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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer Straßenbahn von Vevey über Montreux bis Chillon.

(Vom 11. März 1884.)

Tit.

Mit Eingabe vom 28. Januar d. J. haben die Herren A. Depraz, Notar in Vevey, A. Chaudet, Architekt in Montreux, E. Miauton, Mechaniker in Montreux, und A. Aguet, Ingenieur in Vevey, das Gesuch um Bewilligung einer Straßenbahn anher gerichtet, welche bestimmt sein soll, den lokalen Personenverkehr auf der Strecke zwischen Vevey und Chillon zu vermitteln, dessen Bedürfnissen, wie die Petenten behaupten, die vorhandene Lokomotivbahn der Suisse Occidentale nicht genüge. Die Petenten legten dea Entwurf eines Pflichtenheftes bei, auf Grundlage dessen sie sich mit den betheiligten Gemeinden und dem Staatsrath des Kantons Waadt über die Benutzung der in Betracht kommenden Straßen zu verständigen -gedenken.

Sie legten ferner die in der Verordnung vom 1. Februar 1875 (Amtl. Samml. n. F, I, 241) als Begleitung eines jeden Konzessionsgesuches verlangten Pläne und Berichte vor, aus welchen sieh ergibt, daß die Straßenbahn, vom Grand Hôtel in Vevey ausgehend, die Stadt in zwei Richtungen durchziehen und dann, der Kantonsstraße I. Klasse Nr. 5 folgend, unter Berührung der Gemeindegebiete von La Tour de Peilz, Chatelard, Planches und Veitaux bis in die Nähe vom Schloß Chillon sich ziehen und vom Hôtel du Cygne in Vevey aus eine Verzweigung erhalten soll, welche, auf der Straße

419 II. Klasse sich bewegend, durch Vernex-Etombes, Chêne, Village des Planches und Planchamp führen und am letztern Orte wieder in die Hauptlinie einmünden wird. Die Hauptlinie wird also ungefähr 12 km., die Abzweigung 1764 m. lang werden, und es sind Steigungen vorgesehen, welche auf der erstem 34 °/oo nicht überschreiten, .auf der andern dagegen 95 und 105 °/oo erreichen werden.

Die Geleise (Vignole-Schienen) sollen so in die Straße eingelegt werden, daß sie den gewöhnlichen Fuhrwerkverkehr nicht hindern ; «s wird ihnen, von Axe zu Axe gerechnet, 80 cm. Spurweite gegeben, und sie sollen mit einem Material befahren werden, welches mit Rücksicht auf einige enge Stellen thunlichst schmal konstruirt werden soll, in der Art, daß die Kastenbreite der Fahrzeuge nicht über 1,7 Meter messen wird.

Als bewegende Kraft gedenken die Unternehmer die Elektrizität, eventuell eine andere mechanische Kraft, mit Ausschluß des Feuers, ·/u verwenden. Sie wollen darüber noch weitere Studien anstellen.

Immerhin haben sie, um die Elektrizität zu erzeugen, bereits eine Konzession auf die Wasserkräfte des Torrent de la Baye de Montreux erworben.

Die Gesammtkosten für die Erstellung der Bahn, des Rollmaterials uiid die Gewinnung der Wasserkraft werden von den Potenten auf Fr. 500,000 veranschlagt; die jährlichen Ausgaben für den Betrieb auf Fr. 90,000, und zwar : Fr. 47,920 für Kapitalzinsen, Amortisation und Unterhalt der Anlagen und Einrichtungen, ,, 42,080 für eigentliche Betriebskosten.

