkoholmißbrauch.

Theod. Hoffmann-Merian in Basel: Vergleichende Darstellung der wesentlichsten Bestimmungen der kantonalen Wirthschaftsgesetze.

Sempin, Pfarrer in Enge-Zürich : Plan zur Bekämpfung des Alkoholismus ab Seite der freien Thätigkeit der Gesellschaft.

F. Lombard à Genève: Projet de Régie coïntéressée des Eaux-de-vie et des Spiritueux en Suisse.

377 digung des verzögerten Erscheinens unseres Berichtes. Mehr noch beklagen wir die Lücken in den Antworten mehrerer Regierungen.

Es ist freilieh anzuerkennen, daß dieselben in den letzten Jahren mit vielen statistischen Erhebungen, welche theils von der Bundesversammlung, theils von einzelnen Gruppen der schweizerischen Landesausstellung veranstaltet wurden, behelligt worden sind; immerhio würden Sie ein vollsländigeres Bild der Sachlage erhalten haben, wenn nicht die weit verbreitete Meinung, diese Enquete sei überflüssig, deren Ausführung beeinträchtigt hätte.

Ihrer Einladung, Mittheilungen zu machen über den Stand dieser Frage in andern Staaten, deren Gesetzgebung sich einläßlicher mit derselben befaßte, sind wir in dem Umfange nachgekommen, als es bei der Kürze der uns anberaumten Frist möglieh war; die Ergebnisse dieser Untersuchung sind in einer eigenen Publikation unseres statistischen Bureaus zusammengestellt, auf welche wir uns gelegentlich berufen werden. Kaum wird man uns das zum Vorwurf machen können, daß wir Ihnen statt bloßer aus dem Zusammenhang gerissener Zahlen, welche der vielfachsten Deutung ausgesetzt sind, eine möglichst eingehende Darstellung der verschiedenen Phasen bieten, welche diese Frage in andern Ländern durchgemacht hat, indem nur eine solche Betrachtung uns in den Stand setzt, aus den Erfahrungen dieser Länder den möglichsten Nutzen zu ziehen.

Indem wir Sie bitten, diese durch die Umstände gebotenen Vorbemerkungen gütigst zu entschuldigen, wenden wir uns nunmehr unserer Aufgabe zu.

J. Lutz in TJitikon a. Albis: Alkoholismus.

Dr. 0. Müller-Kilon in Eomainmôtier (Vaud): Les maisons de santé pour les alcooliques.

£. Rachat, Pfarrer in Genf: Kurze Geschichte der Mäßigkeitsvereine.

Rugtße, Dekan in Gossau: Erziehende Thätigkeit zur Bekämpfung des Alkoholismus.

J. J. Schneider, Vorsteher der Rettnngsanstalt in der Bachtelen: Was kann beim schulpflichtigen Alter gegen den Alkoholismus gethan werden ?

Schmid, Lehrer in St. Gallen: Das Wirthshaus.

Dr. Schuler, eidg. Fahrikinspektor: Die Ernährung der schweizerischen Bevölkerung.

Dr. Sigg in Andelfingen : Die Versicherungspolize.

J. Sigrist in Meggen: Die Konsumvereine.

Tripet, instituteur à Neuchâtel Activité éducative pendant la période de l'école obligatoire.

Wälder, Pfarrer in Zürich: Der Alkoholismus und der Zahltag.

378

I. Die Sachlage.

«

Die Klage über die Zunahme der Trunksucht und speziell des übermäßigen Branntweingenusses ist alt. Schon in frühern Jahrhunderten haben schweizerische und andere europäische Regierungen durch besondere Verordnungen diese Uebel bekämpft; hervorragende schweizerische Volksschriftsteller haben längst, das uns von daher drohende Verderben in den dunkelsten Farben geschildert.

In Folge dessen ist ein Theil unseres Publikums für solche Schilderungen abgestumpft. Dasselbe ungläubige Lächeln, mit welchem derselbe die Prophezeiung eines nahen Weltunterganges anhört, setzt er Denjenigen entgegen, welche unsern ökonomischen, physischen und moralischen Ruin in Folge der zunehmenden Trunksucht in Aussicht stellen.

Mögen wir dieselbe noch so bestimmt als notorische Thatsache erklären , so werden wir diese unsere Ueberzeugung doch keinem Gegner anders beibringen , als mit Beweisen; schon aus diesem Grunde war die Sammlung eines möglichst ausreichenden statistischen Materials nothwendig.

Wie unvollständigO dieses letztere auch O ist, so kann doch ein Jeder, welcher sehen will, demselben des Beherzigenswerthen genug entnehmen.

1. Die Zunahme des Konsums geistiger Getränke.

Wir haben hier die Einfuhr und die eigene Produktion zu unterscheiden.

Sprechen wir zuerst von der Einfuhr, welche einen so wesentlichen Bestandteil unseres Konsums ausmacht. Zum Glücke hat die Statistik, welche überhaupt ihre Angaben meistentheils den Zusammenstellungen der staatlichen Administration, insbesondere denjenigen der Finanzverwaltungen, entnehmen muß, hier einen Anhaltspunkt an den eidgenössischen Zolltabellen.

a. W e i n . Die durchschnittliche jährliche Netto - Einfuhr, d. h. der Ueberschuß der Einfuhr über die Ausfuhr, betrug in den nachgenannten Perioden : f 1851--55 .

.

. 202,555 ,q.

1856-60 .

.

. 256,566 ,, 1861--65 .

.

. 417,197 ,, 1866--70 .

.

. 445,648 ,, 1871--75 .

.

. 824,789 ,,

379 1876--80 .

.

. 988,319 q.

1881/82 .

.

. 803.969 2 ,, Die Einfuhr au Wein ist bis 1879 in einem fast regelmäßigen Steigen begriffen ; am auffallendsten war diese Steigerung in den Gründerjahren 1871 -- 75; in den beiden letzten Jahren stand die Einfuhr sogar wieder tiefer, als in jener Periode, und zwar, was wohl zu beachten ist. trotz gleichzeitiger und anhaltender schlechter Weinernten im lnlande. Obige Zahlen beziehen sich auf den in Pässern ein- und ausgeführten Wein , das Gewicht der Fässer inbegriffen. Auf das Flüssigkeitsmaß reduzirt, beträgt die durchschnittliche Einfuhr in den Jahren 1881 und 1882 (abzüglich Ausfuhr) 675,000 Hektoliter.

b. W e i n g e i s t , B r a n n t w e i n , L i q u e u r e und a n d e r e d e s t i l l i r t e G e t r ä n k e . D i e durchschnittliche jährliche Einfuhr, beziehungsweise der Ueberschuß der Einfuhr über die Ausfuhr, betrug in den bereits genannten Perioden : 1851--55 .

.

. 35.588 q.

1856-60 .

.

.

38,331 ,, 1861--65 .

.

. 46,260 ., 1866-70 .

.

. 46,941 "" 1871--75 .

.

. 92,317 ,, 1876--80 .

.

. 115,750 ,, 1881/82 .

.

. 129,998 ,, Auch liier fällt die größte Zunahme wiederum in die Gründerperiode 1871---75 ; die Zunahme setzt sich aber auch seither fort in Folge von Urnständen, von welchen wir zu sprechen haben werden.

Da in Folge der am 20. Juni 1879 von der Bundesversammlung grundsätzlich beschlossenen Zollerhöhung auf destillirten Gütränken die Einfuhr sich steigerte und von der am 21. Mai 1882 wirklich eingetretenen Erhöhung an in Folge der antizipirten Ankäufe wieder vorübergehend stark zurückging, so müssen wir das Jahr 1883 hier mit in Berechnung ziehen. Wenn wir die 8 Jahre 1876/83 zusammenfassen, so haben wir eine durchschnittliche jährliche Einfuhr während derselben von 126,408 q. und eine durch2 Wir haben liier, der Vergleichung mit den frühern Perioden wegen, den im landwirtschaftlichen Grenzverkehr eingeführten Wein, welcher erst seit 1876 notirt wird, nicht berechnet ; der Ueberschuß der Einfuhr beträgt durchschnittlich 21,000 q. Ebenso ließen wir die erst seit den 60er Jahren notirte Ein- und Ausfuhr von "Wein in Flaschen weg; der Ueberschuß dieser Einfuhr beträgt per Jahr circa 4000 q. Diese 25,000 q. repräsentiren annähernd das Quantum von Wein, welches nach Guyer's Ausstellungsbericht über das ,,Hotelwesen" in den 1002 Fremdenetablissements der Schweiz von den Fremden konsumirt wird.

380

schnittliche Ausfuhr von 11,028 q. Die Einfuhr besteht jedoch,, nach den Erfahrungen des Jahres 1883, zu mehr als 4/6 aus Weingeist von 94--100 % Tr., die Ausfuhr dagegen aus Jva, Magenbitter, Absynth etc. (meist in schwerer Verpackung). (Die Einfuhr von denaturirten Sprit zum alten Zollansatze, vom 21. Mai 1882 bis 31. Dezember 1883 9619 q. betragend, ist nicht in Rechnung gebracht.)

Wenn wir somit eine Netto-Einfuhr von über 100,000 q., d. h. über 10 Millionen Liter reinen Weingeist = annähernd 20 Millionen Liter Branntwein annehmen, so dürften wir der Sachlage ziemlich nahe kommen.

Da die Einfuhr an B i e r keine 7 % des inländischen Konsums ausmacht und diejenige an O b s t w e i n vollends bedeutungslos ist, so gehen wir über zur Schätzung der Inländischen Produktion von geistigen Getränken.

a. W e i n. Leider sind wir selbst bei diesem bedeutenden Produktionszweig zu einem großen Theil auf bloße Schätzungen angewiesen, da nur von wenigen Kantonen der Umfang des Arealsan Rebland genau bekannt ist. Zur Bemessung des durchschnittlichen Ertrages ist aber auch eine statistische Aufnahme desselben während einer fortlaufenden Reihe von Jahren nothwendig; eine solche besitzen wir jedoch nur von den Kantonen Schaffhausen, Aargau und (seit 1874) Zürich. Von Bern und Waadt besitzen wir nur für einzelne entweder besonders günstige oder ungünstige Jahre solche statistische Aufnahmen.

Bei so unsichern Grundlagen darf man sich nicht wundern, wenn wir uns darauf beschränken müssen, zu sagen, daß das Areal an Reben sich auf etwa 30,000 Hektaren belaufen mag mit einem Normalertrag von 1 1 /3 bis l 1/2 Millionen Hektoliter. Nun ist aber Jedermann bekannt, daß wir, im Ganzen genommen , seit 1876 stets hinter dem Durchschnitt zurückgeblieben sind. Die Kantone, von welchen wir regelmäßige Aufzeichnungen besitzen, theilen über die letzten neun Jahre folgende Angaben mit: Gesammtertrag der Kantone Zürich, Schaffhausen und Aargau: Jahre.

Hektoliter.

1874 .

.

.

. 489,260 1875 .

.

.

. 808,909

1876 .

.

.

. 506,485

1877 1878 1879 1880 1881

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

. 387,385 377,247 . 128,468 . 136,075 . 314,197

1882 .

.

.

. 113.657

381 Aehnliche Verhältnisse lassen die drei im Kanton Bern gemachten Erhebungen annehmen; nach diesen war der Ertrag: 1874 .

.

. 62,401 hl.

1881 .

.

. 35,508 ,, 1882 .

.

. 31,309 ,, Im Kanton Frei bürg wird auf dem verkauften Eigengewächs eine nach dem Verhältnisse der Quantität desselben berechnete Steuer bezogen, welche in den letzten 12 Rechnungsjahren basirt war auf: 1871 .

.

. 1,726,691 Liter 1872 .

.

. 1,033,803 ,, 1873 .

.

.

945,356 ,, 1874 .

.

. 1,180,491 ,, 1875 .

.

.

915,485 ,, 1876 .

.

.

909,153 ,, 1877 .

.

.

788,867 ,, 1878 .

.

.

659,546 ,, 1879 .

.

.

492,750 ,, 1880 .

.

.

409,523 ,, 1881 .

.

.

413,029 ,, 1882 .

.

.

518,618 ,, Die Abnahme der Produktion wird indessen nicht in dem Verhältnisse, zu berechnen sein, das in diesen Zahlen ausgedrückt ist, indem der häusliche Konsum der Produzenten, wenn auch etwas reduzirt und durch andere Getränke ersetzt, kaum in diesem Umfange sich vermindert hat.

Im Kanton Waadt stehen erhaltenen Mittheiluno;en zufolge von 3 O 1876 an die Erträge meist unter, zum Theil erheblich unter dem Durchschnitt, und nur in den Jahren 1877 und 1880 etwas über demselben; gleichzeitig war auch die Qualität meist eine geringere, die Preise dagegen höher als gewöhnlieh.

Angesichts dieser Zahlen müssen wir annehmen, daß der Weinertrag der Schweiz seit 1876 durchschnittlich lk bis 1la unter dem mittlern Ertrag stand und das Quantum von einer Million Hektoliter kaum erreichte.

Noch schlimmer erging es uns mit dem Obstwein, dessen Produktion in der Schweiz in guten Jahren kaum hinter derjenigen an Wein zurückbleibt, in den Jahren 1876--1882 jedoch noch weit mehr als die Weinproduktion zurückgegangen sein dürfte.

Es ergibt sich dies schon daraus, daß an der Stelle der frühern beträchtlichen Mehrausfuhr an frischem und dürrem Obst während dieser Periode alljährlich eine Mehreinfuhr zu konstatiren ist.

Bedenkt man nun ferner, daß in dem Haupt-Weinlande Frankreich in Folge der Verheerungen durch die Reblaus die Weinpro-

382 duktion erheblich zurückgegangen, daß in Folge davon der Preis des Weines gestiegen die Qualität jedoch gesunken ist, und überdieß, daß durch die zunehmende industrielle Krisis auch unsere Kaufkraft sich vermindert hat, ist es da noch ein Wunder, daß unsere in den guten Jahren an erhöhten Lebensgenuß gewöhnte Bevölkerung zu andern Getränken übergegangen ist? Die Mehreinfuhr an fremden Weinen und die vermehrte Bierproduktion ersetzten nicht den den Gastwirthschaften erwachsenen Ausfall an inländischem Wein; wenn aber dem Privatkonsum sein Ausfall auf inländischem Wein und Obstwein ebenfalls durch andere Getränke ersetzt werden sollte, so war hiefür ein großes Quantum von Mehreinfuhr und Mehrproduktion von Branntwein nothwendig, ehe man nur sagen konnte, die Bevölkerung genieße jetzt enbenso viel alkoholische Getränke, als sie in den guten Jahren genossen hat.

b. B i e r . Unsere einheimische Bierproduktion erreichte in den Sechsziger Jahren noch nicht volle 360,000 hl. per Jahr und die jährliche Einfuhr betrug nicht 20,000 hl. Im Jahre 1875 stieg unsere Produktion auf 742,000 hl., die Einfuhr auf 52,000 hl.; nunmehr ist -- Alles nach der Statistik des schweizerischen Bierbrauervereins -- die einheimische Produktion auf 1,009,000 hl.

gestiegen, die Einfuhr auf 67,000 hl., die Ausfuhr auf nicht volle i 7,000 hl. -- Die Zunahme des Bierkonsums um circa 270,000 hl.

seit 1875 ersetzt, da der Alkoholgehalt unseres Bieres kaum halb so "groß ist, als derjenige unseres Weines, nur einen kleinen Theil unsers Ausfalls an Wein, und dieser Ersatz mußte vorzugsweise den Wirthschaften zu gut kommen, weil das Bier dann mit dem geringsten Verlust verwendbar ist, wenn eine etwas größere Quantität an demselben Tage und in demselben Lokal konsumirt wird, während es zum Genuß in Privathäusern und bei der Feldarbeit weniger geeignet ist. So sahen sich denn Arbeitgeber und Arbeiter für die Zwischenmahlzeiten in erhöhtem Maße auf den Branntwein angewiesen.

c. Die d e s t i l l i r t e n G e t r ä n k e . Diese Umstände waren nicht nur der Vermehrung des Imports günstig, sondern sie ermuthigten gleichzeitig auch die einheimische Fabrikation, den vermehrten Bedarf soweit möglich selbst zu beschaffen. Die gewerbsmäßige Produktion im Jahre 1882 belief sich nach den Angaben der.Kantonsregierungen auf ca. 4,500,000
!..Branntwein und ca. 1,270,000 1.

Weingeist, welche letztere, in Branntwein verwandelt, etwa 21/2 Millionen Liter rep ras e n ti re n würden. Wir haben also eine Fabrikation von der Bedeutung von wenigstens 7 Millionen Liter Branntwein.

Die aus fremdem Sprit verfertigten und im Inlande genossenen Liqueurs aller Art sind hiebei nicht inbegriffen, da der hiefür verwendete Stoff unter der Rubrik ,,Einfuhr" bereits verrechnet ist. Einen

383

Abzug ,,für industrielle Zwecke" haben wir nicht gemacht mit Rücksicht darauf, daß die betreffende Quantität aufgewogen werden dürfte durch die der Besteurung und Berechnung entgehende gewerbsmäßige und nicht gewerbsmäßige Produktion. -- Der Gesammtkonsum an destillirten Getränken, in Branntwein berechnet, würde somit etwa 27 Millionen Liter betragen.

Wenn wir nun bedenken, wie unsicher im Grunde unsero statistischen Angaben sind (über den Obstwein wagen wir gar keine Zahlen aufzustellen) und daß die mit so vieler Zuversicht verbreiteten Angaben aus andern Ländern zu einem großen Theil nicht eine festere Grundlage haben, so können wir uns nur mit einigen Bedenken entschließen, internationale Vergleichungen anzustellen.

Da dieselben aber von uns erwartet werden, so thun wir es unter den angedeuteten Vorbehalten. Auch wolle man bei dem Vergleichen bedenken, daß je nach der ökonomischen Lage des Landes, der Nahrung, Beschäftigung und durchschnittlichen Lufttemperatur der Bedarf und die Konsumtionsfähigkeit für geistige Getränke sich sehr modifiziren. Dana ist es nothwendig, sich gegenwärtig zu halten, wie viele Volumenprozente von Alkohol in den verschiedenen geistigen Getränken enthalten sind : Schweizerische Weine .

.

.

6--11.o °/o Französische Weine durchschnittlich .

. 12.o ,, Schenkbier .

.

.

.

.

3.6 ,, Deutsches Exportbier .

.

.

4.5 ,, Englische und belgische Biere .

.

5.7 ,, Gewöhnlicher Branntwein .

.

. 5U.o ,, Nach den neuesten Berechnungen beträgt der jährliche Konsum per Kopf in Branntwein zu 50%.

Wein.

Bier.

Canada .

.

.

.

.

3.os 0.29 8.51 Fiuland 3.8o ?

?

Norwegen .

.

.

.

3.so l.oo 15.30 Vereinigte Staaten .

.

.

4.79 2.64 31 so Großbritannien und Irland .

S.BT 2.09 143.92 Oesterreioh-Ungarn .

.

.

5.76 22.40 28.42 Frankreich .

.

.

.

7.äs 119.20 21.io Rußland .

.

.

.

8.os ?

4.65 Schweden .

.

.

.

8.1* 0.36 l l.oo Deutsches Reichsteuergebiet .

8.60 6.00 60.00 Belgien .

.

.

.

.

9.20 8.70 Itì9.ao Schweiz .

.

.

.

.

9.40 55.00 37.so Niederlande .

.

.

.

9.8?

2.5T 27.oo Dänemark .

.

.

.

18.90 l.oo 33.8s

384

Alle diese Angaben, selbst wenn sie ganz genau und nicht zu klein wären, sind in Wirklichkeit bedenklicher, als sie scheinen; die Durchschnitte nach ganzen Ländern verhüllen die größten Uebelstände. Da ist vorerst ein großer Bruchtheil der Bevölkerung, welcher noch wenig geistige Getränke genießt oder genießen sollte : die Kinder unter 15 Jahren, welche in Frankreich 27, in den Vereinigten Staaten 39, in der Schweiz 32, und hier wieder im Kanton Bern 36, im Kanton Genf dagegen nur 24 °/o der Bevölkerung ausmachen. Auch die Frauen sind, je nach den Landessitten, zu einem kleinen oder größern Theil an dem Konsum nicht mitschuldig, was den Antheil der Männer vergrößert. Bndlich vertheilt sieh der Konsum nicht gleichmäßig auf die Männer eines Landes: je mäßiger die einen sind, desto mehr fällt auf die andern. Die einen trinken ferner unschuldigere, die andern schädlichere Getränke.

Und auf die letztern, die gebrannten, soll ja unsere Enquête ihr Hauptaugenmerk richten.

Eine Vergleichung der einzelnen Kantone nach dem Muster ·der vorstehenden internationalen Vergleichung ist aus bereits angeführten Gründen nicht möglich, so wünschbar sie auch wäre.

Um wenigstens in Beziehung auf die gebrannten Wasser eine solche Vergleichung zu ermöglichen, haben wir die Angaben der Kantonsregierungen über die Zahl der Brennereien, die produzirte und die konsumirte Quantität eingeholt.

Wenn wir jedoch einzig auf die eingegangenen Antworten angewiesen wären, so wüßten wir nur zu einem sehr kleinen Theile, wohin die großen Quantitäten des eingeführten Branntweins und Weingeistes schließlich gekommen sind. Mehrere Regierungen veraichten von vorneherein auf jegliche Berechnung des Alkoholkonsums in ihren Kantonen, andere theüen sichtlich ungenügende Angahen mit; nur von einigen wenigen Kautonen erhalten wir genügenden Aufschluß. Mit Hülfe von Angaben der eidgenössischen Zollverwaltung und kantonaler Ohmgeldverwaltungen, unter Zuratheziehung der kantonalen Verwaltungsberiehte und der Verhandlungen der Kantonsräthe, unter Benützung ferner der Publikationen über die Bevölkerungsbeweguüg der Schweiz und der Ergebnisse der sanitarischen Rekrutenuntersuchungen, läßt sich indessen ein Bild der thatsächliehen Zustände gewinnen, das freilich nicht in bestimmten Zahlen feststellbar ist, uns aber doch ermöglicht, zu sagen, in
welchen Kantonen der Konsum von Alkohol den Durchschnitt überschreitet und in welchen er wenig oder stärker hinter dem Gesammtdurchschnitt zurückbleibt. Zu der erstem Zone müssen wir zählen die Kantone Bern, Luzern, Uri, beide Unter·walden, Freiburg, Solothurn, beide Basel und zum Theil auch den

385

Kanton Âargau. Diesen Kantonen schließen sich Neuenburg, Genf und Waadt an, in welchen zwar der Konsum von Branntwein nicht den Durchschnitt zu erreichen scheint, in welchen jedoch durch das Hinzukommen eines reichlichen Konsums von Absyuth J oder starker Weine ebenso ungünstige Resultate zu Tage gefördert werden. Tn den übrigen Kantonen scheint das Uebel theils nur lokal oder auch gar nicht zu Tage zu treten.

Aus den von den Kantonsregierungen mitgetheilten Antworten auf die Frage, welche Getränke in den Wirthschaften am häufigsten, zweit-, dritthäuflgsten verabreicht werden, ergibt es sich, daß denn doch so ziemlich in der ganzen Schweiz die Wirthschaften nicht Schnapswirthschaften sind, sondern in erster Linie Wein und Bier oder Most und Bier ausschenken. Wenn man auch in allen Gegenden einzelne Schnapspinten findet, so bilden doch diese die Ausnahme und sind nicht vorherrschend ; nur in je einem Distrikte des Berner- und Neuen burger- Juras, in einem basellandsohaftlichen Bezirk und in einigen kleinern Kreisen des Bündnerlandes scheint der Schnaps sich in die vorderste Reihe gedrängt zu haben.

Anders lauten die Antworten auf die Frage nach den bei den häuslichen Zwischenmahlzeiten verabreichten Getränken. In der von uns bereits bezüglich des Alkoholkonsurns hervorgehobenen Zone hat der Schnaps als Hausgetränke bei den Zwischenmahlzeiten der landwirtschaftlichen Bevölkerung die Oberherrschaft; nur da und dann, wo billiger Wein oder Most als Landesprodukt reichlich vorhanden sind, theilt er sich mit diesem in die Herrschaft oder wird in die zweite Linie gedrängt. Auch in den zunächst um Chur herum liegenden Bündnerthälcrn scheint der Branntwein bei Zwischenmahlzeiten gebräuchlich zu sein. Ferner wird uns berichtet, daß in einzelnen Gegenden Fabrikbevölkerung und Sticker denselben zur Arbeit genießen.

Wir stellen nun folgende Berechnung auf. Das in der Schweiz genossene Weinquantum ist zwar etwa sechs Mal so groß als das Quantum von Branntweinen aller Art, welche in der Schweiz kousumirt werden; da aber die destillirten Getränke durchschnittlich den sechsfachen Alkoholgehalt besitzen, so steht der in beiden Formen genossene Alkoholgehalt ungefähr gleich. Nun wird zue;es;eben werden müssen, daß ein sehr großer Theil, vielleicht die 3 Von diesem anerkannt verderblichen Getränke werden im Val de
Travers über'-l Million Liter produzirt, wovon nicht mehr als VB in's Ausland geht. Da nnn für den geringen Bedarf der deutschen Schweiz eigene Fabriken zur Disposition stehen, so muß man annehmen, daß der größte Theil des neuenbnrgischen Produkts in der französischen Schweiz konsumirt werde.

Bundesblatt,

36. Jahrg. Bd. IV.

27

386

Hälfte unseres Landweins, welcher von unserm Weinkousum den Hauptbestandteil bildet, theils in den Weingegenden selbst, theils in andern Gegenden des Landes als Familiengetränke verzehrt wird, daß ferner in den Städten und industriellen Ortschaften in zunehmendem Maße auch französische, italienische, österreichischungarische Weine als Tischweine konsumirt werden. Und dennoch überwiegt fast durch alle Landesgegenden in den öffentlichen Wirtschaften der Weingenuß über den Branntweingenuß; die Domäne des Branntweins ist also in noch höherm Grade als beim Wein die Privatwohnung; namentlich in den von der Schnapsepidemie infizirten Landstrichen hat der Branntweingenuß seine Entstehung und allgemeine Grundlage nicht im Wirthshaus, sondern in der H a u s s i t t e . Nachdem wir in einem offiziellen Berichte aus unsenn Nachbarlande Württemberg die Bemerkung gefunden: ,,Ungefähr1/8 des Branntweinkonsums wird durch die Wirthschaften vermittelt"-, müssen auch wir uns in allem Ernste fragen, ob nicht in den bei uns besonders leidenden Kantonen der mittlern und nordwestlichen Schweiz beklagt werden müsse, daß der Branntwein nicht allein im Wirthshaus gegen Geld, sondern noch weit häufiger in der Familie zum täglichen Brod verabreicht und zum Lebensbedürfnis angewohnt wird ? !

2. Die Folgen des übermäßigen Genusses geistiger Getränke.

Wir gedenken nicht, die Berechtigung des Genusses der geistigen Getränke innerhalb bestimmter Grenzen zu bestreiten.

Aber diese Grenzen werden so häufig überschritten, daß man Hülfsmittel zur Abwehr sucht; der Strom tritt so verheerend über die Ufer, daß mau auch hier die Hülfe des Bundes anruft, um ihn einzudämmen.

Hat das Uebel wirklieh einen solchen Grad erreicht? Könnte der Bund sein Einschreiten durch Thatsachen begründen?

Begegnen wir denn nicht häufig genug solchen Opfern der Trunksucht, deren Magen durch den Reiz der geistigen Getränke so desorganisirt ist, daß er keine Speise mehr vertragen kann, oder welche in Folge von Leber- oder Herzkrankheiten einem sichern Tode entgegen gehen, oder wegen Zerrüttung des Nervensystems die Fähigkeit zur Arbeit und die. Herrschaft über sich selbst verloren haben? Wir überlassen es den Fachmännern, Entstehung und Verlauf dieser und anderer Säuferkrankheiten zu beschreiben', wir halten uns hier einzig an das, was sichtbar in die Erscheinung tritt.

387

Au solchen Leuten müssen jährlich durchschnittlich 35 aus unserer A r m e e entlassen werden, etwa 1/100 der überhaupt dienstuntauglich Werdenden (s. Tab. l, 8. 388). Und hier haben wir es doch mit einer auserlesenen Mannschaft zu thun.

In unserer Gesammtbevölkerung starben in den Jahren 1877 bis 1882 im Ganzen 1525 oder per Jahr durchschnittlich 254 Personen ganz; direkt infolge von A l k o h o l v e r g i f t u n g oder A l k o h o l m i ß b r a u c h (s. Tab. II, S. 389). Diese Zahl gibt uns jedoch nur die allergröbsten Fälle an, in welchen der Alkohol als Todesursache sofort erkennbar ist. Diese von unserer schweizerischen Bevölkerungsstatistik registrirten Fälle sind aber in ihrer regelmäßigen Wiederkehr ein so bedeutsames Symptom, daß wir die Größe der Gefahr durch eine graphische Darstellung unserm Auge vorhalten zu sollen glaubten (siehe Tabula IV, Seite 408).

Diese Zahlen geben uns jedoch noch lange nicht den vollen Begriff von den Opfern an Menschenleben, welche die Unmäßigkeit alljährlich in ihrem Gefolge hat. Zur Berechnung der ganzen Zahl ·Derjenigen, bei welchen der Alkoholgenuß als direkte alleinige oder als indirekt mitwirkende Todesursache betrachtet werden muß, wären Todtenscheine nothwendig, auf welchen (wie in Basel) die Mitwirkung des Alkoholismus ausdrücklich durch die Angabe, ob der Verstorbene Potator gewesen, bestimmt festgestellt ist. Der Verfasser der ,,Statistischen Mittheilungen des Kantons Basel-Stadt" für das Jahr 1878 findet (auf S. 40), mittelst einläßlicher Musterung der ärztlichen Angaben, daß gestorben sind in Folge von Mißbrauch geistiger Getränke.

Im Alter von: Männlich Weiblich % der Gestorbenen derselben Altersklasse 30--40 Jahren 8 -- 13.;3 40--50 6 1 12.0 T) 50--60 4 \ 7.7 ·n 30--60 Jahren 18

2

11.i

Todesfälle in diesen besten Jahren, wo der Mensch in der Regel für eine Familie zu sorgen hat und auch für das Gemeinwesen, welches ihn herangezogen, sich nützlich erweisen sollte, sind stets unglückliche Ereignisse; eine Epidemie, welche diese Ereignisse in solchem Umfange unnöthiger Weise vermehrt, verdient ernstlich in's Auge gefaßt zu werden.

Der Alkoholismus führt aber zu Katastrophen von ganz besonders tragischer Art.

(Fortsetzung des Textes Seite 390.)

388 Tabelle 1.

Vergleichende Uebersicht der in den sieben Jahren 1877 bis und mit 1883 sanitarisch untersuchten Mannschaft.

Eingeteilte Mannschaft.

Kantone.

·^3 Js-s s'e^

^§5.3 w

|.l 01

Dienstuntauglich befundene Mannschaft · wegen im Ganzen Alkoholismus.

i ja o ü· -'S -- "3

l.Armeeitandes.

03 4?

SsSS

Rekruten.

11: °i- :M

Zürich . . . . 24,604 327 13.S Bern .

. . 37,733 7S6 20.0 Luzern . . . . 10,664 205 19.Ì Uri . .

30 19.K 1,527 71 12.s 5,547 Schwyz . . . .

Unterwaiden O.W. 1,364 25 18.a UnterwaldenN.W. 1,411 13 9.2 22 5.9 Glarus . . . .

3,748 38 19.0 Zus .

2003 Freiburg . . .

9,396 158 16.s 71 9.7 Solothurn . . .

7,284 Basel-Stadt . .

58 14.o 4,140 Basel-Landschaft 55 ll.i 4,967 37 10 i Schaffhausen . .

3,652 Appenzell A.-Rh.

4,073\ 83 15.9 Appenzell I.-Rh.

1,132/ St. Gallen . . . 17,195 278 16.2 149 17. a Granbünden . .

8,392 Aargau . . . . 15,735 211 13.Ì 155 18.s Thurgau . . .

8,233 Tessin . . . .

75 8.5 8,817 269 11.3 Waadt . . . . 23,835 Wallis . . . .

7,046 122 17.3 Neuenbnrg . .

7,502 132 17.e 82 1U Genf . . . .

7,184

è .

u 113 s a ,, 31 <%a

1 » J,S o"

1.8

11.7

Untersuchte.

O.OB 0.81

lll

o '3 >, «!

s

3307 5767 1300

Davon definitiv Dienstuntaugliche, Absolut.

°/o

1067 2243

32.8 35.8 33.8 30.0 3/.s 18.1

1.6

0.21

1.1

0.15

768

439 54 164 25 27 126 67 516 272 146 163 89 202 655 279 642 310 192 828 430 451 199

Schweiz 227,184 3422 15.1 35.0

0.15

29247

9585

1.4

0.13

Oo

0.59

0.7

0.12

0.3 -_

0.22

O.i 0.1

0.03 0.05

1.9

0.20

2.4

0.38

182 51« 138 116 361 234

1205

1.3

0.81

0.6

0.12

0.6

0.12

933 559 63$ 331 676

2.!

0.12

O.i

O.oi

2274

2.6

0.16

0.4

0.06

O.i

O.oi

2.9

0.12

0.7

O.io

929

2145 1012

844

2652 1074 1289

16.7

34.9

28.0 42.8 29.a

26.1 25.5 2£.9 26.9

S8.s 30.o 29.9 SO.e 22.7 31.2

40.o 35 o 25.9 32.8

38!)

Tabelle II.

Sterbefälle als unmittelbare Folge von Alkoholgenuß.

1

' Total.

Schweiz

2 48 1

2 .

.

.

.

.

.

.

1 3 7 4 2 3 \ \ 3 2 14 1 1 4 100

112 451 66

13 7 5 5 8 57 81 33 37 14 13 8 51 19 60 9 18 119 5 131 97

1425

o -M ""»

t 3 oeh &

S- >

ffl

i i 1

Zürich , Bern i Luzei'ii Uri Schwyz Unterwaiden o. d. W.

Unterwaiden n. d. W.

Glarus Zug Freiburg Solothurn Basel-Stadt . . .

Basel-Land . . .

Schaffhauseu . . .

! Appenzell A. -Eh.

Appenzell I.-Rh. . .

! St. Gallen Graubünden . . .

Aargau Thurgau . . .

Tessili ', Waadt i Wallis Neuenburg i Genf

,g, ·8l -S

114 ;

Ì i

;

!

!

1 Ì Ì

1

i

499 67 6 15 7 5 6 8 60 88 37 37 16 13 8 54 20 61 12 20 133 6 132 101 1525

°/oo der bescheinigten Todesursachen.

Kantone.

Alkoholmißbrauch.

;

Alkoholvergiftung,

i i

1877 bis 1882.

O.u

2.8

1.8

8.3

O.K

3.8

0.4

2 M

0.5

2.5

0.8

4.3

0.7

3.3

0.3

!..

0.0

2.7

O.o

6..

10..

1.8

1.0.

1.0

t« 5.3

0.7

3.3

0..

0.4

l.'J 6.0 2.0

0.4

2.7

O.r,

2.8

1.0

0.2

o...

0.3

1.3

0.11

5.8

O.i

1.8

2.!

10.*

1.7

7.r,

O.S9

4.7i

390 (Fortsetzung von Seite 387.)

Wir kennen (seit 1876) die Gesammtzahl der in der Schweiz sich ereignenden S e l b s t m o r d e , freilich ohne daß die Ursachen oder die Motive, welche den Einzelnen zu diesem traurigen Ende führen, registrili würden, wie dies in andern Ländern versucht wird. Aber der Selbstmord, wo er nicht in Folge geistiger oder leiblicher Krankheit und in ganz unzurechnungsfähigem Zustande eintritt, steht so oft mit der Trunksucht in Verbindung, daß dessen Häufigkeit gleichsam als Symptom derselben betrachtet wird. Und leider gehört die Schweiz zu denjenigen Staaten, in welchen der Selbstmord ganz besonders häufig vorkommt.

In der Schweiz kamen Selbstmorde vor in den Jahren : 1876--1880 durchschnittlich 635; auf l Million Einwohner 227.

1881 .

.

.675; .

,, 236.

1882 .

.

. 688; ,, 239.

Größere Zahlen finden wir nur in Dänemark (273) und im Königreich Sachsen (384). Wir geben zu, daß die aus unsern Zahlen sich ergehende Zunahme der Selbstmorde während eines so kleinen Zeitraums nicht von einer Zunahme der Genußsucht, sondern von sozialen Mißständen herrührt. Woher kommen aber die sozialen Mißstände? Wenn wir während der guten Jahre in der ersten Hälfte des vorigen Jahrzehnts unsern Bedarf an ausländischen geistigen Getränken verdoppeln zu müssen glaubten, folgt daraus, daß wir auch in den schlimmen Jahren an diesem Bedarf festhalten? Das ist eben der Weg zum Krach, wenn man in den guten Jahren nicht spart, sondern seine Bedürfnisse aufs Höchste anwachsen läßt und in den schlimmen Jahren sich nicht zur Reduktion derselben entschließen kann.

Einen weitern Beleg für die verheerenden Wirkungen des Alkoholismus liefert die Statistik unserer I r r e n a n s t a l t e n .

Unsere den Bedürfnissen noch immer nicht genügenden 14 öffentlichen Irrenanstalten der Schweiz bieten Platz für 3285 Kranke = l auf 875 Einwohner; nach einer im Jahre 1874 angestellten Berechnung kostet die Verpflegung eines Kranken durchschnittlich 2 Franken per Tag. Nach einer von Dr. Fetscherin, Direktor der Anstalt in St. Urban, in der Schweiz, statistischen Zeitschrift (Jahrgang 1882, S. 225 ff.) publizirten Zusammenstellung kamen auf 7362 Aufnahmen 4 in den Jahren 1877--1881 nicht weniger als 923 Alkoholiker, und zwar wurden aufgenommen : 4 Die Anstalt in Vernaies (Genf) mit 388 Aufnahmen ist bei dieser Berechnung weggelassen, weil die Aufsichtsbehörde keine Alkoholiker zuläßt, sondern dieselben dem Kantonsspital zuweist.

391

Männer 3874, davon Alkoholiker 025 = 21.so °'o Frauen 3488, ., ,, 98 = 2.8i ,, Zusammen

7362, davon Alkoholiker 923 = 12.54 %

Wenn wir, soweit diess möglich ist, eine Vergleichung mit den Ergebnissen früherer Zeiten anstellen, so zeigt sich bei der Anstalt von Préfargier eine kleine Abnahme, welche daher rührt, daß das Spital in Neuenburg nunmehr die Fälle von Delirium tremens ohne Unbequemlichkeit aufnehmen kann. Bei den übrigen Anstalten, welche ältere Daten besitzen, gestalten sich die Verhältnisse folgendermassen : Von den Aufgenommenen waren Alkoholiker : St. Pirminsberg

Rosegg (1063 eröffnet)

Waldau

Jahre

Männl. \ "Weibl. Manul. ! Weibl. Männl.

Weibl.: l

l

°/o

°/o

°/0

'

°0

"'0

1856--1860

10.5

0.8

5.0

--

--

1861 -- 1870

14.!

1.2

5.3

--

8.4

1871--1882

23.i

3.0

13.» ; l.i

\

°0

-- :

2.8

30.2 '

7.4

Die Anstalt in B a s e l kann noch weiter rückwärts Aufschlüsse ertheilen : Männlich %

Weiblich % 4.0 '2.0 0.9

1842--1850 15.3 1851--1860 17.8 1861--1870 19 6 1871--1880 44.0 5.7 Eine Vergleichung der Ergebnisse dieser Anstalten unter sieh ist, abgesehen von den Aufnahmen Kantonsfremder, deßhalb ohne praktischen Werth, weil die Anstalten bei ihren Aufnahmen durch den Mangel an Platz oft behindert sind. Ans diesen Gründen kann die bernische Anstalt nur die dringendsten Fälle von Alkoholismus aufnehmen, während diejenige von Basel zahlreiche leichtere Fälle mit baldigem guten Ausgang annehmen darf.

392

Daß die Unmäßigkeit im Triuken, welche den Menschen im Rausche vorübergehend, beim Delirium und chronischen Alkoholismus auf längere Zeit oder bleibend der Herrschaft seiner Vernunft beraubt, ihn auch zu Thaten führt, deren er sich bei gesundem Bewußtsein schämen würde, ihn zum V e r b r e c h e r macht, ist bekannt. Wir können leider nicht, wie die Staaten, welche ein centralisirtes Recht und Gerichtsverfahren besitzen und die Resultate der Strafjustiz alljährlich nach feststehenden Formularen publiziren, die Ergebnisse unserer Justizverwaltungen zusammenstellen, da in unserm kleinen Lande 25 verschiedene Gesetzgebungen über Strafrecht und Strafverfahren herrschen und die Publikationen darüber, wenn sie nicht ganz fehlen (wie in mehreren, sogar größeren Kantonen), nach ganz verschiedenen Grundsätzen abgefaßt sind (bald die Zahl der Verbrecher, bald diejenige der Angeklagten oder der Verurtheilten enthaltend). Immerhin erschien es uns der Mühe werth, durch eine eigene statistische Aufnahme auszumitteln, wie viele deiin den kantonalen Strafanstalten an einem bestimmten Tage vorhandenen, auf wenigstens drei Monate Haft Verurtheilten unter Mitwirkung der Trunksucht an diesem Ziele anlangten. Indem wir die von den kantonalen Anstalten eingelieferten bezüglichen Zählkarten, mit Ausnahme derjenigen der zwei genferischen Anstalten (deren Ausfüllung den Sträflingen überlassen war und ungenügend ausfiel), zusammenstellen ließen, fanden wir, daß von 2560 Inhaftirten (2173 Männer und 387 Weiber) 1030 (941 Männer und 89 Weiber) oder 40 °/o (Männer 43 %, Weiber 23 °/n) dem Trunke ergeben waren. Die acht Rettungsanstalten für jugendliehe Verbrecher, vou welchen einzig ähnlieh beantwortete Zählkarten eingingen, lieferten ein analoges Resultat: Von den inhaf'tirten Knaben waren 45, von den Mädchen sogar 50 °/o solche, von deren Eltern eines oder beide dem Trunke ergeben waren !

Man kann solche Zahlen nicht lesen , ohne sich zu fragen : wie viele Familien müssen da nicht, sei es in Folge der Trunksucht des Vaters oder der Mutter, der öffentlichen A r m e n p f l e g e anheimfallen? Ein bestimmtes Bild der in dieser Weise verschuldeten und daher vermeidlich gewesenen Bedürftigkeit wäre Ihnen gewiß von Werth gewesen, und wir ersuchten daher die Kantousregierungen um die Mittheilung von zwei Zahlen: erstlich der Zahl
der von den Armenbehörden irn Jahre 1882 ständig Unterstützten und zweitens der Angabe, wie viele derselben in Folge des Schnapsgenusses (ihres eigenen oder desjenigen ihres Ernährers) unterstützungsbedürftig geworden. Verschiedene Kantone konnten uus jedoch nicht einmal die erstere Zahl angeben ; noch schliinmeistand es mit der zweiten Angabe. Es zeigte sieh hier deutlich, daß die Behörden über die Verhältnisse ihrer auswärts verpflegten

393 Armen oft nicht genügend unterrichtet sind, wie es für eine richtige Armenpflege nöthig wäre. Indessen hat auch die Mittheilung vereinzelter Notizen noch einen Werth. Im Kanton Bern, der zum größern Theil die örtliche Armenpflege hat und daher besser Auskunft geben konnte, kamen auf 16,916 Unterstützte von '25 Distrikten 2003 (= 12 %) infolge der Schnapserei Bedürftige; der Kanton Waadt. welcher wenige auswärtige Arme h a t , führt bei 514 von 5913 Unterstützten die Bedürftigkeit auf den Branntweingenuß zurück (8,7 %) Aus der Stadt St. Gallen wird berichtet, daß von 91 im Jahre 1882 unterstützten Personen 13 (= 14,3 %) auf Rechnung der Trunksucht zu setzen seien; von 180 Armen, welche laut bestehendem Verzeichniß in den letzten 10 Jahren unterstützt w o r d e n , könne annähernd bei 40 - 50 die Armuth auf den Wirthshausbesuch zurückgeführt werden. Von den im Spital untergebrachten Armen seien im Jahre 1870 15. im Jahre 1882/83 25 °.''o in Folge der Trunksucht bedürftig. Wir lassen es hei diesen Beispielen bewenden, da wir ein Gesammtbild in dieser Beziehung doch nicht geben könnten und nicht mit unvollständigen Angaben argumentiren mochten.

