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Bundesrathsbeschluß über

den Rekurs von Elisabeth Python, von Châtelard, Amtsbezirk der Glane (Freiburg), gegen einen Beschluß der Regierung des Kts. Freiburg vom 4. März 1887, wegen angeblicher Verletzung des Art. 49, Absatz 2 und 3, der Bundesverfassung.

(Vom 27. September 1887.)

Der schweizerische Bundesrath hat

in Sachen des Rekurses von Elisabeth P y t h o n , au Châtelard, Amtsbezirk der Glane, Kantons Freiburg, gegen einen Beschluß der Regierung des Kantons Freiburg vom 4. März 1887, wegen angeblicher Verletzung des Art. 49, Absatz 2 und 3 der Bundesverfassung, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements und nach Feststellung folgender aktenmäßiger SachVerhältnisse: I. Die der römisch-katholischen Konfession angehörende, noch nichtard, Kts Freiburg, die Schule besucht, war in den vom dortigen katholischen Pfarrer ertheilten Religionsstunden am 17. und 29. Oktober 1886 nicht anwesend.

Die Rekurrentin wurde wegen dieser zweimaligen unentschuldigten Abwesenheit ihrer Tochter zu einer Schulbuße von 40 Centimes verurtheilt. Da sie dieselbe nicht bezahlte, erließ der Präfekt des

159 Glane-Bezirkes unterm 5. Januar 1887 die Vorladung an sie, am 11. Januar im Schlosse zu Romont zu erscheinen, um statt der Geldbuße eine Strafe von 24 Stunden Gefängniß anzutreten.

II. Elisabeth Python wandte sich schon am 10. Januar mit einer Rekursbeschwerde gegen die Verfügung des Glane-Präfekten an den Bundesrath, wurde aber von der Bundeskanzlei im Auftrage des Bundesrathes bedeutet, daß sie ihre Beschwerde vorerst beim freiburgischen Staatsrathe anzubringen habe.

III. Nachdem sie mit Eingabe vom 25. 'Januar dem Staatsrathe ihre Klage vorgebracht, erklärte dieser durch Entscheid vom 4. März 1887 dieselbe für unbegründet, mit der Begründung: Wenn die Rekurrentin ihre Tochter den Religionsunterricht nicht besuchen lassen wolle, so habe sie bloß die im Schulgesetze vom 17. Mai 1084 (Art. 12, 2 a ) vorgesehene Erklärung abzugeben; da sie dieß unterlassen habe, so sei sie straffällig.

IV. Elisabeth Python, welche auf eine frühere Eingabe zuerst an die Regierung von Freiburg verwiesen worden war (zu vergi.

Bundesbl. vom 10. Januar d. J.), rekurrirte mittelst Zuschrift vom 23. April 1887, unter Berufung auf Art. 49 der Bundesverfassung, neuerdings an den Bundesrath, dießmal gegen den stìtatsrathlichen Entscheid vom 4. März 1887.

Die Rekurrentin beruft sieh auf Art. 49 der Bundesverfassung, der ausdrücklieh vorsehreibe, daß Niemand zur Theilnahme an einem religiösen Unterricht gezwungen werden dürfe und daß über die religiöse Erziehung der Kinder bis zum erfüllten 16. Altersjahre im Sinne dieses Grundsatzes der Inhaber der väterlichen oder vormundschaftlichen Gewalt zu entscheiden habe.

V. Der Staatsrath von Freiburg, vom Eidg. Justiz- und Polizeidepartement zur Vernehmlassung eingeladen, antwortete unterm 17. Juni / 6. September 1887, in langer Auseinandersetzung der in Betracht fallenden thatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte.

Der Kernpunkt derselben liegt darin, daß Elisabeth Python nicht bloß die im Schulgesetze vorgeschriebene Erklärung, sie wolle ihre Tochter nicht in der katholischen Religion unterrichtet wissen, nicht abgegeben hat, sondern daß sie fortfährt, nach wie vor der Bestrafung wegen der Lektionsversäumnisse, die Tochter in den katholischen Religionsunterricht zu schicken, --· demnach glaubt, sie brauche sich an keine Ordnung zu halten, der Art. 49 der Bundesverfassung sei dazu da, um die Schulversäumnisse zu decken ;

160 in E r w ä g u n g : Es handelt sich im vorliegenden Falle nicht um das in Art 49 der Bundesverfassung gewährleistete Recht einer Mutter, als Inhaberin der elterlichen Gewalt über die religiöse Erziehung ihres Kindes frei zu verfügen. Dieses Recht ist von keiner. Seite bestritten.

Es handelt sich vielmehr um die Frage, ob der Inhaber der elterlichen Gewalt, wenn er seine Wahl über den dem Kinde zu ertheilenden religiösen Unterricht getroffen hat und das Kind an dem gewählten Unterrichte theilnehmen läßt, für unbegründete Abwesenheiten des Kindes bestraft werden könne, ohne daß dadurch den Vorschriften des Art. 49 der Bundesverfassung zuwider gehandelt werde.

Diese Frage ist zu bejahen ; denn sie betrifft ausschließlich die Schulordnung, der sich jeder Theilnehmer eines Unterrichtes zu unterwerfen liât und ohne welche ein Unterricht schlechterdings nicht denkbar ist.

Die Rekurrenün kann sich daher nicht beschweren, wenn sie so lange für Religionsunterrichtsversäumnisse ihrer Tochter bestraft wird, als sie nicht erklärt, dieselbe dem Unterrichte entziehen zu wollen, und dieser Willenserklärung thatsächlich nachlebt ; <ä

beschlossen:

1. Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.

2. Dieser Beschluß ist der h. Regierung des Kantons Freiburg und der Rekurrentin schriftlich mitzutheilen.

B e r n , den 27. September 1887.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Droz.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: ßingier.

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Bundesrathsbeschluß über den Rekurs von Elisabeth Python, von Châtelard, Amtsbezirk der Glane (Freiburg), gegen einen Beschluß der Regierung des Kts. Freiburg vom 4. März 1887, wegen angeblicher Verletzung des Art. 49, Absatz 2 und 3, der Bundesverfa...

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29.10.1887

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