Für den Betrieb soll die Bahn in die folgenden fünf Abtheilungen zerlegt werden: 1) Grand Hôtel Vevey-Villa Augusta (La Tour de Peilz); 2) Villa Augusta-Clos du lac (Ciarens) ; 3) Clos du lac-Territet; 4) Territet-Château de Chillon; 5) Hôtel du Cygne (Vernex)-Planches-Planchamp, und es sollen auf der ersten und dritten Abtheilung täglich 40, auf den andern Abtheilungen 24 Züge in jeder Richtung verkehren, was einem jährlichen Parcours von 296,380 Zugskilometern entspricht, so daß die Kosten auf 30,3 Cts. pro Zugskilonieter sich stellen würden, zu deren Deckung ein Verkehr von 235 Personen, welche täglich die ganze Linie befahren, hinreicht, wenn der Unternehmung die von ihr beantragten Taxen bewilligt werden, nämlich 10 Cts. Minimiltaxe für den ersten, mit Zuschlag von 5 Cts. für

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jeden der folgenden Kilometer. Dabei soll indessen, mit Rücksicht auf die großen Steigungen, eine Erhöhung dieser Taxe für die Abzweigung Vernex-Chêne-Planchamp vorgesehen werden.

Die Bedingungen, unter denen wir die Bewilligung der Konzession vorschlagen, stimmen materiell mit den Anträgen der Petente« überein, wie diese in der gemäß dem Art. 2 des Eisenbahngesetze* von 1872 (Amtl. Samml. XI, 1) angeordneten und am 8. Mär& stattgefundenen Konferenz im allseitigen Einvevständniß bereinigt worden sind. In der formellen Anlage sehließt sich unser Beschlußentwurf der Konzession an, mit welcher die Bundesversammlung unterm 31. Januar 1882 den Bau und Betrieb der Zürcher Straßenbahn bewilligt hat (Eisenbahnaktensammlung n. F. VII, 17). Der Bund überläßt Alles, was die thatsächliche Benutzung des öffentlichen Grund und Bodens für den Bau und den Betrieb anbetrifft, d. h. den Umfang der Inanspruchnahme dieses Grund und Bodens, die Verständigung über den künftigen Unterhalt der Straßen, die Einordnung der neuen Verkehrsmittel in die straßenpolizeilichen Vorschriften u. dgl., der Verständigung der Unternehmer mit dei» lokalen und den kantonalen Behörden, unter Vorbehalt immerhin der Prüfung der darüber abzuschließenden Verträge.

Hinsichtlich der Ueberwachung des Baues und der Betriebsführung, Inbegriffen namentlich auch die Feststellung der zu erhebenden Taxen, soll dem Bundesrath die gleiche Rechtsstellung wie gegenüber den Normalbahnen zukommen. Von der Konzession für die Zürcher Straßenbahn abweichende Bestimmungen, welche nicht in 'der Natur der Verhältnisse begründet sind, finden sich in dem vorliegenden Entwurf nur folgende: 1) Im Artikel 2 die Bestimmung der Dauer der Konzession auf 75 Jahre. Es entspricht diese Dauer den zwischen den Gründern und den betheiligten Gemeinden abgeschlossenen Verträgen.

2) In der Zürcher Konzession sind die dem Kanton und den Gemeinden zugestandenen Ruckkaufsbedingungen im Detail ausgeführt. Im vorliegenden Entwurf wird einfach, ohne Angabe besonderer Grundlagen, eine Verständigung oder dann der Entscheid des Richters vorbehalten (Art. 16).

An beiden Orten hat der Bund kein Interesse, zu interveniren.

Wir glauben, uns mit diesen wenigen Bemerkungen begnügen zu dürfen, denen wir nur noch beifügen, daß der Staatsrath des Kautons Waadt durch die Abordnung, welche der Konferenz vom 8. März beigewohnt hat, erklären ließ, daß er mit der Vor-

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läge des gegenwärtigen Antrags an die Bundesversammlung einverstanden sei, obschon die zwischen ihm und den Potenten zu pflegenden Verhandlungen über die Benutzung des öffentlichen Grund uno Bodens wenigstens formell ihren Abschluß noch nicht gefunden haben.

Wir empfehlen Ihnen demgemäß die Annahme des nachstehenden Beschlußantrags.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 11; März 1884.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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{Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

Konzession einer Straßenbahn von Vevey nach Montreux und Chillon.