Wie Viele müssen da nicht oft für die Fehler eines Einzigen büßen, ja ihres Lebensglückes beraubt werden? Der Trunkenbold ist mit al l' seiner oft scheinbarenGutmüthigkeitt durch die Knechtschaft, welcher er sich ergehen hat, eingrausamerr Mensch : er verspricht und hält nicht; die liebenswürdigste Familie kann er in Noth und Schande stürzen, ehe er seiner Genußsucht entsagt; durch d i e gemeine Gesellschaft, welcher e r durch seinThunn licher Handlungen fähig; der Trunkenbold zieht seineFamilie« in den Sumpf hinein , in welchem seine Füße den festen Stand verloren haben.

Noch müssen wir auf einen dunkeln Punkt aufmerksam machen.

Laut Mittheilungen über die Erfahrungen im Busler Irrenhause 5 wird bei den Aufgenommenen überhaupt und speziell bezüglich der Alkoholiker beobachtet, daß etwas über die Hälfte derselben Kinder von Personen waren, die an demselben Uebel litten. Die beiden Berichte, welchen wir diese Angaben über die E r b l i c h k e i t des Alkoholismus entnehmen, beruhen zwar bloß auf 108 und 94 Beobachtungen; aber die analogen Beobachtungen, welche in Norwegen, Dänemark, Deutschland, Frankreich und im Staate Massachusetts 5 Aerztlicher Bericht
über die Irrenabtheilung des städtischen Spitals in Basel vom Jahre 1876, Tab. II und III. Ferner: Die alkoholischen Geisteskrankheiten im Basler Irrenhause, aus den Jahren 1876--78 zusammengestellt von Wilhelm von Speyr, 1882. Tab. II.

394

gemacht worden sind, lassen keinen Zweifel darüber bestehen, dass das Kind die erkrankte Organisation des Vaters erben k a n n , entweder als nervösen Drang nach Stimulantien oder als Idiotismus.

Auch ist kein Zweifel mehr d a r ü b e r , daß die ungünstigen Ergebnisse der sani tarischen Untersuchungen unserer Rekruten zum Theil von der Trunksucht herrühren, zum Theil freilich auch von andern Verhältnissen : ungenügender Ernährung, mangelhafter Kinderpflege, schlechter Wohnung und Kleidung, zu früher Ausnutzung der Kinder. Auch die wenig erfreulichen Ergebnisse dieser sanitarischen Untersuchungen (s. Tab. 1) seien uns eine Mahnung, den Uebeln zu begegnen, welche an unserer Volkskraft zehren.

Wenn wir schließlich fragen , welchen Getränken ganz besonders diese schlimmen Folgen, wie Selbstmord, Irrsinn, geistige und körperliche Entartung und Entkräftung , anzuschreiben seien, so weisen alle Beobachtungen, namentlich aber auch die in unserer Beilage enthaltenen statistischen Notizen über Frankreich , darauf hin, daß sie besonders da zu Tage treten, wo die destillirten und konzentrirten Getränke vorherrschen. Wir gedenken damit nicht, die Unmässigkeit in Wein- und Biergenuß zu beschönigen. Die Wein- und Bierschlemmer nehmen in ihren Getränken eine ebenso große Quantität von Alkohol auf, wie die Schnapstrinker ; sie vergeuden dabei weit mehr Geld und Zeit und sind durch ihr schlimmes Beispiel viel an der Genußsucht der untern Klassen schuld, welchen hei schlechter Nahrung und harter Arbeit in Frost und Nässe das ihnen allein zugängliche geistige Getränke in höherm Grade ein physisches Bedürfnis ist. Aber wenn wir von den verderblichen Folgen der Unmässigkeit auf den physischen und moralischen Zustand der Betreffenden sprechen, so müssen wir in erster Linie auf den Branntwein hinweisen und zwar auf die besonders gesundheitsschädlichen Spezies, über welche hei uns leider so vielfach Klage geführt wird.

II. Die Ursachen des Uebels.

,,Also fort mit dein Schnaps ! " folgern die Einen. ,,Beseitigung der geistigen Getränke überhaupt, welche alle mehr oder weniger an den beklagten Uebelständen schuld sind und weit mehr kosten, als sie im Verhältniß zu ihrem geringen Nahrungsgeha.lt werth sind," fordern Andere. ,,Dezimirung der Wirthschaften", durch welche das Uebel geschaffen wurde, wird weiter verlangt.

Und schon wird die immense Summe berechnet, welche durch Enthüllung von geistigen Getränken dem Nationalwohlstand gerettet und zu nützlichen Zwecken verwendet werden könnte.

395

Wie sehr m u n aber auch geneigt ist,, solchen gutgemeinten Wünschen zu folgen, so k a n n man sich des Gefühls doch nicht erwehren, daß sie über das Ziel hinausschießen. Was zum Beispiel die in Aussicht gestellte Ersparniss betriff! , so wird dabeii außer Acht gelassen, daß, w a s f ü r r die Einen eine Aussäheisti, die KinnahmeAnderer'ausmacht.. Diese A n d e r n , dit-Erzeugerr des Rohstoffes, die Fabrikanten, die Verkäufer der geistigenGetränke. sind zum großem Theil Angehörige unseres Landes , und insoweit sie anderà Ländern angehören, so ist zubedenkenn ,dassi diese Länder nur insoweit , als sie Waaren exportiren können , auchbefähigtt sind, wiederum andere Waaren , unter Andern) Arbeitsprodukte unseres Landes, zu importiren und uns damitVerdienstt zu geben.

Wenn nachgewiesen werden könnte, dass dieses großeGebiett unseresvolkswirthschaftl liehen Lebensdass reine Werk der Willkür, desIrrthumss oderZufallss wäre, ohne inneresBedürfniss.. ohne sachliche Notwendigkeit , dann ließe sich auch eine solche Radikalkur denken.

Wie der Arzt bevor er zur A m p u t a t i o n schreitet, wohl filierlegt, ob die Krankheit, welche er bekämpft, mil dein auszuschneidenden Stück aus dem Organismus entfernt wird und oh or mit seinem Schnitte nicht dem Lehen seihst ein Ende mache, so müssen auch wir, wenn wir eine soziale Krankheit heilen wollen, den Sitz des Uebels und dessen Ursachen wohl kennen, wenn wir mit unserer Operation nur das Uebel treffen, den Volkskörper aber stärken und heilen wollen. Wir werden daher sorgfältig unterscheiden müssen zwischen den notwendigen Funktionen des individuellen und sozialen Lebens und den Auswüchsen, welche sich in Folge von Vorgängen, die noch des Nähern zu prüfen sind. angesetzt haben.

1. Das Bedürfniß geistiger Getränke.

Es gibt physische und moralische Krankheiten, zu deren Beseitigung vorübergehend oder bleibend gänzliche E n t h a l t u n g von geistigen Getränken nothwendig ist. Es gibt auch Kombinationen von Ernährung und Beschäftigung, bei welchen, Gesundheit vorausgesetzt, geistige Getränke ohne Nachtheil für den Körper entbehrt werden können.

Aber kaum wagt hei uns Jemand, auch nur bezüglich der gesunden Menschen, die Behauptung aufzustellen, daß dieselben insgesammt, bei den nicht mehr idyllischen Zuständen unserer zivilisirten Staaten, ohne Nachtheile für die Ernährung und Leistungsfähigkeit, der geistigen Getränke entbehren könnten.. Die mensch-

396 liehe Natur besitzt freilich auch bezüglich der Ernährung eine große Elastizität: es gibt wilde Stämme, die bloß von Thierproduklen, und andere, welche gleich den Affen von bloßer Pflanzenkost leben.

Wenn man aber darauf angewiesen ist, mit der Nahrung von einem gewissen Geldwerth auszukommen, von welcher alsdann möglichst wenig unausgenutzt bleiben und verloren gehen darf, und diese Nahrung wieder zu einer bestimmten Arbeitsleistung die nöthige Kraft und Ausdauer bieten muß, dann kann man nicht mehr nach Willkür diese oder jene Klassen der Naturprodukte ohne Nachtheil ausschließen, sondern ist an gewisse physiologische Gesetze gebunden. Und je mehr die Wissenschaft in diese Materie eindringt, desto deutlicher weist sie nach, daß es nicht bloß darauf ankommt, ein gewisses so und so kombinirtes Quantum von Stickstoffsubstanz, Fett und Kohlehydraten in den Magen zu bringen, worauf die Ernährung sich von selbst mache, sondern daß, besonders bei gewissen ungünstigen Beschäftigungsarten, Verdauung befördernde Mittel -- Genußmittel -- den eigentlichen Nahrungsstoffen zu Hülfe kommen müssen, indem sie deren Verdauung unterstützen, wenn sie auch selbst einen geringen Nahrungsgehalt bes i t z e n . ' ' I n d e m n diese die Nahrung wohlschmeckender und genießbarer machen, üben sie einen wohlthätigen Einfluß auf die Verdauungsthätigkeit und die Nerven aus und bewirken so einerseits eine erhöhte Ausnutzung der Nahrung im Magen und Darm, andrerseits unterstützen und erhöhen sie nach ihrem Uebergang in's Blut durch ihrenReiz, auf das Centralnervensystem gewisse andere Punktionen d e s O r g a n i s m u s , Z u u d e n Genußmilteln, welche durch ihren Linie die Absonderung d e r V 7 e r d a u u n g s s ä f t e befördern, gehören z. H. Kochsalz, Zucker, Gewürze, alter Käse, A l k o h u l etc. -- Eine diesen Genußmitlteln gemeinsame, wohlthätige Wirkung besteht auch darin, daß sie eine schnellere Blutzirkulation hervorrufen. In Folge von körperlicher oder geistiger Thätigkcit sammeln sieh in den Muskeln und Organen eine Menge Zersetzungsprodukte an, welche schließlich zur Erschlaffung der thätigen Organe und des ganzen Körpers führen. Durch den Kreislauf des Blutes werden diese in den Organen abgelagerten und e r m ü d e n d e n S t o f f e fortgekommen und denselben wieder neues Zersetzungsmaterial für
weitere Arbeitsleistung zugeführt. Je rascher das Blut den Or6 Wir entnehmen die folgenden Stellen wörtlich dem klassischen Werke von Prof. Dr. J. K ö n i g , Die menschlichen Nahrungs- und Genußmittel, 2. Aufl., Berlin .1883, S. 21 ff., S. 499 ff.

397

ganen zuströmt, desto schneller werden sie wieder leistungsfähig. -- Jeder Mensch kennt die belebende Wirkung eines Glases Wein oder Branntwein nach übermäßiger Anstrengung und großer Müdigkeit und wie andrerseits ein Glas Wein oder Branntwein zu einer kühnen That und schwierigen Arbeit ermuntert. Die wohlthätige Wirkung eines mäßigen Genusses von Alkohol bei kaltem Wetter muß größtenteils auf die Steigerung des Blutkreislaufes an der Oberfläche zurückgeführt werden.

O Die hieher gehörigen, durch Gährung zuckerhaltiger Flüssigkeiten hergestellten g e i s t i g e n G e t r ä n k e können auch wegen der in ihnen enthaltenen Extraktivstoffe (Zucker, Dextrin, Gummi, Eiweißkörper etc.) gleichzeitig als Nahrungsmittel angesehen werden; der Alkohol nur in dem Sinne, als er wie andere Stoffe (Stärke, Zucker etc.) im Körper verbrennt und dadurch die andern Bestand theile der Nahrung, resp. des Körpers, vor Zersetzung schützt; ihr vorwiegender Charakter aber ist der der Genußmittel, die nicht direkt zum Ersatze der Körperbestandtheile beitragen, sondern nur indirekt die Ernährung unterstützen, indem sie gewisse Funktionen des Körpers in erhöhtem Maße steigern. In dieser Hinsicht wirkt der mäßige Genuß auf die Magen- und Darmschleimhaut, reizt dieselben zu größerer Absonderungö der Verdauungssäfte und unterg O stützt auf diese Weise den Verdauungsvorgang.

Die neben dem Alkohol in den alkoholischen Getränken, vorhandenen Stoffe sind jedoch für die Ernährung von nicht minder großer Bedeutung. Da der B r a n n t w e i n im Großen und Ganzen ein Gemisch von Alkohol mit Wasser ist, so kommen bei dem reinen Branntwein keine andern Stoffe in Betracht. Der W e i n enthält neben dem Alkohol Zucker, Dextrin, Säure (saures weinsaures Kali, Apfelsäure, Essigsäure, Gerbsäure), ferner aromatische Stoffe (Bouquet, Oenantäther etc.)., welche ebenfalls günstig auf die Verdauung und Ernährung wirken. Noch unschuldiger ist der O b s t w e i n , welcher überhaupt, namentlich der Birnenwein, alkoholärmer und zuckerreicher ist, als Traubenwein. Am gehaltreichsten von allen geistigen Getränken ist das B i e r ; es enthält im Verhältniß zum Alkohol eine größere Menge Zucker (Maltose), Dextrin, Eiweißstoffe etc., ferner Milch- und Essigsäure, und Hopfenbitter ; wenn man das Bier wegen der großem Menge der ersten) Stoffe zu den
Nahrungsmitteln rechnen kann, so sind die letztern Stoffe (Säure, Hopfenbitter) neben dem Alkohol als Verdauung befördernde Mittel sehr zu schätzen. Man hat das Bier nicht mit Unrecht das vegetabilische Fleischextrakt genannt.

398 Ueber die Wirkung des Alkohols lassen wir noch eine andere Autorität, C. B i n z 7 , Prof. in Bonn, sprechen, welcher wie K ö n i g ein energischer Bekämpfer der Trunksucht ist, so sehr, daß er die Anwendung des Branntweins nur in den nachfolgend erwähnten Fällen befürwortet) kann. lu erster Linie läßt er dessen Anwendung gelten bei Kranken; der Alkohol muß als Brennmaterial und zugleich um den Blutumlauf im Gange zu erhalten da eintreten, wo der Organismus seine Vorräthe bereits aufgezehrt hat und wo der Magen und Dann des Kranken die Aufnahme jeglicher regulären Arbeit verweigert (daß Alkohol, auch in kleinen Dosen genossen, unverarbeitet und ohne Nutzen den Körper durch Nieren, Lunge und Haut verlasse, wie behauptet wird, verneint B i n z des Bestimmtesten bezüglich Kranker und Gesunder ; was in dem Athem des Trinkers davon enthalten ist, seien bloße Fuselöle). Ferner führen öfter wiederholte, aber nicht berauschende kleine Gaben an fiebernde Kranke eine Herabsetzung der Wärme herbei und damit eine Verminderung von Zerfallprodukten des Eiweißes; der Alkohol dient somit als Sparmittel. -- Nur mit Widerstreben gibt B i n z weiter zu, daß der Kampf um's Dasein für einen großen Theil auch unserer gesunden Mitmenschen jenem Krankheitszustande analog sei und den Alkohol bedinge.

,, M a n g e l h a f t e E r n ä h r u n g einer unter rauhem Klima hart arbeitenden Bevölkerung ruft mit einer Gewalt, von der es mir zweifelhaft ist, ob wir je mit moralischen Mitteln widerstehen werden, den Drang nach Alkohol hervor. Je feuchter die Luft, je schärfer die Winde, je niedriger die Temperatur, desto rascher geht die Abnutzung des Organismus vor sich, desto stärker ist sein Stoffwechsel. Kleine, oft wiederholte Quantitäten Alkohol -- und das natürlich in der billigsten Form des einheimischen Frucht- und Kartoffelbranntweins -- üben auf die Blutwärme des Trinkenden einen meßbaren Einfluß n i c h t aus. Das Thermometer zeigt im Körperinnern keine Schwankung, weder nach oben, noch nach unten, die außerhalb der normalen gelegen wäre, aber -- durch die größere Blutzufuhr nach dem von dem vasomotorischen Reizmittel direkt berührten Magen und nach der von den Vasomotoren regierten Haut steigt an beiden Stellen die E m p f i n d u n g der Wärme, und schon die leichte Beschaffung dieses Behagens durch die billigste
Form des Alkohols würde ausreichen, ihn für Viele unwiderstehlich zu machen."

,,Dazu kommt noch die wirkliche Ersparniß durch ihn an Körpermaterial, die zwar nicht direkt sich geltend macht, aber doch 7 Oeber Alkoholgenuß, in: Centralblatt für allgemeine Gesundheitspflege. Erster Jahrgang, S. 131 ff. Berlin 1882.

399 in dem stummem Instinkte empfunden wird, der in dem Leben der Materie so oft die Führung übernimmt. Starke Abnutzung dos Körpers durch Arbeit und Klima auf der einen Seite, einförmige, fleischlose, vielfach noch knappe Kartoffel- und Gemüsekost, schwerverdauliches Brod, ungenügende Bekleidung auf der andern Seite: da müßte es wohl unser Erstaunen erregen, wenn eine so existirende Bevölkerung n i c h t zu dein Lebenswasser griffe, welches in mäßiger Grabe die Arbeit des menschlichen Magens aufbessert, das Gefühl der Wärme vermehrt, die Ernährung anscheinend liebt, und seelisch hinwegführt, wenn auch nur minutenlang, über die Mühen und Leiden und Entbehrungen, denen allen die Scholle, der Pabrikraum*, das Bergwerk oder die Hafen- und Flußarbeit sie aussetzt."

.,Und nicht nur die körperliche Arbeit in der k ü h l e n u n d k a l t e n Jahreszeit treibt aus ganz; natürlichen Gründen zum Alkoholgenuss : als Reiz- und Sparmittel wird er auch bei den Beschäftigungen gesucht, die unter äußerer H i t z e geschehen. Die Einwirkungen anhaltender Muskelthätigkeit in Hochöfen, in Gießereien, bei der Sommerernte, auf längern Tagesmärschen sind bekannt.

Erschlaffung des Herzeus und der gefäßerweiternden Nerven in der Haut, Lähmung der Thätigkeit des Athmungscentrums und Zersetzung des Blutes .drohen, wenn die Schädlichkeit akut auf den Menschen einstürmt; raschere Abnutzung der Gewebe ist unausbleiblich, wenn die Schädlichkeit in geringerein Grade, aber of't wiederholend, sich äußert. Unter solchen Umständen, die wir, weil die Kräfte über Gebühr verbraucht werden, zu den r e g e l w i d r i g e n zählen müssen, wie dort das schwere Arbeiten in Kälte und Feuchtigkeit, drängt es den Menschen abermals instinktiv zum Alkohol hin. In sehr mäßiger Quantität genossen, hebt er die von der andauernden Hitze bedrohte Thätigkeit des Herzens, belebt den erschlafften Blutkreislauf und die Absonderungen in der Haut, schützt das Athmungscentrum vor Erschöpfung, schränkt sehr wahrscheinlich die gesteigerten Umsetzungsvorgänge in Zellen und Säften ein und tritt so von verschiedenen Seiten her dem als Hitzschlag beschriebenen Folgezustand hoher Temperaturen entgegen.a --· 8 Auch Fabrikinspektor Dr. S c h u l e r findet in seinein Referat ,,über die Ernährung der Fabrikbevölkerung und ihre Mängel" (Schweizerische Zeitschrift
für Gemeinnützigkeit, Jahrgang 1882, S. 376), ,,dem Fabrikarbeiter seien Genußmittel weit mehr Bedürfnis, bald als Ersatz für die Anregung der Verdauung, die Andere im Genuß der frischen Luft finden, bald als ein Mittel, das ihnen über die Erschöpfung hinaus hilft, die bei spärlicher oder ungeeigneter Kost nach einigen Stunden eintreten würde." Auch das bei den Arbeiterinnen sich geltend machende Bedürfniß nach Süßigkeiten erklärt er sich aus der eintönigen, auf das Notwendigste berechneten Kost. (L. c., S. 410.)

400

,,Von den mir bis jetzt bekannten Ersatzmitteln gibt es keines, welches ich als absolut genügend anerkennen möchte, außer einer kräftigen Kost und einer immer weiter durchgeführten Erleichterung der Arbeit, wie unsere Zeit sie in der That so mannigfaltig angestrebt und bereits erreicht hat in dem Schütze des Arbeiters durch bessere Wohnung und Kleidung, durch rationelle Einrichtung der Arbeitsräume und durch so viele ähnliche Dinge, welche in Entwurf und Ausführung die segensreichen Früchte der modernen Civilisation sind. Daß wir aber mit Wasser, Limonade, dünnem Thee oder Kaffee oder mit kaltem Biere 9 in der feuchten Kälte, oder warm gewordenem Biere in der dürren Hitze den Weingeist des hart arbeitenden Menschen in nennenswerthem Umfange verdrängen werden, das zu glauben, wird mir schwer, schon aus dem einfachen Grunde, weil den genannten Getränken ein Theil der unerläßlichen physiologischen Vorbedingungen ihrer Wirkungsweise fehlt."

,,Bis jetzt ist es in keiner Weise dargethan, daß der Inhalt des Kaffee- oder Theeaufgusses eine S p a r w i r k u n g auf den Organismus so wie der Weingeist ausübt, -- -- im Gegentheile, da wo einer der Hauptkörper jener Getränke, das Koffein und Thein, in einigermaßen kräftiger Gabe auf den thierischen Organismus einwirkt, scheinen sogar die Produkte der Verbrennung etwas zu steigen."

Wenn daher auch Binz glaubt, daß diese Getränke bei g e n ü g e n d e r E r n ä h r u n g durch ihre wohlthälige Erregung des Herzens als Ersatzmittel des Alkohols von Bedeutung sein können, so sieht er bei sothanen Umständen eine erfolgreiche Konkurrenz durch dieselben "leider in unsichere Ferne gerückt."

Wir wiederholen, daß K ö n i g und B i n z in warnenden Worten auf die Schädlichkeit des U b e r m ä & i g e n Genusses geistiger Getränke aufmerksam machen, und zwar seien die nachtheiligen Folgen um so schlimmer und rapider, je geringer die gleichzeitige Nahrungszufuhr und je alkoholreicher das Getränke ist.

Wir haben mit diesen einläßlichen Citaten eigentlich Nichts gesagt, als was wir bereits als Gemeingut der öffentlichen Meinung vorfinden. Es schien uns aber gewissen Uebertreibungen gegenüber nicht überflüssig, nachzuweisen, daß das instinktive Urtheil der Menge von Männern der Wissenschaft bestätigt wird.

Sind nach dem Gesagten alkoholische Getränke noch in großem
Umfange zur Erhaltung des Lebens oder der Arbeitsfähigkeit noth9 B i n z würde natürlich den Arbeiter noch lieher mit Wein sich stärken sehen, wenn dieser in Norddentschland nicht seines Preises wegen außer Betracht fiele.

401

wendig , so kommen wir nun zu einem andern Gebiete , wo man zwar nicht in demselben Sinne von einer absoluten Nothwendigkeit reden kann, jedoch den Gebrauch leichterer geistiger Getränke im Ernste kaum wird durchweg verbannen wollen.

Geistige Getränke sind auch das Vehikel der g e s e l l i g e n U n t e r h a l t u n g , der K o n v e r s a t i o n . Man kann freilich auch ohne Getränke oder auch bei bloßem Kaffee oder Thee alle möglichen Fragen diskutiren ; es ist aber Erfahrungsthatsache, daß Derjenige , welcher bereits einen Vormittag oder einen ganzen Tagermüdender Arbeit obgelegen, von beruflichen Verdrießlichkeiten oder Sorgen niedergedrückt ist, der Gesellschaft, in welcher er Erholung, Belehrung, Aufmunterung empfangen und mitbewirken soll, oft nicht die geeignetste Stimmung entgegenbringen dürfte, wenn nicht ein erfrischendes Glas Wein oder Bier rechtzeitig die Spuren der werktägigen Mühen hinwegspülen und die Seele zur Mittheilung öffnen würde. Wer kann die Nothwendigkeit solcher Vereinigungen für unsere geistige Entfaltung und Charakterbildung, sowie für die Entwickelung unseres öffentlichen Lebens in Abrede stellen? Wer kann bestreiten, daß in vielen Ortschaften und für viele Leute das Vereinsleben und die gesellige Unterhaltung und Belehrung* an das Wirthshaus gebunden ist? daß die vielen neuen Vereine zur Erörterung und Wahrung beruflicher Interessen, daß die Erweiterung der Volksrechte und die Vermehrung der Zeitungen die Kundschaft des Wirthshauses vermehrt? Wie lebhaft wir auch nicht nur die damit sich etwa verbindenden Trinkexzesse, sondern auch den vielfach unnützen Zeitverlust mit Schönrednerei, Kannegießerei und geisttödtendem Kartenspiel verurtheilen und die damit verbundenen ökonomischen Schädigungen beklagen, so dürfen wir doch weder die wohlthätigen Anregungen für den Einzelnen, noch die guten Früchte für das allgemeine Wohl, welche aus solchen Vereinigungen entstehen können, außer Acht lassen. Wie sehr wir Diejenigen beklagen, welche durch übermäßigen Alkoholgenuß dein Irrsinn , dem Verbrechen oder dem Selbstmord zugeführt werden, so dürfen wir doch auch nicht vergessen, daß das gesellige Leben gegen Einseitigkeit und Ueberspannung, Menschenhaß und Menschenscheu, Hypochondrie und Selbstüberschätzung ein wirksames Heilmittel ist.

Können wir somit die geistigen Getränke
nicht absolut und ohne Unterschied verdammen , ihren Gebrauch nicht grundsätzlich bekämpfen, so erscheint es wohl am rathsamsten, zunächst darauf hinzuwirken, d a ß d i e s c h ä d l i c h e r n s o v i e l a l s m o g li eh d u r c h d i e w e n i g e r g e f ä h r l i c h e n v e r d r ä n g t o d e r d e r e n W i r k u n g e n d u r c h g e s e t z l i c h e Maßnahmen verringert werden.

Bundesblatt. 36. Jahrg. Bd. IV.

28

402

2. Ein geschichtlicher Rückblick.

Wenn wir berechnen, daß in den 30 Jahren, welche zwischen der ersten und der vierten eidgenössischen Volkszählung verflossen sind, die Bevölkerung der Schweiz um nicht volle 19 °/o gewachsen ist, dagegen die Zahl der Wirthschaften und der Konsum geistiger Getränke in einem weit beträchtlicherem Maße, und wenn wir alsdann den Ueberschuß der letztern, leider nicht einmal annähernd bestimmbaren Zuwachsquote einzig auf Rechnung der ,,zunehmenden Genußsucht11 setzen, so zeigt dies Beispiel, welchen Ii-rthümern man sich aussetzen kann, wenn man aus dem Verkehrsleben eines Volkes einseitig ein paar Zahlen herausgreift und das Uebrige unberücksichtigt läßt.

Wir wollen nun, um das Bild etwas vollständiger und begreiflicher zu machen, noch einige weitere Zahlen beiziehen.

Die Schweiz besaß Eisenbahnen mit Lokomotivbetrieb : Jahre.

Bauliche Länge.

1850

.

.

.

km.

2 5

1855 .

.

.210 1860 .

.

. 1053 1865 .

.

.1322 1870 .

.

. 1420 1875 .

.

. 1985 1880 .

.

. 2521 1882 .

.

. 2749 Dieses neue Straßennetz ist nicht an die Stelle des alten getreten; das alte besteht für einen Theil des Verkehrs fort, das neue aber liât uns einen zehn bis zwanzig Mal stärkern Verkehr gebracht.

Verbunden mit der Einführung des Telegraphen und der Verbesserung des Postwesens, mit der Abschaffung der innern Zölle und Polizeischranken, mit der Vereinheitlichung von Münze, Maß und Gewicht hat dieses Straßennetz innert weniger Jahrzehnte uns größere wirtschaftliche Veränderungen gebracht, als früher während ganzer Jahrhunderte möglich waren.

Auf diesem Straßennetze bewegten sich Heereszüge von für unser Auge ungewohnter Ausdehnung -- Geschäftsleute, Touristen und Festbummler, Erwachsene und Schüierschaaren, Bürger und Militär -- durch das nun enger zusammengeschlossene Vaterland.

Zur Verproviantirung dieser Schaaren mußten natürlich der Bahnlinie entlang eine große Zahl neuer Wirthshäuser entstehen, mochten nun die Gesetze und die in die Ecke gestellten alten Konzessionswirthe einer solchen Vermehrung der Wirthshäuser günstig sein oder nicht. Denn wenn Alles hätte bleiben sollen wie zuvor, so hätte das Schweizervolk nicht über eine Milliarde Franken in Eisenbahnen ungelegt.

403

Aber auch von auswärts floß der Schweiz nun ein Personenverkehr xu, wie er mit den alten Verkehrsmitteln nimmer wäre zu bewältigen gewesen. Ein anderer neuer Zweig dei1 Wirthshausindustrie kommt zur Entwicklung, die Frerndenhotels und -Pensionen.

Schon vor dieser Periode bestanden einige vornehme, hauptsächlich für Engländer gebaute Exemplare dieser Gattung; jetzt aber nimmt deren Umfang und Zahl so zu, daß in einigen Kantonen die Bettenzahl auf das Zehn- bis Zwanzigfache ansteigt. Die nach Guyer's bereits erwähntem Berichte für den Fremdenverkehr in Betracht kommenden 1002 Etablissemente haben zur Zeit der Saison nicht weniger als 16,022 Angestellte, während am Volkszählungstag (1. Dezember 1880) nur 30,503 Personen konstatirt werden, für welche die Besorgung der Wirthshausindustrie in sämmtlichen circa 22,000 Wirthschaften der Schweiz Hauptbeschäftigung ist.10 Der Aufenthalt in den Bergen, erst nur während der Sommermonate, dann auch während des Winters, wird als vorzügliches Heilmittel erfunden. Das Bergsteigen, am Anfange des Jahrhunderts dem Schweizer ein noch fast unbekannter Genuß, wird Mode, selbst Bergbahnen werden erbaut. Sogenannte Sommerwirthschaften, welche auch einen Bestandtheil unseres großen Wirthschaftentableaus bilden, sind während einiger Sommermonate für diesen Verkehr geöffnet.

Diese Veränderungen, so wichtig sie auf den ersten Blick erscheinen, sind aber unbedeutend zu nennen (auch für unsere Frage) im Verhältnis zu den Umwälzungen, welche Eisenbahnen und Handelsverträge in unserm Güterverkehr hervorbrachten. Wir habe« bereits irn I. Theile unseres Berichtes auf die erhebliche Zunahme der Getränke-Einfuhr seit 1851 hingewiesen. Jene Zahlen, isolirt betrachtet, sind aber in verschiedener Hinsicht wahre Räthsel, die uns unbegreiflich wären, wenn wir nicht noch einige andere Hauptveränderungen in unserrn Güterverkehr mit berücksichtigten. Unsere Zolltabellen gestatten uns nur einige Hauptartikel in's Auge zu fassen und auch von diesen müssen wir einige, z. B. Uhren, weil von der Handelsstatistik nur unvollständig erfaßbar, weglassen.

10 Von jenen 16,022 Angestellten im Jahre 1880 waren freilich am Volkszählungstage (1. Dezember 1880) nicht die Hälfte in Gasthöfen und Pensionen der Schweiz thätig, da die Fremdenpensionen nm diese Jahreszeit zum größern Theil geschlossen und
die Fremdenhotels der Städte schwächer besui-ht sind. Von den 30,503 mit Wirthen beschäftigter Personen der Volkszählung kommen somit üher 22,000 auf dio übrigen Wirthschaften und reichen auch zu deren Bedienung vollkommen aus. Viele Wirthschaften sind nur Nebenberuf von Weinhändlern, Winzern oder andern Landwirthen, oder von Krämern, Metzgern, Bäckern oder Kostgebern und machen nur für je Eine Person (Hausfrau, Tochter oder Kellnerin) die Hauptbeschäftigung aus. Wenn also beispielsweise berechnet wird, daß im Kanton Glarus eine Wirthschaft auf 28 erwachsene männliche Einwohner komme, so folgt daraus nicht, daß je eine ganze Wirthsfamilie von dem Gewinne an diesen 28 lehe.

1880/82.

1851/55.

Artikel.

Baumwollene Garne und Gewebe Seidenwaaren Stickereien und Spitzen Maschinen .

.

.

.

Käse .

.

.

Kondensirte Milch .

.

.

.

Milchzucker Butter Fleisch, todtes Geflügel und Wildpret Getreide und Hülsenfrüchte Gerollte Gerste, Hafergrütze und Gries Reis Kartoffeln .

.

.

404

Kindvieh, Großvieh .

.

.

.

Kälher . . . .

Anderes Kleinvieh (Schweine, Schafe und Ziegen) Hanf, Flachs und Jute Wolle Petroleum 1 Nicht apart verzeichnet.

Durchschnittliche ja hrliche Ueherschnsse der Einfuhr. '· Ausfuhr. Einfuhr =+ Ausfuhr = -- i 1-


15,963 1,002 138 9,962 1,321

76,503 13,831 1

9,874 1,200 1,213,835 4,469 45,755 44,864 Stück.

49,022 7,601

19,417 58,674

76,689

21,491 t i

6,223

-- 60,540 -- 12,829 i -- 9,455 -- 57,353

777 + 9,097 241 + 959 19,526 + 1,194,309 29 + 4.440 1,137 + 44,618 i ?

Stück.

Stück.

40,010 + 9,012 6,585 + 1,016

q

e,677

1-

+ 55,198 ?'

?'

Durchschuittliche ja hrliche Ueberschüsse der Ausfuhr, Einfuhr.

Einfuhr = + Ausfnhr= --
53,540 1,264 349 56,887 12,385 25 11 48,185 22,315 3,432,728 fiO,468 74,455 295,258 Stück.

110,148 1,021

q-

i-

195,152 -- 141,612 33,347 -- 32,083 25,649 -- 25,300 148,709 -- 91,822 239,281 -- 226,896 108,141 -- 108,116 1,408 -- 1,397 6,922 + 41,263 27,296 -- 4,981 15,200 + 3,417,528 158 + 50,310 654 + 73,801 + 282,734 12,524 Stück.

Stück.

71,280 + 38,868 10,121 -- 9,100

129,801

29,836

11,914 26,378 265,359

q

' 492 9,007 1,838

+ 99,965 + 11,422 + 17,371 + 263,521

405

Der Handelspolitiker kann diese Zahlen ansehen, "ohne sich in Betreff unserer Handelsbilanz zu beunruhigen, er mag sogar mit einer gewissen Freude auf die Vortheile jener Theilung der Arbeit hinweisen, welche sich in Folge der verbesserten Verkehrsverhältnisse zwischen den Völkern vollzieht.

Wie steht es aber mit unserer E r n ä h r u n g s b i l a n z ?

So viel steht fest, daß, während die mit Landwirthsehaft Beschäftigten in Folge des Verlassens des Getreidebaus und des Ueberganges zum intensiveren Futterbau an Zahl nur wenig zunehmen konnten, die industrietreibende Bevölkerung stark angewachsen ist.

Und zwar sind es die Großindustrien, die Textil-, Maschinen- und Uhrenindustrie, denen vorzüglich dieser Zuwachs anheimfiel. Damit ist gesagt, daß ein immer größerer Theil der Bevölkerung seine Nahrung nicht direkt dem Boden abgewinnt. Wenn diese industriellen Arbeiter nur wenigstens (soweit sie nicht Familie haben) am Tische des Arbeitgebers säßen! Aber dies ist bei der Großindustrie gar nicht und selbst beim Gesellen, ja beim Lehrling des Handwerkers je länger, desto weniger der Fall. Mehr und mehr sind Arbeiter und Arbeiterinnen durch den Beruf, dem sie sich ganz hingeben müssen, vom Grund und Boden losgerissen, müssen die Nahrungsmittel durch Andere anpflanzen lassen, ja sie können sie, nachdem sie dieselben gekauft haben, nicht einmal mehr rationell zubereiten.

Diese Klasse leidet am meisten, jedoch nicht ein/jg an dem Uehergangszustand in der Ernährungsweise, in welchen uns der Industrialisinus unserer Zeit geslürzt hat: die ganze Bevölkerung leidet darunter. Noch um Anfange dieses Jahrhunderts heschäftigte sieh der weitaus größte Theil der Bevölkerung mit dem Landbau und gewann seinen Bedarf an Nahrung, Gespinnsten, Brennöl dem heimischen Boden ab. Der Viehstand, den man der Zugkraft und des Düngers wegen in hinreichendem Stunde hielt, gab Milchspeisen im Ueberfluß.

Zwei Mal por Tag hatte der Laudarbeiter seinen Kaffee mit guter und reichlicher Milch ; an einer oder zwei andern Mahlzeiten erschienen nach der Suppe wiederum Milch oder mit Milch gekochter Brei, nebst Kartoffeln oder Gemüse. Das Fleisch war wenigstens durch Schweinefleisch vertreten. Der Städter lebte im Ganzen ähnlich, nur mit etwas mehr Fleisch und weniger Milch, da er beide kaufen mußte und ersteres besser erhielt und
leichter verdaute.

Diese ganze Oekonomie wurde durch die stets gewinnreicher werdende Ausfuhr von Käse, kondensirter Milch und Milchzucker, Zuchtvieh und Kälbern, sowie durch die billigen Zufuhren von Getreide und Textilstoffen über den Haufen geworfen. Dem End-

·«HP1 406

ziel, Käse oder kondensirte Milch oder schönes Racenvieh auszuführen, wird die ganze landwirtschaftliche Betriebsweise dienstbar gemacht. Um das zu können, beziehen wir Schlachtvieh aus allen vier Himmelsgegenden, Getreide aus den Donauländern, Reis aus Italien, Hanf und Flachs aus Rußland, Wolle aus Australien, Brennöl aus Nordamerika. Das wäre alles recht und gut, wenn wir dabei nicht aus dem Auge verloren hätten, daß unser Industnalismus uns doch in erster Linie unser ausreichendes tägliches Brod verschaffen sollte. Unsere sanitarischen Rekrutenuntersuchungen zeigen uns jedoch alljährlich, daß unsere Bevölkerung im Ganzen genommen nicht genügend ernährt ist. Haben wir denn nicht das notorisch im Verhältuiß zu seinem Preise wirksamste Nahrungsmittel, die Milch, in größerem Reichthum als je zuvor? Im Kanton Zürich hat ja die Zahl der Kühe in den der letzten eidgenössischen Viehzählung vorausgegangenen 36 Jahren um 43.9 °/o zugenommen, im Kanton Bern in 33 Jahren um 36.5 °/o. Freilich, aber wir fuhren die Milchprodukte in zu großen Mengen aus. An die Stelle des Milchkaffees als. Zwischenmahlzeit ist in einem großen Theile der Schweiz der Konsum geistiger Getränke, Wein, Obstwein, Bier, namentlich aber Branntwein getreten. Auch bei den Hauptmahlzeiten wird die Milch weit spärlicher verabreicht, die geistigen Getränke dagegen öfter. Das hat -- auf dem Lande wenigstens -- zunächst das Haus herbeigeführt, nicht das Wirthshaus, welches freilich durch diese Gewöhnung an Absatz gewonnen haï. Es war das nicht das Werk der Noth, sondern des zu weit getriebenen Industrialisinus, welcher zu jenem Wetteifer, wer in einer Saison der Käserei mehr Milch nbzuliefern im Stande sei, geführt und einzelne Regierungen gezwungen hat, den Käsereien den Milchverkauf vorzuschreiben. Daß der ländliche Arbeitgeber den Kartoffelbranntwein, dieses ungenügende und ohnehin billige Surrogat der Milch, schließlich mich noch selbst fabriziren wollte, war eine weitere Konsequenz dieses Industrialismus, von welcher wir später noch sprechen werden.

Während so der bäuerliche Tisch die Bevölkerung mehr und mehr an den Branntwein gewöhnte, hat der industrielle Arbeiter, theoretisch genommen, zwar freie Auswahl, thatsächlich aber weiß er sich in vielen Fällen doch nicht so einzurichten, daß er die geistigen Getränke für die Erhaltung
der Arbeitskraft entbehren kann. Nicht, daß dies absolut unmöglich wäre; aber er hat sich noch nicht in die neuen Verhältnisse hineingefunden, und seine Frau, wenn sie Fabrikarbeiterin ist, noch weniger. Aus Mangel an Kenntniß des Nahrungsgehalts der Speisen und an Geschick oder Zeit zu deren Zubereitung greift man zu demjenigen, was am schnellsten und billigsten zu nahen ist, und muß so zu geistigen

407

Getränken seine Zuflucht nehmen. Fabrikinspektor Dr. Schuler hat fin dem bereits erwähnten Referate) nachgewiesen, daß bei richtiger Leitung dieser Bevölkerung mit den gleichen Auslagen eine rationellere Ernährung möglich wäre, wenn dieselbe sich nicht durch die stattgefundenen Veränderungen in den Preisen der Lebensmittel11 und durch die geringere Qualität, in welcher Fleisch und andere theure animalische Nahrung dem kleinen Konsumenten geboten werden, auf unrichtige Bahnen hätte drängen lassen.

Die Vermehrung der Zahl der Wirthschaften ist daher zu einem guten Theile nur die nothwendige Folge fies gewaltig erhöhten Verkehrs; zu einem andern Theile hängt sie freilich mit der Zunahme des Konsums geistiger Getränke zusammen, ist jedoch mehr e i n e F o l g e als e i n e U r s a c h e d e r s e l b e n ; die Ursache liegt mehr in den sozialen Verhältnissen.

11

Durchschnittspreise einiger wichtigen Lebensmittel.

Bern.

Durchschnitt der 5 Jahre

1845.

/2

Ochsenfleisch, per 1 kg. .

Kindfleisch, ,, ,, ,, Kalbfleisch, ,, ,, ,, Schaffleisch, ,, ,, ,, Schweine, lohend, ,, ,, ,, Speck, mager, ,. ,, ,, fetter, ,, ,, ,, Sehmeer, ,, ,, ,, Butter in Ballen,1 per l kg.

Tafelbutter, per /2 kg.

Eier für 60 Cts.

Brod, weißes, per l kg.

,, halbweißes, per l kg.

Kartoffeln, weiße, per 5 Liter .

,, rothe, ,, ,, ,, Haberkernen, per 15 Liter Brennholz, buchenes, per 3 Ster ,, tanuenes, ,, ,, ,, Reiswellen, per Stück Basel.

Cts.

38 35 36 35 33V-2

>!<

1878--1882.

Cts.

76 68 68 70 61 91 100 96 227 124 8 Stück.

140 77 14 Stück.

46 44'/a 34 39Va 21 38 41 23 467 685 4957 2809 3267 1810 23 lÖ'/ä

1840--42. 1880--82.

59.0 34.1 Rindfleisch, per Va kg.

75.« Kalbfleisch, 34..-, Butter, 77.7 130 o 15.7 19.9 Brod, halbweißes, Die Angaben betreffend Bern verdanken wir dem bernischen statistischen Bureau, diejenigen aus Basel sind amtlichen Berichten (Amtsblatt und Geschäftsberichte) entnommen.

408

3. Das Recht zur Ausübung des Wirthschaftsgewerbes in seiner geschichtlichen Entwicklung.

Wenn, wie man schon seit Jahrhunderten behauptet, die Zunahme der Trunksucht die - F o l g e der Vermehrung der Wirthschaften und wenn ferner die hohe Zahl der in der Schweiz befindlichen Wirthschaften hauptsächlich die Folge einer verfehlten Bestimmung unserer Bundesverfassung oder der Interpretation derselben wäre, so hätten wir das gewiß Allen erwünschte Mittel gefunden, um nicht nur der Vermehrung der Wirthschaften, sondern auch der Trunksucht selbst ein Ziel zu setzen.

