#ST#

Schweizerisches Bundesblatt.

36. Jahrgang. II.

Nr. 25.

10. Mai 1884.

Jahresabonnement (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Franken.

Einrückungsgebühr per Zeile 15 Ep. -- Inserate sind franko an die Expedition einzusenden.

Druck und Expedition der Stämpflischen Buchdruckerei in Bern.

# S T #

Bericht des

Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend das Strafnachlaßgesuch des Johannes Leutwyler von Reinach (Aargau), zur Zeit Kolonist in Crockett (Texas).

(Vom 29. April 1884.)

Tit.

Durch Urtheil des Bezirksgerichtes Aarau vom 27. Januar 1883 wurde Johannes Leutwyler von Reinach, gegenwärtig augesiedelt in Crockett (Texas), wegen Uebertretung des Bundesgesetzes betreffend den Geschäftsbetrieb von Auswanderungsagenturen zu einer Buße von Fr. 150 und Tragung der Kosten verurtheilt.

Genannter Leutwyler war vor circa lo Jahren nach Amerika ausgewandert. Ende 1882 kehrte derselbe in weine Heimatgemeinde Reinach zurück, angeblieh, um seine daselbst zurückgelassenen Kinder und Großkinder in die neue Heimat, wo er unterdessen Ländereien erworben, abzuholen. Es zeigte sich in der Folge jedoch, daß Leutwyler nicht bloß diese letztere Absicht im Auge hatte, sondern daß derselbe noch eine größere Anzahl Personen zur Auswanderung nach Texas aufmunterte. Leutwyler wurde deßhalb in Untersuchung gezogen, jedoch vor Abschluß derselben, auf geleistete Baarkaution hin, wieder entlassen. Die Untersuchung stellte fest, daß Leutwyler Antheilhaber eines Besitzthums in Texas ist und daß von letzterem ein Komplex von mehreren hundert Acres zur Kolonisation durch Schweizer Ansiedler bestimmt wurde.

Leutwyler begab sich daher im Auftrage des Konsortiums nach dem Bundesblatt.

36. Jahrg.

Bd. II.

59

840 Kontinent, um für das Projekt Propaganda zu machen und die nothwendige Anzahl Ansiedler für dasselbe zu gewinnen. Zu gedachtem Zwecke fanden sich circa 40 Personen bereit, welche den ihnen von Leutvvyler vorgelegten Vertrag unterzeichneten. Behufs der Spedition der Gesellschaft hatte sich Leutvvyler an mehrere Agenturen gewendet. Zwei derselben erklärten, auf Grund des zitirten Bundesgesetzes sich mit der Spedition nicht befassen x.u können; die dritte trug weniger Bedenken und vermittelte die Beförderung bis Basel.

Am 27. Januar 1883 erfolgte, in Abwesenheit des Inkulpaten, dessen Verurtheiluog durch das Bezirksgericht Aarau, gestutzt auf die Erwägung, daß Leutwyler gegen Artikel 16 des mehrgenannten Gesetzes sich vergangen, indem er unbefugt Auswanderungsgeschäfte betrieben; der Umstand, daß er sich mit einem Agenten in Verbindung gesetzt habe, könne an seiner Strafbarkeit nichts ändern, da der betreffende Agent keine Verträge abgeschlossen, sondern bloß die Spedition bis Basel vermittelt habe. Das Urtheil wurde einem Schwager Leutwyler's, Namens Rudolf Hediger, in Keinach, zu dessen Händen au r Kenntniß gebracht.

Letzterer gelangt nun durch Eingabe vom 1. März abbin im Namen des Verurtheilten an Ihre hohe Behörde mit der Bitte um Nachlaß der vom Bezirksgericht Aarau ausgesprochenen Buße. Zur Begründung seines Gesuches macht Petent geltend, daß das Urtheil gefallt worden sei, ohne daß dem Bestraften Gelegenheit zu einer Vertretung gegeben worden wäre, indem derselbe schon am 5. Januar wieder nach Texas abgereist sei; die Vorladung vom 16. Januar habe ihn daher nicht mehr getroffen. Der Grund, warum Hediger seine Petition nicht früher schon eingereicht, bestehe darin, daß er über das Schicksal der Unternehmung vorerst habe Berieht abwarten wollen. Letzterer sei nun eingetroffen und laute sehr zufriedenstellend. Der Vorwurf der Verletzung des Artikels 16 des zitirten Gesetzes sei im gegenwärtigen Falle unstatthaft, denn Leutwyler habe die Spedition jener Gesellschaft nicht in der Absicht ausgeführt, um Auswanderungsgesehäfte zu betreiben; es sei ihm lediglich darum zu thun gewesen, eine Gesellschaft von Verwandten und Bekannten für ein Kolonisationsprojekt zu gewinnen und denselben auf diese Weise sieh nützlieh zu erweisen. Durch ein bei den Akten liegendes Zeugniß des Gemeinderaths von
Reinach werde übrigens das Vorgehen Leutwylers voll und ganz gebilligt.