Die Bundesversammlung d er schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht a. eines Gesuchs um Konzessionirung einer Straßeneisenbahn von Vevey nach Montreux und Chillon, vom 28. Januar 1884; b. einer Botschaft des Bundesrathes vom 11. März 1884, beschließt: Den Herren A. Dupraz und A. Aguet in Vevey, E. Miauton und A. Chaudet in Montreux wird die Konzession für den Bau und Betrieb nachstehender Straßeneisenbahnen ertheilt: I. Auf der Landstraße Lausanne-St-Maurice vom Grand Hôtel in Vevey bis zum Schloß Chi]Ion: a. im Gemeindebann von Corsier und Vevey vom Bahnhofplatz aus auf die Simplon- und die Italienerstraße etc.; b. über die neue Straße von Plan-dessous, durch die Bachstraße, die Grande piace, die Seestrasse, und eventuell vom Bahnhofplatz aus zur Seestraße über die Lausannerstraße und die Grande place; c. in der Gemeinde La Tour de Peilz über die Brücke von Oyonnaz, die Grande rue, Merlet und Burier ; d. in der Gemeinde von Chatelard über Maladaire, Les Bassets, Ciarens, La Rouvenaz und die Brücke von Montreux ; e. in der Gemeinde Planches über, die Brücke von Montreux, Bon-Port und die Brücke über die Veraye ; f. in der Gemeinde Veytaux über die Brücke der Veraye bis zum Schloß Chillon.

II. Auf der Straße 2. Klasse von Vernex (Hotel zum Schwan) nach Territet über Vernex, Etombes, Chêne, Planches und Planchamp (Gemeinden Chatelard und Planches).

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Diese Konzession steht unter den nachgenannten Bedingungen : Art. 1. Die jeweiligen, das Eisenbahnwesen betreffenden Bundesgesetze und sonstigen Erlasse der Bundesbehörden finden auch auf die vorgenannte Unternehmung ihre Anwendung, soweit sie in ihren Voraussetzungen für die Straßenbahnen zutreffen, und sind demgemäß von den Bundesbehörden zu vollziehen.

Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von 75 Jahren, vom Datum des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, ertheilt.

Art. 3. Der Sitz der zu bildenden Gesellschaft ist in Montreux in der Gemeinde Chatelard.

Art. 4. Die Mehrheit der Mitglieder der Verwaltung der Gesellschaft muß aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

Art. 5. Binnen 12 Monaten , vom Datum des gegenwärtigen Konzessionsaktes an gerechnet, sind die vorschriftsgemäßen technischen und finanziellen Vorlagen für das Unternehmen im Ganzen und die verschiedenen Linien im Einzelnen, sowie die Statuten der Gesellschaft, dem Bundesrathe zur Genehmigung einzureichen.

Art. 6. Die konzessionirten Linien müssen bis zum 1. Januar 1888 vollendet und dem Betrieb übergeben werden, ausgenommen jedoch die Strecke vom Hôtel du Cygne bis zum Niveauübergaug bei Vevnex, mit Bezug auf welche der Vollendungstermin auf den 31. Dezember 1890 angesetzt ist.

Die Gemeinde Vevey soll berechtigt sein, die Verschiebung des Baues der einen von den das Gebiet von Corsiev und Vevey berührenden Linien zu begehren.

Jede einzelne Abtheilung der Linien kann mit Bewilligung der Ortsbehörden sofort nach ihrer Vollendung in Betrieb gesetzt werden.

Soweit die Baufrist, wenn auch aus Verschulden der Gesellschaft , nicht innegehalten werden sollte, so soll der Verfall der Konzession die rechtzeitig erstellten und in Betrieb gesetzten Bahnstrecken nicht umfassen.

Art. 7. Der Bundesrath ist berechtigt, von sich aus oder auf Begehren des Staatsrathes oder Dritter auch nach Genehmigung des Tracé eine Abänderung desselben zu verlangen, wenn eine solche durch die Fürsorge für die öffentliche Sicherheit geboten ist.

Art. 8. Die Linien werden einspurig ausgeführt, mit Ausnahme der als Ausweichstellen nöthigen doppelspurigen Strecken.

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Die Geleise müssen so angelegt werden, daß die Verwendung von Maschinen ohne Gefahr stattfinden kann.

Als Zugkraft soll die Elektrizität oder ein anderer mechanischer feuerloser Motor verwendet werden.