Nun aber geht aus unserer bisherigen Auseinandersetzung hervor, daß der zunehmende Konsum geistiger Getränke, namentlich des besonders verderblichen Schnapses, mehr auf a n d e r n , tiefer liegenden Ursachen beruht, was sich namentlich auch darin zeigt, daß die schlimmen Wirkungen der Trunksucht besonders in denjenigen Kantonen hervortreten, welche verhältnißmäßig a in wenigsten Wirthschaften zählen, (s. Tab. III und IV.)

Ferner ist auch die Vermehrung der Zahl der Wirthschaften nicht in derjenigen Ausdehnung, wie man gewöhnlich annimmt, Folge der Bundesverfassung, und ist also von einer Abänderung der letztern auch in dieser Beziehung ein Einfluß auf den großem Theil der Schweiz nicht zu erwarten. Da man sich in dieser Beziehung zu weit gehenden Erwartungen hingibt und die Meinung, als hätten bis zu der Annahme der Bundesverfassung von 1874 die meisten kantonalen Wirthschaftsgesetze den Grundsatz einer Normalzahl oder einer sonstigen Feststellung der Zahl der Wirthschaften enthalten, in maßgebenden Kreisen und Schriften Boden gefaßt hat, so sind wir genöthigt, über die Entwicklung des Rechts zur Ausübung des Wirthschaftsgewerbes vor und seit der neuen Bundesverfassung etwas einlaßlicher zu berichten.

Ueber die Geschichte dieser Frage in früheren Jahrhunderten enthalten freilich die geschichtlichen Urkunden nur wenige .Mittheilungen. Bei dem großen Umfange indessen, welchen s. Z. die bernische Herrschaft erreicht hatte, darf man annehmen, daß die Notizen, welche in Betreff dieses Gebietes vom bernischen Staatsarchivariat 12 gesammelt sind, auf den frühern Zustand eines großen Theils unseres Landes anwendbar seien. Nach dem bezüglichen Gutachten stand im Mittelalter, das freilich nur ein bescheiden entwickeltes Wirthschaftsgewerbe kannte,
weil die Gastfreundschaft das noch kleine Bedürfniß theilweise befriedigte, dieses Gewerbe noch in 12 Gutachten des Staatsarchivariats über die konzessionirten Wirthschaften, von M. v. Stürler. Bern 1876.

Tabelle III.

Zahl der öffentlichen Wirtschaften im Jahre 1882, Durch schnitt 1851 1861

Kantone.

Zürich Bern Luzern Uri Schwyz Obwalden Nidwaiden Glarus Zug Freiburg .

Solothurn Basel-Stadt Basel-Land Sehaffhausen Appenzell A.-Rh Appenzell I.-Rh St. Gallen . .

Graubünden .

Aargau Thurgau Tessi n . . .

Waadt . . . .

Wallis . . .

Neuenburg . .

Genf

. . .

. . . .

und

und

1852

1862

1,522 1,739 ?

?

?

?

V ?

157 356 ?

206 452 315 ?

?

1,209 ?

1,132 1,153 ?

?

?

717 ?

1,742 1,530 ?

1871

2,109 2,002 488 9 ?

587 ?

?

65 ?

62 ?

?

214 205 371 364 552 ?

252 231 526 430 3^8 314 ?

478 ?

?

1,347 1,480 ?

?

1,015 1,206 1,233 1,080 ?

?

?

1,543 ?

?

868 831 ?

1,229

1872

1878

1874

2,093 2,085 495 ?

590 64 62 ?

205 378 565 25S 537 325 460 ?

1,489 ?

1,051 1,212 ?

1,569 ?

857 1,280

2,069 2,114 495 ?

597 64 65 ?

203 384 593 264 450 327 467 ?

1,482 ?

974 1,165 ?

1,577 ?

833 1,377

2,177 2,209 519 ?

609 66 67 ?

197 403 614 283 454 322 478 ?

1,521 ?

1,101 1,204 ?

1,591 ?

837 1,496

Total für 25 Kantone, 1882 . .

Dito auf 1000 Einwohner . .

Total für 19 Kantone, 1871--82 Dito auf 1000 Einwohner . .

Total für 11 Kantone, 1851--82 Dito auf 1000 Einwohner . .

· ·

15,593 15,585 15,500 16,148 6.8

8,958 6.1

6.7

6.6

6.9

9,089 10,589 10,490 10,265 10,708 6.4 5.9 6.4 6.8 6.1

Dio den kantonalen Rechenschaftsberichten, Amtsblättern u. dgl. entnommenen Zahlen für die Jahre vor 1882 enthalten je folgende Kategorien: Zürich.

Ausgeübte Patente f ü r Tavern-undd Weinschenkwirthschaften. Bern. Die rechte und die Eigengewächs wirtschaften. Schwyz. Alle Wirtschaften, nur nicht die Detailhandlungen über die easse. Obwalden.Wirthschaftena und Bier wirtschaften, nur nicht blosse Kaffeewirthschaften. Nidwaiden. Wi r thschafte ohe willigungen, inclusive Sominerwirthachaften.

Zug. Ertheilte WirthschaftskonZessionen. Freiburg. Alle ,,établissements publics", ohne die ,,cafés-beignets" = K li eh l i wir thschaf teil. Solothurn. Ausgeübte Wirtschaften. Basel-Stadt.

Zu Seite 408.

rerglichen mit derjenigen früherer Jahre.

1875

1876

1877

1878

1879

1880

1881

1882

2,259 2,254 641 ?

611 77 72 ?

208 490 664 315 494 319 474 ?

1,535 V 1,281 1,285 ?

1,660 ?

848 1,545

2,383 2,502 673 ?

617 85 75 ?

225 549 685 358 534 336 488 ?

1,593 ?

1,286 1,277 ?

1,708 ?

891 1,581

2,424 2,612 692 ?

661 82 75 ?

215 571 624 393 463 347 496 125 1,671 ?

1,268 1,309 ?

1,747 ?

978 1,610

2,537 2,660 719 ?

642 94 80 ?

235 581 696 418 519 356 531 143 1,695 ?

1,240 1,325 ?

1,776 ?

935 1,710

2,644 2,483 697 ?

657 96 79 ?

231 589 708 421 519 351 535 151 1,735 ?

1,215 1,306 ?

1,736 ?

916 1,724

2,679 2,424 685 ?

694 92 87

2,732 2,410 681 ?

665 90 90 ?

212 581 725 414 474 337 535 159 1,767 ?

1,228 1,230 ?

1,767 ?

919 1,572

2,527 2,406 663 200 633 91 91 317 236 593 649 424 454 346 538 156 1,741 987 1,165 1,209 1,289 1,827 653 903 1,535

9

243 584 743 415

465 350 531 156 1,759 ?

1,216 1,234 ?

1,762 ?

910 1,657

1882 auf 1000 Einw.

8 4 5 8 12 6 8 9 10 5 8 6 8 9 10 12 8 10 6 12 10 8 6 9

15

21,633 7.6

17,032

17,846

7.2

7.6

11,288 6.6

18,238 18,749 7.6

11,934 12,251 7.0 7.t

18,642

18,530 18,429

7.8

7.7

7.6

12,501

12,410 7.1

12,279 7.0

7.2

7.6



18,031 7.8

12,304 12,004 6.7 7.0

.

t

·

Ohmgeldpflichtige Wirthschaften ohne die Wirthschaften. liber diesasse. Basel-Land. Tavernund tìchenkwirthschaften, inhegriffen die Bigenge wach s-, aber nicht die Gelegenheitawirthschaften. Schaff hausen. Wirthschaftspatente ohne die Zapfenpatente. Appeniell A.-Rh. Schildund Keifwirthschaften. St. Gallen. Taveru-, Speise- und Finten wir thschafte D. Aargau. Tavern-, Speise-, Finten- und Sommer wirtschaften, incl. Eigengewächswirthschaften, aber nicht die Kaffeewirthschaften. Thurgau. Patente für Tavern- uod Schenkwirthschaften. Waadt. Hotels, auberges ou cabarets, cafés, pintes et pensions d'étrangers. Neuenburg. Etablissements publics.

Genf. Etablissements de consommation.

DIE STERBEFÄLLE IN UNMITTELBARER FOLGE DES ALCOHOLGENUSSES, 1877-82.

Décès causés directement par l'abus des spiritueux, de 1877 à 1882.

'J'ab.lV:

l'oit, /e ?OQQt arxtiieh. Otvc7u,ï/ugttyi tifa/'bc/tUfen. /var'&i solche linsuntnittelbarMrFokfc def-dlw/iolgeimsfe-f: J)e'cès causes dûnctertie/Upar labits de? spiritueu.^ jw 7OÛÛ décès certifiés mécucalejnent:

DIE GAST-.& SCHANKWIRTHSCHAFTEN im JAHRE 1882.

Etablissements destinés àia consommation des boissons en 1882.

Tab. JT.

ZaJil derttû-ffuc/ta/ïenau/'je /OOO-Eintoohner

jVomfav de.r débits de òoissoiu- pw IOOO/i
409

keiner Beziehung zum Landesherrn, sondern war ein Recht des G r u n d h e r r n , welcher es entweder selbst ausübte oder den Stadt-, Twing- oder Dorfrechten delegirte, oder endlich, was öfter vorkam, den einzelnen Twingangehörigen als Erblehen gegen einen Zuschlag zum Bodenzins oder als Zeitlehen gegen ein während dieser Zeit zu entrichtendes jährliches Tavernengeld überließ.

Die Idee, daß der Landesherr als Oberlehensherr und als Wächter der öffentlichen Sittlichkeit sich dieses Rechtes bemächtigen dürfe, drang erst nach der Reformation allmälig durch, nachdem der Staat die große Zahl geistlicher Grundherrschaften an sich gerissen und die durch den fremden Kriegsdienst entstandene Verwilderung ein Eingreifen der Regierungsgewalt als nothwendig herausgestellt hatte.

Anders gestaltete sich die Sache in denjenigen Kantonen, in welchen die zentrale Regierungsgewalt nur dürftige Kompetenzen erlangen konnte. Hier wurde von dem Augenblicke an, wo die Grundherrschaft in Folge Loskaufs oder auf andere Weise wegfiel, auch das Wirthschaftsgewerbe frei und war nur durch das Besteuerungsrecht der Gemeinden und eine gewisse nicht allzustarke polizeiliche Aufsicht durch dieselben beschränkt.

Der helvetische Einheitsstaat verordnete 1798 die unentgeltliche Abschaffung aller Feudalrechte, und die unbedingte Freigebung aller Gewerbe, auch des Wirthschaftsgewerbes. Diese Frankreich entlehnten Neuerungen waren schon als solche vielfach widerwärtig.

Die damalige Anarchie und Zügellosigkeit und die Heereszüge paßten wie die Faust aufs Auge zu Institutionen, welche den friedlichen Wettkampf allei- Gewerbe und ein zur Selbstregierung erzogenes Volk voraussetzen. Man war Ogenöthigt, wieder ordnend O O i einzuschreiten, die alten Konzessionswirthschaften wieder aufleben zu lassen und neben ihnen nur patentirte Wirthschaften, welche, die gesetzlich bestimmten Gebühren entrichteten, anzuerkennen (1799) Bald mußte man noch weiter gehen und durch ein Gesetz die Eintheilung von Patenten für neue Wirthschaften bis zum Erlass eines andern Wirthschaftsgesetzes ganz verbieten (15. Sept. 1800).

Die Bodenzinse wurden wieder hergestellt, jedoch loskäuflich erklärt, auch der Tavernenzins, so daß durch Loskauf auch das Wirthschaftsgewerbe ausnahmsweise sich Freiheit erkaufen konnte.

Mit dein Sturz der Helvetik kehrten auf unserm Gebiete so ziemlich die alten Zustände wieder, hier das System der obrigkeitliehen Konzessionen, dort die Freiheit.

410

Die Ansicht, daß von den Behörden die Ausdehnung der Gewerbe und Industrien in dem Sinne überwacht werden müsse, daß dieselben sich nicht über den Bedarf ausbreiten, konnte jedoch in einem Lande, dessen Boden zur Beschäftigung seiner Bewohner je länger, desto weniger ausreichte, welches also einem Jeden möglichst freie Bewegung seiner Erwerbskraft zu gestatten angewiesen ist, auf die Dauer nicht festgehalten werden. Eine Konzession erschien mehr und mehr als ein Privilegium, eine willkürliche Bevorzugung der Privatinteressen der Einen gegenüber den Privatinteressen Anderer. Mit dem Umschwung der Dreißigerjahre und der durch denselben bewirkten Beseitigung von Bevormundung aller Art kehrte auch das Wort ,,Gewerbefreiheit11 wieder und bürgerte sich in den Verfassungen ein, zwar meist mit dem Vorbehalt des allgemeinen Wohls, zuweilen aber daneben auch die Freiheit des Einzelnen betonend (z. B. Zürcher Verfassung von 1831).

Infolge dieser Entwicklung war beim Erlasse der Bundesverfassung von 1874 in fast zwei Dritteln sämrntlicher Kantone die Ausübung des Wirthschaftsrechts der Zahl nach nicht beschränkt, sondern die Erwerbung des Patents oder der Bewilligung, wenn überhaupt nothwendig, war von der Erfüllung gewisser Formalitäten, dem Nachweise der gesetzlichen Requisite und der Be/.ahlung der Steuern abhängig und unter der Voraussetzung des Fortbestandes dieser Requisite nur Entziehung infolge von Gesetzesübertretungen vorgeschrieben, wenn auch in den meisten dieser Kantone die Patente nur auf eine bestimmte Zeit ortheilt wurden.

Wir theilen zum Beweise die betreffenden Stellen aus den Wirthschaftsgesetzen dieser Kantone, welche 1874 noch in Kraft standen, und die seither erfolgten \ 7 eränderungen mit.

ZUrich. Gesetz vom 15. .Dezember 1845 betreffend die Weinschenken, Speisewirthschaften und die Wirthschal'tsabgabe.

§ 5. ,,Jede im Kanton verbiirgerte oder mit Niederlassungsbewilligung sich - aufhaltende Person k a n n ein Weinschenk- und Speisepatent erhalten; ausgenommen sind: a. die Almosengenössigen, b. u. s. w.a § 6. ,,Außerdem wird auch dus Patent nicht ertheilt, wenn : 1) die Persönlichkeit des Petenten keine Sicherheit für die Betreibung einer ordentlichen und ehrbaren Wirthschaft darbietet; 2) die Lokalität die Handhabung der polizeiliehen Aufsicht sehr erschwert;

411

3) der Betreffende mit Personen, welche unter die Bestimmung des § 5, c fallen [in Kriminaluntersuchung Befindliche] in gemeinschaftlicher Haushaltung lebt und eine Gefahr der Umgebung des Gesetzes sich voraussetzen läßt.

4) [ist infolge der Bundesverfassung gestrichen : einjährige Niederlassung oder Besitz eines eigenen Hauses in der Gemeinde.]

Als Grundlage zur Beurtheilung der einzelnen Fälle dienen die Leumundszeugnisse, welche die Gemeinderäthe [und Stillstände] auszustellen haben, sowie die Begutachtungen der Bezirksräthe."

Die für Tavernen wirtschaften und einige andere Gewerbe durch Gesetz vom 19. Mai 1832 vorbehaltene Bedürfnißfrage fiel mit der Annahme der Verfassung von 1869 dahin.

Schwyz. Gesetz vom 13. März 1851.

§ 1. ,,Jede im Kanton verbürgerte oder mit Niederlassungsbewilligung sich aufhaltende Person ist zur Betreibung einer Wirthschaft b e r e c h t i g e t ; es hat dieselbe jedoch dem Bezirksammann und dem Gemeindspräsidenten anzugeben, ob von ihr nur das Ausschenken von Getränken und eine Speisewirthschaft (Pintenschenke) betrieben oder mit derselben auch das Recht der Beherbergung von Gästen (Tavernenwirthschaft) ausgeübt werden wolle."

,,Diese Erklärung müssen auch diejenigen abgeben, welche ihr eigenes Gewächs verwirthen wollen. " -- -- ,,Die Betreibung des Wirthschaftsgewerbes ohne die vorgeschriebene E r k l ä r u n g beim Bezirksammannamt ist als Winkelwirthschaft anzusehen. " § 2 (nach der revidirten Redaktion vom 24. Juli 1883). ,,Von der Wirthschaftsberechtigung sind ausgenommen: a. die Almosengenössigen, b. die Bevogteten, c. die Falliten bis zu ihrer Rehabilitation, d. diejenigen, welche vermöge ihres persönlichen Charakters und Leumunds, sowie desjenigen ihrer Angestellten und übrigen Hausgenossen, und solche, welche vermöge der Lage und Beschaffenheit ihrer Wirthschaftslokale nicht volle Gewähr für einen polizeilich klaglosen Wirthschaftsbetrieb darbieten."

Glarus. Gesetz von 1858.

§ 1. ,,Zur Betreibung einer Wirthschaft sind b e r e c h t i g t , unter Vorbehalt der in den nachfolgenden Paragraphen enthaltenen

412 Beschränkungen, alle Kantons- und Schweizerbürger ; ebenso die Angehörigen auswärtiger Staaten, in welchen den Glarnern das Gegenrecht gehalten wird."

§ 2. ,,Von dem Rechte, eine Wirthschaft zu betreiben, sind ausgeschlossen : a. diejenigen, welche Armenunterstützung genießen, b. die Bevogteten, u. s. w." (alles derartige Bestimmungen.)

Weiter wird gar nichts -- nicht einmal die Einholung einer Bewilligung -- als die Formalität verlangt: § 5. ,,Jede Wirthschaft soll als solche durch einen Aushängeschild oder durch eine Ueberschrift bezeichnet sein."

Ein im Jahre 1881 der Landsgemeinde auf ihre eigene letztjährige Anregung hin vorgelegter Gesetzesentwurf, welcher eine gemeinderäthliche Bewilligung, die von gewissen Requisiten des Bewerbers und seines Lokals abhängig gemacht wird, und eine bescheidene Patentgebühr einführen wollte, wurde verworfen.

Solothurn. PintenschenkVerordnung vom 31.März 1832.

§ 2. ,,Zur Erhaltung eines Pintenschenkpatentes wird erfordert: a. daß der Bewerber entweder Kantonsbürger sei oder im Kanton die NiederlassungO erhalten habe;> -- -- b. daß er Eigenthümer oder gesetzlicher Nutznießer des für die Pintenschenke bestimmten Gebäudes sei; c. daß das Wirthschaftslokal oberamtlich untersucht und zur Führung eines solchen Gewerbes in Bezug auf die darauf zu haltende polizeiliche Aufsicht geeignet befunden worden ; d. daß der Bewerber von guten Leumden sei und darüber während der loteten vier Jahre genügende Zeugnisse aufweisen kanu."

§ 3. ,, K e i n e m , der sich nach § 2 ausgewiesen hat, soll die Ertheilung eines Pintenschenkpatentes verweigert werden. a Gewerbegesetz vom 17. Mai 1834: § 9. ,,Die Bewilligung zu Tavernenrechten, Getreidemühlen, sonstigen Wasserwerken, Metzgerbänken, Esse- und größeren Feuerrechten wird vom Kleinen Rathe unter den in den §§ 10 --17 enthaltenen Bestimmungen ertheilt, wenn der Bewerber entweder Kantonsbürger ist oder im Kanton eine Niederlassung hat."

§ 10. ,,Zur Erhaltung eines Tavernenrechts wird erfordert: a. ein gemauertes, mit Ziegeln oder Schiefer bedecktes, dem Bewerber eigenthümliches Gebäude, welches in Bezug auf die

413

darauf zu haltende polizeiliche Aufsicht geeignet befunden worden ist; b. eine geräumige Gaststube und wenigstens vier ausschließlich zu Beherbergung von Reisenden gewidmete Zimmer; c. geräumige Stallung und Scheuer; d. der Ausweis, daß der Bewerber und seine Familie von guten Leumden sei und darüber für die letzten vier Jahre befriedigende Zeugnisse anführen kann."

§ 11. ,,Für bereits bewilligte Badeanstalten verbleibt es bei § l des Gesetzes vom 31. März 1832; eine neue Badewirthschaft kann aber nur mit einem Tavernenrechte verbunden werden, und das dazu bestimmte Gebäude muß für eine solche Anstalt tauglich und geräumig befunden worden sein."

Die folgenden Paragraphen handeln nicht von Wirtschaften.

Durch Gesetz vom 27. März 1847 wurde jedoch das Gesetz vom Jahre 1834 dahin modifizirt, daß nur noch gesagt wird: § 2. ."Wer ein Tavernenrecht ausüben will, hat sich übeidie gleichen p e r s ö n l i c h e n Eigenschaften auszuweisen, die nach dem Gesetz vom 17.Mai 1834 für Erwerbung eines solchen Rechts gefordert werden. a Bin im Jnui 1882 dem Volke vorgelegtes neues Wirthschaftsgesetz, durch welches unbeschadet der Gewerbefreiheit die Patentgebühr auf Fr. 400, bezw. auf Fr. 300 (bei Speisewirthschaften) erhöht und das Auswirthen und der Kleinverkauf von Branntwein erschwert werden sollte, wurde verworfen.

Basel-Landschaft. Gesetz vom 8. September 1873.

§ 4. ,,Das Recht zur Ausübung einer Wirtschaft wird nachgenannten Personen, insofern sie in bürgerlichen Rechten und Ehren stehen und einen guten Leumund genießen, ertheilt : 1) Kantons- und niedergelassenen Schweizerbürgern ; 2) denjenigen Ausländern, welche laut Staatsvertrag zur freien Gewerbsausübung berechtigt sind oder deren heimathliche Staaten Gegenrecht halten; 3) Wittwen und mehrjährigen Weibspersonen, welche freie Mittelverwaltung besitzen. Ausnahmsweise kann der Regierungsrath auch Bevormundeten, unter Verantwortlichkeit ihrer Vormünder, die Fortsetzung einer Wirthschaft bewilligen.

§§ 5 und 6 (Beamtenausschluß).

414

Die einzige Beschränkung enthält § 7, welcher jedoch seit 1874 zu keinem Rekurs Anlaß bot: § 7. ,,An a b g e l e g e n e u Orten, die der polizeilichen Aufsicht nicht leicht zugänglich zugänglich sind, und wo das BediVrfniß einer Wirthschaft nicht nachweisbar ist, soll die Eintheilung einer Wirthschaftsbewilligung verweigert werden."

Welche Schwierigkeiten hier weitere Beschränkungen des Wirthschaftsgewerbes, namentlich auch der Eigengewächswirthschaften, begegnen würden, hat die Verwerfung des Wirthschaftsgesetzes vom Jahre 1870 bewiesen.

Schaffhausen. Gesetz vom 4. September 1868.

§ 2. ,,Jedem Kantonsbürger und im Kanton niedergelassenen Einwohner, welcher zur freien G-ewerbsausübung berechtigt ist und der sich binnen der gesetzlichen Zeit um ein Wirthschaftspatent bewirbt, wird, sofern gegen dessen Leumund nichts eingewendet werden kann, worüber er sich durch ein Zeugniß des Gemeinderaths seines Wohnorts auszuweisen hat, ein Wirthschaftspatent gegen Entrichtung der Gebühr durch den Regierungsrath bewilligt."1 Folgt: Aufzählung der einzig ausgeschlossenen Beamten. Das neue Gesetz vorn 17. Mai 1882 steht«auf demselben Boden.

Appenzell A.-Rh.

Die vom Gemeinderath zu ertheilende und von der Regierung zu genehmigende Bewilligung ist nach der Polizei Verordnung von 1836 denjenigen zu verweigern, welche bevogtet, der Trunkenheit und der Ausgelassenheit ergeben oder nicht zeugenfähig sind ; ferner denjenigen, welche kein ganzes Haus eigenthümlich besitzen oder in Pacht haben, und Solchen, die wiederholt für Uebertretung der Wirthsehaftspolizei gestraft worden oder noch Bußen schuldig sind.

Daß die Bewilligung denjenigen nicht verweigert werden darf, welche nicht in diese Kategorie gehören, das geht aus der Enquête von 186l18 hervor, bei welcher die Regierung mittheilte, es sei von 13 Die Regierung des Großherzogthums Baden, mit der Umgestaltung der Gewerbegesetzgebung beschäftigt, befragte im Jahre 1861 den Bundesrath über die in der Schweiz gemachten Erfahrungen bezüglich der Gesetzgebung über die Wirthschaften. Der Bundesrath holte die Gutachten der fcantonsregierungen ein und stellte sie für die (iroßh. Badische Regierung zusammen. Diese Zusammenstellung erschien später gedruckt in der Zeitschrift für schweizerische Statistik, Jahrgang I, Seite 74--84. Diese Enquête, auf welche wir uns gelegentlich
heruf'eu werden, ist noch jetzt von Interesse, indem sie zeigt, wie sehr die Regierungen sich gezwungen sahen, bei der Sorge für das öffentliche Wohl auch die Grundsätze der Gewerbefreiheit zu berücksichtigen.

415 jeher und noch jetzt jeder Ehrenmann unter den gesetzlichen Bestimmungen und ohne daß er irgend welche Wirthschaftstaxe zu entrichten hat, zur Betreibung einer Wirthschaft b e r e c h t i g t .

,,Diese F r e i g e b u n g der Wirthschaften influirt nun allerdings einigermaßen auf die Zahl der Wirthschaften, doch immerhin nicht in sehr fühlbarer Weise." -- ,,Zeigt sich auch im moralischen Zustande der Wirthschaften erklärlicher Weise ein Unterschied, so kann dennoch mit Befriedigung ausgesprochen werden, daß für die öffentliche Sittlichkeit die Freigebung der Wirthschaften bisher von keinen nachteiligen Folgen begleitet war; es bedingt dieses Faktum aber durchaus e i n e g e h ö r i g e , e n e r g i s c h e U e b e r w a c h u n g und ein ernstes Einschreiten in Fällen der Verletzung der S i t t l i c h k e i t durch B e s t r a f u n g und E n t z i e h u n g d e r W i r t h s c h a f t s b e r e c h t i g u n g."

Die neue Polizeiverordnung vom 11. März 1879 stellt etwas schärfere Requisite betreffend den Leiter und die Lokalität der Wirthschaft auf, ist aber auf der andern Seite noch freisinniger, indem sie die Vorschrift der alljährlichen Erneuerung des Patents beseitigt.

Appenzell I.-Rh.

Auf die bundesräthliche Anfrage von 1861 anwortete die Regierung dieses Kantons: "Das Recht der Wirthschaftsbetreibung wird in unsern Kanton j e d e m E i n w o h n e r , sei er Kantonsangehöriger oder nicht, ohne irgend welche Entrichtung von Taxen oder Gebühren gegeben, insofern der Betreibende die erforderlichen Eigenschaften besitzt, d. h. in bürgerlichen Rechten und Ehren steht und Übrigens als ein Mann unbescholtenen Wandels bekannt ist."

Die Polizeiverordnung von 1865 schließt auch die Personen unter 18 Jahren und Trunkenbolde von der Bewerbung aus; bei Pächtern wird überdies verlangt, daß sie ein ganzes Haus für sich in Pacht nehmen, ohne damit andere Miethen zu verbinden.

Die Polizeiverordnung von 1880 behält diese Bestimmungen bei und führt eine Wirthsrhaftstaxe von Fr. 10--50 per Jahr ein.

St. Gallen. Gesetz vom 19. Nov. 1844 (aufgehoben 1881).

Art. 2. ,,Das Wirthschaftspatent ist j e d e m Kantonsbürger oder gesetzlich Niedergelassenen zu ertheilen, der in bürgerlichen Rechten und Ehren steht und dessen Persönlichkeit volle Gewähr für polizeilich klaglose Wirthschaftsbetreibung darbietet."

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Art. 3. ,,Außer diesen Eigenschaften hat sich derjenige, welcher sich um eine Tavernenwirthschaft bewirbt, noch auszuweisen, daß das Haus, worin er die Wirthschaft zu betreiben sucht, zur Führung derselben und zur Beherbergung der Gäste gehörig eingerichtet und daß es zudem mit der erforderlichen Stallung versehen sei."

Art. 4. ,,An abgelegenen Orten, die der polizeilichen Aufsicht nicht leicht zugänglich sind, und wo das Bedürfniß ,,einer Wirthschaft" nicht nachweisbar ist, sowie auf Häuser, welche längere Zeit in üblem Rufe gestanden sind, kann die Ertheilung einer Wirthschaftsbewilligung verweigert werden. a Während der Nachbarkanton Appenzell A.-Rh. bei seiner energischen Wirthschaftspolizei keine nachtheiligen Folgen der Freigebung der Wirthschaften wahrnimmt, finden wir in den Amtsberichten des Kleinen Rathes des Kantons St. Gallen wiederholte Klagen über den nachtheiligen Einfluß der vermehrten Wirthschaften auf die offentliehe Sittlichkeit, aber auch -- über mangelhafte Ausübung der Wirthschaftspolizei Seitens mancher Gemeindebehörden.

,,Ob durch erhöhte Taxen Abhülfe geschafft werden könnte, -- sagt der Amtsbericht pro 1860 -- ist zweifelhaft; eine Reduktion je auf den Bedarf der einzelnen Ortschaften dürfte als eine theilweise Beschränkung der G e w e r b ef r e i h e i t angesehen werden und würde jedenfalls in konkreten Fällen zu mannigfaltigen örtlichen Reibereien und Konflikten Anlaß geben."

,,Um jedoch, soweit es bei bestehender Gesetzgebung möglich ist, diesem Umstände entgegenzutreten, wurden alle Wirthschaftsgesuche, bei welchen der Bewerber, so viel uns in Kenntniß lag, nicht volle Garantie für polizeilich klaglose Wirthschaftsbetreibung bot, abgewiesen, mehrere Wirthschaften auf eingelangte Klagen gänzlich aufgehoben, andere hinwieder besonderer Kontrole unterstellt."

Der Art. 22 der St. Gallischen Verfassung von 1861 sicherte wiederum ,,volle Gewerbefreiheit" mit dem Zusätze: ,,Beschränkungen, insoweit sie im Interesse der Gesammtheit und des einheimischen Gewerbsfleißes erforderlich und zulässig sind, hat die Gesetzgebung auszusprechen.a Nachdem in den Sechsziger Jahren die Wirthschaften und die Uebelstände wiederum zugenommen hatten, wurde 1869 die Getränkeabgabe, welche außer der Patentgebühr erhoben wird, erhöht, was eine vorübergehende Abnahme der Zahl der Wirthschaften bewirkte. Von 1871 an jedoch zeigte sich, mit einziger Ausnahme

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des Jahres 1873, bis 1881 eine regelmäßige Zunahme (aber auch die Zahl der Sticker dieses Kantons war von 1870--1880 auf die doppelte Zahl angewachsen) ; ein neues Gesetz von 1881 brachte nun nicht allein eine erhebliche Erhöhung der Patentgebühren, von welchen V* den Gemeinden zugesichert wurde, sondern auch noch die Bestimmung: Art. 2, Alinea 2. ,,Wenn bei zu starker Vermehrung der an «inem Orte bestehenden Wirthschaften ernstliche Besorgnisse für das öffentliche Interesse begründet sind, so ist der Regierungsrath berechtigt, die Ertheilung neuer Wirthschaftspatente bis auf Weiteres inzustellen. u Diese Bestimmung wurde bekanntlich durch Beschluß der Bundesversammlung vom 7. Juli 1883, als dem Art. 31 der Bundesverfassung widersprechend, außer Kraft gesetzt.

Graublinden.

Schon bei der Enquête von 1861 schrieb die Regierung: ,,Im hiesigen Kanton ist die Regelung des Wirthschaftswesens Sache der Gemeinden und es hat sich die kantonale Gesetzgebung zu keiner Zeit damit befaßt. Die Ausübung dieses Erwerbszweiges war von jeher in den meisten Gemeinden vollkommen frei, weder an eine Konzession, noch an eine Taxe gebunden. Wir sind daher außer Fall, irgend welche statistische Mittheilung über die Wirkung der Preigebung oder Beschränkung der Wirthst'haften, über deren Zahl und Zustand zu machen. So viel darf indessen wohl behauptet werden, daß bisher bei dieser vollständigen Freiheit keinerlei nachtheilige Einflüsse auf die öffentliche Sittlichkeit wahrnehmbar waren.a Derselbe konstitutionelle Zustand besteht noch jetzt. Die Regierung konnte uns nur über die Regelung der Angelegenheit in der Hauptstadt Mittheilung machen, aus welcher sich ergibt, daß daselbst Jeder, der über die vorgeschriebenen Requisite betreffend Persönlichkeit und Lokal sich genügend ausweist, das Patent erhält gegen Entrichtung einer jährlichen Gebühr von 80--1000 Fr.

Thurgau. Gesetz vom 5. März 1847.

§ l. ,,Jeder Kantonsbürger und gesetzlich Niedergelassene kann eine Wirthschaft betreiben, sofern er in bürgerlichen Ehren steht und das Zeugniß eines guten Leumunds besitzt.tt § 2. ,,Außer diesen Eigenschaften hat derjenige, welcher eine Tavernenwirthschaft zu betreiben Willens ist, darüber sich auszuweisen, daß er mit den für eine solche erforderlichen Einrichtungen versehen sei.

Bnndesblatt.. 36 Jahrg. Bd. IV.

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§ 3: "Für einzelne Häuser an abgelegenen Orten, wo der Wirthschaftsbetrieb wegen der Unmöglichkeit der polizeilichen Beaufsichtigung die öffentliche Sicherheit oder Sittlichkeit gefährdet, kann die Ertheilung der erforderlichen Bewilligung verweigert werden."

Nach dem Gesetze vom 2. Dezember 1860 über die Bierwirthschaften war zum Betriebe von solchen nur die Einwilligung des Gemeinderathes erforderlich, welche patentirten Wirthen nicht versagt werden konnte.

Einmal, im Jahre 1855, regte der Große Rath im Interesse einer bessern Handhabung der Wirthschaftspolizei (über welche die damaligen Berichte klagten) und der Verminderung der Wirthschaften eine Revision des Gesetzes an. Als aber der Regierungsrath ein solches vorlegte, wurde es vom Großen Käthe verworfen und es gelang dann auf andere Weise, bessere Polizei einzuführen.

Die starke Vermehrung der Wirthschaften führte indessen doch seither zu einer Revision des Gesetzes, bei welcher der durch die Verfassung garantirten Gewerbefreiheit nicht zu nahe getreten werden mußte, sondern einige unbedeutende polizeiliche und finanzielle Erschwerungen bereits eine Reduktion herbeiführten.

Das Gesetz vom 11. April 1880 lautet u. A.: § 4. ,,Jeder Kantonsangehörige und gesetzlich Niedergelassene k a n n eine Wirthschaft betreiben, sofern er das Aktivbürgerrecht besitzt, gut beleumdet ist und sich über den Besitz eines tauglichen Lokals, sowie der erforderlichen Wirthschaftseinrichtungen ausweist."

,,Ausgeschlossen von der Wirthschaftsberechtigung sind diejenigen Beamten und Angestellten, welchen besondere Gesetze oder Verordnungen die Ausübung einer Wirthschaft untersagen."

Tessin.

,,Hier -- schrieb die Regierung dieses Kantons im Jahre 1861 -- war das Recht, Gasthöfe und Speisehäuser zu eröffnen, immer frei und kein Tessiner, Schweizer oder Sarde (jetzt Italiener) war irgend einer Taxe unterworfen, Fremde außer den genannten waren der allgemeinen Handelsabgabe unterworfen. Die Polizei wird über alle Arten von Wirthschaften von den Gemeinden ausgeübt."

Noch jetzt besteht außer der Bestimmung des Gemeindegesetzes von 1854, wonach die Gemeinden die polizeiliche Aufsicht über die Wirthschaften zu fuhren haben, keine spezielle Gesetzgebung über die Wirthschaften. In Betreff der Besteurung werden sie wie andere industrielle Geschäfte behandelt.

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Waadt.

Dieser Kanton hat im Jahre 1840 das Konzessionssystem mit dem Patentsystem im Sinne der Gewerbefreiheit vertauscht, indem nur wegen fehlenden Leumundszeugnisses des Bewerbers oder ungeeigneter Lage des Lokais ein Patent verweigert werden konnte; nur in Orten, wo noch keine Wirthschaft bestand, konnte ohne Zustimmung des Generalraths der Gemeinde eine solche nicht bewilligt werden. Du in Folge der Fremdenindustrie und der äußerst geringen Taxen die Zahl der Wirthschaften stark zunahm und man überhaupt eine größere Staatseinnahme aus denselben beabsichtigte, so wurden durch das Gesetz vom 9. Januar 1868 die Gebühren bedeutend erhöht, auf Fremdenpensionen und Kleinhändler mit geistigen Getränken ausgedehnt, die Formalitäten für Erlangung eines Patents etwas erschwert und die Entziehung des Patents wegen schweren Ordnungdwidrigkeiten der Kompetenz des Staatsrathes (statt der Gerichte) übertragen. Auf der andern Seite ist aber schon seit dem Dekret vom 28. November 1857 dem Staatsrath das Recht übertragen, selbst entgegen dem Beschlüsse des Generalrathes in Gemeinden ohne öffentliche Wirthschaft in der Nähe von Stationen und Bahnhöfen solche zu bewilligen.

Neuenburg.

Hiev trat im Jahre 1848 an die Stelle des Konzessionssystems die Gewerbefreiheit. Die noch jetzt in Kraft befindliche Verfassung von 1858 garantirt dieselbe unter dem einzigen Vorbehalt der Polizeiund Steuergesetze (Art. 15) und stellt (Art. 16) das System der direkten Steuer auf Vermögen und Einkommen auf.

Um die stets wachsenden Defizite zu beseitigen, zum Theil auch um die Vermehrung der Wirthschaften etwas aufzuhalten, erließ der Große Rath den 5. Februar 1861 ein Gesetz, durch welches sämmtliche Wirthsehaften des Kantons einer Patentsteuer von durchschnittlich Fr. 150 per Jahr unterworfen wurden. Während die Regierung; mit der Exekution desselben beschäftigt, war, wurde eine von 7677 Bürgern unterzeichnete Petition eingereicht, welche, das Gesetz anklagten, daß es gegen die in der Verfassung garantirteli Grundsätze der Gewerbefreiheit und der direkten Besteuerung verstoße. Der Große Rath suspendirte die Ausführung des Gesetzes auf unbestimmte Zieit und es ist noch jetzt weder vollzogen noch aufgehoben.

Durch Polizeireglement vom 6. April 1863 wird die Bewilligung an den Vorweis eines Leumundszeugnisses und der
Niederlassungsbewilligung geknüpft ; sie kann verweigert werden, wenn das Lokal zu nahe einem für Erziehung oder Kultus bestimmten Gebäude gelegen ist, durch seine Lage oder Eintheilung die Aufsieht unmöglich macht oder einen schlechten Ruf hat oder wenn

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dei- Bewerber nicht die erforderten persönlichen Ausweise beibriugt, kriminell oder korrektionell bestraft worden ist.

Unter Festhaltung dieses polizeilichen Standpunktes beschränkt sich seither die Regierung auf scharfe Kontrdle bei Gesuchen um die Bewilligung und auf Entzug derselben hei Ordnungswidrigkeiten, ferner den Bezug einer Polizeigebühr von Fr. 50 bei Eröffnung einer neuen Wirthsohaft und von Fr. 25 bei Uebernahme einer bestehenden durch einen andern Wirth.

Genf.

Nicht bloß Wirthe, sondern auch Pensionen, Kostgeber, Vermiether mehrerer Zimmer und Krankenanstalten bedürfen der Autorisation des Justizdepartements. Bei Wirthen ist deren Ertheilung bedingt durch eine Prüfung des Lokals und den Befund genügender Latrinen, leicht zugänglicher, gut und reinlich unterhaltener Abtritte. Die Autorisation kann bei Klagen der Nachbarschaft über Unreinlichkeit und Unanständigkeit der Gäste, sofern auf erfolgte Mahnung nicht Abhülfe geschafft wird, sowie wegen Polizeiwidrigkeiten oder Ausschweifungen entzogen werden. Weitere Beschränkungen der durch die Verfassung von 1847 garantirten Gewerbefreiheit bestehen nicht. (Reglement vom 1. September 1877 -- im Geiste übereinstimmend mit Polizeireglement vom 31. März 1837, Art. 31 ff.) Die Steuern sind Gemeindesteuern und werden, wie bei andern Industrien, nach dem Patentsystem klassifizirt.

Wir ersehen aus dieser Aufzählung, daß in den genannten Kantonen die Gewerbefreiheit im Wirthschaftswesen schon vor 1874 nur durch die Forderung gewisser Requisite betreffend die Person oder das Lokal des Bewerbers und meist auch durch eine Spezialsteuer beschränkt war und daß nur in vier von diesen Kantonen eine Abweichung von dieser Regel insofern bestand, als in kleinen, abgelegenen Ortschaften, wo noch keine Wirthschaft war, zunächst wegen der Schwierigkeit der Beaufsichtigung, zum Theil auch wegen mangelnden Bedürfnisses eine Verweigerung des Patentes eintreten konnte.

Wenn also in den 70er Jahren in diesen Kantonen die Wirthschaften sich stark vermehrten, so war dies nicht die Folge der Bundesverfassung, sondern der eigenen Verfassungen und Gesetze dieser Kantone. Wir dürfen sogar aus dem Umstände, daß diese Zunahme schon mit dem Jahre 1871 beginnt und daß in den letzten Jahren wieder eine rückgängige Bewegung eingetreten ist, den Schluß ziehen, daß die allgemeinen wirthschaftlichen Verhältnisse auf diesem Gebiete einen ebenso großen oder noch größern Einfluß ausübten als die Gesetze.

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Wir gehen nun zu denjenigen Kantonen über, deren Gesetzgebung zur Zeit der Annahme der Bundesverfassung von 1874 noch gestattete, die Zahl der Wirtschaften zu beschränken.

Bern.

Sein Wirthschaftsgesetz vom 4. Juni 1852 ist das einzige der Schweiz, welches je das Wort ,,Normalzahl" enthalten und diesen Begriff zum System ausgebildet hat. Schon dieser Umstand dürfte es rechtfertigen, wenn wir von seinen Grundlagen und Wirkungen etwas einläßlicher sprechen.

Auch der Kanton Bern hat in den 30er Jahren im Nameu der Gewerbel'reiheit neben den konzessionirten Wirtschaften das Patentsystem eingeführt. Die erstem, so lautele das Gesetz von '1836, ,,sind in ihrem Bestand anerkannt und können gegen Bezahlung der bisherigen Gebühr so lange ausgeübt werden, bis das Gesetz über sie etwas Anderes verfügt." Um die Bedeutung dieser Bedrohung zu würdigen, muß man wissen, daß in diese Kategorie gegen 700 Wirthschaften gehörten, welche meist im Besitze einflußreicher Familien waren.

Bei den ökonomisch günstigen Ergebnissen der Dreißiger und der ersten Vier/iger Jahre nahm die Zahl der Wirthschaften stark zu und damit auch die Klage über diese Zunahme. Nachdem ein das Gewerbe der Pintenwirthschaften einschränkendes Dekret vom 3. März 1843 infolge eines gegen dasselbe in's Werk gesetzten Petitionssturms hatte suspendirt werden müssen, verzog sich die Revision des Gesetzes des Jahres 1836 bis 1852.

Nur die Depression, welche eine Reihe von Mißernten und die daraus resultirende Armennoth und Verwirrung der Armenverhältnisse in den Gemüthern erzeugte, nur ein politischer Urnschwung, wie derjenige von 1850 und die vollständige Niederwerfung der Opposition im Jahre 1852 konnte den Kanton Bern so in Widerspruch mit den seit 1830 von ihm bekannten Grundsätzen bringen, daß er ein Geset/ annahm, welches gleich mit § l vorbehaltlos den Satz aussprach : ,,Die auf Konzessionen, Titeln und unvordenklichem Herkommen beruhenden Wirthschafteu werden in ihrem gegenwärtigen Bestände anerkannt."· ,,Die Besitzer solcher Wirthschaften sind befugt, das Wirthschaftsrecht innerhalb der Schranken ihrer bisherigen Berechtigung und gegen Bezahlung der b i s h e r i g e n G e b ü h r auszuüben. 11 Nachdem auf diese Weise für die von Alters her Privilegirten die Gewerbefreiheit gerettet war, wurde der Rest der Wirthschafteu in folgender Weise dem Ostracismus preisgegeben.