Die über die Angelegenheit vernommene Direktion des Innern von Aargau äußert sich in ihrem Schreiben an unser Handels- und Landwirthschaftsdepartement dahin, daß sie mit der richterlichen Behörde vollkommen einig gehe; sie hält dafür, daß allen den-

841

jenigen Momenten, welche zu Gunsten des Bestraften in der Petition namhaft gemacht werden, im Urtheil des Bezirksgerichts vom 27. Januar bereits Rechnung getragen worden sei.

Wir schließen uns dieser Ansicht an. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß Leutwyler gegen die Vorschrift des Art. 16 des mehrfach genannten Bundesgesetzes sich vergangen, indem er selbst mit der Gesellschaft die Auswanderungsverträge abgeschlossen hat.

Welche Motive ihn bei seinem Vorgehen geleitet, ob er in seinem eigenen oder im Interesse der Auswanderer gehandelt, kann angesichts der deutlichen Gesetzesbestimmung nicht in Betracht kommen.

Ebenso ist es für die Beurtheilung des Falles ohne Bedeutung, ob das Unternehmen, welches Leutwyler vertreten, von Erfolg begleitet gewesen sei oder nicht. Daß übrigens die von ihm vertretene Sache mit gesetzlichen Vorschriften im Widerspruch stehe, darüber konnte derselbe kaum im Zweifel sein, nachdem das Handels- und Landwirthschaftsdepartement eine bezügliche Anfrage seines Bevollmächtigten, Hrn. Notar Wälchli in Reinaçh, unterm 28. Dezember 1882 dahin beantwortet hätte, daß die beabsichtigten Handlungen ungesetzlich seien, und nachdem-von Seite zweier Auswanderungsagenturen die Spedition der Gesellschaft ausgesehlagen worden war.

Wir können daher unter diesen Umständen auch auf das Zeugniß des Gemeinderaths von Reinach keinen besondern Werth legen.

Aus diesen Gründen beantragen wir Ihnen, das zu Grünsten des Joh. Leutwyler gestellte Gesuch Hediger abzuweisen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 29. April 1884.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

'.'. .

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaftingier..

842

Uebersicht des

Standes der Viehseuchen in der Schweiz auf 1. Mai 1884.

Kanton.

Zürich Bern Luzern

.

.

.

·ürf- ' .

.

.

.

.

.

.

.

.

.f

Lungen- Maul- und seuche. Klauenseuche. Total.

Ställe.

Ställe.

Ställe.

l l

l

l

2

2

3

3

2

2

l

6 3

7 3

l l

19 22

20 23

3

3

. ·'- ...'·'..': ,\ .-

Schwyz .

.

' . · ' . ' " Unterwaiden ob dem Wald ^ nid dem Wald · Glarus .

.

Zug .

.

.

.

Freiburg Solothurn .

.

.

Basel-Stadt Basel-Landschaft Schaffhausen .

.

.

Appenzell A. Rh. .

Appenzell I. Rh.

St. Gallen .

.

.

Graubünden .

.

Aargau .

.

. · .A Thurgau .

.

.

.

TëâàiT ··-'.-.;· .

Waadt .

.

.

.

Wallis .

.

Neuenbuïg . -'· .

,.- ; · Genf .

.

.

.

Zahl der infizirten Ställe auf 1. Mai 1884 auf,15. AÌ>VÌI 1884

Verminderung^

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend das Strafnachlaßgesuch des Johannes Leutwyler von Reinach (Aargau), zur Zeit Kolonist in Crockett (Texas).

(Vom 29. April 1884.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1884

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

25

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

10.05.1884

Date Data Seite

839-842

Page Pagina Ref. No

10 012 320

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.