Art. 9. Die Benutzung der öffentlichen Straßen und Plätze, sowie der Betrieb der Bahn erfolgen auf Grund der zwischen den Unternehmern einerseits und dem Staatsrath des Kantons Waadt, sowie den betheiligten Gemeinden anderseits abzuschließenden Verträge.

Diese Verträge bedürfen der Genehmigung durch den Bundesrath.

Art. 10. Den Bundesbeamten, welchen die Ueberwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebs obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Theilen der Bahn und des Materials zu gestatten und das «ur Untersuchung nöthige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 11. Der Bundesrath kann verlangen, O J daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlaß geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sieh aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nöthigenfalls entlassen werden.

Art. 12. Die Unternehmer sind ermächtigt, für den Transport einer Person 10 Rappen für den ersten Kilometer oder ßruehtheil desselben und 5 Rappen für jeden folgenden Kilometer oder Bruchtheil eines solchen zu beziehen.

Auf der Strecke Vernex-Chêne-Planchamp kann, in Betracht der größern Steigungen, die Taxe erhöht werden. Die Erhöhung darf aber nicht mehr als das Doppelte der im ersten Alinea genannten Taxe betragen.

Für Kinder unter 3 Jahren ist nichts zu beziehen, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird.

Handgepäck ist soweit frei, als es ohne Belästigung der Mitreisenden untergebracht werden kann; soweit dafür ein besonderer Platz beansprucht wird, ist für solches die Personentaxe zu bezahlen.

Art. 13. Die Unternehmer sind nur Kum Transport von Personen und Handgepäck verpflichtet. Eine weitere Ausdehnung der Unternehmung auf den Transport von Waaren und Vieh bedarf einer besonderen Bewilligung durch den Staatsrath und einer Ergänzung der Konzession durch Bundesbeschluß.

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Art. 14. Wenn die Unternehmung drei Jahre nach einander einen 8 °/o der Kosten für die baulichen Anlagen und den Inventarwerth des vorhandenen Betriebsmaterials übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist entweder die Zahl der Fahrten angemessen zu vermehren, oder es sind die Taxen entsprechend zu erniedrigen.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschließlich 5 °/o für Verzinsung und Amortisation des Anlagekapitals, zu decken, so kann entweder die Zahl der Fahrten angemessen vermindert oder es dürfen die im Art. 12 zugestandenen Tarifsätze erhöht werden. Der Entscheid hierüber steht den lokalen Behörden und in letzter Instanz dem Regierungsrath zu.

Beschlüsse betreffend Taxerhöhungen bedürfen der Zustimmung des Staatsrathes und der Genehmigung des Bundesrathes.

Verminderung der Fahrten oder Erhöhung der Taxen sind nur so lange zuläßig, als nöthig ist, um die oben genannte Rendite einzuhalten.

Art. 15. Nach Ablauf der vorliegenden Konzession und durch die bloße Thatsaehe dieses Ablaufs treten der Kanton Waadt und die betheiligten Gemeinden in alle Rechte der Konzessionäre in Hinsicht auf die von diesen auf dem betreffenden öffentlichen Grund erstellten Anlagen; diese sind von den Unternehmern in normalem, betriebsfähigem Stand zu hinterlassen oder in solchen herzustellen.

Die nicht mit dem Boden verbundenen Gegenstände (mit Ausnahme der Schienen), als die Vorräthe, das Rollmaterial, die Kemisen, sollen von Experten geschätzt werden.

Der Kanton Waadt und die Gemeinden haben das Recht, diese Gegenstände gegen Zahlung des von den Experten bestimmten Preises an sich zu ziehen. Die Konzessionäre ihrerseits können fordern, daß diese Gegenstände zu dem erwähnten Schätzungswert!!

vom Staat und den Gemeinden übernommen werden.

Die Parteien sollen sich hierüber ihre Absichten eia Jahr vor Ablauf der Konzession mittheilen.

Art. 16. Der. Eückkauf kann jederzeit, sowohl vom Staat als von den Gemeinden, gegen Zahlung einer gerechten Entschädigung bewirkt werden. Mangels einer gütlichen Verständigung über den Preis und die Rückkaufsbedingungen sollen die kantonalen Gerichte, unter Vorbehalt der Berufung an's Bundesgericht, entscheiden.

Art. 17. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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