422 Alle vier Jahre hatten die Einwohnergemeinderäthe dein Regierungsstatthalter ein Befinden abzugeben, wie viele Wirtschaften der drei verschiedenen vom Gesetz vorgesehenen Arten Bedürfniß seien, und zwei Delegirte an eine Amtskommission zu ernennen.

Die vom Regierungsstatthalter präsidirte Amtskommission faßte dann über die zuläßige Zahl von Wirtschaften in jeder Gemeinde ihren vorläufigen Entscheid ; hierauf entschied définitif die Direktion des Innern oder -- wenn sie eine abweichende Ansicht hatte -- der Regierungsrath. Nachdem hierauf die Direktion des Innern auch die Patentgebühren für jede Gemeinde festgesetzt hat, erfolgt die Anschreibung der Bewerber unter Vorlegung ihrer Belege, wie bei Besetzung eines Staatsamtes. Der Präfekt setzt die Rangordnung derselben fest unter Berücksichtigung ihrer Morali tat, Vermögensverhältnisse, der bisherigen Führung des Wirthschaftsberufs und der Lage und Eigenschaften des Wirthschaftslokals. Wenn die Zahl der Bewerber die festgesetzte Normalzahl übersteigt, so fallen diejenigen Bewerber als überzählig weg, welche in der Rangordnung am tiefsten stehen. Stimmt die Direktion des Innern dem Entscheid des Regierungsstatthalters bei, so ist die Sache erledigt; wenn nicht, so entscheidet der Regierungsrath und die Patente werden für vier Jahre ertheilt, nach deren Ablauf wieder alle -- nicht konzessionirteu -- Wirthe von Neuem ihre ökonomische Existenz von der Ansicht des Präfekten abhängig gemacht sehen. Die Ueberschreitung der Normalzahl kann nur auf das Ansuchen des Einwohnergemeinderathes und auf den Nachweis neu entstandener Bedürfnisse durch den Regierungsrath gestattet werden.

Selbst ohne die Ausführung des Gesetzes näher zu kennen, wird man zu der Frage veranlaßt: Werden die 700 Konzessionswirthe, deren Ansehen schon im gesetzgebenden Rathe ihrem bisher stets als widerrufbar behandelten Privilegium eine definitive Sanktion zu verschaffen und den Konkurrenten eine so prekäre Lage zu bereiten vermochte, draußen in den Gemeinden, auch wenn sie und ihre Verwandten bei der Abstimmung des Gemeinderaths über die Normalzahl den Austritt nehmen mußten, nicht gleichwohl öfter ihren Einfluß geltend machen? Werden ferner in Zeiten politischer Aufregung die Wirthschaften, welche ja der Hauptherd aller politischen Agitation sind, vom Regierungsstatthalter, welcher
aus politischen Wahlen hervorgeht und die rechte Hand der Regierung ist, stets ohne alle und jede politische Sympathie und Antipathie klassifizirt werden? Wird es auch möglich sein, jeglichen Verdacht abzuwenden, daß da oder dort die Existenz eines Ehrenmannes dem Bloßen Konkurrenzneid oder der Politik zum Opfer gefallen sei? Und wird nicht die Furcht vor solcher Verdächtigung an manchen Orten umgekehrt die Gemeinderäthe und ihre Delegirten

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zeitweise auch wieder zu der Maxime verleiten, Jeden frei gewähren zu lassen? Wie groß die Versuchung zu dieser Maxime ist, das zeigen die Jahresberichte der Regierungen derjenigen Kantone, in welchen die Wirthschaftspolizei ganz den Gemeindebehörden überlassen ist.

Alle diese Vorwürfe blieben nicht aus und die Regierung mußte entweder durch blindes Genehmigen al 1er Vorlagen die Verantwortung für solche Vergewaltigung auf sich nehmen oder aber, wenn sie den Grundsätzen der beschwornen Verfassung Rechnung tragen wollte, die Vorwürfe des Gesetzgebers hinnehmen.

Was aber die Zahl der Wirthschaften betrifft, so wurde dieselbe allerdings in den ersten Jahren nach Annahme dieses Gesetzes stark reduzirt; es ist aber zu bemerken, daß die Abnahme schon im Jahre 1846 begonnen hatte und nur so lange dauerte, als die Noth, daß schon von 1857 an die Wirthschaften sich trotz Gesetz im Kanton Bern mehrten, wie anderwärts, und daß trotz der offiziellen Ausmittlung des Bedürfnisses Millionen nicht bloss privater, sondern sogar öffentlicher Gelder unrentabel in Hotels angelegt wurden, welche in dieser Zahl und Ausdehnung sich nicht alsnothwendigg erwiesen. Doch lassen wir den Berichten der Behörden selbst das Wort.

Schon im Jahre '1864, als die Normalzahl zum vierten Male auf eine vierjährige Periode festgesetzt, werden sollte, trat die Regierung mit einem partiellen Revisionsentwurf, welcher bloß die Bestimmungen über die Normalzahl beseitigen sollte, vor den Großen Rath; dabei wurde die baldige Vorlage einer Totalrevision, welche, auch die Liquidation der Konzessionen, sowie die Fabrikation und den Handel mit Branntwein beschlagen sollte, in Aussicht gestellt.

Obschon die Regierung erklärte, daß die Bestimmungen über die Normalzahl ihren Zweck nicht erreichen und daß das bisherige Gesetz unhaltbar sei, wurde der Entwurf auf unbestimmte Zeit verschoben.

Als im Jahre 1868 die Normalzahl zu erneuern war, legte die Regierung wiederum einen Entwurf vor, welcher nun das ganze Wirthschaftswesen umfaßte und alle Wirthschaften ohne Unterschied dem Patentsystem unterwarf. Auch dieses Gesetz wurde zurückgewiesen und alsdann die Normalzahl neu festgestellt. Die Regierung brachte für die Revision folgende Hauptgründe an.

Das System hatte im Großen wie im Kleinen die größten Ungleichheiten zur Folge. Während im alten Kanton durchschnittlich erst auf ungefähr 390 Einwohner eine Wirthschaft kommt, gibt es im Jura schon auf 160 Einwohner eine solche. Noch größer ge-

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staltet sich die Verschiedenheit zwischen den einzelnen Amtsbezirken; im Amtsbezirk Signau kommt auf 760 Einwohner eine Wirthschaft, im Amtsbezirk Saanen auf 600, im Amtsbezirk Interlaken auf 214, im Amtsbezirk Erlach auf 205 Einwohner.

Das Bedürfniß wird in der ungleichsten Weise bestimmt. ,,Gar oft machen sich bei der Frage, ob eine neue Wirthschaft zu bewilligen sei, ganz andere Rücksichten geltend, als die, welche nach dem Gesetze einzig in Betracht kommen sollten. Hier wird die Ertheilung eines Patents empfohlen, weil eine einflußreiche Persönlichkeit sich darum bewirbt; dort wird die Empfehlung verweigert, weil eine einflußreiche Persönlichkeit eine neue Wirthschaft nicht gerne sieht. Nicht selten findet das Bedürfniß keine Anerkennung, weil die Gemeinde selbst eine alte Berechtigung besitzt und sich nicht selbst Konkurrenz schaffen will; wiederum haben schon öfter Wirthschaften , wo kein Bedürfniß vorhanden war, bewilligt werden müssen, weil Personen, die ältere Wirthschaftsrechte in Pacht hatten, aus diesem oder jeuein Grunde die Pacht verloren hatten und es unbillig erschien, denselben die Möglichkeit zu entziehen, ihr bisheriges Gewerbe fortzusetzen. Oefter kommt auch der Fall vor, daß Patentinhaber ihre gemietheten Lokale verlassen, um die Wirthschaft anderwärts auszuüben, und daß dem Hauseigentümer, welcher sein Gebäude mit großen Kosten zu einer Wirthschaft eingerichtet hat, ein neues Patent ertheilt wird, um ihn vor Schaden zu bewahren."

Auch machte die Regierung dem Gesetze von 1852 den Vorwurf, daß es eine bedeutende Zunahme der Winkelwirthschaften hervorgerufen habe, welchen man mancherorts nur durch Erhöhung der Normalzahl vorzubeugen im Stande war. In ähnlicher Weise spricht der Verwaltungsbericht des Regierungsrathes pro 1871 von der Normalzahl, welche von vielen Seiten angefochten und als veraltet bezeichnet werde. ,,Würde das Wirthschaftswesen auf Grundlage der Freigebung reglirt, so ist allerdings anzunehmen, dass anfänglich eine wesentliche Vermehrung der Wirthschaften eintreten würde; nach wenigen Jahren aber würden die überflüssigen Wirthschaften von selbst eingehen, und die Zahl der Wirthschaften würde sich den vorhandenen Bedürfnissen anpassen. a Man wird sich nunmehr nicht wundern, daß gerade die Vertreter des Kantons Bern, welche das System der Normalzahl aus eigener
Erfahrung kennen , in sehr bestimmter Weise zu der Garantie der Handels- und Gewerbefreiheit durch die neue Bundesverfassung mitgewirkt haben.

Wenn der Verwaltungsbericht des Regierungsrathes pro 1876 von dem ungünstigen Einfluß der Vermehrung der Wirthschaften

425 spricht, welche durch die Aufhebung der Normalzahl und Freigebung des Wirthschaftsgewerbes entstand , so will die Direktion des Innern damit zunächst ihre strenge Handhabung der gesetzlichen Requisite und die hohen Gebühren bei Bewilligung neuer Wirthschaften motiviren. Dann war aber auch bereits ein neues Wirthschaftsgesetz vom Großen Rathe in Beratung genommen, mit welchem man um so sicherer vorwärts kam, je unhaltbarer der gegenwärtige Zustand erschien. Das neue Gesetz stellte einerseits den Konzessionswirthschaften einen letzten Termin bis Ende 1890, nach dessen Ablauf sie gleich allen andern Wirtschaften besteuert werden sollten; andererseits wollte es dem bedrängten Fiskus zu Hülfe kommen, indem es durch wesentlich höhere Besteuerung der übrigen Wirtschaften eine Vermehrung derselben zu verhindern versprach. Aber die hierin liegende gesteigerte Ungleichheit und der neue Angriff auf die Konzessionen führten, verbunden mit der damaligen politischen Unzufriedenheit, die Verwerfung des Gesetzes durch das Volk herbei. Die neue Regierung von 1878 nahm den Kampf von Neuem auf und drang mit einem modifizirten Gesetze durch. Der Kanton Bern gibt nach demselben über 21/4 Millionen aus, um durch Loskauf von 670 Konzessionen die Gleichstellung Aller vor dem Gesetze und die durch die Bundesverfassung gesicherte Gewerbefreiheit zur Ausführung zu bringen.

Luzern.

Dieser Kanton hat in seiner Gesetzgebung das Recht zum Wirthen stets als ein vom Nachweise eines Bedürfnisses abhängiges betrachtet. Nach einer Notiz im Verwaltungsberichte pro 1854 besaß er damals von allen Kantonen , über welche Angaben vorlagen , verhältnißmäßig am wenigsten Wirthschaften ; die Eigengewächswirthschaften, deren Zahl erst vom Jahre 1864 an angegeben werden kann, sind jedoch dabei nicht mitberechnet. Leider muß aber der Bericht konstatiren, daß neben den durch das Gesetz; gestatteten Wirthschaften eine zunehmende Zahl von Winkelwirthschaften, welche Schnaps auswirthen, zum Vorschein kommt.

Gleichwohl hält das Gesetz von 1864 über die Wirthschaften daran fest, daß neue Wirthschaften, abgesehen von den Requisiten betreffend die Person und das Lokal des Bewerbers, nur bewilligt werden, wenn das Bedürfniß zu solchen vom Regierungsrat he anerkannt ist.

Die Klage der Berichte über Winkelwirthschaften bleibt fortbestehen; im Jahre 1864 erfolgen 39, im Jahre 1865 52 und im Jahre 187362 daherige Bestrafungen; daneben wird auch darüber Klage geführt, daß die von der Polizei Verzeigten von den Ge-

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richten öfter freigesprochen wurden, weil letztere die Beweismittel nicht genügend fanden.

Unter diesen Umständen wird man es begreifen, daß von 1874 an, als die Frage, ob das Bedürfniß einer Wirthschaft vorhanden sei, nicht mehr durch die Behörden entschieden wurde, die Zahl der Wirthschaften bis zum Jahre 1878 stark zunahm, von da an aber in Folge der ökonomischen Verhältnisse wieder zusehends sank, und daß andererseits die Klagen über ungesetzliches Wirthen sich etwas verminderten. Gegen unsittliche Wirtschaften und gegen die Trunkenheit wurde nunmehr um so ernstlicher eingeschritten.

Das neue Wirthschaftsgesetz vom 22. November 1883 verschärft nicht allein die Requisite betreffend die persönlichen Eigenschaften und das Lokal des Bewerbers und erhöht in bedeutendem Maße die Gebühren, sondern stellt (§ 20) auch den Grundsatz auf: ,,Wenn wegen zu starker Vermehrung der an einem Orte bestehenden Wirthschaften eine ernstliche Besorgniß für das öffentliche Wohl begründet ist, so kann der Regierungsrath die Ertheilung von Wirthschaftspatenten bis auf Weiteres einstellen.a Uri.

Nach der Polizeiverordnung vom 26. November 1872 ist jede neue Wirthschaft, jede Verlegung oder Wechsel des Inhabers durch den Gemeinderath zu begutachten und vom Regierungsratli zu genehmigen, welcher letztere nur ausnahmsweise, trotz negativen Entscheides der Gemeinde, die Bewilligung ertheilt.

Auch haben die Gemeinderäthe der Polizeikommission alljährlich ein Verzeichniß der Wirthschaften einzusenden. Eine Angabe der Zahl der Wirthschaften in früheren Jahren und eine Berechnung über die Zunahme, war gleichwohl nicht möglich.

Das neue Wirthschaftsgesetz vom 4. Mai 1884 führt eine periodische Kozessionserneuerung nach je 4 Jahren ein, verlangt eine alljährliche (statt einmalige) Gebühr von bis Fr. 500 und enthält (§ 5) die neue Vorschrift : ,, Wenn wegen zu starker Vermehrung der Wirthschaften eine ernstliche Besorgniss für das öffentliche Wohl begründet ist, so ist der Regierungsrath, beziehungsweise die Polizeikommission berechtigt, die Ertheilung von Patenten vorübergehend einzustellen.a Unterwaiden ob dem Wald.

Nach der Wirthschaftsordnung vom 16. Juli 1866 war das Wirthschaftsgewerbe noch ein gesetzlich beschränktes; der Landrat ist, auch wenn die gesetzlichen Erfordernisse vorhanden sind, ,,an Ertheilung der Konzession keineswegs gebunden, sondern es bildet immerhin die allgemeine Wohlfahrt und das öffentliche Bedürfniss den vorzüglichsten Faktor."

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Das in Folge der Bundesverfassung erlassene neue Gesetz vom 22. Januar 1876 läßt die Bedürfnissfrage fallen, verschärft dagegen die Requisite bezüglich der Person und des Lokals des Bewerbers und erhöht die nunmehr den Gemeinden zufallenden Gebühren.

Da das neue Gesetz auch den Handel mit geistigenGet'ranken überhaupt von einem Patent und dieErtheilungg eines solchen von denselben persönlichen Requisiten -- ausgenommen die Niederlassung -- abhängig machte, wie die Ertheilung der Wirthschaftskonzession, so wurden diese letztern Bestimmungen in Folge eines Rekurses vom Bundesrathe aufgehoben. Ebenso wurde die Bestimmung des Artikel 21 : ,,Bezüglich aller Forderungen für Branntwein und andere gebrannte Wasser wird kein Rechtsschutz gewährt", in einem Rekursfalle als beim Großhandel mit Spirituosen unzulässig erklärt.

Unterwaiden nid dem Wald. Gesetz vom 8. Mai 1864.

,,Der h. Landrath ertheilt nach Würdigung des Bedürfnisses hinsichtlich der vorhandenen Bevölkerungszahl und des Verkehrs die Wirthschaftsbewilligung."

Die jährliche Patentgebühr beträgt nur Fr. 25--50.

Zug.

Vor 1869 konnten Wirthschaften jederzeit errichtet und daherige Patente anbegehrt werden von Personen, welche die gesetzlichen Eigenschaften besaßen.

Nach dem Gesetze vom 15. März 1869 (§ 7) ertheilt der Regierungsrath die Wirtschaftsbewilligungen nach Maßgabe des durch Bevölkerung und Verkehr des Ortes sich ergebenden öffentlichen Bedürfnisses.

Das Gesetz vom 11. Dezember 1882 sagt in § 6: ,,In Gemeinden, wo bereits eine Ueberzahl von Wirthsehaften besteht, kann aus sittenpolizeilichen und volkswirtschaftlichen Gründen die Bewilligung neuer Wirthsehaften verweigert werden. a Die Anforderungen betreffend die Person und dus Lokal des Bewerbers werden verschärft.

Freiburg.

Konzessionen und Patente wurden noch nach dem Gesetze vom 11. Mai 1864 nur unter Berücksichtigung des öffentlichen Wohls auf eine bestimmte Zahl von Jahren ertheilt. -- Dabei führen aber die Regierungsberichte vielfach über Winkelwirthschaften und über ungenügende Ausübung der Polizei durch die Gemeindebehörden Klage Als mit Annahme der Bundesver-

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fassung die Beschränkung der Wirthschaften nach ihrer Zahl unzulässig befunden wurde, verschärfte die Regierung im Auftrage des Großen Rathes die Anforderungen an die Person und das Lokal der Bewerber und erhöhte die Gebühren. Dabei sprach sie (Verwaltungsbericht von 1874) die Hoffnung aus, daß die Vermehrung der öffentlichen Wirtschaften das Eingehen einiger geheimer Wirthschaften, welche fast nur Schnaps auswirthen, zur Folge haben werde.

In der That nahmen die öffentlichen Wirthschaften, deren Zahl noch im Jahre 1874 eine sehr beschränkte war, stark zu, während die Abnahme der Winkelwirthschaften mehr und mehr fühlbar wurde. Das Resultat wäre ein noch günstigeres, wenn nicht die Regierung beständig noch über die lässige Ausübung der Wirthschaftspolizei durch die Gemeinden sich beklagen müßte. Günstiger lauten die Urtheile über die Pflichterfüllung der Gensdarmerìe.

Basel-Stadt.

Die gemäß Gesetz vom 5. Oktober 1863 von der Regierung erlassene Wirtschaftsordnung vom 14. November 1863 schreibt (§ 7) vor, es sei bei der Ertheilung der Bewilligung für Wirthschaften auf Oertlichkeit und Bevölkerungsverhältnisse Rücksicht zu nehmen.

Seitdem Verweigerungsgründe dieser Art nicht mehr geltend gemacht werden können, hält man genauer auf die vorgeschriebenen Requisite betreffend die Person und das Lokal des Bewerbers und auf scharfe Sittenpolizei. Es zeigt sich gleichwohl eine starke Zunahme der Wirthschaften, welche übrigens weniger für den Schnapsgenuß verantwortlich gemacht werden können als der Kleinhandel.

Ein den veränderten Verhältnissen entsprechendes neues Gesetz liegt dem Großen Rathe vor.

Aargau. Gesetz vom 14. Dezember 1853.

Neben den alten ,,Ehehaften" (Konzessionen) bewilligt der Regierungsrath neue Wirthschaften "einzig nach Maßgabe des durch Bevölkerung und Verkehr des Orts sich ergebenden öffentlichen Bedürfnisses." Ueberdies kommen noch die Persönlichkeit und das Lokal in Betracht; Gemeindrath und Bezirksamt haben vorher ihr Gutachten abzugeben.

Die Eigengewächswirthschaften bedürfen nur der Bewilligung des Bezirksamts, ohne daß ein Bedürfniß nachgewiesen zu werden braucht, und bezahlen eine im Verhältniß zum Betrage der Wirthschaftspatente sehr geringe Gebühr von Fr. l --15 per Jahr.

Ueber diese Wirthschaften führen die Verwaltungsberichte wiederholt Klage.

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Wenn mau die Eigengewächswirthschaften ebenfalls zu den Wirthschaften rechnet, (wie wir es thun), so begreift man nicht recht, wie -man schon in den 60er und ersten Hälfte der 7Uer Jahre über die Vermehrung der Zahl der Wirthschaften im Aargau Klage führen konnte.

Diese Klage bezieht sich jedoch auf die von der Regierung bewilligten Wirthschaften, während der Gewerbefreiheit der Bigengewächswirthe keine Schwierigkeiten entgegenstehen.

Der Rechenschaftsbericht pro 1872 sagt bezüglich der Vermehrung um 42 Wirthschaften (neben 31 Abweisungen): ,,Die Vermehrung rechtfertigt sich durch die vielfach veränderten Verkehrsverhältnisse. Daneben ist nicht zu verkennen, daß das durch die Zeitströmung bedingte stetige Zunehmen der Bedürfnisse des Einzelnen mit einen Faktor zur Vermehrung bildet, welcher Erscheinung, -- die übrigens vom national-ökonomischen Standpunkt aus betrachtet, auch ihre Berechtigung haben mag -- d u r c h die V e r weigerung neuer Wirthschaften niemals hätte m i t Erfolg entgegengetreten w e r d e n können.a Im Berichte von 1873 wird die Bestimmung des Gesetzes, wonach im Laufe der zweijährigen Periode, für welche die Zahl der Wirthschaften festgesetzt ist, our da eine neue Wirthschaft bewilligt werden darf, wo eine bestehende gleichartige eingegangen ist, eine v e r a l t e t e und u n z e i t g e m ä ß e , die nicht durchwegs habe zur Geltung kommen können, genannt. w Die in mehreren Orten in Angriff genommenen Eisenbahnbauten haben ganz außerordentliche Verhältnisse geschaffen, die der Gesetzgeber nie hat voraussehen können, und die uns absolut bestimmen mußten, der Härte des Gesetzes eine mildere, dem Drange der Umstände Rechnung tragende Vollziehung zu geben, ohne welche mißbeliebige und fatale Konflikte nicht würden ausgeblieben sein." Zugleich wird von der Revision des Gesetzes gesprochen, welche a u c h die neue Bundesverfassung mit ihren Bestimmungen über die F r e i h e i t des Handels und der Ausübung der Gewerbe nothwendig machen werde. (!)

Bei dieser Anerkennung der Anwendung des Art. 31 der Bundesverfassung auf die kantonale Gesetzgebung über die Wirthschaften ist man etwas überrascht, daß der Bericht pro 1874 zwar eine Anwendung des Grundsatzes der Gewerbefreiheit auf das Wirthschaftswesen acceptirt, jedoch ohne die daraus fließenden Konsequenzen zu ziehen.

In den
nächsten Jahren nahmen die von der Regierung bewilligten Wirthschaften regelmäßig zu, die Eigengewächswirthschaften dagegen wegen der schlechten Weinernten ab. Von 1881 an wird auch ein Rückgang der erstem gemeldet. Leider ist damit

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nicht, eine Wendung zum Bessern konstatirt ; denn die Schnaps verkaufenden Konditoreien und Spezereiläden treten als neue Gefahr auf.

Das dem Großen Rathe im Jahre 1875 vorgelegte neue Wirthschaftsgeset ist noch immer nicht in Berathung gezogen worden.

Wallis.

Nach dem Gesetze vom 27. Mai 1857 über den freien Handelsverkehr und die freie Gewerbe- und Kunstausübung (Art. 14) kann diese Freiheit durch gesetzliche und administrative Verordnungen beschränkt werden im Interesse der Gesellschaft und der allgemeinen Sittlichkeit in Betreff: a. der Gasthäuser, der Verfertigung und des Verkaufs geistiger Getränke; b. der Badaustaltun und Transportanstalten für Reisende. Solche Verordnungen erschienen nun nicht, ausgenommen das Polizeigesetz über die Wirthschaften vom 20. November 1849, welches die Pflichten der Wirthe und die Bußen bei Uebertretung derselben festsetzt. Jedoch ist in diesem Gesetze nicht gesagt, wer die Wirthschaftsbewilligungen ertheilt und entzieht; indessen fuhren die Gemeinderäthe die Aufsicht. Die Jahresberichte der Regierung beklagen sich vielfach über diese Aufsicht, auch über die Vermehrung der Wirthschaften (s. Berichte von 1859, 1873 und 1874).

Bei der Enquête von 1861 antwortete die Regierung: ,,Nach dem Gesetze über die Freiheit des Handels und der Industrie ist ein Jeder befugt, ein Gasthaus oder eine Wirthschaft, wie ein jedes andere industrielle Unternehme!) zu eröffnen.a Hieran hat die Bundesverfassung Nichts geändert.

Aus der Aufzählung der in dieser zweiten Gruppe von sechs ganzen und drei Halbkantonen beim Inkrafttreten der Bundesverfassung von 1874 bestehenden Gesetze und Zustände geht so viel hervor, daß auch in diesen die Anwendung des Grundsatzes der Gewerbefreiheit auf das Wirthschaftswesen nicht ein absolut fremder Gedanke war; denn in den Kantonen Bern und Aargau konnte der Grundsatz der Normalzahl, den die Gesetze derselben enthielten, nicht durchgeführt werden und wurde deßhalb eine Aenderung angestrebt; in Wallis dagegen bestand faktisch auch in dieser Beziehung bereits Gewerbefreiheit. Wir dürfen daher wohl sagen, daß die Bundesverfassung nur einen Gedanken, der in dem größern Theile der Schweiz schon durchgeführt oder angeregt war, z u r al ( g e m e i n e n G e l t u n g g e b r a c h t h a t . Und es war ihre bestimmte Absicht, es zu thun.

Da die Bundesversammlung selbst wiederholt (namentlich durch Beschluß betreffend den Rekurs Grämiger, den 7. Juli 1883) diese

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Interpretation sanktionirt ha t, so könnten wir uns hier einer neuen Auseinandersetzung der Bedeutung des Artikel 31 unserer Bundesverfassung enthalten; da man jedoch fort und fort behauptet, an eine solche Auslegung habe weder der Bundesrath bei seiner Botschaft und den Anträgen vom 17. Juni 1870, noch auch die Bundesversammlung bei ihren Berathungen gedacht, sondern mau habe nur.

in Weiterentwicklung des Artikel 29 der Verfassung von 1848, auch in der Gewerbeausübung die Schweizerbürger den Kantonsbürgern gleichstellen, den Kantonen jedoch in der Gewerbegesetzsgebung unter diesem Vorbehalt freie Hand lassen wollen, so müssen wir auf die Entstehung des neuen Artikel 31 noch einmal zurückkommen.

Nein, der Bundesrath wollte, als er in seiner Vorlage vom 17. Juni 1870 17 Aenderungen an der Bundesverfassung von 1848 vorschlug, das Schweizervolk nicht über einen Revisionsartikel abstimmen lassen, welcher mit andern Worten dasselbe sagte, was der bisherige Artikel 29. Er wollte dem Schweizerbürger in der ganzen Schweiz diejenige wirkliche Gewerbefrei h ei l sichern, die er in einem großen Theile der Schweiz schon besaß, nicht diejenige, welche die jeweilige kantonale Gesetzgebung den Kantonseinwohnern, Bürgern und Nichtbürgern, gestattete. Darum schickte er demjenigen Passus des bisherigen Artikel 29 14:, welcher als dessen Charakteristikum angesehen wird, noch einen Norm gebenden Grundsatz voraus und schlug vor : ,,Diese Verfügungen dürfen d e n G r u n d s a t z d e r Handels- und Gewerbefreiheit nicht beeint r ä c h t i g e n und sollen die Schweizerbürger anderer Kantone den eigenen Kantonsbürgern gleich behandeln."

Und um ja zu zeigen, daß dieses der leitende Gedanke des neuen Vorschlages sei, stellte er (während der bisherige Artikel 29 14 ,,Für Lebensmittel, Vieh- und Kaufmannswaaren, Landes- und Gewerbserzeugnisse jeder Art sind freier Kauf und Verkauf, freie Ein-, Ausund Durchfuhr von einem Kanton in den andern gewährleistet.

Vorbehalten sind: a) In Beziehung auf Kauf und Verkauf das Salz- und das Pulverregal.

b) Polizeiliche Verfügungen der Kantone über die Ausübung von Handel und Gewerbe und über die Benützung der Straßen.

e) Verfügungen gegen schädlichen Vorkauf.

d) Vorübergehende sanitätspolizeiliche Maßregeln bei Seuchen.

Die in lit. b u. c b e z e i c h n e t e n Verfügungen m ü
s s e n die Kantonsbürger und die Schweizerbürger anderer Kant o n e g l e i c h b e h a n d e l n . Sie sind dem Bundesrathe zur Prüfung vorzulegen und dürfen nicht vollzogen werden, ehe sie die Genehmigung desselben erhalten haben.

e) die von der Tagsatzung bewilligten oder anerkannten Gebühren, welche der Bund nicht aufgehoben hat (Art. 24 u. 31).

f) die Konsumogebühren auf Wein und andern geistigen Getränken, nach Vorschrift von Art. 32. "

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das Wort Gewerbefreiheit noch gar nicht kennt) an die Spitze seines neuen Artikels den Satz : ,,Die Freiheit des Handels und Verkehrs, sowie das R e c h t f r e i e r B e r u f s - u n d G e w e r b e a u s ü b u n g i s t jedem Schweizerbürger i m g a n z e n U m f a n g e d e r E i d g e n o s s e n s c h a f t gewährleistet."'

Und in der Botschaft zu diesen Anträgen wird noch besonders ausgesprochen : ,,Dagegen wünscht der Bundesrath, daß ausdrücklich gesagt werde, daß die Verfügungen der Kantone über Ausübung von Handel und Gewerben und über Besteuerung den G r u n d satz der Handels- und Gewerbefreiheit selbst nicht b e e i n t r ä c h t i g e n d ü r f e n , um nicht der irrigen Meinung Raum zu geben, daß es nun i n ' s B e l i e b e n d e r K a n t o n e g e l e g t sei, i n d i e s e r M a t e r i e g a n z willkürlich zu verfügen und auf Umwegen d i e d u r c h A u f s t e l l u n' 5 g des G r u n d s a t z e s b e seitigten Beschränkungen wieder neu einz u f ü h r en."

Während der Bundesrath mit diesen und andern Anträgen der von ihm vorbereiteten Partialrevision einen tüchtigen Schritt vorwärts zu thun glaubte und bei dem damals noch geringen Interesse im Volke für die Revisionsangelegenheit sich auf bedeutende Schwierigkeiten gefaßt machte, gingen -- wie Jedermann sich erinnern wird -- die im Frühling 1871 die Revision behandelnden Kommissionen der beiden Räthe und vollends im Spätherbst desselben Jahres die Räthe selbst weit über die Anträge des Bundesrathes hinaus. Nicht das hatte man sich jetzt zur Hauptaufgabe gemacht, die durch einzelne kantonale Gesetze noch vorhandenen Beschränkungen der Bürger anderer Kantone zu mildern und überall die Schweizerbürger den Kantonsbürgern gleich zu stellen, sondern vielmehr das, auf möglichst vielen Gebieten des öffentlichen und privaten Lebens in der ganzen Schweiz Ein R e c h t zu schaffen , wobei man die in den einzelnen Kantonen bereits erzielten Portschritte als ein Gut betrachtete, das dem Bürger auch bei der Uebersiedelung in andere Kantone unverlierbar bleiben müsse, wenn die Freiheit der Niederlassung auf allen Gebieten des Vaterlandes einen Werth haben solle. Von diesem Gesichtspunkte ausgehend, wurde schon in den beiden Kommissionen der aus dem alten Artikel 29 herübergenommene, angeblich maßgebende Satz: ,,Diese Verfügungen sollen die Schweizerbürger anderer Kantone den eigenen Kantonsbürgern gleich behandeln" --

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ohne Weiteres gestrichen, weil man eine weiter gehende Gewerbefreiheit wollte, als sie in manchen Kantonen bestand; es wurde ferner der an die Spitze gestellte Satz: ,,Die Freiheit des Handels und Verkehrs, sowie das Recht freier Berufs- und Gewerbsausübung ist j e d e m Schweizerbürger im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft gewährleistet" -- so redigirt : ,,Die Freiheit des Handels und der G e w e r b e ist im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft gewährleistet."

Man wollte eben, daß für Alle, Schweizerbürger und Kantonsbürger, keine andern Beschränkungen der G e w e r b e f r e i h e i t mehr fortbeständen, als die ausdrücklich im Artikel 31 vorbehaltenen. 15 Der in die Verfassung von 1872, welche vom Schweizervolk als zu weit gehend verworfen wurde, aufgenommene Artikel Über die Gewerbefreiheit ging unverändert und unangefochten in diejenige vom 1874 über. -- Aber wie ist es möglich , daß eine Bestimmung von solcher Tragweite angenommen werden konnte, ohne daß man nur über die praktischen Konsequenzen derselben sprach ? -- fragt man nachträglich.

Das wäre freilich schwer zu fassen, wenn, wie behauptet wird, die meisten oder gar alle Kantone noch das System einer Normalzahl gehabt hätten. Wir haben aber gesehen , daß die Mehrheit der Kantone die Gewerbefreiheit auf dem Gebiete des Wirthschaftswesens entweder schon besaß oder anstrebte.

Auch jetzt noch würde indessen das Revisionsschifflein auf manche Klippe gestoßen sein, wenn nicht plötzlich in Folge welthistorischer Ereignisse die Revisionsbewegung zum gewaltigen Strome angewachsen wäre.

Bald nach der Veröffentlichung der bundesräthlichen Revisionsanträge entstund infolge eines Beschlusses des vatikanischen Konzils 16 Von demselben Prinzip ausgehend beantragte der Bundesrath im neuen Artikel die Sicherung der Freizügigkeit der wissenschaftlichen Berufsarten durch den Bund, welche, wenn auch in anderer Form, in der Verfassung Aufnahme fand. Die kantonalen Gesetze über diese Materie sind durch diese Bestimmung durchbrochen ; es gibt auch hier nicht mehr eine Einschränkung der Zahl auf einen offiziell anerkannten Bedarf. -- In ähnlichem Geiste wurde der Niederlassungsartikel (Art. 41 der Verfassung von 1848) revidirt. Während die Bundesverfassung von ]848 einzig in die Niederlassung ,,von Kanton zu Kanton" eingriff und sich begnügte, die
Niedergelassenen anderer Kantone je denjenigen des eigenen Kantons gleichzustellen, ohne sich in die Hechte der Letztem zu mischen, stellt die Bundesverfassung von 1872 (und 1874) auch betreffend die freie Bewegung des Bürgers in seinem eigenen Kanton Bestimmungen auf.

Bundesblatt. 36. Jahrg. Bd. IV.

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von Staat zu Staat eine tiefgehende Erregung der Gemüther, welche sich bei uns auch dem politischen Leben mittheilte.

Gleich darauf brach der Krieg los zwischen Frankreich und Deutschland ; der Monarch, welcher zwei Jahrzehnte hindurch das persönliche Regime in Frankreich gehandhabt, wird mit seinem Heere als Kriegsgefangener nach Deutschland geführt und Frankreich proklamirt die Republik.

Noch denselben Monat zieht Viktor Ernanuel an der Spitze eines Heeres in die von den französischen Truppen verlassenen päpstlichen Provinzen ein ; nachdem die letztern durch Volksabstimmung mit dem Königreich Italien sich vereinigt, steht ein Volk von 27 Millionen , welches während anderthalb Jahrtausenden in verschiedene einander feindliche Staatswesen auseinander gerissen war, geeinigt da und unternimmt es unter einheitlicher Gesetzgebung und Verwaltung, die Kulturfortschritte der andern Völker einzuholen.

Dann ersteht an unserer Nordgrenze neu das Deutsche Reich, Die vom Norddeutschen Bund auf dasselbe übergegangene fortschrittliche Verfassung, die neuen Gesetze über die Freizügigkeit, das Indigenat, den Unterstützungswohnsitz, nach welchen jeder Deutsche im ganzen Deutschen Reiche daheim und armengenössig ist, erwecken in uns das Gefühl des Zurückgebliebenseins und das Bedürfniß einer größern Einigung des gesammten Vaterlandes.

Am meisten ergreift aber die auf das Deutsche Reich übergegangene neueste Gewerbegesetzgebung des Norddeutschen Bundes unser Interesse. Mit einem Streich (Gesetz betreffend den Betrieb der stehenden Gewerbe, vom 8. Juli 1868) hatte der Norddeutsche Keiehstag den Zunftzwang beseitigt, welcher in Deutschland am tiefsten Wurzel gefaßt hatte und allen Stürmen der Neuzeit zu trotzen schien.

Dann wurde durch die G e w e r b e o r d n u n g vom 21. Juni 1869 die Gewerbefreiheit unter ganz bestimmt abgegrenzten Ausnahmen ausgesprochen. (Das Problem der Abgrenzung [Definition] der Gewerbefreiheit war also bereits gelöst, als bei uns der neue Grundsatz von angeblich nicht bekannter Tragweite unter bestimmten Vorbehalten ausgesprochen wurde.) Unter diesen Ausnahmen figurirt das Schankgewerbe n i c h t . Es wurde im Gegentheil durch diese Gewerbeordnung folgender Art. 33 autgestellt: ,,Wer Gastwirthschaft, Schaukwirthschaft oder Kleinhandel mit Branntwein oder Spiritus betreiben will, bedarf
dazu der Erlaub niß.

Diese Erlaubniß ist nur d a n n zu versagen: 1) wenn gegen den Nachsuchenden Thatsaohen vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, daß er das Gewerbe zur För-

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derung der Vollere!, des verbotenen Spieles, der Hehlerei oder der Unsittlichkeit mißbrauchen werde; 2) wenn das zum Betriebe des Gewerbes bestimmte Lokal wegen seiner Beschaffenheit oder Lage den polizeilichen Anforderungen nicht genügt.

Es können jedoch die Landesregierungen, soweit die Landesgesetze nicht entgegenstehen, die Erlaubniß zum Ausschänken von B r a n n t w e i n u n d d e n Kleinhandel m i t B r a n n t w e i n u n d S p i r i t u s auch von dem Nachweis eines vorhandenen Bedürfnisses abhängig machen." (Im Entwurf stand freilich beim ersten Alinea noch eine dritte Bedingung -- das B e d Q r f n i ß einer solchen Anlage, -- welche aber vom Reichstage nach kurzer Diskussion gestrichen wurde.) -- Nun begreifen wir, wie man dazu kam, den Grundsatz der Handels und Gewerbefreiheit, wie ihn der Revisionsentwurf, allerdings soweit möglich im Anschluß an den Wortlaut der 1848er Verfassung, abgegrenzt hatte, ohne Widerstand anzunehmen. Die Bundesverfassung, welche aus den Kantonsverfassungen das Referendum hinübernehmen mußte, konnte nicht anders, als auch die in den meisten Kantonen vorhandene Gewerbefreiheit für die ganze Schweiz garantirei!, ohne wegen ein paar kantonalen Wirthschaftsgesetzen, deren Revision zum Theil schon in Aussicht stand, eine Ausnahme zu machen. Und der Bundesrath, indem er mit Annahme der Bundesverfassung -- nach vorheriger Informirung über den Thatbestand in den Kantonen und im Auslande -- am 11. Dezember 1874 die Erklärung abgab, mit dem Prinzip der Grewerbefreiheit sei ein Vorbehalt der Bedürfnißfrage unvereinbar, sprach damit nur einen Satz aus, welcher im Deutschen Reich seit Jahren anerkannt war.

So lange ein so bestimmter Wortlaut, wie derjenige des Art. 31 16 der Bundesverfassung, die Gewerbefreiheit gewährleistet, ist dem Bundesrathe keine andere Auslegung möglich. Dagegen anerkennt er in vollem Maße die Notwendigkeit polizeilicher und sanitarischer 16 Art. 31. ,,Die Freiheit des Handels und der Gewerbe ist im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft gewährleistet.

Vorbehalten sind : a. Das Salz- und Pulverregal, die eidgenössischen Zölle, die Eingangsgebühren von Wein und geistigen Getränken, sowie andere vom Bunde anerkannte Verkaufssteuern, nach Maßgabe des Art. 32.

b. Sanitätspolizeiliche Maßregeln gegen Epidemien und Viehseuchen.

c. Verfügungen üher
Ausübung vou Handel und Gewerben, über Besteurnng des Gewerbebetriebes und über die Benutzung der Straßen.

Diese Verfügungen dürfen den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit selbst nicht Deeinträchtigen."

Der Entscheid des Bundesrathes vom 11. Dezember 1874 stützte sich auf folgende Erwägungen:

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Vorschriften in Bezug auf die Personen, von welchen, und die Lokalien, in welchen das Wirthschaftsgewerbe ausgeübt wird, sowie das Recht einer besondern Besteurung der Wirthschaflen, und ist, selbst unter Wiedeverwäsune der bisher aufgestellten Grundsätze,/ O O O bereit, den Kantonen insoweit entgegenzukommen, als es ohne Beeinträchtigung des Grundsatzes der Gewerbefreiheit geschehen kann.

Und es bleibt den letztern, auch wenn die Bedürfnißfrage dahinfällt, in der Regelung des Wirthschaftswesens noch ein weiter Spielraum zu nützlichem Einwirken, wie wir sogleich sehen werden.

4. Die Entwicklung unserer Wirthschaftsgesetzgebung in andern Beziehungen.

Wie wir schon früher zu bemerken uns erlaubten, ist die Trunksucht und namentlich dsis Branntweintrinken nient in der Weise von der Z a h l der Wirtschaften und diese wiederum nicht so sehr von dem Art. 3l unserer Bundesverfassung' abhängig, wie man bisher gewöhnlich annahm. Man werfe doch nur einen Blick auf unsere Tabellen III u. IV. Mit Ausnahme von Genf, dessen zum größern Theil städtische Bevölkerung ganz ausnahmsweise zusammengesetzt ist 17 und wahrscheinlich bei geringerer Zahl der Wirthschaften ganz den gleichen Versuchungen ausgesetzt wäre wie jet/.t -- sind diejenigen Kantone, welche am meisten Wirthschaften besitzen, notorisch vom Alkoholismus und der Branntweinpest am wenigsten heimgesucht, diejenigen jedoch, welche wenig Wirthschaften besitzen, Wallis ausgenommen, in höherem Grade. Dieselbe, dem gewöhnlichen Vorurtheil widersprechende Erscheinung, finden wir bei Vergleichung der Trunksucht mit der Zahl der Wirthschaften in den verschiedenen Landestheilen Preußens (alte Provinzen), dei1 Niederlande, Rußlands und den drei Reichstheilen von Großbritannien und Irland. In den Provinzen , wo die Zahl dei- Wirthschaften am kleinsten, ist die Schnapserei und deren schlimmer Einfluß größer.

,,Die Beschränkung der Wirthschaften auf eine Normalzahl ist nehen dem im Art 31 der Bundesverfassung gegebenen Grundsatze der Handelsund Gewerbefreiheit nicht mehr haltbar; denn wenn man sich nicht fernerhin auf den veralteten Standpunkt stellen will, daß der Staat bevormundend auch da für seine Bürger zu sorgen habe, wo ein Thun oder Lassen ganz von ihrem freien Willen abhängt, so wird man ihm auch nicht das Hecht und die Pflicht zusehreiben wollen, die Zahl der Wirthschaften in dieser Weise willkürlich zu beschränken. Damit ist immerhin nicht ausgeschlossen, daß, wo rein polizeiliche Rücksichten die Schließung oder Verweigerung einer Wirthschaft erfordern (z. B. wenn dieselbe der Unsittlichkeit oder Ruhestörungen Vorschub leisten würde), die kantonalen Behörden in dieser Richtung eine Beschränkung der Gewerbefreiheit eintreten lassen können."

17 Im Kanton Genf arbeiteten 1880 in der Industrie 49.89 °/o der Erwerbenden, in der über 2/s der Bevölkerung enthaltenen Stadt nebst Ausgemeinden 57.5* °/o (Schweiz 39.56 °/o) ; im Kanton Genf beträgt die Zahl der erwachsenen üher 15 Jahre alten Bewohner 75.s °/o (Schweiz 68 °/o).

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Wir sind daher gezwungen, wenn wir den Uebelständen auf den Grund kommen wollen, unsere Untersuchungen über Wirthschaftswesen, Verkauf und Fabrikation von geistigen Getränken weiter auszudehnen. Bleiben wir zunächst beim Wirthschaftsweaen.

Es kommen hier vorerst in Betracht: a. Die Requisite bei Ertheilung der Bewilligung. Der Bundesrath hat in seinem Kreisschreiben vom 11. Dezember 1874 ausdrücklich erklärt, daß die Verweigerung oder der Entzug der Bewilligung aus Gründen der Sittlichkeit erfolgen dürfe, wofür jedoch Thatsachen vorliegen müssen; ebenso darf die Lage und die Beschaffenheit des Lokals in Betracht gezogen werden.

Wenn nun auch, wie wir bereits anführten und wie aus der ,,vergleichenden Darstellung der kantonalen Wirthschaftsgesetzea von H o f f m a n n - M e r i a n , aufweiche wir der Kürze halber verweisen, des Nähern ersehen werden kann, einige Kantone sogar von einer Bewilligung und daherigen Bedingungen abstrahiren, so haben doch die meisten Kantone schon vor 1874 einige Anforderungen an die Person des Bewerbers und an sein Lokal gestellt, und die seit 1874 erlassenen Gesetze und Verordnungen verwenden diese Kontrole, die in gewissem Maße an die Stelle der weggefallenen Bedürfnißfrage tritt, in erhöhtem Maße. Dieser Fortschritt ist nur zu begrüßen. Uebernimmt einmal eine Behörde durch Ertheilung der Bewilligung eine gewisse Verantwortung, so muß ihr auch eine Prüfung der Thatsachen zustehen , und je mehr hiebei wirklich geprüft wird, je weniger der sehr elastische Begriff eines Bedürfnisses die Stelle der Kontrole über Person uud Lokal vertritt, desto besser ist es. Wir werden später bemerken, was auf diesem Gebiete noch möglich wäre.

b. Polizeivorschriften. So zu sagen alle Kantone, sogar diejenigen, in welchen keine Bewilligung erforderlich ist, haben bezügliche Vorschriften und Strafen. Am regelmäßigsten kehrt in den kantonalen Verordnungen die Polizeistunde wieder, vielfach die Schließung der Wirthschaften während des vormittäglichen, wohl auch des nachmittäglichen Gottesdienstes an Sonn- und Feiertagen ; ziemlich allgemein ist das Verbot, Kindern ohne Begleitung Erwachsener, Betrunkenen, ferner Solchen, welchen der Besuch der Wirthschaften verboten ist, geistige Getränke zu verabreichen.

Außer den geradezu unsittlichen Machenschaften wird auch Vorschubleistung zu Spiel
oder Trunksucht mit Bestrafung des Wirthes bedroht, Zechschulden als unklagbar erklärt. (Von der Bedrohung des Verkaufs gesundheitsgefährlicher oder gefälschter Lebensmittel sprechen wir später.)

Es ist nicht möglich, sich aus den vorhandenen amtlichen Berichten ein Urtheil zu bilden, in wie weit diese Vorschriften vollzogen werden. Man kann sich aber beim Lesen derselben

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des Gedankens nicht erwehren, daß manche ärgerliche Erscheinungen, für welche man die Bundesverfassung verantwortlich macht, beim richtigen Vollzug der in Kraft befindlichen Vorschriften, ohne welchen über die Wirkung einer Verfassung ein Urtheil nicht möglich ist, nicht oder nicht in dem Maße vorkommen könnten.

Wenn in einzelnen Kantonen solche verderbliche, die Jugend verleitende Wirthschaften vorhanden sind, wie geklagt wird, so fragt man sich, ob solche nicht unter Anwendung der bestehenden Verordnungen zu beseitigen wären, sondern nur durch Wiedereinführung der Normalzahl, welche den soliden gleich dem unsoliden Wirth treffen kann.

Es kann übrigens manche kantonale oder örtliche Polizeibehörde Jahr aus Jahr ein getreulich ihre Ueberwachungspflicht erfüllen , ohne daß ihr irgend einmal von den Tonangebern der öffentlichen Meinung ein Wort des Dankes zu Theil wird. Denn dieses Geschäft ist ein unangenehmes und wenig populäres. Es ist daher nicht zu verwundern, daß in verschiedenen Verwaltungsberichten der Kantonsregierungen von a n d e r n V o r s c h r i f t e n Besserung gehofft wird. Einige Regierungen von Kantonen, in welchen die Wirthschaftspolizei von dea Gemeinden geübt wird, beklagen sich über die Lässigkeit der Gemeindebehörden; in einem andern Kantone, dessen Regierung die Polizeistunde als veraltete Institution vorkommt, glaubt dieselbe, derlei Dinge sollte man den Lokalbehörden überlassen ; der eine Kanton beklagt sich, daß die Gerichte bei Beurtheilung von Uebertretungen des Wirthschaftsgeselzes zu formalistisch verfahren ; in einem andern Kanton meint die kantonale Polizeikommission , solche Geschäfte paßten besser für Gerichte, als für Administrativbehörden. Und so hofft man immer von neuen Vorschriften das, was nur erreichbar ist, wenn man den Stier bei den Hörnern packt und die wenn auch stets unvollkommenen bestehenden Verordnungen vollzieht.

c. Patenterneuerung. In einer Menge von Kantonen ist entweder keine Wirthschaftsbewilligung nothwendig, oder wenn sie einmal ertheilt ist, so gilt sie auch so lange, als die persönlichen Requisite des Inhabers und das Wirthschaftslokal dieselben bleiben (Nidwaiden, Schwyz, Glarus, beide Appenzell, Graubünden, Tessin, Wallis (?), Neuenburg und Genf); andere haben eine mehrjährige Dauer der Bewilligung (Bern, Luzern theilweise, Uri,
Freiburg, St. Gallen , Aargau , Waadt) , die übrigen behalten sich eine alljährliche, Baselstadt sogar eine vierteljährliche Erneuerung vor.

Sofern diese Erneuerung nur konstatiren soll, daß die bei der ersten Ertheilung der Bewilligung nachgewiesenen Requisite noch vorhanden seien, und in diesem Falle das Patent ohne Weiteres gegen Bezahlung der vorgeschriebenen Gebühr erneuert wird , ist der Nutzen solcher Kontrole nicht zu bestreiten. Sofern jedoch das

439 System der Erneuerung auch dazu bestimmt wäre, um das Patent entziehen zu können aus Gründen, welche ohne den Ablauf des Termins nicht ebenfalls zur Entziehung berechtigen würden, also ohne einen gesetzlichen Mangel oder Verstoß,7 z. B. bloß um die Zahl der g ö Wirtschaften zu vermindern, oder wenn dergleichen auch nur zu befürchten wäre, so könnte eine solche Bedrohung der Unschuldigen mit den Schuldigen nachtheilige Folgen haben, nämlich Verscheuchung der bessern Bürger von diesem Gewerbe und einen weniger soliden Betrieb eines Berufes, von dem der Betreffende nie weiß, ob er ihn lange an demselben Orte wird betreiben können. Wir haben hier ein ähnliches Verhältniß wie bei der Abschließung von Pachtverträgen oder Anstellungen von Dienstboten auf kurze Zeit.

Da mau vielfach auf das häufige Wechseln der Wirthe als eine bedenkliche Erscheinung der Gegenwart aufmerksam macht, so ist zu bedenken, daß je unsicherer eine Stellung ist, desto weniger sieh Leute in dieselbe begeben, deren Natur es ist, durch solide, die Zukunft stets im Auge behaltende Führung ihres Geschäftes dasselbe mehr und mehr in Blüthe zu bringen.

d. Die spezielle Besteuerung des Wirthschaftsgewerbes. Dieselbe ist zwar durch die Bundesverfassung zugegeben, ohne daß Klage wegen doppelter Besteuerung desselben Einkommens erhoben werden kann, sofern dabei nur der Grundsatz der Gewerbefreiheit nicht beeinträchtigt wird. Bin anderer Gesichtspunkt veranlaßt uns hier, einen Blick auf diese Wirthschaftssteuern zu werfen, da dieselben in den neuen Wirhschaftsgesetzen meistentheits wesentlich erhöht worden sind. Man verfolgte dabei zugestandener Mußen den doppelten Zweck, die Zahl der Wirthschaften zu vermindern und dem Staate eine höhere Einnahme zu sichern, deren Beirag angeblich nur die Wirthe fühlen sollen, indem der einzelne Schoppen dadurch nicht vertheuert werde. Auch von dieser Rechnung darf man, um uns des bekannten Sprichwortes zu bedienen, sagen, sie sei ohne den Wirth gemacht. Die Vertheuerung und Verschlechterung des Getränkes, welche man beklagt und sogar als eine Folge der großem Konkurrenz darzustellen geneigt ist, wird doch theilweise auch von der Erhöhung der speziellen Steuern herrühren, welche man auf das Wirthschaftsgewerbe legt.

Die Auflagen aller Art, welche Bund und Kantone nach und nach auf die geistigen Getränke
gelegt haben, stets in der Meinung, die Konsumenten spüren es nicht, oder es dürfe der Luxusartikel geistiges Getränke im Interesse des allgemeinen Wohles schon etwas besteuert werden, machen schließlich eine schöne Summe aus, wie nachstehende Tabelle V beweist, wobei diejenigen Summen, welche von den Gemeinden bezogen werden, und sie sind nicht unbedeutend, nicht einmal Inbegriffen sind.

(Fortsetzung des Textes auf Seite 442.)

440

Tabelle V.

Besteuerungder Wirtschaften, des Detailhandels, des Konsums geistiger Getränke und der Branntweinfabrikation zu Gunsten des Staates, im Jahr 1882.

(Brutto-Einnahmen.)

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Luzern Uri Schwyz . . .

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Solothurn . . .

Basel- Stadt . .

Basel-Land . .

Schaffhausen AppenzcllA.-Kh.

Appenzell I.-Rh.

St. Gallen . . .

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Aargau . . .

Thurgau . . .

Tessin . . . .

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Genf . . . .

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-- -- -- 508

i

-i*

16,109 14,367 46,263 33,027 422,537 292,611 208,714 124,279 31,000 538 -- 183,448 283,278 313,071 43,938 102,138 688,424 38,329 3,400 --

Fr.

0.99 3.96 3.76 2.18

IM l.v> 1.3!,

1.11

3.64 3.60 3.22 2.07 0.81

O.io -- 0.86

2.« 1.6S 0.44

IM 2.87 0.88 0.03

Total 1,818,892 28,730 593,437 3,370,868 95,097 5,907,824 2.08 Bund : 4,052,405 IM Eingangszoll * Schweiz : Bund 9,960,229 3.49 und Kantone * Der im Vati suife des Jäh res 1882 eineetrett neu ErhohuiÌK des Ei ngangszolles auf Branntwein und Weingeist unterlag bloss mehr ungefähr V5 des während des ganzen Jahres importirten Quantums.

Weitere Anmerkungen zu dieser Tabelle siehe auf der folgenden Seite.

44t

Bemerkungen zur Tabelle V.

Bern. Die G e m e i n d e n bezogen an Wirthschaftsgebühren und Kleinhandelpatenten Fr. 114,052.

Uri. Die G e m e i n d e n bezogen an Wirthschaftsgebühren und Handelstaxen Fr. 2895.

Schwyz. Die B e z i r k e bezogen an Wirthschaftsgebühren Fr.37,932.

Obwalden. Für das Ohmgeld ist nur der Nettoertrag angegeben.

Die G e m e i n d e n bezogen an Wirthschafts- und Kleinhandelstaxen Fr. 4550.

Nidwaiden. Die G e m e i n d e n bezogen an Wirthschaftsgebühreu Fr. 1956.

Freiburg. Die G e m e i n d e n bezogen an Wirthschaftsgebühren Fr. 4073.

Basel-Stadt. Die G e m e i n d e n bezogen an Wirthschaftsgebühreu Fr. 2162.

Appenzell A.-Rh. Die G e m e i n d e n bezogen an Wirthschaftsgebühren Fr. 538.

Appenzell l.-Rh. Die G e m e i n d e n bezogen an Wirthschaftsgebühren Fr. 2031.

St. Gallen. Die G e m e i n d e n bezogen an Wirthschaftsgebühren Fr. 20,218.

Aargau. Die G e m e i n d e n bezogen an Getränkabgabe Fr. 81,342.

Tessin. Eine Wirthschaftssteuer neben der Einkommenssteuer wird vom Staate nicht bezogen.

Waadt. Außerdem Impôts pa,yés aux communes Fr. 124,816.

Die Kleinhandelspatente sind mit den Wirthschaftsgebühren zusammen berechnet.

Wallis. Ob und wie viel die Gemeinden bezogen, ist nicht angegeben. Die durch den Staat von den Wirthen und Getränkehändlern bezogene Paten tsteuer ist eine allgemeine Gewerbesteuer.

Genf. Wirtschaften bezahlen gleich andern Industrien die Patentsteuer. Die Gemeinden Genf und Carouge bezogen an Oktrois auf geistigen Getränken Fr. 528,655.

Schweiz. Die nach obigen Angaben von den G e m e i n d e n und B e z i r k e n bezogenen Summen betragen im Ganzen Fr. 925,220.

442 (Fortsetzung des Textes von Seite 439.)

Würden diese Summen nach dem Alkoholgehalt der verschiedenen Getränke bezogen, so möchte es noch angehen, aber daß dies nicht der Fall ist, veranlaßt uns, die große Bedeutung derselben für unsere Frage hervorzuheben. Würden diese Steuern nach dem Alkoholgehalt bezogen, so müßte vom Branntwein eine noch größere Summe eingehen, als vom Wein, weil der in der Schweiz getrunkene Branntwein wenigstens so viel Gehalt hat, als der sämmtliche in der Schweiz gewachsene und in dieselbe eingeführte Wein.

Wie verhält es sich aber damit in Wirklichkeit? Was vorerst die Wi r t h s c h a f t s t e u e r n betrifft, so fallen diese zum weitaus größten Theil auf den Wein, zum kleinsten auf den Branntwein, der mehr außerhalb des Withshauses konsumirt wird. Und sie sind bedeutend, diese Wirthschaftssteuern. Die Kantone allein beziehen au solchen bald zwei Millionen; hiezu bommen noch die in den Kantonen Luzern, Freiburg, Baselstadt, St. Gallen, Aargau, Waadt vom Fiskus bezogenen Getränkeabgaben (nicht Zölle) im Betrage von mehr als einer halben Million 18; die Gemeinden beziehen an Patenten und Konsumsteuern wiederum gegen eine Million, nicht einmal gerechnet die Spezialsteuern auf Wirtschaften, welche von ihnen im Kanton Graubünden, vielleicht auch in den Kantonen Tessin und Wallis erhoben werden.

Dann kommen erst noch die eidgenössischen und kantonalen G r e n z z ö l l e (Ohmgelder). Nach dem frühern Zollansatze fielen vom eidgenössischen Zoll jährlich etwa Fr. 2,700,000 auf den Wein, keine ganze Million auf den eingeführten Branntwein und Weingeist; der neue Zolltarif hat das Verhältniß etwas verbessert; aber noch immer ist beim eidgenössischen Zoll gleich wie bei den kantonalen Ohmgeldern der Schnaps im Vortheil, wenn wir in Betracht ziehen, daß die ausländischen Weine zum größern Theile einen Alkoholgehalt von bloß 8 -- 12 %, die inländischen von 7 --11 % besitzen. Vergegenwärtigen wir uns, daß bei einem Zoll von Fr. l per Hektoliter Bier oder Obstwein derjenige auf Wein durchnittlich Fr. 2, auf Branntwein zu 50 % Fr. 12, auf Weingeist zu 100 °/o Fr. 24 betragen müßte, was sollen wir zu folgenden Ansätzen sagen: 18 Diese von den Kantonen und Gemeinden bezogenen Wirthschaftssteuern (Ohmgeld nicht Inbegriffen) betrugen im Jahre 1869: Fr. 1,473,797, im Jahre 1882 dagegen bereits Fr. 2,712,808.

443

Obstwein.

Ct.

Bund, vor 1882, per Liter . . . .

Bund, jetzt per Liter .

. . .

Bern, schweizerisches Getränke .

,, nichtschweizerisches Getränke Lnzern, schweizerisches Getränke .

,, nichtschweiz. Getränke . .

Uri, schweizerisches Getränke . .

Solothurn, schweizerisches Getränke ,, fremdes Getränke . . .

Aargau, schweizerisches Getränke .

,, ausländisches Getränke . .

u. s. w.

Bier.

Ct.

1.78 1TM

2.25

loo 2.00 2.00

Wein.

Ct.

3.57

Branntwein

so °/,i.

Weingeist 96-100Vo

Ct.

Ct.

8.85

4 17

10.87

2.00

4.60

2.50

5.80

19.00 21.00

1.30

9.30

14.00

2 00

2.00 2.00 2 oo

0.66

0.66

5.66

11.70

2.66

2.66

6.66

1.00

1 00

1.00

2 oo

2.00

4.00

I3.oo 5.00 lO.oo

2.00

10.60

5 oo

20.00 5.00

8.35

20 oo 39.00 43.00 28.00 33.80 15.oo 20 oo 24.80 27.00 5.00 10.00

Nirgends finden wir in diesen oder den übrigen schweizerischen Zollansälzen das (von England befolgte) Prinzip der Besteuerung nach dem Alkoholgehalt, namentlich ist der Branntwein nirgends sechs, der Weingeist zwölf mal so stark besteuert als der gewöhnliche Wein. Vielmehr ist der Branntwein durchschnittlich nur etwa doppelt so hoch besteuert als der Wein, feiner Wein in Fässern gleich dem gewöhnlichen. So kommt es, daß der Branntwein, welcher zum weisaus größern Theil importirt wird, nur den vierten Theil der gesammten kantonalen Ohmgelder liefert.

Wir haben also beim Wein, erstlich, sofern er ein ausländischer ist, den eidgenössischen Zoll von über 4 Centimes per Liter, sodann bei dem in Ohmgeldkantone eingeführten Wein durchschnittlich wenigstens 6 Centimes, macht schon über 10 Centimes, dann die Wirthschaftssteuer, in einigen Kantonen noch eine fernere Konsumsteuer, die Einkommenssteuer der Wirthe und endlich die Wirthschaftseinrichtungen -- alles das wird dem Weinkonsumenten auf den Preis geschlagen, so daß ein Wein, welcher an seinem Ursprungsorte nur 30 -- 5ü Centimes per Liter kostet, durch unsere irrationellen Einrichtungen bis zu einem Preise von Fr. l ansteigt.

Der habliche Bürger, welcher im Wirthshause eine feinere Sorte trinkt, spürt freilich diese Steuern weniger, denn sie machen einen kleinern Theil vom Werthe seines Weines aus; übrigens ist er für seinen Weinkonsum nicht auf das Wirthshaus allein angewiesen: er hat für seinen Privatbedarf zu Hause im Keller einen noch bessern zu billigerem Preise; auf diesem lasten die Wirthschaftssteuern (und innern Konsumsteuern), sowie die Spesen auf dem Wirthshausbetrieb nicht. Der kleine Manu jedoch, welcher sich den Wein nicht fäßchenweise anschliffen kann, muß ihn aus dem Wirthshaus be-

444

ziehen und gegen 1 Fr. dafür bezahlen, während er den Liter gewöhnlichen Schnapses allenthalben zu 50--60 Centimes bekommt.

Daß aber der kleine Mann seinen Wein im Wirthshause kaufen und , o h ne e i g e n t l i c h i n ' s W i r t h s h a u s g e h e n z u w o l l e n , alle Wirthshauskosten mittragen muß, daran sind schuld e. Die gesetzlichen Bestimmungen über den Kleinhandel mit geistigen Getränken. Diese wurden bis jetzt als ein integrirender Bestandtheil des Wirthschaftsgewerbes betrachtet, eine Anschauung, welche auch der Buudesrath anerkannte. Es kommt aber doch darauf an, welche Ausdehnung man diesem Monopol der Wirlhe gibt; es kommt nicht auf dasselbe hinaus, ob man mit dem bernischen Ohmgeldgesetz vom 23. Dezember 1803 (freilich längst aufgehoben) das Minimum des Großhandels für Wein, Essig und gebrannte Getränke auf 400 Maß und für Bier auf 25 Maß festsetzt, oder mit dem gegenwärtigen Wirthschaftsgesetz von Baselstadt bloß den Branntweinverkauf im Betrag von weniger als l S c h o p p e n als Kleinhandel einer kleinen Steuer unterwirft.

Man darf nun von vornherein erwarten, daß die Kantone, welche das Wirthschaftsgewerbe selbst frei geben und keine oder «mäßige Gebühren dafür verlangen, dieselben Grundsätze dem Kleinhandel gegenüber beobachten und daß umgekehrt, wo das Wirthschaftswesen hoch besteuert ist, auch der Kleinhandel nicht günstig wegkommt.

So ist es auch. Etwa die Hälfte der Kantone sagt in den Gesetzen entweder gar nichts vom Kleinhandel mit geistigen Getränken oder gestattet ihn gegen die bloße Einkommenssteuer oder eine nur ein Mal zu bezahlende kleine Taxe.

Dagegen gestatten den Kleinhandel mit Wein und Bier grundsätzlich nur den Wirthen die Kantone Luzern, Nidwaiden, Solothurn, Basel-Landschaft, Schaffhausen, St. Gallen, Aargau (in Luzern und St. Gallen können Ausnahmen bewilligt werden) ; in den Kantonen Bern, Uri, Zug, Freiburg, Waadt können gegen mehr oder weniger hohe besondere Patentgebühreu auchNichtwirthedieseu Kleinhandel betreihen. Und bei einigen dieser Kantone wird der Begriff des Kleinhandels bis zu einer ziemlichen Höhe ausgedehnt. Er hört bei Wein und Bier in Bern erst bei 15 Liter, in Luzern bei 20 Liter, in Uri und Obwalden bei 5 Liter, in Freiburg und Solothurn erst bei 25 Maß, in Basel-Landschaft, Schaff hausen, St. Gallen wiederum bei 15 Liter,
in Aargau bei 10, Waadt 5, Nid waiden l Va Liter auf; in den Kantonen Bern, Luzern, Zug und Freiburg ist indessen für das Eigengewächs ein Vorbehalt gemacht. In einigen dieser Kantone war vor den gegenwärtigen Gesetzen der Kleinverkauf von nicht destillirten Ge-

445

tränken frei oder weniger beschränkt. In den beiden Kantonen Bern (Gesetz von 1879) und Waadt (1868) wurde diese Freiheit aus rein fiskalischen Gründen und ohne daß die vorherige Gesetzesbestimmung Anlaß zu Klagen gegeben hätte, beseitigt; im Großen Rathe von Waadt bekämpfte die betreffende Großrathskommission (Präsident Roguin), im Kanton Bern einzelne Mitglieder umsonst diese Vertheurung des Weins für den kleinen Mann (die jährliche Gebühr für den Kleinhandel mit Wein und Bier beträgt im Kanton Bern 50 bis 300, im Kanton Waadt 25 bis 200 kranken). In den Kantonen Schaffhausen und St. Gallen wurden die Kleinverkaufpatente, bei mäßigen Gebühren ein Mittelding zwischen freiem Kleinhandel und dem Monopol der Wirthe, zu Gunsten der letztern abgeschafft; die Kleinverkäufer dieser zwei Kantone sollen nicht bloß Schnaps verkauft, wozu sie ja das Patent besaßen, sondern auch solchen ausLcewiiihet haben, womit sie in das Zunftrecht der Wirthe eingriffen; dies ist der Hauptgrund, warum man in Zukunft auch in diesen Kantonen Quantitäten Weins unter 15 Liter im Wirthshaus kaufen muß. Aber ist es nun recht, über die Vermehrung der Wirthschaften zu klagen, wenn eine Menge von kantonalen Gesetzen den Arbeiter zwingen, jeden kleinern Bedarf von Wein im Wirthshaus zu kaufen; ist es richtig, ein Lebensmittel mit einer vier-, bisweilen fünffachen Steuer zu belegen, welches wir für unsere Person $ls ein n o t h w e n d i g e s ansehen? Und wenn wir dieses nothwendige Lebensmittel in der Gesetzgebung wie einen Luxusartikel behandeln und durch entsprechende Steuern dem Arbeiter · unzugänglich machen, wo liegt dann die Schuld, wenn das Bedürfuiß nach einem stärkenden Tranke ihn zum billigern Schnaps treibt und dieser ihm zum Verderben gereicht? (Siehe Tab. IV.)

5. Der Branntwein, Besteuerung und Kontrole «1er Fabrikation und des Verkaufs desselben.

Obschon wir im Anfange dieses Abschnittes zugeben mußten, daß unter gewissen günstigen Bedingungen betreffend die Ernährung und Beschäftigung geistige Getränke ohne Nachtheil entbehrt werden können, so gelangten wir nachträglich doch zu der Ueberzeugung, daß faktisch ihr Gebrauch in Uebung bleiben werde, theils weil jene Bedingungen oft nicht erfüllt werden, tlieils aus anderen Gründen; es gilt dies auch bezüglich des Branntweins, insoweit die weniger schädlichen Getränke -- Wein, Bier, Obstwein -- der Arbeiterbevölkerung nicht genügend zugänglich gemacht werden können, und unser Hauptbestreben wird daher das sein müssen, den Branntwein möglichst unschädlich zu machen durch

446

Verhinderung einer Verwendung desselben in zu großen Quantitäten und in schlechter Qualilät.

Wir haben nun zu prüfen, was unsere kantonale Gesetzgebung in dieser Hinsicht bis jetzt erreicht hat.

Sie wendete sich einerseits, so lange ihr bezügliche Kompetenzen zustanden, gegen die Einfuhr, jedoch ohne Erfolg; Bern mußte im Jahr 1839, Aargau im Jahr 1845 das Ohmgeld auf Branntwein herabsetzen, weil sie den Schmuggel nicht zu bemeistern im Stande waren.

Mehrere Kantone machten auch den Versuch, die inländische Produktion zu verhindern oder zu beschränken, -- ein Versuch, von dem sieh von vorneherein nicht viel erwarten ließ, wenn man gleichwohl die Einfuhr von andern Kantonen und vorn Ausland sich gefallen lassen mußte; denn es ließen sich für die inländische Produktion unter diesen Umständen gewichtige Gründe anführen, erstlich, das Geld bleibe im Lande, und zweitens die Rückstände des Brennens von Kartoffeln, Mais oder Getreide, -- die Schlempe, komme als kostbares Viehfutter noch obendrein unserer heimischen Landwirthschaft zu gut.

Bern verbot im Januar 1846, d. h. beim Auftreten der Kartoffelkraukheit und in Folge derselben, das Brennen von Kartoffeln.

Das Wirthschaftsgesete vom 4. Juni 1852 erklärte das Destilliren geistiger Getränke aus selbstgezogenen Baurnfrüehten, Beeren, Trebern aus Rohstoffen eigener Produktion und das Destilliren von Kartoffeln für den eigenen Bedarf steuerfrei, verlangte dagegen für das gewerbsmäßige Brennen (zum Verkauf oder aus gekauften Kartoffeln 19 oder Getreide bei einer jährlichen Produktion von über 100 Maß) eine jährliche Patentsteuer von Fr. 25--100.

Obgenanntes Brennverbot wurde im Oktober 1858 aus den oben schon angedeuteten Gründen gegen solche Verbote aufgehoben, im Fehljahre 1860 wieder in Kraft gesetzt. 1861 jedoch von Neuem aufgehoben und durch eine Verordnung ersetzt, nach welcher zum Brennen von Kartoffeln alljährlich ein Patent nothwendig war, für das beim Brennen selbstgepflanzter Kartoffeln die Gebühr von Fr. 25--50, beim Brennen gekaufter Kartoffeln eine solche von Fr. 50--100 zu entrichten war.

Luzern hatte im Oktober 1845 das Kartoffel brennen verboten und im Dezember 1861 in Folge einer Einfrage dieses Verbot als das Ergebniß vorübergehender Umstände und da es ohnehin seinen Zweck nicht erreiche, außer Kraft erklärt.

19 Infolge einer
Einfrage erklärte die Regierung 1853 mittelst amtlicher Publikation, daß das ßren n verbot vom 5. Januar ] 846 noch in Kraft bestehe ; es wurde dasselbe von den Behörden bis Ib58 aufrecht gehalten.

447

Glarus setzte durch Landsgemeindebeschlüsse von 1853 und 1864' wie für den eingeführten, so auch für den über das Quantum von 22.5 Liter hinausgehenden Branntwein eigener Produktion ein Ohmgeld von 15 Cts. per Liter fest.

Freiburg. Das am 2. Oktober 1846 vom Staatsrath beschlossene und durch Gesetz vom 12. Mars», 1850 bestätigte Verbot des Kartoffel brennens wird provisorisch aufgehoben durch ein Kreisschreiben des Staatsrathes vom 14. November 1862 und definitiv durch das Wiithschaftsgesetz vom 14. Mai 1864 ; das letztere gestattet die gewerbsmäßige Fabrikation von Spirituosen und den Verkauf in Quantitäten von wenigstens 5 Flaschen gegen ein Patent von der Gültigkeit eines Jahres und eine Gebühr von Fr. 5 --10 (neben der Einkommensteuer), gibt jedoch die Destillation von Eigeugewächs und für den eigenen Gebrauch frei. Der Regierung bleibt das Recht vorbehalten, jede Destillation von zum Leben nöthigen Rohstoffen je für ein Jahr zu verbieten, wenn deren Marktpreis den Durchschnitt übersteigt, namentlich bei Kartoffeln, wenn der durchschnittliche Preis auf Fr. l per Mas ansteigt.

Solothurn verbot im Jahre 1855 im Interesse der Volks wohlfahrt das Brennen von Kartoffeln, hob jedoch in Folge der Garantie der G e w e r b e'f r e i h e i t durch die Verfassung von 1856 das Verbot wieder auf und setzte auf Patente zum Brennen für den Hausgebrauch die jährliche Gebühr auf Fr. l, zum Brennen für den Verkauf auf Fr. 50 (1857).

Basel-Landschaft erließ im März 1858 ein Verbot der fabrikmäßigen Erzeugung von Alkohol, sowie von geistigen Getränken aus jeder Art von Halmfrüchten oder Knollengewächsen, welches Verbot nach dem Erlaß des bundesräthlichen Kreisschreibens vom 11. Dezember 1874 betreffend Ausführung von Art. 31 der Bundesverfassung als dahingefallen erachtet wurde.

Abgesehen von den neuen schärfern Vorschriften des Kantons Bern aus den Jahren 1869 und 1873, von welchen wir noch sprechen werden, haben wir hiermit alles mitgetheilt, was bis zum Erlaß der Bundesverfassung von 1874 in Betreff der Fabrikation gebrannter Wasser durch die Gesetzgebung der Kantone geschehen ist.

Die Gesetzgebung betreffend den V e r k a u f gebrannte!1 Wasser war ungefähr dieselbe wie diejenige betreffend den Verkauf von Wein und Bier, nur mit dem Unterschiede, daß hier das Maximum des Kleinverkaufs meist nur etwa 1ls
desjenigen bei Wein und Bier beträgt.

In Basel-Stadt wird erst der Verkauf von weniger als ein Schoppen Schnaps als Kleinhandel betrachtet und mit einer Steuer von 5 Fr. per Quartal belegt.

448

In Tessin wird für den Kleinverkauf destillirter Getränke eine jährliche Gehuhr von 20, 10 oder 3 Fr. bezogen, je nach der Bedeutung der Ortschaft und der Ausdehnung des Geschäfts.

Man ersieht aus dieser Uebersicht, daß die wenigen Kanlone, welche vor 1874 Verbote des Kartoffelbrennens erließen, mit einziger Ausnahme von Basel-Landschaft, solche bereits wiederum hatten fallen lassen. Man wird daher kaum sagen dürfen, es habe sich diese Fabrikation in Folge der neuen Bundesverfassung vermehrt.

Die Vermehrung des Konsums von Branntwein wurde überdies gefördert durch Umstände, welche wir bereits auseinander gesetzt haben (hohe Weinpreise in Folge von Mißernten in Wein und Obst, Veränderung der Nahrungsverhältnisse, schlechter Verdienst etc); daß aber dieser Konsum schon im Jahre 1874 kein kleiner gewesen, geht daraus hervor, daß in diesem Jahre 121,695 q. Branntwein und Weingeist in Pässern in die Schweiz eingeführt wurden. In den Kanton Bern wurden im Jahr 1874 eingeführt 19,675 hl. neben 16,850 hl. eigener Produktion, in den Kanton Luzern 6099 hl. neben einer eigenen Produktion, ·welche laut Regierungsbericht allein iu den drei Aemtern Sursee, Willisau und Bntlebueh 1800 hl. per Jahr lieferte. Obwalden hatte eine Einfuhr von 1215hl., Freiburg von 3976 hl., Solothurn von 4105 hl., Aargau von 9568 hl., BaselLandschaft von 3090 hl. Der Regierungshericht des letztern Kantons spricht nach Aufzählung der eingeführten Getränkequanta sein Bedauern mit den Worten aus: ,,Welch' enorme Summe Geldes ist hiefür aus dem Kanton hinausgegangen !"· So sehr nun aber auch grundsätzlich, wenn einmal Branntwein konsumirt werden muß, die Beschaffung desselben durch eigene Produktion vorzuziehen wäre, so hat deren Zunahme, so wie diese Produktion betrieben wird, ihre großen Uebelstände und es kann diese Produktion nur vertheidigt werden unter dem Vorbehalte, daß denselben abgeholfen werde.

Von welcher Qualität dieser selbst fabrizirte Schnaps gewesen ist, das zeigte im Jahr 1868 ein amtliches Gutachten über die Branntweinfabrikation im Kanton Bern von Dr. Lindt, welcher nach Untersuchung von 37 Brennereien des Kantons nur einer einzigen, welche Spiritus fabrizirte, den Vorwurf nicht maehen konnte, daß das Produkt mehr oder weniger Fusel und Kupfer enthalte.

In welcher Weise die Kleinbrennerei moralisch wirkte und noch
wirkt, darüber berichtet eine schon im Jahre 1864 erschienene Broschüre von Dr. J.Schild: ,,Die Branntweinfrage mit besonderer Berücksichtigung des Kautons Bern" (S. 35--37).

449 ,,Auf dem Felde, in den Häusern, auf größern Arbeitsplätzen muß man-sich leider überzeugen, daß Schnaps das tägliche Getränke Morgens und Abends ist. Durch die vielen Brennereien findet sich Schnaps in den Bauernhäusern genug; dort müssen die Arbeiter mit demselben vorlieb nehmen und sich nolens volens daran gewöhnen. Sogar den Kindern wird oft ein Tröpfeli gegeben; aus dem Tröpfeli wird altmälig ein Tropfen, aus dem Tropfen ein Gläschen und aus dem Gläschen ein ganzes Glas voll. Man verwundere sich daher nicht, daß das Schnapstrinken selbst unter den Familiengliedern in Bauernhäusern der Art einheimisch geworden ist, daß, gegen frühere Sitte und Gewohnheit, selbst Bauernsöhne im Wirthshause bei einem Gläschen erscheinen, wenn dieselben bereits zu Hause zu fertigen Schnapstrinkern geworden sind. Mehrere Beispiele sind im Lande herum bekannt, daß früher achtbare Bauernfamilien, die zu Brennern geworden, durch die moralischen Folgen des Schnapstrinkens, trotz der materiellen Vortheile des Brennereigewerbes, zu Grunde gegangen sind. Der Schnaps muß natürlich im Uebermaße fließen, sollen die nahezu 2Va Millionen Maß Trinkbranntwein von den Brennereien abgesetzt werden können. In Winkeln und Ecken herum stößt man daher auf lärmende Menschen, die um 3Vä bis 4 Franken die 5 Maß Schnaps bei einem Brenner geholt haben, die dieser als Minimum verkaufen darf. Mit den 5 Maß Schnaps in der Hand, die das Gesetz jedem Brenner als Minimum zu verkaufen erlaubt, kann er zum Schnapswirth für die Umgebung werden. An Steinhauer, Eisenbahnarbeiter, Maurer, au Wirthe im ganzen Lande herum, bei Volksbelustigungen, für z'Abesitz etc. wird der Branntwein abzusetzen gesucht. Wo irgend ein großes Werk ausgeführt wird und zahlreiche Arbeiter nothwendig sind, dahin sucht der Brenner ia der nächsten Nähe sofort seinen Branntwein zu liefern. Anstatt daß die Leute dem Schnaps nachlaufen müssen, wie es früher war, läuft denselben heutzutage der Schnaps nach. a ,,So gewöhnt man das arbeitende Volk, selbst die Jugend, an den Schnaps. Nachdem der Gaumen der Trinker so verbrannt ist, daß sie von dem Getränke Chust, ja recht Chust, bis es im Halse kratzt, verlangen, nachdem sie so weit gekommen, daß sie von dem, was sie trinken, auch eine rasche Wirkung verspüren wollen und oft leider physisch und moralisch ruinirt sind, kann man
sie an Most und Bier schwerlich mehr gewöhnen. Der Weg zum Most und Bier führt sicher nicht durch den Schnaps.tt ,,Darum ist es auch die allgemeine Meinung unter dem Volke, ja selbst unter den unglücklichen Schnapstrinkern, daß, in Folge der Aufhebung des Brennverbotes und der dadurch enstandeuen Brennereien im Lande, das Schnapstrinken unter den FamilienBimdesblatt. 36. Jahrg. Bd. IV.

'

31

450

-gliedern in Bauernhäusern und unter den Arbeitern in erschreckendem Grade zugenommen habe. Diese Ueberzeugung habe ich vielfach von Wirthen, Aerzten, schlichten Landleuten, Arbeitern etc. aussprechen gehört. Es kann übrigens auch kaum anders sein, weil wir dem produzirten Schnaps einen Absatz verschaffeo, indem wir das Volk an denselben gewöhnen und oft förmlich dazu nöthigen.

Einzelne Ortschaften im Kanton Bern könnte ich namhaft machen, wo man behauptet, es sei seit Jahren beim Alten geblieben; dagegen könnten dann ganze Striche bezeichnet werden, wo leider das Uebel immer mehr an Umfang gewinnt."1 In Folge dieser Erscheinungen kam man schon in den 60er Jahren in einzelnen Kreisen des Kantons Bern zu der Ansicht, daß das Hauptübel in der Kleinbrennerei beruhe und daß ihm nur durch Einschränkung derselben nach dem Vorbilde Schwedens begegnet werden könne. In dei- Bildung von Genossenschaftsbrennereien glaubte man das Mittel zu sehen, durch dessen Anwendung es möglich würde, die Kleinbrennerei aufzugeben, ohne auf die ökonomischen Vortheile des Brennens selbst zu verzichten. Sehen wir nun zu, wie weit dieser Gedanke seither im Kanton Bern gediehen ist. Wir gehen bis zur Gesetzgebung von 1869 zurück, die wir früher nur angedeutet, aber verschoben haben, um die ganze ueuere Entwicklung der Angelegenheit im Kanton Bern im Zusammenhange zu behandeln. Im Mai 1869 erließ der Große Rath des Kantons Bern ein Gesetz über die Branntwein- und Spiritusfabrikation und ein anderes über den Handel mit geistigen Getränken, welche beiden Gesetze die ersten waren, die dem neu eingeführten Referendum unterworfen wurden und die Probe auch glücklich bestanden. Dieses Resultat erkaufte er jedoch mit Konzessionen, welche die Durchführung der ersten Idee (namentlich einer Branntweinsteuer von 20 Cts. per Maß) unmöglich machten.

Das Gesetz über die Branntwein- und Spiritusfabrikation macht zwar die Fabrikation geistiger Flüssigkeiten von einer Bewilligung abhängig, stellt Anforderungen an das Brennlokal und an die Destillirapparate, um ein der Gesundheit unschädliches Produkt zu erhalten, bedroht die Vernachlässigung von Lokal oder Apparaten und die Fabrikation von gesundheitsschädlichen Produkten mit hohen Bußen und verlangt für den gewerbsmäßigen Betrieb (Destillation von mehr als hundert Maß jährlich) je nach der
Ausdehnung des Gewerbes eine Gebühr von 10 bis 5000 Franken per Jahr.

Das Vollziehungsdekret vom März 1870 theilte behufs Berechnung dieser Gebühr die Brennereien in Klassen, je nach der Quantität der Produktion, und stellte die Gebühren so, daß auf die Maß eine Steuer von durchschnittlich 5 Rp. entfiel. Eine Vollziehungs-

451

Verordnung vom 7. April 1873 stellte für die Bewilligung, die Einrichtung, den Betrieb und die Inspektion gewerbsmäßiger Brennereien Bestimmungen auf, deren strenge Durchführung ein gutes Produkt hätte liefern sollen, enthielt jedoch keine bestimmten Anforderungen an die nicht gewerbsmäßigen Brennereien und sah bloß eine fakultative Inspektion derselben vor.

Das Gesetz von 1869 über den Handel mit geistigen Getränken machte diesen Handel von Bezahlung einer jährlichen Gebühr von B'r. 50--100 abhängig 5 der Kleinhandel (Quantitäten unter 5 Maß) blieb den Wirthen, den gesetzlich hiezu berechtigten Medizinalpersonen, sowie auch denjenigen Brennern ohne besondere Bewilligung vorbehalten, welche ausschließlich eigenes Fabrikat aus eigenem Gewächs verkaufen.

Die Verwaltungsberichte der Regierung sind voller Klagen über die Ausführung dieser Gesetze; zahlreich ausgesprochener Bußen ungeachtet wurde der Zweck derselben nicht erreicht.

Im Jahre 1874 projektirt die Regierung die Errichtung einer Musterbrennerei auf Grundlage des Genossenschaftsprinzips und ruft auch mit Hülfe eines Staatsbeitrages eine solche in's Leben, jedoch ohne daß dieses Vorbild Nachahmung gefunden hätte.

Noch im Jahre 1876 mußte die Direktion des Innern in einem Vortrage über dieses Thema an den Regieruugsrath zu Händen des Großen Eathes zugestehen, daß die angeführten Betrachtungen des Herrn Schild, wenn auch etwas übertrieben, nicht vollständig in Abrede gestellt werden können ; das Uebel sei leider vorhanden und nicht bloß im Kanton Bern. Aber auch die von Herrn Dr. Lindt hervorgehobenen Uebelstände sind nach diesem Vortrage nicht verschwunden : ,,Die mineralischen Gifte, welche der gewöhnliche Erdäpfelbranntwein enthält, wie Grünspan, Bleisalze etc., sind bekannt. In den gewerbsmäßig betriebenen Brennereien werden diese Gifte durch den staatlichen Experten nicht selten konstatirt. Wer spürt diesen Giften aber nach in den 1,200,000 Maß Trinkbranntwein, welche jährlich aus den Tausenden von Röhrlein der sogenannten nicht gewerbsmäßigen Brennereien fließen ?"· Aus zwei öffentlichen Voträgen von Dr. Fueter-Schnell, Apotheker in Burgdorf, lernen wir noch einige andere Schattenseiten dieser Kleinbrennerei kennen. Die unter dem Namen ,,Schlempenmauke"' bekannte Viehkrankheit, sowie das Blähen der Käse, wenn Schlernpenmilch verkäst
wird, sind nur die Folge unreinlicher Behandlung der Schlempe und mangelhafter Entgeistung der Maische. Aber auch unrentabel ist diese Produktion nach Dr. Fueter-Schnell ; er rechnete schon im Jahro 1874 aus, daß die 97 Brennereien des Amtsbezirks Aarberg (worunter 19 Dampfbrenuereien), welche zusammen

452 jährlich 80,000 Maß gewöhnlichen Branntwein produziren, ein Anlagekapital von 157,400 Franken erforderten, während dagegen die beiden Spritfabriken in Bern, welche jährlich 80,000 Maß Sprit liefern, Apparate im Werthe von nur Fr. 50,000 gebrauchen ; daß ferner die erstgenannten 97 Brennereien zum Betriebe 116, die zwei letztern nur 12 Personen bedürfen und noch dazu ein Produkt liefern, aus dem nahezu das doppelte Quantum Branntwein bereitet werden kann. -- Das Wirthschaftsgesetz vom 4. Mai 1879 erhob das Maximum im Kleinhandel auch bei destillirten Getränken auf 15 Liter, entzog das Recht zum Kleinhandel ohne Verkaufspatent auch Denjenigen, welche aus eigenen Kartoffeln oder Cerealien Branntwein erstellen, und verlangte für den Handel mit gebrannten Wassern eine Gebühr von Fr. 200--600, für denjenigen mit gebrannten Wassern und Wein von Fr. 250--800 und endlich für denjenigen mit Feinsprit, Kirschvvasser und Liqueurs von Fr. 50--300.

Das neue Vollziehungsdekret vom 13. Mai 1879 über die Branntwein- und Spiritusfabrikation verschärft etwas die Bestimmungen über die nicht gewerbsmäßige Brennerei ; die für eine vierwöchentliche Brenndauer zu verlangende Gebühr beträgt Fr. l für das Brennen von Obstabfällen, Trebern, Trusen, Bierabfällen, Kirschen, Zwetschgen, Gentianwurzeln etc., und Fr. 5 für das Brennen von Getreide und Cerealien. Die Direktion ist ermächtigt, von Zeit zu Zeit auch in diesen Brennereien ,,Nachschau halten und sich darüber Bericht erstatten zu lassen, ob der Fabrikationsbetrieb den Anforderungen der Feuer-, Gesundheits- und Sicherheitspolizei entspreche."1 Damit ist aber die Schwierigkeit der Inspektion der 5000 bis 10,000 nicht gewerbsmäßigen Brennereien nicht gelöst, der verderbliche Fusel nicht beseitigt und die kleine Steuer von Fr. 5 für das zulässige und wohl auch reichlich eingehaltene Quantum von 150 Liter nicht geeignet, diese Fabrikation einzuschränken.

Ein neues Gesetz vom 11. Mai 1884 unterwirft alles Brennen aus Kartoffeln, Cerealien, Rüben und ähnlichen mehl- oder zuckerhaltigen Rohmaterialien, sowie das Brennen von über 150 Liter per Jahr aus andern Rohstoffen von nicht ausschließlich eigenem Gewächs den Vorschriften über die gewerbsmäßige Brennerei und einer Steuer von : bei Branntwein 5 Cts. per Liter, bei Spiritus (über 70 °/o Tr.) für eine Jahresproduktion
von bis tausend Hektoliter 8 Ctn.

per Liter, bei jedem fernem Tausend l Cts. per Liter mehr; das nicht gewerbsmäßige Brennen ist unter Vorbehalt der Einholung der jährlichen Bewilligung beim Regierungsstatthalter und unter Be-

453 obachtung der feuer- und gesundheitspolizeilichen Vorschriften freigegeben.

Es ist klar, daß diese Bestimmungen kaum den Erfolg haben werden, die Kleinbrennerei einzuschränken 5 das Gesetz nimmt ja bereits darauf Rücksicht, daß dieselbe schlechter rentirt. Die im Jahre 1883 von 86 Brennern an den Großen Rath gerichtete Petition stützte sich wirklich auf diesen Umstand, um die proponirte Steuer von 6 Cts. per Liter Branntwein, gegenüber 10 Cts. per Liter Spiritus, als für sie ruinös zu bekämpfen, wobei sie unter Anderm bemerkt : "ein Liter hochgradiger Spiritus liefert zwei Liter Branntwein ; dazu kommt noch, daß wenigstens 30 % mehr Alkohol erzeugt werden kann in einer Spiritusfabrik, als in einer gut eingerichteten Dampfbrennerei, und zwar in F o l g e de r b e s s e r n Einrichtun g." -- Es wird also im Ganzen die bisherige Qualität des Branntweins bleiben, es wird derselbe, da er nicht konkurrenzfähig ist, im Lande getrunken werden müssen, die Produzenten werden Mittel und Wege finden, ihn abzusetzen.

Wie es mit diesem Absetzen steht, beweist ein Kreisschreiben des Direktors des Innern des Kantons Bern an sämmtliche Regierungsstatthalter vom 25. Januar 1884, worin er sagt: ,,Es ist mir schon häufig mitgetheilt worden, daß die Bestimmung des § 28 des Gesetzes über das Wirthschaftswesen und den Handel mit geistigen Getränken vom 4. Mai 1879, wonach zum Betriebe des Kleinhandels, d. h. zum Verkauf von geistigen Getränken in Quantitäten unter 15 Liter, ein Verkaufspatent erforderlich ist, v i e l f a c h u m g a n g e n werde, indem insbesondere auch von solchen Branntweinbrennern, welche kein Verkaufspateut besitzen, Kleinverkauf getrieben werden soll. Diese Vermuthung wird nun neuerdings durch die Thatsache unterstützt, daß von 670 gewerbsmäßigen Brennern des Kantons n u r 2 9 ein Verkaufspatent für die Periode 1884/87 gelöst haben, so daß mit Sicherheit anzunehmen ist, daß ein u n g e s e t z l i c h e r K I e i n v e r k a n t' v o n B r a n n t w e i n sehr h ä u f i g v o r k o m m e , o h n e daß d i e P o l i z e i b e h ö r d e n dagegen e i n s c h r e i t e n . N a m e n t l i c h s c h e i n t das G e s e t z von m a n c h e n B r on n er n i n d e r W e i s e u m g a n g e n z u w e r d e n , d a ß sie i h r e n B r a n n t w e i n in d e r v o r g e s c h r i e b e n e n M i n
i m u m q u a n t i t ä t von 15 Liter nicht auf einmal, sond e r n z u v e r s c h i e d e n e n M a l e n a n d i e resp. K ä u f e r a b g e b e n . Es ist s e l b s t v e r s t ä n d l i c h , da lò a u f d i e s e W e i s e die A b s i e h t des Gesetzes, den Kleinhandel mit Branntwein zu beschränken, illusor i s c h gemacht w i r d , u n d d a ß e i n s o l c h e s V e r f a h r e n n i c h t z u d u l d e n ist."

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Wenn in demjenigen Kanton, welcher zur Regelung dieser Materie sich die meiste Mühe gegeben hat, das Produkt und der Vertrieb der Kleinbrennerei in dieser Weise ausfallen, so darf nicht angenommen werden, daß in andern Kantonen, welche eine gesetzliche Kontrole der Brennerei nicht kennen, oder die Brennerei nicht einmal besteuern, bessere Resultate erzielt werden. Mit welchen Schwierigkeiten die kantonale Gesetzgebung in dieser Beziehung zu kämpfen hat, das zeigen die bezüglichen neuern Vorgänge in andern Kantonen.

Ein Gesetzesentwurf der Regierung des Kantons L u z e r n , welcher die Brennerei der Kontrole und Besteuerung unterwerfen will, liegt schon seit 4 Jahren vor dem Großen Rath und stößt hauptsächlich auf ,, d i e Schwierigkeit, daß ein isolirtes Vorgehen des Kantons Luzern in dieser Sache nichts nütze, wohl aber die luzernisehe Landwirthschaft schädige.

Ein vom Großen Rath des Kantons A a r g a u erlassenes Gesetz vom 30. August 1881, welches sowohl die Fabrikation als den Handel mit gebrannten geistigen Flüssigkeiten einer jährlichen Patentsteuer von Fr. 50--1000 unterwerfen wollte und gesundheitsschädliche Produkte mit hohen Bußen bedrohte, wurde vom Volke verworfen.

Ein vom Großen Rath des Kantons N e u e n b u r g am 17. März 1882 erlassenes Gesetz, welches die Fabrikation und allen Verkauf (im Großen und im Kleinen) von destillirten Getränken mit einer Polizeigebühr von Fr. 100 (zur Deckung der Kontrollposten) belasten wollte, wurde ebenfalls vom V o l k e v e r worfen. -- Nur irn Kanton F r e i b u r g wurde am 17. Mai 1884 noch ein Gesetz angenommen, nach welchem für die gewerbsmäßige Destillation eine (dem Ohmgeld auf schweizerischen Alkohol ungefähr gleiche) Steuer von 10 Cts. per Liter auf Branntwein und 20 Cts.

auf Weingeist und für den Verkauf eine Steuer von Fr. 50--200 per Jahr zu bezahlen ist; die nicht gewerbsmäßige Fabrikation (aus selbstgezogenen Baumfrüchten und mittelst beweglicher Apparate) bezahlt nur eine Kontroigebühr von Fr. 3: ferner ist, mit dem Patent zur Fabrikation auch das Recht zum Verkauf des Produkts im Großen verbunden.

Im Jahre 1882 wurde verhältnißmäßig am Meisten destillirt in den Kantonen B e r n (27,509 hl . wovon 11,460 hl. Weingeist), L u z e r n (3,312 hl., wovon 24 hl. Weingeist), Schwyz(2,500 hl.),, F r e i b u r g (6,315 hl.), S o l o t h u r ( 4 , 0 9 0 hl.),), B a s e l S t a d t (1,443 hl.) und B a s e l - L a n d s c h a f t (1,640 hl., wovon 200 hl. Weingeist).

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Wenn wir alles zusammenfassen, so ist die Sachlage folgende.

Die vom sanitarischen Standpunkte aus betrachtet schlimmsten Folgen des Trinkens rühren von den konzentrirtesten geistigen Getränken, den gebrannten, her. Und zwar ist es nicht der Alkohol im Schnapse, der als solcher giftig wäre, denn der bei der Destillation gewonnene reine Alkohol ist bei allen Rohstoffen und in allen geistigen Getränken derselbe; das Beispiel der nördlichen Länder Europas beweist, daß aus Kartoffeln, Getreide, Mais (welche bei der gewöhnlichen Brennerei gerade den fuselhaltigsten Branntwein liefern) ein Feinsprit gewonnen wird, der zur Bereitung gesundheitsunschädlicher Getränke dient, und daß diese Getränke bei richtigem Vertrieb auch nicht mehr so häufig im Uebermaß genossen werden. Hätten wir eine ähnliche Fabrikation und Vertrieb, so wären nicht bloß die beklagten Uebelstände nicht vorhanden; es würde eine weit größere Quantität und eine bessere Qualität von Schlempe unserer Milchwirthschaft zu gut kommen.

Das Hauptübel ist die Qualität unseres Schnapses. Bei dem unvollkommenen und irrationellen Betriebe unserer Kleinbrennerei erhalten wir den mit giftigen Fuselölen30 gemischten Branntwein, der die in unserm ersten Abschnitt geschilderten beklagenswerthen Erscheinungen hauptsächlich hervorruft ; es wartet unser eine traurige Zukunft, sofern es uns nicht gelingt, dieses verderbliche Getränke zu beseitigen und durch unschädlichere zu ersetzen. Und die Kantone sind bei isolirtem Vorgehen zu schwach dazu. Es hält schon schwer, in einzelnen Kantonen Gesetze zur Annahme zu bringen, durch welche das kantonale Produkt mit einer bescheidenen Steuer betroffen wird, -- eine gleichmäßige Gesetzgebung aller Kantone ist erst recht unmöglich. Die Lebensmittelkontrole, welche gegenüber Verfälschungen von Milch, Wein und Nahrungsmitteln mit Erfolg auftritt, hat sich dem gesundheitsschädlichen Schnaps gegenüber als ohnmächtig erwiesen : wie soll man die Produkte tausender von Kleinbrennereien untersuchen, wenn die von denselben eingehenden Steuern nicht einmal die Untersuchungskosten decken? Und welche Gerichte werden Brennereien wegen eines Produkts verurtheilen, welches nur das unvermeidliche Resultat eines vom Gesetze selbst gestatteten Betriebes ist ?

Mit dem den Anforderungen der Gesundheitspolizei trotzenden B e t r i e
b e ist aber auch ein allen Gesetzen spottender V e r t r i e b 20 Ueber die Wirkungen der bei der Spritfabrikation ausgeschiedenen Fuselöle auf den Menschen, selbst mit den kleinsten Quantitäten, vergi, die von Dr. Brockhaus gemachten Versuche, im Centralblatt für allgemeine Gesundheitspflege, Jahrgang I, fünftes Heft, Seite 146 ff. (Bonn, bei Emil Strauß, 1880.)

456 unvermeidlich verbunden. Das Gesetz schränkt den Detailverkauf von Wein und Bier, welche von Natur nicht gesundheitsschädlich sind, ein und dies gelingt ihm; aber es gelingt ihm nicht, den Detailverkauf des gesundheitsschädlichen Fuselprodukts einzuschränken auf die Wirthsehaften und patentirten Kleinhändler, welche gleichwohl an allem durch den Schnaps geschaffenen Unheil Schuld sein sollen. Nach der von uns aufgenommenen Statistik gibt es in der ganzen Schweiz,-- ausgenommen Genf, welches hierüber nicht Angaben liefern konnte, -- nur 2096 gewerbsmäßige Brennereien und nur 3489 den Kleinverkauf von Schnaps betreibende Nichtwirthe; wir würden uns glücklich schätzen, wenn wir annehmen dürften, daß die Zahl der letztern nicht größer sei, als diejenige der Wirthe. Wenn einmal ein unglücklicher Enzianbrenner wegen ungesetzlichen Kleinverkaufs von einem Gerichte gebüßt wird, so entsetzt sich die öffentliche Meinung ob des Unrechts, weil es landeskundig ist, daß man allenthalben Schnaps in kleinen Quantitäten gegen Geld oder Geldeswerth haben kann, ohne in's Wirthshaus oder zu einem andern gesetzlich autorisirten Verkäufer zu gehen. So sind Wein und Bier als tägliche Stärkung dem Arbeiter fast unzugänglich gemacht, während ein gesundheitsschädlicher Schnaps allenthalben zu Spottpreisen zuhaben ist! Das sind die ökonomischen, sanitarischen und moralischen Früchte unserer Kleinbrennerei, welcher die Kantone, in welchen sie betrieben wird, ohnmächtig gegenüber stehen und gegen welche sie -- ohne Unterschied der politischen Meinung -- ein Jahr um das andere die Intervention des Bundes stets dringender anrufen.

III. Mittel zur Abhülfe.

Wir sind gezwungen, unsere Diagnose zu schließen und beförderlich Heilmittel in Vorschlag zu bringen, denn die Zeit drängt.

Man wolle uns daher entschuldigen, wenn bei dem großen Material, welches in verhältnißmäßig kurzer Zeit gesammelt und bearbeitet werden mußte, unsere Untersuchung nicht so allseitig erschöpfend und unsere Darstellung nicht so vollkommen ausfiel, wie wir selbst es wünschten.

Eines scheint bereits aus unserer Enquête hervorzugehen, daß mit dem einfachen Vorwurfe ,,zunehmende Trunksucht"1 der vermehrte Konsum geistiger Getränke nicht gerecht gewürdigt wird und daß man daher auch gegen diejenigen, welche diese geistigen

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Getränke bereiten, sowie diejenigen, welche sie auswirthen, nicht einfach verfahren dürfe wie gegen Begünstiger, Hehler, mit einem Wort Mitschuldige verbrecherischer Handlungen.

Wir haben uns überzeugen müssen, daß die geistigen Getränke, vorausgesetzt, sie seien nicht in polizeiwidriger Weise erzeugt, ihren Rang einnehmen neben den andern Lebensmitteln und daß diejenigen, welche sie bereiten und verkaufen, in analoger Weise behandelt sein wollen wie diejenigen, welche Getreide pflanzen, mahlen oder backen; wie diejenigen, welche Vieh aufziehen, verkaufen oder schlachten, oder diejenigen, welche ihren Mitmenschen Kost, Wohnung oder Herberge gewähren, alle gegen Entschädigung für ihre Dienstleistungen in Befriedigung eines nothwendigen Bedürfnisses. Wollten wir auf irgend einem dieser Gebiete gegen diejenigen, welche solche Dienste verlangen, oder gegen diejenigen, welche sie für Geld leisten, schon deßwegen einschreiten, weil des Guten zu viel geschehe, so würde man uns fragen dürfen, ob wir etwa den Kleiderordnungen, Rauchverboten etc. früherer Jahrhunderte analoge Bevormundungen einführen und von Staatswegen den einem jeden Bürger nach seinem Stand und Vermögen geziemenden Bedarf vorschreiben wollen und vergessen, daß jel/,t der Bürger den Bedarf des Staates festsetze, aber nicht mehr der Staat den Bedarf des Bürgers.

Man darf auch mit einigem Rechte darauf hinweisen, daß in den nach Grundsätzen der Freiheit geleiteten ^^ölkern nicht allein die Produktion materieller Güter im Ganzen genommen sich günstiger entwickelt, als in den bevormundeten, sondern daß auch die Entwickelung von Anstand und Sitte, Begeisterung für das Gute und Vaterlandsliebe bei freier Entfaltung menschlicher Kräfte besser gedeihen, als wo man, an den guten Eigenschaften des \7olkes verzweifelnd, nur in der strammen Disziplin durch die Regierungsgewalt das Heil erblickt. Und wenn die gleichwohl nicht zu verkennenden sittlichen Schäden im Volksleben da, wo alles offen besprochen werden darf, auch noch so grell hervortreten, so haben wir doch bis jetzt an dem Glauben festgehalten, daß die größte Heilkraft für alle öffentlichen Schäden in der öffentlichen Meinung beruhe. Sogar auf unserm Gebiet spricht derjenige offizielle Bericht, der die gesetzliche Regulirung der Branntweinfabrikation iii der Schweiz einleitete 21 das Wort
aus: ,,Immer mein- bricht sich die Ueberzeugung Bahn, daß das Branntwein übel nicht sowohl von Staatswegen, durch Gesetze und obrigkeitliche Verordnungen, als viel11 Vortrag der bernischen Direktion des Innern an den Regierungsrath.

Bern 1864, Seite 30.

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mehr von Gesellschaftswegen, durch die vereinten Anstrengungen aller, welche es mit ihrem Lande wohl meinen, bekämpft werden müsse."

In einem Lande, welches das Referendum eingeführt hat, können wir ohnehin nur mit solchen Vorschlägen durchdringen, welche die öffentliche Meinung für sich haben. Ist aber auch die öffentliche Meinung für uns, so sind es doch nicht alle, vielleicht nicht einmal die stimmende Mehrheit, und wir werden daher schon aus diesem Grund nicht unsere ganze Hoffnung auf Regierungsmaßregeln setzen, sondern auf die im Kleinen beginnende, durch die innere Macht der Wahrheit wachsende Initiative des Volkes. Erst in zweiter Linie dürfen wir auf diesem wie auf andern Gebieten den Gesetzgeber anrufen, närnlich dann, wenn es nöthig ist, die freie Bewegung und die Rechte der Einen gegen den Mißbrauch der Freiheit von Andern zu schützen ; auch da appelliren wir in erster Linie an den kantonalen Gesetzgeber und glauben, daß erst dann, wenn die Kräfte desselben nicht ausreichen und einheitliches Handeln im ganzen Lande nothwendig ist, die Bundesgesetzgebung einzutreten habe.

1. Die Priyatinitiative.

Wir haben gesehen, daß bei der landwirthsehaftlichen Bevölkerung der Ursprung des Branntweintrinkens nicht im Wirthshaus, sondern in der Haussitte zu suchen ist; der Branntwein ist ein integrirender Bestandtheil des täglichen Brodes. Das werden wir auf dem Wege der Gesetzgebung nicht ändern, am allerwenigsten mit gesetzlichen Experimenten am Wirthshaus. Wohl aber kann, wie wir sehen werden, durch Maßnahmen der Gesetzgebung nachgeholfen werden, wenn inmitten der landwirthsehaftlichen Bevölkerung selbst der Wunsch einer Reform vorhanden ist. Man darf nun annehmen, daß auch der verständige Landwirth es einsehen muß, daß der Gang seines Geschäftes und die Familienwohlfahrt von der richtigen Ernährung und sittlichen Solidität nicht blos seiner Angehörigen, sondern auch seines Hausgesindes bedingt sei; wo diese Einsicht noch nicht Platz gegriffen hat, ist es doch nicht unmöglich, derselben allmälig Eingang zu verschaffen, namentlich wenn nachgewiesen wird, daß den Interessen der Landwirthschaft in anderer Weise Rechnung getragen werden kann. Es freut uns sehr, berichten zu können, daß ein freilich noch ganz kleiner Anfang mit einem sogenannten ,,landwirthsehaftlichen Mäßigkeitsverein des Kantons Bern," der eigentlich ein Verein für richtige Ernährung der Landbevölkerung heißen dürfte, jüngst in's Leben

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getreten ist. In einer von diesem Verein verbreiteten Broschüre, betitelt: ,,Wie ein Landwirth ohne Branntwein haushalten kann (Ein Kuechtegespräeh) a , wird wohl der richtige Hebel angesetzt mit folgenden Worten, die ein Bauer seiner Frau einschärft: ,,Sorge, daß unsere Arbeitsleute genug und gut /u essen haben, damit ihnen die leidige Lust nach dem Schnapse vergeht a -- und am Schlüsse der Broschüre folgt ein Speisezeddel, auf welchem der Branntwein gar nicht, Wein nur ausnahmsweise, Obstwein, insofern er zu haben ist, dagegen um so regelmäßiger Milchspeisen, Kaffee und Thee ihren Platz finden. Es ist diesem Unternehmen der beste Erfolg zu wünschen und es wird derselbe auch nicht ausbleiben, wenn die Frage der richtigen Ernährung im Volke zur gründlichen Erörterung kommt. Es dürfte eine Besserung in landwirtschaftliehen Kreisen auch deßhalb um so eher zu erhoffen soin, weil der Hang zum Branntwein auch die eigene Familie des Land\virtlis bedroht und der letztere sich denn doch auch einer gewissen Verantwortlichkeit gegenüber den Dienstboten, denen er die Nahrung verabreicht, und der Einwirkung des Alkoholgenusses auf die Armenlast bewußt ist.

Auch bei der industriellen Bevölkerung, deren größerer Theil, namentlich die Fabrikbevölkerung, nicht direkt vom Arbeitgeber gespeist, sondern für die Arbeitsleistung ganz in Geld ausbezahlt wird, ist das Gefühl der Verantwortlichkeit der Arbeitgeber für das Loos der Arbeitnehmer und der Solidarität zwischen beiden nicht ganz verschwunden; es werden vielmehr unter der Initiative oder Mitwirkung der Arbeitgeber, wenn auch noch vereinzelt, lobenswerthe Veranstaltungen getroffen, um der Arbeiterschaft eine gesuode, ausreichende und billige Nahrung zu verschaffen. Wir erwähnen hier beispielsweise die Volksküchen in den Städten /ürich und Winterthur, die zwei allgemeinen Speiseanstalten der Basler gemeinnützigen Gesellschaft, sowie ferner die Speiseanstalt der Centralbahn in Basel und die zwei öffentlichen Speiseanstalten in St. Gallen. Ferner wird von den Fabrikinspektoren berichtet, daß gelegentlich auch in Fabriken für Ersetzung des Branntweins durch Kaffee oder Bier an Zwischenmahlzeiten und bei Nachtarbeit für ausreichende Ernährung durch einzelne Fabrikbesit/er gesorgt wird.

Den Volksküchen* und Suppenanstalten an die Seite stellen wir die in den Jahren
1878--1882 vom schweizerischen Mäßigkeitsverein gegründeten oder hervorgerufenen 40 Kafl'eehallen in Basel, Zürich, Bern, Biel, Neuenstadt, St. Immer, Chauxdefonds, Neuenbnrg, Colombier, Lausanne und Genf, welche für die große Zahl derjenigen, welche in den bisherigen Wein- und Bierhäusern ihr Bedürfniß den vorhandenen Einrichtungen opfern oder zu ihrem

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Nachtheil anpassen mußten, eine große Wohlthat sind. Wenn man hört, welche enormen Summen in Liverpool und London bei der Befriedigung dieses Bedürfnisses gut rentiren, so gelangt man zu der Erkenntniß, es sei auf diesem Gebiet viel nachzuholen und es könnte bei richtiger Einsicht manch' schlecht rentirende Pinte in ein gutes Kost- oder Kaffeehaus umgewandelt werden.

Schlimmer noch steht es vielfach mit der häuslichen Ernährung der A r b e i t e r f a m i l i e , deren Glieder nicht selten gerade dadurch, daß die Nahrung ungenügend oder in Folge schlechter Zubereitung schwer verdaulich ist, sich zum Schnaps gedrängt sehen. Wir haben früher schon gesagt, daß hauptsächlich dem Mangel an Einsicht und Geschicklichkeit zuzuschreiben ist, was allzu hart auf Rechnung der Trunksucht gesetzt wird. Wären die Kenntnisse, welche die Fachmänner über richtige Ernährung besitzen, Gemeingut der Arbeiter, sie würden sich mit Freuden anders einrichten und mancher wäre von der Versuchung zum Branntwein befreit.

Der Arbeiter ist a.ber auch beim Einkaufen seiner Lebensrnittel schlechter gestellt, als der große und zahlungsfähige Konsument; er bekommt die einen Nahrungsmittel bei gleichem Preise schlechter (Fleisch) oder bei gleicher Qualität theurer (Butterete.), als der große Abnehmer. Diesen Uebelständen kann auf dem Wege der Association abgeholfen werden und es ist manches in dieser Hinsicht geschehen. Eine von der ,,Soci été cooperati ve suisse deConsommation a (E. Pictet) in Genf veranstaltete Zusammenstellung der Konsumvereine in der Schwein belehrt uns, daß wir deren 121' haben, von welchen 109 (welche hierüber Angaben geliefert) ein einbezahltes Aktienkapital von Fr. 1,973,779 und in Obligalionen Fr. 430,921 und 83 Reservefonds im Betrage von zusammen Fr. 722,528 besitzen. Die 80 Gesellschaften, welche hierüber Angaben geliefert, zählen 22,079 Aktionäre. Das ist ein schöner Anfang; leider sind aber einige Gesellschaften nichts weiter als Bäckereivoreine, welche ein kleines Betriebskapital von nicht einmal Fr. 1000 smfweisen ; auch verfolgen, wie ein schon früherer von uns genannter Aufsatz von Dr. Schuler gelehrt hat, nicht mehr alle Konsumvereine den löblichen Zweck, nur gute Waare einzukaufen, sondern einzelne halten mehr auf die Dividende, welche in solchem Falle von zweifelhaftem Werth wäre; im Großen
und ^Ganzen jedoch leisten diese Vereine dem Arbeiter einen enormen Nutzen, sowohl durch Beschaffung billiger und guter Nahrung, als durch die Ersparnisse, welche sie ihm ermöglichen. Es ist nur zu bedauern, daß noch in so manchen großen, ja sehr großen Ortschaften das Streben' der Arbeiterwelt nach einer bessern Existenz noch nicht auf diesesso nahe liegende Auskunftsmittel geführt hat.

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Bine weitere Aufgabe ist die richtige Gruppirung und Abwechslung, sowie die schmackhafte Zubereitung der Nahrungsmittel, eine Kunst, welche die Arbeiterfrau nicht von selbst erlernt und zu welcher sie dermalen noch zu wenig Anleitung erhält. Unternehmungen wie der vor einigen Monaten, von der gemeinnützigen Gesellschaft des Wahlkreises Neumiinster angeordnete Lehrkurs für Koch- und Haushaltungskunde entsprechen einem eben so dringenden BedUrfniß, als die Bestrebungen für die gewerbliche Bildung des Mannes, da die richtige Anwendung des Arbeitsertrages in der Familie nicht von kleinerer Bedeutung ist, als diese Arbeit selbst.

Bei der Art und Weise, wie ein großer Theil der arbeitenden Bevölkerung von Stadt und Land dermalen noch sich ernähren muß, dürfen wir den Genuß von Branntwein nicht stets nur der Trunksucht zuschreiben, sondern müssen zugestehen, daß der Arbeiter oft aus Hunger Schnaps trinkt, und wenn wir wissen, daß es möglich ist, ihn bei einer rationellen Ernährungsweise mit demselben Geldwerth eine ausreichende und seiner Gesundheit zuträgliche Nahrung zu verschaffen, so ist es die Aufgabe der bürgerlichen Gesellschaft, nicht des Staates, nicht des Bundes, diese Reform herbeizuführen.

Aber, wird uns erwidert, dieses Branntweintrinken geht doch über das Bediirfniß; ganze Abende, ganze Sonntagnachmittage werden ja von diesen Arbeitern, deren Noth Ihr beklagt, im Wirthshaus zugebracht; ist das nicht Trunksucht? -- Wir antworten hierauf mit den Worten , welche ein Londoner Handwerker in einer englischen gemeinnützigen Wochenschrift (auf Namen und Nationalität kommt es hier nicht an) den Mäßigkeitsfreunden entgegnet: ,,Männer, welche vom Morgen bis zum Abend in engen Werkstätten eingepfercht sind, sagt er, ermangeln deßhalb -- zu ihrer Ehre sei es gesagt -- nicht des Geselligkeitstriebes. Sie verlangen danach, am Feierabend mit Ihresgleichen zusammen zu kommen, Gedanken auszutauschen, Erfahrungen mitzutheilen, Ideen, welche ihnen bedeutungsvoll erscheinen, eine gewisse Veröffentlichung zu geben. Dieses Verlangen nach geselligem Verkehr findet sich in allen Klassen der Bevölkerung, nur sind einige in der Leichtigkeit, es zu befriedigen, mehr begünstigt als andere. Der Reiche ladet sieh Gesellschaft in sein Haus, geht in seinen Klub oder in andere Häuser in Gesellschaft. Der Arme in den großen
Städten ist nicht so glücklich gestellt. Für die meisten armen Arbeiter ist die eigene Häuslichkeit ein viel zu unbehaglicher Ort, um zu einem freundschaftlichen Beisammensein mit einem Kameraden einzuladen.

Diese Häuslichkeit ist nur zu oft ein einziges kleines Zimmer in

462 einem mit üblen Gerüchen erfüllten Hause, kärglich möblirt, minus Behaglichkeit, plus Kindergeschrei. Und das einzige Wesen, welches sogar eine solche dürftige Heimstätte hell und wohnlieh machen könnte, die Frau, ist vielleicht aus Blangel an geeigneter Vorbildung und sittlicher Erziehung für das Amt der Hausfrau und Mutter gänzlich ungeeignet.

,,Unter den Frauen der arbeitenden Klassen sind gewiß manche Heldinnen an Muth und Hingabe für die Ihrigen, welche in unerhört schwierigen Verhältnissen nicht nur redlich durchzukommen,' O sondern auch Grlttck um sich zu verbreiten verstehen. Es sind viele darunter, die mit Aufbietung aller Kräfte den ärmlichen Haushalt führen, kochen, waschen, flicken, reinmachen zur rechten Zeit und zur Unzeit. Aber die allerwenigsten von ihnen haben auch nur eine Ahnung davon, daß sie berufen sind, die Interessen ihrer Männer zu theilen, daß es manchmal weise sein würde, den Scheuerwisch und die Nadel fortzuthun und mit dem Manne über das zu sprechen, was ihn bewegt und nahe angeht: über seine Arbeit, über Lohnverhältnisse, über Gewerkvereine und was sonst immer unter diesen Leuten die vorderste Reihe der Gedanken einnimmt. Der Mann sucht also seine in gleicher Lage befindlichen Genossen da, wohin auch sie dasselbe häusliche Unbehagen getrieben hat : in der Schenke, und dann ist allerdings der Aufenthalt in der Schenke das A, dem das B des Branntweins unfehlbar folgt.

,,So lange dagegen die Vorkämpfer der Enthaltsamkeitsbewegung von der vorgefaßten Meinung ausgehen, daß nur und in erster Linie das Verlangen nach Alkohol den Arbeiter in die Schenke treibt, sagt der Artikel weiter, werden sie nicht viel dauernd Gutes wirken. Eine Kette ist nicht stärker als ihr schwächstes Glied. Einige tausend Männer, Frauen und Kinder mögen veranlaßt werden, eine Verpflichtung zu unterschreiben, sich ein blaues Bäudchen anzuheften und sich aller geistigen Getränke und des Tabaks obendrein zu enthalten, aber diese Beispiele werden für die Massen wirkungslos bleiben, so lange der Grundstein des Volkslebens, die Häuslichkeit des Arbeiters, so wenig Anziehungskraft besitzt wie jetzt. Ein wohl ausgestattetes Kaffeehaus, ein Arbeiterviertel mit freundlichen, bequemen, gesunden Wohnungen ist so viel worth wie zehntausend Reden in Versammlungen und eine Million Zeugnisse von den verderblichen
Wirkungen des Alkohols.

Wenn die jetzt auf die Verdammung von Bier und Tabak verwandte Energie dazu benutzt würde, junge Mädchen aus dem Volke zu sparsamen, geschickten, verständigen Hausfrauen zu erziehen, so würde das tausendjährige Reich einer nüchternen Nation näher scio, und wir könnten es erleben, in den Frauen der Arbeiter die

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dienenden Engel ihrer bescheidenen Heimstätten und nicht bloße Aschenbrödel zu sehen.

,,In eine durch das . Walten einer solchen Mutter verschönerte Häuslichkeit könnte der heranwachsende Sohn am Feierabend auch einen oder den andern Genossen, der kein Elternhaus am Orte hat, einführen, und es dürften wenig gut geartete Jünglinge sein, die nicht lieber ihre Freistunden so verbrächten, als in einer geräuschvollen Schenke. Wie es jetzt ist, führt der Vater seine Gäste in's Wirthshaus, und der Sohn ahmt ihm nach. Und es wäre thöiicht, zu glauben, daß das einfache zwangsweise Schließen der Schenken das Uebel abstellen würde. Die Beschaffung von geistigen Getränken schwierig machen und ein Volk zur Gewohnheit des mäßigen Lebens erziehen: das ist noch lange nicht dasselbe. Ehe nicht die sozialen Schäden abgestellt sind, welche in den meisten Fällen zur Branntweinflasche treiben, wird kein äußerer Zwang den Branntwein aus der Welt verbannen."1 Diese Worte bedürfen keines Kommentars ; wir ersehen aus denselben, daß helle geräumige, sonnige oder billig heizbare Arbeiterwohnungen bereits dazu beitragen würden, den Mann in seinen Freistunden zu Hause zu halten; stünden ihm noch Bücher, Zeitungen und Musik zur Verfügung wie dem Reichen, so würde er einen großen Theil der ihm nothwendigen Unterhaltung zu Hause finden, ein gebildetes Familienleben würde ihm auch viel Anregung bieten, aber bedürfen nicht Diejenigen, welehe das alles haben, noch gesellschaftlicher Vereinigung mit Ihresgleichen ? Könnten solche Vereinigungen anderswo als im Wirthshaus organisirt werden, so wäre damit den Arbeitern ein großer Dienst geleistet; die von der gemeinnützigen Gesellschaft in Basel in Verbindung mit den allgemeinen Speiseanstalten erstellten zwei Arbeitersäle, welche den Arbeitern beiderlei Geschlechts Gelegenheit zum Lesen von Büchern und Zeitungen, zu Unterrichtskursen und Spielen (Schach, Dameubrett und Domino), sowie zum Anhören öffentlicher Vorträge unentgeltlich Gelegenheit geben, Säle, in welchen der Arbeiter Wein bestellen kann, wenn er will, aber es nicht thut, leisten den Beweis, daß dasjenge, was unsern Arbeitern fehlt, ihnen ohne Wirthshaus beschafft werden kann und ohne geistiges Getränke freudig angenommen wird. Wie viel könnten also die ,,obern Zehntausend" ohne etwas Anderes als Zeit zu opfern, dazu beitragen,
den Arbeiter von geistigen Getränken abzuleiten, wenn sie seineu Durst nach Menschen, nach Wissen, nach Spiel und gemüthlicher Erholung befriedigen hälfen. Mancher, der keinen andern Genuß nach schwerer Arbeit kennt, als den, sich einen Rausch zu trinken, und dem nicht der beim Schnaps sehr kurze Weg zum Rausch, sondern der Rausch

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selbst, die Flucht aus der kalten, öden Wirklichkeit, das Hauptziel ist, würde auch beim Anhören eines interessanten Vertrages, einer schönen Musik, eines rührenden Dramas seine Sehnsucht befriedigt fühlen und geistig und physisch weit mehr erneut und gestärkt zur Arbeit zurückkehren.

Ein anderes mächtiges Motiv zur Enthaltung vom Trinken ist der einmal geweckte Trieb, sich ein kleines Vermögen, eine unabhängige Stellung zu erringen, wozu die im ganzen Lande herum aus freier Initiative der Bürger gegründeten Sparkassen nicht wenig beitragen. Wie Vieles diese Institute jetzt leisten und was ihnen noch fehlt, davon wird eine eigene statistische Publikation berichten, wenn einmal alle Kantone unserer Einladung vom 10. April 1883, die bezüglichen Angaben pro 1882 zu liefern, Folge geleistet haben werden.

Werden aber diese Mittel auch jene erreichen, welche bereits völlige Sklaven des Trinklasters geworden sind? -- Auch an diesen hat die thätige Menschenliebe bereits manches Gute zu Stande gebracht, das nur auf diesem Wege möglich war; wir meinen den schweizerischen Mäßigkeitsverein, welcher, erst seit drei Jahren bestehend, Ende 1883 in 201 Ortschaften bereits 2884 Mitglieder zählte, wovon ein Drittel solche, die nicht um ihrer selbst willen, sondern um durch ihr Beispiel die Möglichkeit der Ausführung darzuthun, die Radikalkur gänzlicher Enthaltsamkeit von geistigen Getränken freundschaftlich mitmachen. Obwohl der Ansicht, daß nicht für Alle dasselbe Mittel zum Zwecke führe, anerkennen wir, daß für Viele dieses das einzig wirksame sei, ausreichende Nahrung vorausgesetzt. In dieselbe Klasse gehören auch die Trinkerasyle, welche nach den Vorbildern in den Vereinigten Staaten, Canada, England (London), Deutschland (Lintorf und Wilmersdorf) in der Schweiz gegründet worden sind, in Basel (1881), in Mollens (Januar 1883, im November nach Trélex sur Nyon übersiedelt) und Neuchatel, -- kleine landwirtschaftliche Anstalten, in welchen durch geregelte freundliche Hausordnung und regelmäßige Arbeit an stärkender freier Luft, bei guter Kost, Gewohnheitstrinker mit Erfolg allmälig an eine andere Lebensweise gewöhnt werden.

Auch solche Anstalten können nur durch die Privatinitiative, durch Gemeinden oder Kantone, auf keinen "Fall durch den Bund ins Leben gerufen werden.

2. Maßregeln des Staates, foezw. der Kantone.

Daß auch der Staat in dieser Frage eine Mission zu erfüllen habe, wird allgemein anerkannt. Bei unsern konstitutionellen

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Verhältnissen wird jedoch die Bekämpfung des Alkoholismus auch dann, wenn der Bund zur Mitwirkung beigezogen wird, eine Hauptsorge der Kantone bleiben und bleiben müssen.

Erstlich interveniren diese schon deshalb, weil der Trinker nicht bloß sein eigenes Wohl, sondern auch dasjenige Anderer beeinträchtigt. Ob, wo letzteres nicht gefährdet wird, der Staat zum Einschreilen berechtigt sei, und ob nicht, wenn man ihm die Pflicht des Einschreitens auch für diesen Fall auferlegte, die Ausübung einer solchen Pflicht ihn in ganz schwierige Konflikte brächte, diese Frage darf man ernstlich aufwerfen. Aber daß der Betrunkene, der auf öffentlicher Straße den Anstand verletzt, Vorübergehende gefährdet oder bedroht, unziemlichen Lärm macht, festgenommen und einige Stunden in Verwahrung gebracht werden darf, das ist in den polizeilichen Verordnungen einer Menge von Kantonen ausgesprochen und wird auch ohne ausdrückliche Vorschrift ausgeführt. Habituelle Trunksucht, bei welcher Vermögenszerfall und Unterstützungsbedürftigkeit in Aussicht stehen, wird in den meisten Kantonen mit Bevormundung bedroht; einige Kantone bestrafen selbst ohne diese Rücksicht Trunksucht und liederliches Lebwesen mit Wirthshausverbot und andern polizeilichen Strafen bis zur Unterbringung im Arbeitshause oder einer Besserungsanstalt.

Armengenössigen ist in einer Reihe von Kantonen der Besuch des Wirthshauses verboten. In Betreff" der im Zustande der Trunkenheit begangenen Verbrechen enthalten die kantonalen Strafgesetze in der Regel keine Vorschriften, ob dieser Umstand der Trunkenheit, sei es mildernd, sei es erschwerend, bei Beurtheilung des Verbrechens ins Gewicht falle; das Gesetz von Nidwaldeu allein spricht sich für Erschwerung aus, einige andere Strafgesetze gestatten bei unverschuldeter Berauschung (das heißt nicht vorsätzlicher Betrunkenheit) die Annahme mildernder Umstände (Zürich, Luzern, Schwyz, Freiburg). In praxi scheinen mehrere Kantone auch ohne ausdrückliche Weisung des Gesetzes mildernde Umstände anzunehmen und es dürfte schwer halten, den entgegengesetzen Grundsatz streng durchzuführen.

Wie sehr man indessen vom Standpunkt des Sittengesetzes aus die B e s t r a f u n g d e r T r u n k s u c h t billigen u n d v o n derselben eiae Verminderung des öffentlichen bösen Beispiels erwarten mag : den Hang zum Trunke besiegt
man mit bloßen Repressivmaßregeln noch nicht. Die Verbote und Strafen müssen ihre Ergänzung finden in positiv wirkenden Kräften; eine intellektuelle sowohl als auch religiös-sittliche Bildung muß dem Menschen höhere Pflichten und Genüsse zeigen. Wirksamere Disziplinarmittel als Verbote und Strafen sind -- nicht bloß für die Jugend , sondern Bundesblatt. 36. Jahrg. Bd. IV.

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auch für die Erwachsenen -- Erziehung, und Gewöhnung zu den individuellen Anlagen entsprechender nützlicher Thätigkeit und in den notwendigen Mußestunden Gewährung einer den Geist oder den Körper bildenden anständigen Unterhaltung. Indern die Kantonsregierungen die Bestrebungen für die Hebung der Volksschule, der gewerblichen Bildung, der Wissenschaft und Kunst, die Einführung von öffentlichen Vorträgen, Volksbibliotheken und Lesesälen ermuntern und unterstützen , arbeiten sie auch am wirksamsten dem Alkoholismus, dem Verbrechen und dem Pauperismus entgegen.

Zu den Aufgaben der kantonalen und Gemeindebehörden gehört auch die Ausübung der W i r t h s c h a f t s p o l i z e i . Ueber die bezüglichen Vorschriften der Kantone wurde bereits in einem frühern Abschnitte (II, 4, b) referirt; wir können hier nur beifügen , daß wir deren Handhabung als eine Ergänzung der erzieherischen Thätigkeit der Eltern, Vormünder, Lehrmeister und Arbeitgeber und als unerläßliche Bedingung einer erfolgreichen Bekämpfung der Trunksucht betrachten. Auch haben wir von Anfang an erklärt, daß Wirthen, welche wiederholt wegen Uebertretung der Wirthschaftsgesetze bestraft werden mußten, die Wirthschaftsbewilligung entzogen, beziehungsweise verweigert werden darf.

(S. bundesräthlicher Geschäftsbericht pro 1875, S. 435 ff.) .

Wir halten sogar die Zeit gekommen, auf einen bisher in dieser Sache noch zu wenig beachteten Standpunkt, den eine solche Polizei auch vertreten sollte, hinzuweisen, den s a n i t à r i s e n e n.

Wenn der Arbeiter Abends müde die Fabrik oder die Werkstatt verläßt, um in dem ihm vielleicht einzig zugänglichen geselligen Kreise Erholung, politische oder andere Unterhaltung zu suchen, so sollte doch das Wirthshauslokal, das ihn empfängt, nicht eine noch verdorbenere Luft enthalten, als die Fabrik oder Werkstatt; auch sollten Wirthschaftslokale unter einer gewissen Ausdehnung und Höhe nicht zuläßig sein. Hierin und in der langen Arbeitszeit des Wirthschaftspersonals haben wir vorzüglich den Grund zu suchen, warum -- wie in England, so auch in der Schweiz -- das Wirthschaftsgewerbe als eine der ungesundesten Berufsarteu sich erwiesen hat (s. Bevölkerungsbewegung in der Schweiz im Jahre 1882, S. XXII).

Wenn die kantonalen Behörden in ihren Polizeiverordnungen die Grundsätze des Fabrikgesetzes in dieser
Weise ausdehnen, so werden damit manche bedauerliche Wirthschaftslokale unmöglich gemacht, für deren Vorhandensein man die Grewerbefreiheit verantwortlich erklärt.

Ebenso werden die kantonalen Behörden dem Publikum einen großen Dienst leisten, wenn sie die Polizei über die Lebensmittel,

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namentlich über die Getränke, scharf handhaben und das Publikum vor gefälschten uud gesundheitsschädlichen Getränken schützen, wie es übrigens durch die Gesetzgebung der meisten Kantone bereits vorgeschrieben ist.

Da wir auch über die Frage Bericht erstatten sollen, ,,ob es nicht angezeigt und vom verfassungsmäßigen Standpunkte aus zulässig sei, von Bundeswegen die nöthigen Maßnahmen zu treffen, um die Kosumenten vor gefälschten oder gesundheitsschädlichen Getränken zu schützen"1, so müssen wir etwas einläßlicher auf diesen Gegenstand eintreten.

Das eidgenössische Departement des Innern, welches dießfalls die Kantonsregierungen zur Vernehmlassung eingeladen hat, erhielt von den meisten Kantonen die Antwort, daß sie solche Vorschriften bereits besitzen und daß eine Notwendigkeit oder auch nur Zulässigkeit zum Erlaß bezüglicher Bundesvorschriften nicht vorhanden sei, eine Ansicht, welcher der Bundesrath beitreten muß.

Einige Kantonsregierungen sprechen sich freilich dahin aus, daß eine Ordnung dieser Angelegenheit, und zwar der gesarnmten Lebensmittelpolizei, durch den Bund, wenn auch nach der jetzigen Bundesverfassung nicht zulässig, dennoch im Interesse der Sache wiinschbar wäre. Will dieser Gedanke weiter verfolgt werden, so sollte man sich die Konsequenzen genau klar machen: entweder müßte der Bund in sehr prompter Weise über den ganzen bisherigen Mechanismus von kantonalen und Bezirksbehörden, Gemeindepolizti und Gesundheitskommissionen verfügen können oder für diesen Dienst ein eigenes Heer von Beamten anstellen. Man wird aber weder das Eine noch das Andere befürworten können, wenn man sieht, wie weit die Organisation dieses Bedürfnisses nach den lokalen und Verkehrsverhältnissen der einzelnen Orte hereits gediehen ist.

Wollte man blos einen Theil dieser Aufgabe, die Getränkepolizei, dem Bunde zuweisen, so müßten die Kantone ihre Organisation zur Prüfung von .Nahrungsmitteln und von mit giftigen Farben gefärbten Spielwaaren, Tapeten etc., gleichwohl beibehalten, während für die andere, dem Bunde zufallende Hälfte der Aufgabe wiederum jene Schwierigkeiten bestünden, welche wir oben für das ganze Pensum im Verhältniß zum Bedürfniß als zu groß erfunden haben.

Am plausibelsten erscheint der von einigen Regierungen geäußerte Gedanke, dem Bunde blos die Untersuchung der e i n g e f ü h r t e n
Getränke zuzuweisen. Da diese Aufgabe jedoch von unsevn gegenwärtigen Zollbeamten nicht erfüllt werden könnte, so müßten dem Bunde entweder auf allen Zollstätten, über welche dermalen Ge-

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tränke eingeführt werden, Experte zur Verfügung stehen, oder man müßte, um mit wenigen Experten auszukommen, die Einfuhr von Getränken auf eine kleine Zahl von Zollstätten reduziren, was diesen Verkehr nicht wenig belästigen und die Getränke vor nachheriger Fälschung nicht schützen würde. Ja, die ausgedehnte Freiheit des Grenzverkehrs, die wir im Interesse unseres Transits per Eisenbahn, wie auch unseres internationalen Zwischenhandels, gewähren mußten und nicht aufgeben dürfen, würde eine solche Kontrole vollständig illusorisch werden. Da, für viele Waaren, welche über die schweizerische Grenze kommen, beim Ueberschreiten noch nicht gewiß oder bekannt ist, ob dieselben, z. B. von einem Niederlagshause der innern Schweiz aus, mit neuer Adresse versehen, sofort wieder über die schweizerische Grenze austreten, oder ob sie von einem schweizerischen Käufer unmittelbar nachher wieder nach dem Auslande verkauft werden, so mußte die Zollverwaltung das Zugeständuiß machen,, daß dergleichen Waaren beim Eintritt ,,zur Durchfuhr"- deklarirt werden dürfen, gegen vorläufige Erlegung des Zolles einen Geleitschein erhalten und daß dann die betreffende Waare ohne weitere Formalität als dem innern Verbrauch übergeben betrachtet wird, wenn der ausgestellte Geleitschein nieht binnen der darin bestimmten Frist der Eintrittszollstätte gehörig gelöscht wieder zugestellt wird (Bundesgesetz vorn 24. Juli 1867).

Diese unvermeidlich gewordene Vorschrift ermöglicht aber jeder Waare, auch wenn sie von vornherein zum innern Verbrauch bestimmt gewesen wäre, als T r a n s i t g u t , einer chemischen Kontrole an der Grenze zu entgehen.

Es stehen übrigens zur Zeit einer Centralisation der Lebeusmittelpolizei oder der Getränkepolizei nicht bloß diese praktischen Schwierigkeiten entgegen. Nicht die Untersuchung, sondern die Bestrafung der Uebertretungen ist ja hier die Hauptsache; es müßte somit ein nicht unwichtiger Bestandtheil des Strafrechts, im vorliegenden Falle eine wesentliche Waffe gegen einen gesetzwidrigen Betrieb des Wirthschaftsgewerbes, der Kompetenz der kantonalen Gesetzgebung entzogen werden. Bei dem großen Interesse, welches die Kantone an der Ausübung der Wirlhschaftspolizei haben, muß ihnen daran gelegen sein, gerade auf diesem Gebiete, auf welchem ein solider Wirthschaftabetrieb so wesentlich sich vom unsoliden
unterscheidet, den letztern anfassen und beseitigen zu können. Die kantonalen Behörden sind nach der dermaligen Gesetzgebung nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, diejenigen, welche sie für den Vertrieb von Lebensmitteln patentiren, dafür verantwortlich zu machen, wenn dieselben eine minderwerthige oder gesundheitschädliche Waare als gut verkaufen ; ob die letztern

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wissentlich oder aus bloßer Fahrläßigkeit den ihnen vertrauenden Abnehmern solche Waare verkaufen, so sind sie, wenn auch in verschiedenem Grade, strafbar und haben nicht das Recht, die ganze Schuld auf den vielleicht in fernem Lande wohnenden Großhändler abzuwälzen. Eine ernste Geltendmachung dieses Standpunktes ist das beste Mittel, diejenigen vom Wirthschaftsgewerbe abzuhalten, welche dasselbe nicht verstehen und ihre Mitbürger durch solche Unkenntniß und Sorglosigkeit schädigen.

Indem wir uns diese verschiedenen, den kantonalen Behörden gegenüber dem Wirthschaftsgewerbe zustehenden polizeilichen Kompetenzen und Pflichten vergegenwärtigen, können wir. das Postulat vom 28. Juni 1882: ,,Der ßundesrath wird eingeladen, Bericht zu erstatten über die Möglichkeit, dem allzu stark um sich greifenden Wirthschaftswesen Schranken zu setzen," nur dahin beantworten, es sei diese Möglichkeit vorhanden, wenn die bestehenden kantonalen Vorschriften vollzogen oder letztere, sofern sie nicht genügen, angemessen ergänzt und verschärft werden.

Ein solches Vorgehen muß, wenn die vielfachen Klagen über den demoralisirenden Einfluß des Wirthschaftsgewerbes begründet sind, die Beseitigung einer namhaften Zahl, und vorab der unsittlichsten, herbeiführen, und es böte ein derartiges Vorgehen nicht bloß dem gewissenhaften und tüchtigen Wirthe, sondern auch dem Publikum größere Garantien, als eine einfache Reduktion der Wirthschaften auf eine sogenannte Normalzahl, bei deren Festsetzung der Vorwurf der Parteilichkeit und Willkür kaum zu vermeiden wäre (vergleiche Seite 423).

Es führt uns dies auf die beim Ständerathe pendente Motion Wirz vom 6. Juli 1883: ,,Der Bundesrath wird eingeladen, bis zum nächsten Zusammentritt der Bundesversammlung einen Antrag auf Revision der Bundesverfassung in dem Sinne einzubringen, daß der Betrieb von Wirthschaften und der Kleinverkauf von geistigen Getränken nicht unter Art. 31 der Verfassung zu subsumiren sei.tt Da dieser Art. 31 nur insoweit auf das "Wirlhschaftswesen von Einfluß ist, als er die Beschränkung der Zahl der Wirthschaften auf eine sogenannte Normalzahl, auf ein von den Behörden testgestelltes Bedürfniß, ausschließt, so kann der Zweck der angeregten Verfassungsrevision nur der sein, der kantonalen Gesetzgebung die Wiedereinführung der Bedürfnißfrage bei der Konzessionirung von Wirthschaften zu ermöglichen.

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Wenn dieser Ausweg geeignet wäre, uns von der schwierigen Alkoholfrage zu entlasten, so könnte er Niemand so willkommen sein als uns.

Nachdem wir uns jedoch überzeugt haben, daß der kantonalen Gesetzgebung mit dieser Kompetenz nicht geholfen würde, daß vielmehr die Alkoholfrage in Kurzem doch wieder an den Bund herantreten und diesem eine Kompetenz zu gesetzgeberischen Erlassen ertheilt werden müßte, so können wir die Annahme dieser Motion nicht befürworten.

Gesetzt auch, man käme mit der Geltendmachung der Bediirfnißfrage weiter, als schon mit der Ausführung der bestehenden kantonalen Polizeivorschriften, so hat die Mehrheit der kantonalen Regierungen schlechterdings keine Aussicht, daß ihnen eine solche Kompetenz durch die Verfassungen und Gesetze ihrer Kantone verliehen werde; es müßte also einer Minderheit von Kantonen ein Prinzip zugestanden werden, welches die Mehrheit derselben für sich verwirft. Es könnte dieses Prinzip einen durchgreifenden Einfluß auf das ganze Land nur dann erlangen, wenn der Bund selbst, über die Köpfe der kantonalen Gesetzgeber hinweg, den Landesregierungen eine diskretionäre Befugniß zur Geltendmachung der Bedürt'nißfrage ertheilte, wie dies im Deutschen Reiche durch die Gesetzesabänderung vom 23. Juli 1879 geschehen ist.

Als im Deutschen Reiche die Ansicht zur Herrschaft gelangte, daß die Vermehrungö der Wirthsehaften an dem zunehmenden Konsum des (im Uebermaße und billig produzirten) Branntweins schuld sei, schritt man nämlich zu einer Abänderung des von uns (S. 434) angeführten Art. 33 der Gewerbeordnung, jedoch nicht in dem Sinne, daß es nunmehr wiederum von der Landesgesetzgebung abhangen solle, ob das Bedürfniß als Norm aufzustellen sei oder nicht, sondern der Reichstag ertheilte von sich aus, kraft der nach der Reichs Verfassung (Art. 4, 1) ihm zustehenden Kompetenz zur Gesetzgebung über den Gewerbebetrieb, den Landesregierungen diese Befugniß 2 2 ; er kann sie denselben, wenn nöthig, auch wieder entziehen.

2 - Der neue Art. 33 lautet: Wer Gastwirthschat't, Schankwirthschaft oder Kleinhandel mit Branntwein oder Spiritus betreiben will, bedarf dazu der Erlaubniß.

Diese Erlaubniß ist nur dann zu versagen : 1) wenn gegen den Nachsuchenden Thatsachen vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, daß er das Gewerbe zur Förderung der Völlerei, des verbotenen
Spiels, der Hehleroi oder der TJnsittlichkeit mißbrauchen werde ; 2) wenn das zum Betriebe des Gewerbes bestimmte Lokal wegen seiner Beschaffenheit oder Lage den polizeilichen Anforderungen nicht genügt.

471 Es ist fur uns lehrreich, zu konstatiren, daß durch diese gesetzliehe Einführung des Rechts zur Geltendmachung der Bedürfhißfrage im ganzen Reiche eine nachweisbare Verminderung des Branntweinkonsums nicht erreicht worden ist, wohl aber eine stoßende Ungleichheit in der Zahl der Wirtschaften, so daß der neue Verein gegen den Mißbrauch geistiger Getränke nunmehr vorschlägt, nach dem Vorbild des niederländischen Gesetzes von 1881 an die Stelle des vagen Begriffes ,,Bedürfniß" eine auf die Bevölkerung basirte Normalzahl zu setzen. 28 Die Herbeiführung eines s o l c h e n Bundesgesetzes müßten auch wir befürworten, wenn wir überhaupt von der Normalzahl Hülfe erwarteten.

Was jedoch mit der Normalzahl erreicht wird, zeigen neuerdings die Wirkungen dieses niederländischen Gesetzes vom 28. Juni '1881.

Trotz der Beseitigung von mehr als 1/4 der Wirthschaften des ganzen Landesfiell der Branntweinverbrauch im Jahre 1882, dein ersten Jahre, in welchem das Gesetz vollen Einfluß üben konnte, nur u l / 4 0 4 o und stieg im Jahre 1883 von Neuem. Der große Konsum war also geblieben und den übrigeWirthenen zugefallen.

Auch bei uns kann man, so lange der Schnaps überall so leicht zugänglich ist, sich nicht der Hoffnung hingeben, durch Verminderung der Wirthschaften die Leute zu größerer Enthaltsamkeit zu zwingen. Die mit der Normalzahl in verschiedenen Kantonen gemachten Erfahrungen bestärken uns vielmehr in der Befürchtung, daß wir durch deren Wiedereinführung die Durstigen den an die Stelle der öffentlichen Wirthschaften tretenden, weit ärgerlicheren Winkelwirthschaften und dem Schnapse zutreiben würden.

Nach demjenigen, was wir über die Bedeutung des Wirthschaftsgewerbes in der Schweiz und über das hergebrachte Recht zur Ausübung desselben in manchen Kantonen bemerkt haben, steht es überhaupt nicht in unserer Macht, dieses Recht bedeutend zu beDie Landesregierungen sind b e f u g t , außerdem zu b e s t i m m e n , daß: a. die Erlaubniß zum Ausschenken von Branntwein oder zum Kleinhandel mit Branntwein oder Spiritus allgemein, b. die Erlaubnis zum Betriebe der Gastwirthschaft oder zum Ausschenken von Wein, Bier oder andern, nicht unter a fallenden geistigen Getränken iu Ortschaften mit weniger als 15,000 Einwohnern, sowie in solchen Ortschaften mit einer größern Einwohnerzahl, für welche dies durch Ortsstatut
(§ 142) festgesetzt wird, von dein Nachweis eines vorhandenen B e d ü r f n i s s e s anhängig sein solle.

Vor Ertheilung der Erlaubniß ist die Ortspolizei- und die Gemeindebehörde gutachtlich zu hören.

28 Siehe die von unserm eidgenössischen statistischen Bureau publizirte ,,Vergleichende Darstellung der Gesetze etc.", S. 268 und 186 ff.

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schränken, sei's durch Staats-, sei's durch Gemeindebehörden; noch weniger dürfen wir bei der Stellung, welche den Wirthschaften im politischen Parteileben zukommt, daran denken, die sämmtlichen Wirthschaftsberechtigungen einer größern Ortschaft in die Hände einer, wenn auch noch so gemeinnützigen, Aktiengesellschaft zu überliefern. Wir halten es überhaupt für unmöglich, mit blos negativen Vorkehren das Trinkbedürfniß zu bewältigen, und eine Maßregelung der Wirthe insgesammt in ihrer Eigenschaft als Befriediger dieses Bedürfnisses erscheint uns ebenso illusorisch, als die Maßregelungpolitischer Parteiführer oder Preßorgane, welche Mängel im öffentlichen Leben aufdecken und einem wirklichen Bedürfnisse des Volks entsprechen.

Daß übrigens nicht schon in der Zunahme der Wirthschaften an sich, sondern speziell in der Zunahme des Schnapstrinkens und zwar ganz besonders des Schnapstrinkens außerhalb des Wirthshauses das Grundübel zu suchen ist, und daß die kantonale Gesetzgebung die Macht nicht besitzt, diesem Grundübel beizukommen, das glauben wir in den beiden ersten Theilen unseres Berichts nachgewiesen zu haben. Immer deutlicher tritt zu Tage, daß hier der Bund eingreifen müsse.

3. Die Aufgabe des Bandes.

Bei allen Verhandlungen über das Schnapsübel kehrt die Klage wieder: es sei keine Abhülfe möglich, so lange Wein oder Bier als regelmäßiges Genußmittel dem ärmern Manne zu theuer, der Schnaps dagegen so billig und zugänglich für ihn sei, daß er diesen einzig sich verschaffen und, so oft er es begehrt, sich damit berauschen kann. So lange geistige Getränke ein Bedürfniß des Arbeiters sind, und das werden wir nicht ändern, wird auch die Logik dieser Thatsachen sich geltend machen.

Diese Sachlage erheischt eine Intervention des Bundes, und zwar eine solche mittelst finanzpolitischer Maßnahmen, welche nebenher auch in sanitarischer Hinsicht sich nützlich erweisen werden. Durch die Notwendigkeit, die Erschwerungen der Beschaffung geistiger Gelränke von den gesundheitsunschädlichen auf die gemeingefährlichen überzuwälzen, ist das Eingreifen des Bundes begründet und dessen Ausdehnung begrenzt; der Bund soll dabei die andern bei der Reform nothwendig erkannten Faktoren ergänzen und unterstützen und kann nicht die ganze Reform auf sich nehmen.

Der Bund übernimmt hier nicht eine ganz neue Aufgabe. Er hat bereits die Fundamente gelegt und einen Theil des Baues ausgeführt, welchen er jetzt abschließen muß, wenn nicht das bereits vorhandene Gerüste wieder zusammenstürzen soll.

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Vergegenwärtigen wir uns die Situation, in welcher wir uns in Folge des A r t i k e l 32 d e r B u n d e s v e r f a s s u n g 2 4 und der mit demselben zusammenhängenden B u u d e s b e s c h l i l s s e nach Ablauf des Jahres 1890 befinden werden.

Die kantonalen Ohmgelder auf Wein, Bier und Obstwein sollen auf jenen Zeitpunkt dahinfallen. Unser Zweck bei dieser Beseitigung der kantonalen Eingangsgebühren war nicht bloß der allgemeine, die innern Zollschranken niederzureißen ; man beabsichtigte dabei auch ganz speziell eine Preisermäßigung auf Wein, Obstwein und Bier, man wollte diese Landesprodukte allen Einwohnern gleich zugänglich maehen, damit nicht in einem an Wein und Obst reichen Lande ein Theil der Bevölkerung auf den Schnaps angewiesesen sei. Der erzielte Fortschritt wird aber gefährdet, wenn das Ohmgeld zwar dein Namen und der Form nach abgeschafft, aber durch Steuern auf dieselben Objekte ersetzt wird, z. B. durch Konsum- oder Getränkeabgaben, welche allen eingeführten und inländischen Wein, Obstwein oder Bier treffen, oder durch im gleichen Sinne wirkende Steuererhöhungen auf den Wirthschafts- und Kleinverkaufspatenten, wenn der Kleinverkauf ausschließlich an solche Patente geknüpft wird : in allen diesen Fällen würden die Uebelstände noch gesteigert, welche wir in Abschnitt II, 4, d und e auseinandergesetzt haben. Wenn wir durch die Abschaffung des Ohmgeldes das Schnapselend bekämpfen wollen, so müssen wir uns entschließen, Wein, Most und Bier in der Besteuerung überhaupt möglichst zu schonen, gerade wie die andern nothwendigen Lebensmittel, und dürfen demnach auch den Kleinverkauf nur in ganz beschränktem Umfange, etwa den Verkauf von weniger als zwei Liter, einer besondern Patentsteuer oder andern Beschränkungen unterwerfen, außer solchen, welche zum Schütze vor gefälschten oder gesundheitsschädlichen Getränken nothwendig sind.

Dann allerdings werden wir es dahin bringen, daß auch der kleine Mann, welcher nicht ein ganzes Faß auf einmal zu kaufen vermag, gleichwohl den Liter Wein zu */a Franken, statt wie bisher zu nahezu l Franken sich verschaffen kann, und daß in guten Obstjahren Obstwein im ganzen Lande zu billigen Preisen zu haben ist.

Das ist die eine Hälfte der Reform. Wir sind aber nicht im Stande, sie durchzuführen, wenn wir uns auf die Beseitigung von Steuern beschränken ;
denn die Kantone bedürfen bedeutender finanzieller Hülfsmittel. Wir verschaffen ihnen, wenigstens in einem sehr wesentlichen Umfange, Ersatz, indem wir zugleich die andere u Art. 32, letztes Alinea: ,,Mit Ablauf des Jahres 1890 sollen alle Eingangsgebühren, welche dermalen von den Kantonen erhoben werden, sowie ähnliche, von einzelnen Gemeinden bezogene Gebühren ohne Entschädigung dahinfallen."

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Hälfte richtig io Ausführung bringen : eine Besteuerung des Branntweins, welche im Verhältnisse zu seinen Wirkungen, seinem Alkoholgehalt steht.

Ein erster Anfang zur Höherbesteuerung des Branntweins ist bereits gemacht durch den Bundesbeschluß vom 20. Juni 1879 und die Ausführungsverordnungen vom 12. und 17. Mai 1882, nach welchen der eingeführte Branntwein nach seinem Alkoholgehalt und bei 100 °/o Tr. Gehalt mit 20 Cts. per Liter zu besteuern ist, ausgenommen denaturirter Sprit, für welchen der bisherige Ansatz von 7 Cts. bestehen bleibt. Bei diesen Ansätzen, gleich wie bei den Handelsverträgen , ist nicht außer Acht gelassen worden, daß mit Ende des Jahres 1890 die kantonalen Ohmgelder dahin fallen, und daß ohne die Einführung neuer Steuern auf Branntwein derselbe noch billiger werden und noch verderblicher wirken würde, als bisher. Gerade weil man eine höhere Besteuerung des ausländischen wie des inländischen Branntweins für nothwendig hielt, wurde im Handelsvertrag mit Frankreich vom Jahre 1882 folgender Satz (Art. 6) , welcher infolge der nicht zu vermeidenden Meistbegünstigungsklausel auch bei unsern Verträgen mit andern Staaten maßgebend ist, vereinbart : ,,Wenn einer der hohen vertragschließenden Theile es nöthig findet, eine neue Accisen- oder Verbrauchssteuer oder eine Supplementartaxe für einen Gegenstand einheimischer Produktion oder Fabrikation einzuführen, der in den diesem Vertrag beigefügten Tarifen genannt ist, so kann der gleichartige ausländische Gegenstand sofort bei der Einfuhr mit einer Gebühr oder einer Supplementartaxe im gleichen Betrage belegt werden.14 ,,Im Falle der Aufhebung oder Ermäßigung der vorerwähnten Steuern und Lasten sind die Zuschlagsgebühren nach Verhältnis aufzuheben oder zu ermäßigen. a Allerdings kann nach diesem Vertrage eine solche Zollerhöhung nur dann stattfinden , wenn eine Steuer von gleichem Betrage auf die einheimische Produktion desselben Artikels gelegt wird. Aber was würde die Höherbesteuerung ausländischen Branntweins nützen, wenn nicht auch der aus jedem beliebigen Orte kommende einheimische Branntwein einer Steuer von dem Betrage dieser Erhöhung unterworfen würde? Haben wir nicht schon bisher oft einsehen müssen, daß eine Erhöhung der Steuer auf das ausländische Fabrikat gegen den Alkoholismus nicht hilft ohne gleichzeitige und gleiche Besteuerung des inländischen Fabrikats und umgekehrt?

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Nicht aus Versehen oder aus Gefälligkeit gegen das Ausland hat die Bundesversammlung im Jahre 1879 den Maximalzoll von 20 Ct. per Liter reinen Alkohols in Aussicht genommen und im Jahre 1882 zugestanden, daß jede weitere Erhöhung auch den einheimischen Branntwein zu treffen habe. Jene Richtung, welche durch einseitige hohe Belastung des auswärtigen Alkohols dem Alkoholismus entgegentreten wollte, sprach sich ja entschieden genug aus. Aber man wußte anderseits auch , was mit der einseitigen Besteuerung des fremden Alkohols gegen die Schnapspest ausgerichtet wird ; man braucht bloß einen Blick auf diejenigen Kantone zu werfen , ia welchen die einheimische Brennerei durch die höchsten Ohmgelder geschützt und gepflegt wird ; hat man in denselben nicht den fremden Branntwein gleichwohl und dazu noch eine nicht zu bewältigende und auch nicht auswärts verkäufliche Produktion von solchem Umfange, daß man den Branntwein der Bevölkerung förmlich aufdringen muß? Wir können daher auch vom Standpunkte der Bekämpfung des Alkoholismus aus Denjenigen nicht zustimmen, welche in der Beibehaltung oder Erhöhung der kantonalen Eingangsgebühren auf gebrannte Wasser eine wirksame Waffe sehen und deßhalb den Art. 32 der Bundesverfassung in diesem Sinne revidirt wünschen. Werden diese Eingangsgebühren in der Weise festgesetzt, daß das kantonale Produkt wesentlich günstiger gestellt ist, als das kantonsfremde, so wird diese Bevorzugungen einer Begünstigung der ökonomisch und technisch irrationellen, physisch und moralisch verderblichen Kleinbrennerei. Gibt man aber zu, daß zur Vermeidung dieser Nachtheile das kantonale Produkt demjenigen anderer Kantone gleichgestellt und vor dem ausländischen nicht allzu sehr bevorzugt werden sollte, dann ist es weit einfacher, dio gleichmäßige Steuer auf das schweizerischeProdukl von Bundeswegen aufzustellen und das ausländische Produkt durch einen dieser Steuer entsprechenden Zuschlag zum eidgenössischen Zoll zu belasten, als in jedem Kanton mit großen Mühen eigene Branntweinsteuergesetze zu erlassen und hernach behufs entsprechender Belastung des eingeführten Produkts an sämmtlichen kantonalen Grenzen im Innern des Landes ein Heer von Zollbeamten zu unterhalten. (Die weitere Frage, ob vom Standpunkte der L a n d wir t h s c h a f t aus eine günstigere Behandlung der einheimischen
Produktion begründe! sei, werden wir später noch behandeln.)

Wenn nun aber, wie es als nothwendig anerkannt und bei Aufstellung des Brnnntweinzolles und Abschluß der Handelsverträge vorgesehen worden ist, eine gleichmäßige und gleichzeitige Erhöhung der Steuer auf das ausländische und inländische FaLmkal vom Ende des Jahres 1890 an zur absoluten Notwendigkeit wird, dann sind wir gezwungen, bis zu jenem Zeitpunkte e i n B u n d e s -

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g e s e t z a u f z u s t e l l e n , w e l c h e s im G e b i e t e der ganzen Eidgenossenschaft die Fabrikation von B r a n n t w e i n derselben n e u e n S t e u e r u n t e r w i r f t , welche wir auf den ausländischen Branntwein l e g e n s o l l t e n . Es genügt nicht, daß die einzelnen Kantone, wie bisher, nach ihrem Gutfinden Verkaufssteuern aufstellen ; denn bei einem solchen System würde aller von den Privaten zum Hausgebrauch von außerhalb des Kantons direkt bezogene Branntwein sich der kantonalen Verkaufssteuer entziehen können, und es müßte schon der Konkurrenz wegen auch eine, jede Besteuerung des kantonalen Fabrikats wieder dahinfallen. Um das herbeizuführen, daß in jedem einzelnen Kanton der in demselben fabrizirte und der aus andern Kantonen oder dem Auslande zum Privatgebrauche bezogene Branntwein derselben neuen Steuer unterliege, ist ein B u n d e s g e s e t z nothwendig , welches auf dem eingeführteil und dem im Inlande erzeugten Branntwein dieselbe neue Abgabe erhebt. Es kann auch nicht der Bund mit den Kantonen eine Vereinbarung treffen, wonach sie den in ihrem Gebiete, produzirten Branntwein mit derselben neuen Steuer belegen sollen, welche er auf den bestehenden Zoll schlägt; denn seit der Einführung von Referendum und Initiative ist es noch weniger möglich , als früher, in irgend einer Materie eine Uebereinstimmung der Gesetzgebung aller 25 Kantone und Halbkantone herbeizuführen und aufrecht zu erhalten ohne B u n d e s g e s e t z .

Es muß somit derselben Legislative, welche die Grenzzolle festsetzt, auch das Recht der Besteuerung des inländischen Fabrikats ertheilt werden, wenn die in den Handelsverträgen vorgesehene und zur Bekämpfung des Alkoholismus nothwendige gleichmäßige neue Steuer verwirklicht werden soll. D e r B u n d k a n n j e d o c h eine solche einheitliche B e s t e u e r u n g des inländischen Fabrikats nur einführen, wenn ihm z u v o r l i i e z u d u r c h e i n e n n e u e n A r t i k e l d e r Bundesverfassung d i e n ö t h i g e V o 11 m a c h t e r t h e i l t w i r d .

Das neue Steuergesetz würde jedoch eine Hand ohne Daumen sein und das zu besteuernde Objekt nicht sicher und richtig erfassen können, wenn es nicht gleichzeitig auch den Verkauf gebrannter Wasser, soweit dies nothwendig erscheint, betreffen dürfte; es wird also dem Gesetzgeher
die Vollmacht zur Besteuerung der inländischen Fabrikation, sowie d e s V e r k a u f s i n - u n d a u s l ä n d i s c h e r g eh r a n n t e r W a s s e r ertheilt werden müssen.

Es muß eine Kontrole des Fabrikats bis zu dem Momente, wo es in den Verkauf übergeht, ermöglicht sein, wenn die zu versteuernde

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Quantität v o l l ermittelt und das der Fabrikatsteuur nicht unterworfene Produkt richtig in Abzug gebracht werden soll. Es ist endlich nach bisher stets anerkannten Grundsätzen eine spezielle Besteuerung des Verkaufs gebrannter Wasser auch ohnedies begründet und es wird allen Kantonen ein Dienst geleistet, und zwar nicht allein in fiskalischer Beziehung, wenn die Verkaufssteuer durch einheitliche Vorschriften eingeführt wird.

Die auf Bade 1890 bevorstehende Veränderung in unserm Steuerwesen macht es dringend wünschbar, daß nicht nur der neue Verfassungsartikel, sondern auch das betreffende Bundesgesetz schon vor diesem Termin erlassen werde und spätestens am 1. Januar 1891 in Kraft trete. -- *

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Es erscheint angezeigt, schon hier einige Andeutungen zu gebeu, welche Minimalhöhe die neuen Steuern besitzen müssen, um zunächst dem Hauptzweck, Bekämpfung des Alkoholismus, zu genügen, dann aber auch den Kantonen einigen Ersatz für die dahinfallenden Ohmgelder zu bieten.

In ersterer Beziehung darf wohl angenommen werden, es solle auf keinen Fall der Branntwein nach Aufhebung der kantonalen Eingangszölle billiger werden, als er schon gegenwärtig ist, sondern es müsse derselbe seiner Wirkung, seinem Alkoholgehalt entsprechend besteuert, werden.

Es beziehen aber gegenwärtig per Liter an Eingangsgebühr : B e r n bei 99/100% Tral les . . . . 43 Cts.

,, 97/98 ,, ,, . . . . 42 ,, ,, 94/96 ,, ,, . . . . 41 ,, L u z e r n , Weingeist überhaupt . . . 33,8 ,, S o l o t h u r n, Weingeist 95/96 % Tralles 27 ,, F r e i b u r g , Weingeist überhaupt . . 23,8 ,, Uri

* 20 Basel-Landschaft " ' ' " S t a d t G e n f bei 100% Tralles . . 20 ,, Die a n d e r n K a n t o n e weniger als . 20 T Die großen Einfuhren, welche trotz dieser Ansätze und des auf 20 Cts. per Liter reinen Alkohols erhöhten eidgenössischen Zolls und trotz der einheimischen Fabrikation dieser Kantone möglich waren, mahnen uns, nicht unter den höchsten dieser Ansätze zu gehen und den Zuschlag zum eidgenössischen Zoll, sowie die Fabrikatssteuer auf das einheimische Produkt auf wenigstens 50 Cts.

per 100 Literprozent (= l 1. zu 100 % oder 11/4 1. zu 80 % oder 2 1. zu 50 °/o) anzusetzen.

478

Hiezu käme noch eine Verkaufssteuer, welche wir für den Kleinverkauf vorläufig ganz unmaßgeblich auf 20 Cts. per lOOLiterprozent (= 10 Cts. per l 1. 50 °/oigen Branntweins) veranschlagen.

Wenn wir diese beiden Steuern zum gegenwärtigen eidgenössischen Grenzzoll addiren, so erhalten wir auf 100 Literprozent 20 -f- 50 + 20 = 90 Cts., für den Liter Branntwein zu 50 °k die Hälfte = 45 Cts. (beim inländischen Fabrikat 70, bezw. 35 Cts.).

Wir werden vielleicht noch etwas höher gehen müssen, wenn wir das Beispiel derjenigen Staaten nachahmen wollen, welchen es gelungen ist, durch hohe Besteuerung der Fabrikation und des Verkaufs gebrannter Wasser und das hiedurch bewirkte Eingehen der kleinen Brennereien dem Schnapsübel Einhalt zu thun. Ea beziehen per Liter Branntwein zu 50 °/o : S c h w e d e n eine Fabrikationssteuer von SSVa Cts. und eine Verkaufssteuer von ISVs, bezw. 2 i V« Cts. ; N o r w e g e n eine Fabrikationssteuer von 933/4 Cts. und eine Verkaufssteuer von 18Vz Cts.; F i n l a n d eine Fabrikationssteuer von 46 Cts. (eine Verkaufssteuer von 15 Cts. neben der von den Gemeinden bezogenen Schanksteuer ist erst vorgeschlagen).

Wenn es diesen genannten Ländern -- wie aus der ,,Vergleichenden Darstellung etc.a unseres eidgenössischen statistischen Bureaus ersichtlich ist -- möglich war, mit ebenso großen Mißständen, wie wir sie haben, den Kampf mit Erfolg zu bestehen, so sollte dies auch uns bei einem entsprechenden Steueransatz möglich sein, um so mehr, da wir jenen Ländern gegenüber noch den Vortheil einer großen Produktion von Wein, Most und Bier und billiger Einfuhr dieser Getränke aus unmittelbarer Nähe voraus haben, wenn wir nicht selbst uns die Beschaffung derselben erschweren.

Es wird nun mit Recht darauf aufmerksam gemacht, daß das uns leitende Motiv der Bekämpfung des Alkoholismus in unserm Lande nur eine Vertheurung derjenigen destillirten Wasser begründe, welche im Inlande genossen werden, daß es somit unnütz, ja sogar für unsere Industrie nachtheilig wäre, wenn wir die Vertheurung auch auf die exportirten Getränke und auf diejenigen gebrannten Wasser ausdehnen wollten, welche im Inlande in denaturirtem Zustünde zu technischer Verwendung gelangen. Wir schlagen daher vor, für diese Erzeugnisse keine Vertheurung zu schaffen, sondern einzig die bisherigen Zollansätze beizubehalten.
Es können ferner, der Fabrikationssteuer wenigstens, enthoben werden die gebrannten Wasser aus Stein- und audertn Obst oder Obstabfäilen, aus Weintrestern, Enzianen und andern wild wachsenden Pflanzen, kurz alle nicht von Getreide, Mais oder Hackfrüchten gewonnenen destillirten Wasser. Alle .diese Fabrikate haben näm-

47!)

lieh schon ohnehin den höhern Preis, den wir bei den andern erst durch Besteurung schaffen müssen, sie werden zum großen Theil exportirt, auch sind sie nicht so fuselhaltig und aus allen diesen Gründen weniger besorgnißerregend. Die Handhabung des Gesetzes wird wesentlich vereinfacht, wenn es sich auf die gewerbsmäßige Fabrikation des als Volksgetränke nachtheiligen Schnapses beschränkt, und wenn zugleich die andern, weniger schädlichen Volksgetränke dem gemeinen Manne zugänglicher gemacht werden, so ist die neue Steuer zu verantworten.

Wir beantragen, es sei die ganze neue Reineinnahme, welche dem Bunde aus seiner Gesetzgebung über die Branntweinfabrikation und aus dem entsprechenden Zuschlag zum eidgenössischen Zoll auf gebrannte Wasser erwächst, unter sämmtliche Kantone nach ihrer durch die jeweilige eidgenössische Volkszählung ermittelten faktischen Bevölkerung zu vertheilen ; wir stellen den Grundsatz einer gleichmäßigen Vertheilung auf, weil die neue Bundeseinnahme an die Stelle des kantonalen Rechts zur Besteuerung in- und ausländischer gebrannter Wasser tritt und weil dieses kantonale Recht, insoweit es über das Jahr 1890 hinaus zugestanden würde, allen Kantonen in gleicher Weise zugestanden werden müßte und nielli bloß einzelnen Kantonen auf Unkosten der andern.

Dagegen möchten wir diejenigen Steuern, welche die Bundesgesetzgetnfng, sei es in größerem oder geringerem Umfange, auf den Verkauf gebrannter Wasser legen mag, den Kantonen zukommen lassen, in welchen diese Steuern zum Bezug gelangen, da die Kantone an den Ergebnisseu dieses Verkaufs ein besonderes Interesse haben.

Welches das finanzielle Resultat der Bundesgesetzgebung über die gebrannten Wasser für die Kantone sein und inwiefern letzlere dabei für ihr bisheriges Besteuerungsrecht eine Entschädigung finden werden, das kann freilich nicht zum Voraus genau berechnet werden.

Wir dürfen indessen annehmen , daß selbst d a n n , wenn in Folge der projektirten Bundesgesetzgebung das Brennen von gewöhnlichem Branntwein aus Kartoffeln und Getreide ganz einginge, noch für einige Zeit ein Konsum von 11,400,000 Liter Weingeist (zu 100 °!o berechnet) übrig bliebe, entsprechend der bisherigen Einfuhr (abzüglich Ausfuhr) im Betrage von cin.'a 10,000,00l) Liter plus der inländischen Weingeistfabrikation von wenigstens 1,400,000 Liter. Beträgt
die neue Bundeseinnahme auf dem einheimischen und dem ausländischen Sprit auch nur 50 Ct. per Liter (was wir als Minimum betrachten), so ergibt die Steuer Fr. 5.700,000 oder ungefähr Fr. 2 per Kopf unserer Bevölkerung. Wie dabei ein jeder Kanton gegenüber seiner bisherigen Ohmgeldeinnahme zu stehen kommt, ergibt sieh aus unserer Tabelle VI. Die Verkaufssteuer ist hiebei noch nicht in Rechnung 1 gebracht.

480

Tabelle VI.

Vertheilung der Bundeseinnahmen aus Art. 32bis auf die .Kantone.

1.

2.

Kantone.

Zürich Luzern . . .

Uri Schwyz . . . .

Obwalden . . . .

Nidwaiden . . .

Glarus .

.

Zue . . .

Freiburg . . . .

Solothurn . . . .

Basel-Stadt . . .

Basel-Landschaft .

Schaft'hausen . .

Appenzell A.-Rh. .

Appenzell I.-Rh. .

S t . Gallen . . . .

Graubünden .

Aargan . . . .

Thurgau . . . .

Tessiu Waadt . .

Wallis Neuenburg . . .

Kanton Genf, ohne Genf und Carouge Stadt Genf . . .

Stadt Carouge . .

Schweiz

. . . .

5.

3.

4.

Vertheilung Ohmgeld 1 von Bevölkerung. Fr. 5,692,204 auf Getränken im oder Fr. 2 Jahre 1882, i per Kopf.

Bleibt ungedeckt.

Fr.

Fr.

Fr.

1,139,386 389,917 55,780

75,058 120,305 8,392

317,576 ! 635,152 532,164 1,064,328 134,806 269,612 23,694 47,388 51,235 : 102,470 1 15,356 30,712 11,992 23,984 34,213 68,426 22,994 45,988 115,400 230,800 80,424 160,848 65,101 130,202 59,271 118,542 38,348 76,696 51,958 103,916 12,841 25,682 210,491 420,982 94,991 199,982 198,645 397,290 99,552 199,104 130,777 261,554 238,730 477,460 100,216 200,432 103,732 207,464 45,663 50,043 , 5,889 2,846,102

16,109 13,389 45,755 17,368 374.153 236,138 55,962 54,034

283,278 167,712

143,353 75,290

93,296

151,587 331,971 38,329

6.

Vertheilung mit gänzlicher Deckung.

Fr.

471,423 1,139,386 389,917 55,780 76,055 22,795 17,802 50,787 34,133 374,153 236,138 96,639 87,984 5Ü,926 77,129 19,062 312,461 283,278 294,877 147,779 194,131 354,381 148,765 153,984

91,326 100,086 11,778

498,119 30,536

398,033 18,758

67,784 498,119 30,536

5,692,204

3,899,523

932,485

5,692,204

Bei einem Verbrau ch von 11,400, 000 1. Spiritus zii 100° Tr. u nd einer Best enrung von */i Fr. per Liter erhalten wir eine neu Einnahme vor circa Fr. 5,70 0,000 oder Fr. 2 per Kopf der schweizerischen Bevo kerung.

Rubrik 3 gibt die gleichmässige Vertheilung na ch Lemma 5 c es Antrags un d Rubrik 5 den daherigen Ausfall de r Ohmgeldkan' one.

Rubrik 6 gibt die 1Tertheilung na ch Lemma 6, w obéi sechs Kau tone und zwei Gemeinden eine Zulage für den Ohm reldansfall erb alten; der Ant aeil der uhrig en betragt per Kopf noch Fr. 1. 48'" statt Fr. 2.

481 In welcher Weise die neue Steuer auf die Fabrikation und den Verkauf gebrannter Wasser zu erheben sei, darüber können wir dermalen keine ausgearbeiteten Anträge vorlegen; denn hiezu bedarf es noch einläßlicher Studien über die Erhebungsarten in andern Staaten, und es wären solche Studien ganz überflüssig, so lange wir über die Annahme der neuen Prinzipien, deren Ausführbarkeit durch die Erfahrung dargethan ist, ganz im Ungewissen sind. Eine solche Vorarbeit ist auch jetzt noch nicht nothwendig, da den eidgenössischen Käthen und dem Schweizervolke das letzte Wort über die in Aussicht genommenen Bundesgesetze vorbehalten ist.

Man kann sich die Ausführung sehr verschieden denken : entweder freie Konkurrenz aller den Anforderungen entsprechenden Spiritusfabriken und Besteurung nach Maßgabe der erzeugten Quantität, oder Konzessionirung einer bestimmten Anzahl von Fabriken, oder endlich Monopol des Bundes unter Ausschluß aller Konkurrenz, wobei die Möglichkeit, die Grenze des inländischen Konsums festzustellen, gewahrt wäre. Wir betrachten diese Fragen einstweilen als offene.

Wir haben das System der vom Bunde zu treffenden Maßnahmen auf derjenigen Basis konstruirt, welche wir mit Ende des Jahres J890 vorfinden werden. Es war dies nicht eine unfreiwillige Akkommodation an das, was nach Bundesverfassung, Bundesgeset/, und Bundesbeschlüssen nun einmal Rechtens ist, wir begrüßen auch diesen Rechtszustand als die Grundlage einer wirksamen Reform, wir müßten ihn, wenn er nicht schon vorhanden wäre, herbeizuführen suchen, weil nach unserer Ansicht die kantonalen Ohmgelder an dem vorhandenen Zustande mit schuld sind und weil ohne Beseitigung derselben in dem von uns angedeuteten Sinne der Bund nicht Hülfe zu bringen im Stande wäre.

Hieraus folgt aber, daß die von uns in Aussicht genommenen Maßregeln vor Ende 1890 nur dann in Wirksamkeit gesetzt werden können, wenn auch die Ohmgelder schon früher in Wegfall kommen; denn diese sind der Ausführung einer gründlichen Reform absolut hinderlich^ gegen die Fortdauer der Eingangsgebühren auf andern Artikeln, wie sie von dem Kanton Tessin und den Städten Genf und Carouge dermalen noch bezogen werden, bis zum verfassungsmäßigen Termin haben wir dagegen nichts einzuwenden.

Es ist nun sehr wünschbar, daß der Bund so bald als möglich sich auch an der Bekämpfung des
Alkoholismus betheiligen könne; und obschon wir voraussehen, daß bis zu der Annahme des von uns vorgeschlagenen Verfassungsartikels und vollends bis zur Annahme und bis zum Inkrafttreten der dadurch zu ermöglichenden Bundesblatt. 36. Jahrg. Bd. IV.

33

482

Bundesgesetzgebung, welche nicht geringer Vorarbeiten bedarf, noch ein längerer Zeitraum verstreichen dürfte, so haben wir doch deren Ausführung vor dem Jahre 1891 in Aussicht genommen und uns die Bedingungen vergegenwärtigt, unter welchen sie schon vor diesem Termin eintreten kann.

Da den Kantonen ihre bisherigen Eingangsgebühreu durch die Bundesverfassung bis Ende des Jahres 1890 zugesichert sind, so glauben wir, es müsse ihnen diese durch eine Art Kompromiß gewährleistete Einnahme auch bis zu dem genannten Termin erhalten bleiben, und es habe daher, insoweit die durch die neuen ßundesgesetze geschaffenen neuen Einnahmen nicht vollständig Ersatz leisten, der Bund für das Fehlende einzustehen. Dies kann nun sehr leicht mittelst der neuen Bundeseinnahme geschehen. Wenn wir dieselbe auf die bereits genannte Summe von Fr. 5,700,000 veranschlagen und für den Betrag des zu entschädigenden Ohrngeldes das Ergebniß des Jahres 1882 (s. Tab. V nebst Bemerkungen) zu Grunde legen, so würden bei gleichmäßiger Vertheilung obiger Summe nach der Kopfzahl die Kantone Bern, Luzern, Uri, Freiburg, Solothurn, Graubünden und die beiden Städte Genf und Carouge an ihrem Ohmgelde eine Einbuße von rund Fr. 932,500 erleiden.

Wird bis Ende des Jahres 1890 dieser Ausfall, wie wir es beantragen, auf Kosten des der übrigen Schweiz zukommenden Antheils gedeckt, worüber letztere sich nicht beklagen könnte, so würde diese, statt 2 Franken, nur etwa, Fr. 1. 48,6 per Kopf erhalten.

Die von uns vorgeschlagenen finanzpolitischen Maßnahmen werden nun freilich -- es ist bei solchen Reformen nicht anders möglich -- auch noch andere Interessen beeinträchtigen, ohne daß dafür eine Entschädigung geboten werden kann.

Diejenigen, welche sich darüber beklagen, daß vom 1. Januar 1891 an zu Gunsten der inländischen Brennerei nur noch der eidgenössische Schutzzoll im Betrage von 20 Cts. per Liter reinen Alkohols bestehe und daß jeder weitere Zuschlag auf fremden Alkohol in gleicher Weise den einheimischen treffen werde und somit das Konkurrenzverhältniß nicht verbessere; daß ferner die Schweiz bis zum Ablaufe des Handelsvertrages mit Frankreich (frühestens den 1. Februar 1892) an diese Ansätze gebunden sei, -- alle diese werden, ohne Zweifel wiederum im Namen der Landwirthschaf't, Einwendungen dagegen erheben, daß diese der Brennerei
einstweilen nur für einen kurzen Zeitraum (1. Januar 1891 bis 1. Februar 1892) geschaffene Situation auf eine längere Zeit ausgedehnt werden solle, sei es vorwärts, sei es rückwärts. Ueber eine solche Ausdehnung dieser Situation dürfte die Landwirtschaft jedoch nur klagen, wenn schon die Einführung derselben nicht gerechtfertigt

488

wäre. Nicht ob ein Bundesgesetz wie das von uns projektirte erst Anfangs 1891 oder schon vorher oder auch gar nie in Kraft trete, ist also bei dieser Opposition das Wesentliche, sondern das, daß überhaupt der fremde Konkurrent nach dem Wegfall der kantonalen Ohmgelder -- sei es für kürzere, sei es für längere Zeit, sei es mit Supplementartaxe nach den Bedingungen des Handelsvertrages, sei es ohne eine solche -- nur n o c h um d i e s e 20 Cts.

per Liter r e i n e n A l k o h o l s u n g ü n s t i g e r gestellt s e i n s o l l e , als der inländische Produzent: das ist der Kern der Frage, die wir zu erörtern haben. Es wird nun geklagt, bei dieser Mehrausgabe des Importeurs von bloß 20 Cts. -- welche dem deutschen Konkurrenten von seinem Heimatstaate noch zurückvergütet werde -- sei er mit Hülfe all seiner übrigen Vortheile (billiger Rohstoff und Steinkohle, ausgebildetere Technik) dem einheimischen Produzenten derart überlegen, daß dieser gezwungen sein werde, seinen Betrieb einzustellen. Es sei dieses ein schwerer Schlag für die Landwirtschaft, einerseits weil dieser dadurch die Möglichkeit benommen sei, ihre Produkte in der vortheilhaftesten Weise zu verwerthen, andrerseits weil ihr damit auch das Hülfsmittel der Schlempefütterung abgeschnitten werde, welche anerkanntermaßen eine vermehrte Viehhaltung, damit größere Milch- und Fleischerzeugung, reichlichere Düngstoffe und daher eine bedeutende Hebung des Landertrags ermögliche.

Es sind das so gewichtige Einwürfe, daß man eine etwas einläßliehe Besprechung derselben nicht bloß als zulässig, sondern als geboten erachten wird.

Man gestatte uns, mit einer kleinen Berichtigung zu beginnen.

Allerdings wird bei der Ausfuhr aus dem deutschen Reichssteuergebiet, ebenso bei der Ausfuhr aus Bayern, ein Betrag von rund 20 Cts. per Liter reinen Alkohols oder von 10 Cts. per Liter Branntwein zu 50 °/o vergütet 25 ; das ist aber nicht eine Ausfuhrprämie, noch eine Vergütung für allfällige Einfuhrzölle fremder Staaten, sondern nur eine nicht sehr genau berechnete R ü c k e r s t a t t u n g der vorher baar erlegten Branntweinsteuer und es ist somit doch richtig, daß der auswärtige Konkurrent außer der Fracht noch auf unserm Gebiete eine Mehrauslage von 20 Cts. zu bestreiten hat. Zwanzig Franken Zoll auf einen Hektoliter reinen Alkohols bedeutet gegenüber einem Produkt, welches im deutsehen Großhandel durchschnittlieh bloß Fr. 66 bis 74,5 gilt 26 , einen Schute26

S. ,,Vergleichende Darstellung" S. 258 und S. 277.

In den vier Jahren 1880/83 wurde für 10,000 Literprozent Kartoffelpiritus (= l Hektoliter reinen Alkohols) durchschnittlich bezahlt: in Berlin 26

484

zoll von 27 bis 30 °/o des Wertlies, ein Schutzzoll, wie ihn die Schweiz keiner andern Industrie zu Theil werden läßt.

Doch, was hängt an einigen Prozenten mehr oder weniger!

Wenn damit der schweizerischen Landwirtschaft gedient wäre, so würde sieh das Schweizervolk auch noch einen weitern Zuschlag von 5 % gefallen lassen.

Indem wir nun, von dein Wunsche beseelt, der einheimischen Landwirtschaft wenn immer möglich Rechnung zu tragen, uns bei ihren Vertretern erkundigen, um wie viel von nun an der fremde Konkurrent mittelst des Zolles ungünstiger gestellt werden müsse, als der einheimische, m. a. W. wie viele Centimes per Liter reiaen Alkohols ihm als Mehrsteuer auferlegt werden müsse, so wird uns erklärt, nach dem Wegfall des Ohmgeldes müsse vorab der eidgenössische Zoll um den Betrag des letztern erhöht werden, bevor von einem gleichmäßigen Zuschlag auf die beiden konkurrirenden Parteien die Rede sein könne. Es verlangt also der B e r n e r eine Mehrbelastung des ausländischen Produkts von 20 + 43 Cts. = 90 °/o des durchschnittlichen Werthes von 70 Cts. per Liter, der L u z e r n e r eine solche von 20 + 33,3 Cts. = 76 °/o des Werthes, der S o l o t h u r n e r von 20 + 27 Cts. = 67 % des Werthos, der F r e i b u r g e r von 20 + 23,3 Cts. = 62 °/o des Werthes u. s. w.

Daß Konzessionen von dieser Tragweite von den Vertretern der Landwirtschaft als Existenzbedingung beansprucht werden, konnte man im Jahre 1883 im Kanton B e r n sehen, als dessen Großer Rath in erster Berathung ein Gesetz annahm, durch welches die .Fabrikationssteuer von 31/3 Cts. per Liter bei Branntwein auf 6, bei Spiritus auf 10 Cts. erhöht werden sollte, also nicht einmal um so viel, als ein Jahr vorher der eidgenössische Zoll auf fremden Branntwein erhöht worden war. Gegenüber diesem Versuch erklärte eine von 86 Brennern unterzeichnete, gedruckt allen Mitgliedern zugestellte Petition: ,,Wenn durch diese Erhöhung dem übermäßigen Alkoholgenuß auch nur einigermaßen Schranken gesetzt würden, so würden die Unterzeichneten die Aenderung mit Freuden begrüßen. Da nun Fr. 68. 07, in Breslau Fr. 66. 26, in Danzig Fr. 66. 02, in Leipzig Fr. 69. 32, in München Fr. 74. 51.

In denselben Jahren betrugen die Kartoffelpreise durchschnittlich per Meterzentner: in Berlin Speisekartoffeln Fr. 5. 65, Brennkartoffeln Fr. 3.86; in Stettin
Speisekartoffeln Fr. 5. 32, Brennkartoffeln Fr. 3. 76 : in Breslau Speisekartoffeln Fr. 5. 41; dagegen in Basel Speisekartoffeln Fr. 8: in Langenthal 1880: Fr. 6. 37--7. 09, 1881: Fr. 6. 22--7. 12, 1882 Fr. 6. 22--6.89 1883 Fr. 6.95--8.49; in Luzern 1880: Fr. 8. 15--8. 85, 1881 : Fr. 7. 60 -- 8.04 1882 Fr. 8. 15 bis 8. 61. 1883 Fr. 9. 15--9. 67.

485 aber der importirte Spiritus von dieser Belastung nicht berührt wird und ohnedies mit Inbegriff des erhöhten eidgenössischen Zolls immer noch billiger zu stehen kommt, als das inländische Fabrikat, 1) weil zum letztern sämmtliches Rohprodukt und Material vom Ausland bezogen werden muß und infolge dessen größere Frachtauslagen auf demselben haften , und 2) weil Deutschland , unser Hauptkonkurrent, seinen Spiritusfabrikanten die erlittenen Zölle sämmtlich zurückvergütet, so ist eine Preiserhöhung des Branntweins nicht vorzusehen. Sicher wäre n u r , daß durch diese Gesetzesänderung die inländische Branntweinfabrikation nicht nur bedeutend geschädigt, sondern v o l l s t ä n d i g v e r d r ä n g t würde.

Daß dieser Fabrika tionszweig zur Hebung der L a n d w i r t h s eh a i't nicht unwesentlich beiträgt, ist kaum nöthig, erwähnt zu werden."

Daß in derselben Petition auch gesagt wird, es werde infolge der bessern Einrichtung in einer Spiritusfabrik wenigstens 30 °,o mehr Alkohol erzielt, «1s selbst in einer gut eingerichteten, mit Dampf betriebenen Branntweinbrennerei, und deßhalb müsse auch die Gebühr für Branntwein zu derjenigen für Spiritus sich wie t : 3 verhalten, und daß in Berücksichtigung dieser Argumente der Große Math wirklich die Gebühr für die Branntweinfabrikation (bis 70% Tr.)

auf 5 Cts. per Liter ermäßigte, während die Steuer der Hauptfabrik für Spiritus jetzt auf 15 Cts. per Liter ansteigen soll, wurde bereits angedeutet.

Zufolge den in dieser Petition ausgesprochenen Grundsätzen müßte also der Bund nach dem Wegfall des Ohmgeldos seine Zoll- und Steuergesetzgebung um jeden Preis so einrichten , daß der inländische Branntweinbrenner mit seiner unrentabeln Einrichtung neben inländischen und ausländischen Spiritusfabrikanten bestehen kann ; wenn os Ersterem nicht möglich ist, den Liter Branntwein unter 60 Ct. zu liefern, so müssen die Konkurrenten so weit mit Mehrauflagen belastet werden, bis auch ihr Produkt auf diesen Preis gesteigert ist. Und obschon die Konsumenten des Branntweins , welche infolge dieser Steuerkünstelei für den Liter 20-- 30 Ct. mehr ausgeben müssen , vorzugsweise der landwirtschaftlichen Bevölkerung angehören, so soll es gleichwohl ein der Landwirtschaft geleisteter Dienst sein, wenn man .sie zu dieser Mehrauslage zwingt, weil Diejenigen, welchen dies Nutzen
bringt, zum Theil Landwirthe sind. Und diese letztern haben doch nur einen Gewinn von etwa 3 Cts. per Liter, welcher nach der Petition durch eine Erhöhung der Steuer auf 6 Cts. vollständig verloren ginge; der ganze Rest der Mehrkosten fällt auf Rechnung des irrationellen Betriebes.

486

Was wollen die Landwirthe Demjenigen antworten , welcher erklärt, der Staat solle bei der Besteuerung alle Produzenten gleich halten und nicht denjenigen, welcher sein Geschäft unrichtig und mit zu großen Unkosten betreibt, begünstigen auf Kosten dessen, welcher es den Fortschritten der Zeit entsprechend eingerichtet hat; es sei eine förmliche Schädigung der Interessen des Publikums, wenn man Denjenigen, welcher die beste und billigste Waare liefern könne, auf die Seite dränge, um Denjenigen zu schützen, welcher theurere und schlechtere Waare liefere? Was wollen sie antworten auf die Einwendung: wenn ,,der importine Spiritus mil, Inbegriff des (1882) erhöhten eidgenössischen Zolles immer noch billiger zu stehen komme, als das inländische Fabrikat", so könne man dem Publikum eine weitere Erhöhung des Schutzzolls nicht zumuthen , sondern es sei besser, ein so schlecht rentirendes Geschäft einzustellen?

Es sind freilich Fälle denkbar, wo mit guten Gründen die Beschaffung einer Waare im Inlande zu etwas höhern Preisen, als das Ausland sie liefert, befürwortet werden k a n n ; es geschieht dies, um dadurch dem Inlande das Geld zu erhalten, statt es in's Ausland zu senden. Aber wenn für die Erzeugung einer Waare ,,sämmtliches Rohprodukt und Material vom Ausland bezogen werden muß und infolge dessen größere Frachtauslagen auf demselben haften"-, wie die genannte Petition klagt, dann fragen wir, ob Rohprodukt und Material sammt den Frachtauslagen derselben gleich oder annähernd gleich hoch zu stehen k o m m e n , wie das fertige Produkt sammt der Fracht desselben ; wenn ja, so wird für unser Land kein Geld erspart und erhalten, wenn der Staat durch seine Zoll- und Steuerpolitik uns zwingt, dem Auslande die Rohprodukte abzukaufen, statt das fertige Produkt.

In der That kann man, ohne alle Fabrikationskosten, um den Preis, welcher in der Schweiz durchschnittlich für den Meterzentner Kartoffeln gezahlt wird, an der Nordgrenze der Schweiz die 20--22 Liter Branntwein (à 50 °/n Tr.) haben, welche unsere Kleinbrennerei aus diesem Quantum zu fabriziren vermag. Ferner wird der Nährwerth der Schlempe (von dem wir noch sprechen werden) schon fast aufgewogen durch die Auslagen für das ebenfalls importirte Gerstenmalz und das viele theure Brennmaterial, nicht zu reden von den Kosten der Apparate !

Wenn nun die
Brenner all ihr Rohmaterial entweder direkt vorn Ausland beziehen, oder aber indirekt, indem für jeden Zentner, welchen sie des Brennens wegen dem heimischen Markt entziehen, ein anderer Zentner aus dem Ausland eingeführt werden muß -- geht dann nicht ebenso viel Geld für die Brennerei oder wegen der

487

Brennerei in's Ausland, als wenn wir letzterem den fertigen Branntwein abkauften? Und kann dann die Landwirtschaft noch erklären, die Brennerei sei zur Verwerthung der landwirtschaftlichen Produkte nothwendig, wenn wir die dabei nöthigen landwirtschaftlichen Produkte gar nicht im Ueberschuß besitzen, sondern von Außen beziehen müssen! Und daß wir das zur Brennerei nothwendige Rohmaterial nicht vorräthig haben, sondern mehr als wir darauf verwenden, von Außen beziehen, ist bekannt. Wir sind selbst ohne Brennerei gezwungen, Höh und Steinkohlen einzuführen, ferner Gerste, Roggen, Weizen, Mais; daß wir auch, selbst ohne die Branntweinbrennerei, keine überflüssigen Kartoffeln haben, läßt sich leicht nachweisen.2 7V Eine höhere Verwerthung der -- eingeführten -- landwirtschaftlichen Erzeugnisse durch die Brennerei ist nur mittelst eines exorbitanten Schutzzolls auf Branntwein möglich. Die faktisch nicht zum Brennen verwendeten landwirtschaftlichen Erzeugnisse dagegen haben nach wie vor nur den Preis, der ihnen ohnehin zukäme, da dieser Preis durch die Einfuhr normirt wird.

27 In den 13 Jahren 1871 bis und mit 1883 hat die Schweiz per Jahr durchschnittlich 288,924 q. Kartoffeln mehr ein- als ausgeführt : seit Anfang 1875 ist die jährliche Mehreinfuhr nur einmal (1881) auf 243,700 q. heruntergegangen. Selbst bei einer günstigen Ernte, welche die fremden Zufuhren so tief sinken läßt, wird man nicht behaupten dürfen, daß wir über unsere Ernährungs- und Saatbedürfnisse hinaus noch eigene Kartoffeln im Deberfluß hätten und diesen Ueberfluß durch die Brennerei verwerthen müßten. Denn wenn ein solcher Ueberschuß der eigenen Produktion vorhanden wäre, so würde das zum Brennen verwendete Quantum bestehen aus diesem Ueberschuß plus d e r g a n z e n E i n f u h r m e n g e , indem ja auch diese Einfuhr für Ernährungszwecke nicht nothwendig wäre.

Nun genügt aber schon eine Minimaleinfuhr von 240,000 q. bei richtiger Destillation zur Herstellung von sechs Millionen Liter Branntwein, und auch unsere Kleinbrennerei bringt es, wenn sie 21 Liter aus dem Meterzentner gewinnt, auf mehr als fünf Millionen Liter. Da nun die Schweiz. Spiritusbrennern in diT Kegel nicht Kartoffeln, sondern Getreide und Mais verwendet, die Branntweinbrennerei dagegen meist Kartoffeln, wie groß wäre dann die gesamnite Produktion, wenn man zu
den wenigstens fünf Millionen Liter Kartoffelbranntwein hinzurechnet, was noch aus Mais, Getreide, Mehl, Baumfrüchteu aller Art, Weintrestern, Enzianen etc. produzirt wird? -- Nach unsern kantonalen Angaben soll aber die ganze Branntweinbrennerei der Schweiz (incl. Spiritusfabrikation) nur 7 Millionen Liter zu 50 °/0 produziren (s. Abschnitt l, 1).

Wir haben zwar von Anfang an diese Angaben als zu gering taxirt; aber daß wir mehr Kartoffeln brennen als wir einführen, ist doch kaum glaublich.

Daß diese zum weitaus größten Theile aus dem deutscheu Reiche, namentlich dem Elsaß, eingeführten Kartoffeln meist nicht direkt zum Brennen verwendet werden, glauben wir schon ; sie müssen vielmehr zur Ernährung der Bevölkerung unserer nordwestlichen Schweiz eingeführt werden, weil im südlichen Nachbargebiet (Aarethal) die Brennerei dem Markte die Kartoffeln vorwegnimmt.

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Bei dieser Sachlage ist denn auch die Schlempe nicht ein von selbst sich ergebender Gewinn der Kleinbrennerei, nicht eine Bereicherung unserer Volkswirtschaft, sondern ein am baares Geld dem Auslande abgekauftes Viehfutter, auf welches unsere Kleinbrennerei verzichtet, sobald der Schutzzoll für Branntwein, d. li.

die fiskalische Mehrbelastung der konkurrirenden Brenner, auf den gegenwärtigen eidgenössischen Zoll von 20 Cts. per Liter reinen Alkohol (27 bis 30 °/o des Werthes!) reduzirt ist, ,,da derimportirtee Spiritus mit Inbegriff des erhöhten eidgenössischen Zolles immer noch billigerzuu stehen kommt, als das inländische Fabrikat."

Diese Schlempererzeugung wird jedoch als ein s» enormer Nutzen für die schweizerische Landwirtschaft dargestellt, daß man um seinetwillen nicht allein die Übergroßen Schutzzölle, welche Bedingung der Kleinbrennerei sind, sondern auch die durch letztere verursachten sozialen Nachtheile mit in den Kauf nehmen soll. Prüfen wir dieses Grundaxiom etwas näher. Es ist ja richtig, daß in der Nähe großer Brennereien in Folge des Gewinnes an Schlempefutter die Viehhaltung zunimmt. Man sollte aber auch berechnen, in welchem Verhältnisse hier Mittel und Zweck stehen.

Wie viel Schlempe ist nöthig, um e i n e Kuh mehr halten zu können.

Wenn wir mit Philipp Gerstfeldt 28 von der Annahme ausgehen, daß zum jährlichen Unterhalt einer Kuh der Nährverth von 50 Meterzentner Heu nothwendig ist, daß ferner die Schlempe von 4 Meterzentner Kartoffeln gleich sei dem Nährwerth von 1 Meterzentner Heu, so muß man, um für eine fernere Kuh den Futterwerth zu erhalten, 50 X 4 = 200 Meterzentner Kartoffeln brennen, aus welchem Quantum die technisch ausgebildete Brennerei 29 200 X 25, die unsrige etwa 200 X 20 = 4000 L i t e r B r a n n t w e i n erzeugt. Um für 1000 Kühe mehr die Nahrung durch Brennen zu gewinnen, müßten 4 M i l l i o n e n L i t e r Branntwein erzeugt werden, für 6000 Kühe: 24 M i l l i o n e n L i t e r ! Indessen wollen wir annehmen, daß (in Folge geringerer Ausnützung des Stärke28 Philipp Gerstfeldt, ,,Beiträge zur Äeichsstenertrage", Leipzig 1879, hat S. 104 ff. mit Erfolg durch seine Berechnung den Nachweis geleistet, daß mit der Schlempe des deutschen Reichsbranntweinsteuergebiots, welches6 nicht nnr überreich mit eigenem Branntwein verschen ist, sondern noch '/ seiner
Produktion ausführen kann, nur 2,3V0 des gesammten Rinriviehbestandes ernährt werden.

29 Nach Julius Wolf, ,,Die Branntweinsteuer", S. 11, 15 und 16, wird au reinem Spiritus gewonnen: von Kartoffeln 10°/o des Gewichts, von Roggen 25°/o, von Mais 28,5 °/o. Also vom Meterzentner Kartoffeln 10 Kilo -- wenigstens 12'/a Liter Weingeist = 25 Liter Branntwein.

489 mehlgehalts der Kartoffeln) die Schlempe30 vorn Meterzentner unserer gebrannten Kartoffeln einen Nahrungsgehalt von 1 /3 Meterzentner Heu besitze, alsdann müßten 900,000 Meterzentner Kartoffeln gebrannt u n d daraus wenigstens 18 M i l l i o n e n L i t e r B r a n n t w e i n fabrizirt werden, um für fernere 6000 Kühe Futter zu bekommen; 6000 Kühe sind aber nur 1% der im Jahr 1876 in der Schweiz gezählten 592,413 Kühe und nur 0,58 °/o des gesammten damals gezählten Rindviehs von '1,035,856 Stück.

Da wir nun mit unserm Branntwein den fremden Ober alle Zollschranken setzenden Sprit doch nicht verdrängen und erstem auch nicht exportiren können, sondern seihst trinken müssen, so dürfen wir nur mit Entsetzen an einen Zuwachs der Brennerei denken, welcher die Kühe um höchstens l % vermehren, du gegen mehrere Prozent unserer Mitmenschen in ein frühes Grab, in's Armenhaus, in's Zuchthaus oder in's Irrenhaus befördern würde.

Gestützt auf diese Auseinandersetzungen müssen wir es bestreiten, daß die im Ohmgeldartikel der jetzigen Bundesverfassung vorgesehene R e d u k t i o n d e r P r i v i l e g i e n d e r i n l ä n d i s c h e n B r e n n e r e i und die von uns auf Grundlage dieser Reduktion vorgeschlagenen gleichmäßigen neuen Steuern auf Branntwein eine Verletzung der l a n d w i r t h s c h n f 11 i c h e n Interessen involviren. Die Schlempe kann nach der Natur der Sache nur einem so minimen Theil der Landwirthschaft Nutzen bringen, und es fügt die Brennerei dagegen der ganzen übrigen Bevölkerung, vorab der landwirtschaftlichen, einen solchen Schaden zu, daß wir dieses Argument gar nicht mehr gelten hissen können, wir müßten denn die Vermehrung der Kühe um 1 % hoher veranschlagen, als die Erhaltung von Gesundheit, Arbeitskraft und Leben der Bevölkerung, während doch gerade diese Arbeitskraft den Hauptbestandtheil unseres Nationalvermögens bildet und in e r s t e r Linie durch eine r i c h t i g e V o l k s - E r n ä h r u n g erhalten werden muß.

Auch ist es nicht richtig , daß wir zur Verwerthung unserer landwirtschaftlichen Produkte der Branntweinbrennerei bedürfen.

Unsere landwirtschaftliche Produktion ist durchweg, mit einziger Ausnahme der Milch und der Milchspeisen , für den Bedarf so 80 Dr. Max Märker, ,,Handbuch der Spiritusfabrikation", dritte Auflage, S. 900, berechnet den Nährwerth
der Schlempe von 100 Pfund Kartoffeln auf Fr. 1,09 100 ,, Roggen ,, ,, 5,00 100 ,, Mais ,, ,, 5,79.

Protein und Fett sind zu 25 Cts. das Pfund, stickstofffreie ExtraktStoffe zu 10 Cts. berechnet, was eine sehr hoho Annahme sei.

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ungenügend, daß ihr Preis vollständig dem Nahrungswerth entspricht (bei den Kartoffeln sogar denselben übersteigt); durch die Brennerei wird dieser Preis im Allgemeinen gar nicht gesteigert, sondern höchstens derjenige der im speziellen Fall verwendeten Kartoffeln, und dies nur durch eine künstliche Erhöhung des Branntweinpreises und auf Kosten der Konsumenten des Branntweins.

Wir geben z u , daß zu der Zeit, als unsere Lebenstmittelproduktion noch vollständig genügte und ein allfälliger Ueberfluß beim Mangel an Industrie und an Verkehrsmitteln schwer abgesetzt werden konnte, die Verwerthung durch die Brennerei indizir war, und daß durch den Schute solcher Brennerei Geld im Lande erhalten wurde. Diese Zeiten sind für uns vorüber. Wir dürfen uns daher nicht das Deutsche Reich zum Muster nehmen, welches in Posen, Pommern u. s. w. durch den Kartoffelbau große Strecken Landes der Kultur aufschließt und. da diese Kartoffeln nur mittelst der Spiritusbrennerei zum vollen Werthe abgesetzt werden können, durch den Schutz dieser Brennerei den Absatz des Produkts im ganzen Reiche sichert. Dieser Schutz hat übrigens vermöge der Größe des Zollgebietes einer solchen Konkurrenz Raum gelassen, daß weder die Preise erhöht, noch die Entwicklung der Technik aufgehalten wurde, während bei unsern kleinen kantonalen Zollgebieten das Gegentheil eingetreten ist.

Obschon wir bei Behandlung dieser Frage ein spezifisch landwirthschaftliches Interesse nicht anerkennen , geben wir z u , daß der Brennerei als I n d u s t r i e ein ähnliches Interesse gebührt, wie andern Industrien auch. Aber als Industrie betrachtet, hat die Brennerei an dem gegenwärtigen eidgenössischen Zollansatz bereits einen solchen Schutz (27--30 °/o des Werthes), daß wir schon aus Rücksichten der Billigkeit gegenüber andern Industrien diesen nicht noch verdoppeln oder verdreifachen dürfen ; bewegen uns anderweitige Gründe zu einer hohem Besteuerung, wie wir solche wirklich haben , so muß die höhere Besteuerung den in- und ausländischen Branntwein treffen.

Allerdings wird bei einer Reduktion des Schutzes auf den gegenwärtigen eidgenössischen Zollansatz die theure Kleinbrennerei sich nicht mehr lohnen und auch die Spiritusbrennerei, welche schon jetzt im Brennen von Mais und Getreide einen größeren Ertrag sieht, wird sich kaum mehr veranlaßt sehen,
Kartoffeln zu verwenden.

Dagegen dürfte der in unserm Tarif gegebene Schutz einer auf der Höhe der Zeit stehenden Spiritusbrennerei, welche ihr Geschäft im Großen betreibt und die rentabelsten Rohstoffe auswählt, auch in Zukunft genügen, um die nachtheiligere Stellung, die ihr durch den Bezug der Rohstoffe aus dem Auslande geschaffen ist, zu überwinden.

491 Die Unterschiede der Preise von Roggen und Mais in Deutsehland und der Schweiz sind so wenig bemerkbar, daß wir (da bald die deutschen, bald die schweizerischen Notirungen die Qualität nicht näher angeben) nicht wissen können, ob sie nicht zum größeren Theil auf Differenzen der Qualität zurückzuführen sind. So viel ist gewiß, daß bei diesen an Spiritus und Schlempeausbeute weit ergiebigem Materialien die Fracht nicht mehr den Einfluß ausüben kann, wie bei den zu 8/* aus Wasser bestehenden Kartoffeln.

Mehr kann mau aber vom Zolltarif nicht verlangen,1 als daß eine allen technischen Anforderungen entsprechende Spiritusbrennerei dabei möglich sei.

Diese Reduktion des Schutzes auf den dermaligen eidgenössischen Zoll, bei welchem nur noch eine technisch auf der Höhe der Zeit stehende Spiritusfabrikation bestehen kann, ist unsere Hoffnung.

Denn diese allein ist befähigt, die Konkurrenz mit dem auswärtigen Sprit zu bestehen und diesen abzuhalten (was die bernische Ohmgeldverwaltung erfahren hat); sie liefert ein fuselfreies, handelsfähiges Produkt, das man nicht der Bevölkerung aufdringen muß ; sie hat, da sie irn Verhältnis zur Produktion nur wenig Personal braucht, nicht den demoralisirenden Einfluß wie die durch das ganze Land verzweigte Kleinbrennerei ; sie liefert sogar, bei Verwendung von Getreide und Mais -- im Verhältnis zur Schnapserzeugung berechnet -- einen größeren Nährwerth von Schlempefutter.31 Wenn über durch das Dahinfallen der kantonalen Ohmgelder in Folge unserer Bundesverfassung, d. h. durch die bloße Entziehung eines Privilegiums und ohne jegliche Gewaltmassregel, die vielbeklagte Kleinbrennerei zur Liquidation ihres Geschäftes veranlaßt wird, sollen wir, die wir beauftragt sind, Mittel zur Bekämpfung des Alkoholismus vorzuschlagen, nicht diese bereits errungene Position besetzen und festhalten ?

Wir fühlen es wohl, wie sehr in einein Momente," wo allüberall -- mit welchem Rechte, bleibe hier unerörtert -- der Zollschutz als Mittel zur Hebung der Industrie augepriesen wird, die Idee, aufunsermi Gebiete diesen Schutz um den Betrag des kantonalen Ohmgeldes aufBranntiweinzuu vermindern, im ersten Augenblick 31 Ein Fachbericht überGruppee 26 der schweizerischenLandesausstellung macht auf eine neue technische Verwendung des Mais aufmerksam, deren Erzeugniß nicht allein die Kosten
des Rohstoffs und der Fabrikation vollständig lohnt, sondern noch eine Schlempe liefert, welche werthvoller ist, als die bei der Brennerei gewonnene : es ist die Fabrikation von Stärkemehl, dessen Einfuhr die Schweiz die Summe von Fr. 1,329,000 kostet.

S. Bericht über die Gruppe 26, Landwirtschaft, II. Band, S. 185 ff. und Schweizerische landwirtschaftliche Zeitschrift, Jahrgang 1883, S. 523 ff.

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befremden und bei den Brennern der Gegenstand Imiter Beschwerde werden wird; nach ihnen sollen die von uns projektirten neuen Abgaben nur auf den importirten Branntwein gelegt werden, und eine solche Maßregel, die nur ihnen nützt, preisen sie als ein Hauptmittel zur Bekämpfung des Alkoholismus an, während sie behaupten, die Besteurung des inländischen Fabrikais nütze dagegen nichts.

Es ist dein Bunde absolut unmöglich, in dieser Angelegenheit Abhülfe zu schaffen, so lange man nicht von dem Widersprüche abkommt, man könne mit dem einen und selben Rezept -- hoher Schutzzoll auf Branntwein -- zwei ganz entgegengesetzte Dinge erreichen : Beseitigung des Alkoholismus und Begünstigung der Schnapsfabrikation im Inlande.

Unter dem Schütze dieser kantonalen Ohmgelder, mit, welchen auch die primitivste Fuselfabrikation noch bestehen kann, hat «ich wie in einem Treibhause die Branntweinfabrikation so üppig entwickelt, daß in einzelnen Kantonen die Behörden nicht mehr dagegen aufkommen können (s. Abschnitt II, 5); weit entfernt, den fremden Branntwein abzuhalten, ruft das durch die Kleinbrennerei gesteigerte Schnapsbedürfniß stets größerer Einfuhr, ja diese Brennerei bringt noch seihst mit dein eigenen Produkt das fremde in Zirkulation.

Diesen Schutz nach Wegfall der kantonalen Ohmgelder durch einseitige Höherbelastung des importirten Branntweins auf die ganze Schweiz ausdehnen -- das hieße, auch in den andern Kantonen, welche sich heute noch rühmen dürfen, der Alkoholismus sei bei ihnen unbekannt, durch eine hohe Prämie jene Menge von Brennereien in's Leben rufen, über welche die Ohmgeldkantone so laute Klage führen.

Besser als diese Verallgemeinerung des Ohmgeldschutzes und Schnapselendes wäre es immer noch, wenn wir nach dem Dahinfallen des kantonalen Ohmgelds Nichts weiter anordnen, sondern zusehen würden, ol> mit diesem Dahinfallen und freier Zirkulation von Wein, Most und Bier in den bisherigen Ohmgeldkantonen sieh von selbst bessere Zustände einstellen.

Das Uebel ist indessen bereits so eingerissen und der Branntweingenuss nimmt auch in den ohmgeldfreien Kantonen so überhand, daß wir uns auf diese halbe Malkegel nicht verlassen dürfen; wir m ü s s e n den Schnaps -- und zwar allen in gleicher Weise -- hoher besteuern, um damit nicht nur dessen Fortschritte aufzuhallen, sondern dessen Genuß auf ein bescheideneres Maß zu reduziren.

Damit wird zugleich den Kantonen für die weggefallene Ohmgeldeinnahme etwelcher Ersatz gegeben.

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Diese Maßregel dürfte nur dann ala Vertheurung eines uothwendigen Volksgetränkes bekämpft werden, wenn wir niuht gleichzeitig uns bestrebten, andere, weniger schädliche Getränke an dessen Stelle zu setzen; verbunden mit der ßilligmachung jener andern Getränke dürfen wir sie durchführen.

Die Frage, ob die Ausführung einer solchen Reform, deren grundsätzliche Annahme vorausgesetzt, die gehofften Früchte bringen werde, ist durch die Erfahrung anderer Staaten, welche die Reform unter viel ungünstigeren Umständen ausgeführt haben, gelöst.

S c h w e d e n hat den schädlichen Fusel beseitigt und durch die Produktion von destillirten Getränken, welche nicht schädlicher sind als der Wein, den verderblichen Folgen des gemeinen Branntweins vorgebeugt; N o r w e g e n und F i n i a n d , welche dieselbe Reform etwas früher durchführten, haben sogar den Genuß destillirter Getränke auf ein bescheidenes Maß reduzirt. Und doch können diese Länder nicht wie wir mit einer großen eigenen Weiuproduktion und mit der Einfuhr billiger Weine aus den Nachbarländern dem Branntweinkonsum Konkurrenz machen ; auch steht ihnen nicht in dem Umfang wie uns ein reicher Obstertrag zur Bereitung von Obstwein z.ur Verfügung.

Mit welcher Leichtigkeit Länder mit reichlichem eigenem Wein von billigem Preise oder von Obstwein dem Branntwein Konkurrenz machen können, das beweisen bei uns diejenigen Kantome, welche Wein oder Obstwein in diesem Umfang besitzen und denselben nicht durch hohe Abgaben vertheuern -- wie Zürich, Schaffhausen, Appenzell A.-Rh., Thurgau, Tessin, Wallis. Daß unmittelbar an diese Kantone grenzende andere Kantone völlig andere Zustände haben, kann nicht in der Natur dieser Bevölkerungen beruhen, sondern muß mehr oder weniger von Gesetzen herrühren (Ohmgelder, Wirthschafts- und Getränkeabgaben), deren nachtheiligen Folgen wir die Konsumenten entziehen möchten.

Wie aus unserer ganzen Darstellung hervorgeht, geben wir uns nicht der Illusion hin, als ob durch Maßnahmen des Bundes allein die Alkoholfrage gelöst werden könne, sie kann nur unter kräftigem Zusammenhalten des ganzen Volkes gelöst werden.

Wir müssen darauf vertrauen, daß das Elternhaus, Schule und Kirche ihrer hohen Aufgabe möglichst nachkommen, daß die Arbeitgeber für das leibliche und sittliche Gedeihen ihrer Lehrlinge und Arbeiter besorgt seien, daß die ganze bürgerliche Gesellschaft sieh der Hülflosen und Verirrten annehme; wir müssen voraussetzen, daß Gre-

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meinde und Staatsbehörden nicht allein Polizei üben und Ordnungswidrigkeiten entgegentreten, sondern auch ihr Möglichstes dazu beitragen, daß die schulpflichtige und die erwachsene Jugend zu nützlicher Thätigkeit und menschenwürdiger Erholung Anleitung und Handreichung finde.

Aber wir haben uns überzeugt, daß auch der Bund in diesem Kampfe Stellung zu nehmen habe. Die Versuchung war uns zwar nahe gelegt, durch eine kleine Abänderung des Art. 31 der Bundesverfassung alle Initiative und Verantwortlichkeit in dieser Angelegenheit auf die Kantone abzuwälzen und ruhig zuzuschauen, wie sie, sich selbst zu helfen, fruchtlose Anstrengungen machen. Die Einsicht jedoch, daß die Kantone es zu einem einheitlichen Vorgehen nicht bringen könnten, welches hier absolut nothwendig ist, zwingt uns, jene Versuchung abzuweisen und Maßregeln vorzuschlagen, von welchen wir wohl wissen, daß deren Annahme auf Widerstand und deren Ausführung auf große Schwierigkeiten stoßen wird.

Wir wagen es dennoch, weil wir dieselben nothwendig halten, um einem Uebel zu begegnen, welches die leibliehe, sittliche und ökonomische Wohlfahrt unseres Volkes gefährdet.

Indem wir Ihnen, die Sie alle von demselben Wunsche beseelt sind, unsere Anträge vertrauensvoll unterbreiten, benützen wir diesen Anlaß, um Sie, Tit., aufs Neue unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 20. November 1884.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschuft : Ringier.

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Bundesbeschluß betreffend

Zusatz zur Bundesverfassung der schweizerischen Eidgenossenschaft

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vorn 20. November 1884, beschließt: . 1. Die Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 erhält folgenden Zusatz: Artikel 32"".

Der Bund ist befugt, im Wege der Gesetzgebung Vorschriften über das Brennen von mehlhaltigen und von Hackfrüchten, sowie über den Verkauf gebrannter Wasser überhaupt zu erlassen. Bei dieser Gesetzgebung sollen diejenigen Erzeugnisse, welche nicht zürn inländischen Verzehr bestimmt sind, sondern entweder ausgeführt werden oder eine G-enußzwecke ausschließende Zubereitung erfahren haben, keiner Besteurung unterworfen werden.

Wenn vor Ende des Jahres 1890 ein Bundesgesetz im Sinne dieses Artikels eingeführt wird, so fallen schon mit dessen Inkrafttreten die von den Kantonen und Gemeinden nach Art. 32 bezogenen Eingangsgebühren auf geistigen Getränken dahin.

Nach dem Wegfall dieser Eingangsgebühren kann der Handel mit nicht gebrannten geistigen Getränken von den Kantonen keinen andern besoudern Steuern unterworfen werden,

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noch andern Beschränkungen als solchen, welche zum Schutte vor gefälschten oder gesundheitsschädlichen Getränken nothwendig sind. Jedoch bleiben hiebei in Betreff des Betriebes von Wirthschafteu und des Kleinverkaufs von Quantitäten unter /,wei Liter die den Kantonen nach Art. 31 zustehenden Kompetenzen vorbehalten.

Die aus der Besteuerung des Verkaufs get rannter Wasser erzielten Reineinnahmen verbleiben den Kantonen, in welchen sie zum Bezug gelangen.

Die Reineinnahmen des Bundes aus der Belastung des einheimischen Produkts und aus dem entsprechenden Zollzuschlag auf eingeführte gebrannte Wasser werden unter die sämmtJichen Kantone nach Verhältniß der durch die letztö eidgenössische Volkszählung ermittelten faktischen Bevölkerung vertheilt.

Wenn diese Bundesgesetzgebung schon vor Ende des Jahres 1890 in Kraft tritt und die gemäß der obigen Bestimmung auf die einzelnen Kantone und Gemeinden entfallenden Antheile an der zur Vertheilung kommenden Summe nicht hinreichen, um die dahingefallenen Gebühren auf geistigen Getränken nach dem durchschnittlichen jährlichen Nettoertrage in den Jahren 1880 bis und mit 1884 zu ersetzen, so wird den betroffenen Kantonen und Gemeinden bis Ende des Jahres 1890 der daherige Ausfall aus der den übrigen Kantonen zukommenden Summe gedeckt und erst der Rest auf die letztern nach ihrer Volkszahl vertheilt.

2. Dieser Zusatz ist der Abstimmung des Volkes und der Stände zu unterbreiten.

3. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend die auf die Alkoholfrage bezüglichen Postulate und Petitionen. (Vom 20. November 1884.)

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04.12.1884

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