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Aus den Verhandlungen des Schweiz. Bundesrathes.

(Vom 25. Oktober 1887.)

Der Bundesrath hat den Rekurs einer Frau A. M. geb. E. in 8.

gegen die von der zuständigen kantonalen Behörde verfügte Eintragung des Spezereiwaarengeschäfts der Rekurrentin, gestützt auf folgende Erwägungen, als unbegründet abgewiesen : 1) Der Bundesrath hat schon am 3. Dezember 1883 entschieden, daß die Pflicht zur Eintragung in das Handelsregister nicht allein davon abhänge, ob Jemand sein Geschäft thatsächlich nach kaufmännischer Art führe, sondern auch davon, ob die Natur des Gewerbes eine kaufmännische Art des Betriebes, mit andern Worten eine geordnete Buchführung erfordere. Dies hängt aber wesentlich ab von der Natur und dem Umfang des Geschäftes.

2) Eine Spezereiwaarenhandlung von nicht ganz untergeordneter Bedeutung kann erfahrungsgemäß einer geordneten Buchführung nicht entbehren. Es kommt daher für die Entscheidung der Frage, ob ein solches Geschäft eintragspflichtig sei oder nicht, lediglich auf dessen Umfang an.

Eine Grenze festzustellen, bei welcher die Pflicht zum Eintrage aufhört, ist zwar schwierig und kann kaum für alle Fälle richtig angenommen werden ; indessen ist die Annahme einer solchen Grenze, die nicht zu hoch gegriffen werden darf, unerläßlich, wenn das Gesetz einheitlich durchgeführt werden soll.

Nach der bisherigen Praxis wurde in den meisten Registerbezirken als Maßstab der jährliche Geschäftsumsatz angenommen.

Und zwar hat die Erfahrung gelehrt, daß hei einem Jahresumsätze von Fr. 10,000 die Grenze zu suchen sei, wo sich die eintragspflichtigen von den nicht eintragspflichtigen Geschäften scheiden.

3) Aus den Angaben der Steuerbehörde von 8. ergibt sich nun, daß das Einkommen der Rekurrentin aus ihrem Spezereigeschäfte auf netto Fr. 800 per Jahr taxirt, der Bruttogewinn dagegen auf Fr. 12--1300 anzusetzen ist, was mit Sicherheit auf einen Umsatz von wenigstens Fr. 10,000 schließen läßt. Das Geschäft der Rekurrentin ist daher noch als in die Kategorie derjenigen gehörig zu betrachten, welche in das Handelsregister eingetragen werden müssen.

233 (Vom 28. Oktober 1887.)

Infolge einer dem Justiz- und Polizeidepartement zugekommenen Mittheilung, daß im Kursaale zu Luzern Spiele betrieben werden, welche zu den verbotenen zu rechnen seien, sah sich dasselbe veranlaßt, unterm 3. September abhin das Polizeidepartement des Kantons Luzern unter Hinweis auf Art. 35 der Bundesverfassung auf jene Vorgänge aufmerksam zu machen und dasselbe um eine diesbezügliche Untersuchung und eve'ntuell um Unterdrückung der betreffenden Spiele zu ersuchen.

Aus dem bezüglichen Berichte hat sich ergeben, daß im Parterre des Kursaales Baraque- und Rüßlispiel bei ziemlicher Betheiligung des Publikums, jedoch im Allgemeinen mit geringen Einsätzen betrieben werden, während im ersten Stock desselben Etablissements Baccarat gespielt werde. Bei diesem sollen die Einsätze größer sein als bei den andern Spielen, dagegen die Betheiligung eine geringe.

Am 9. September ordnete das Statthalteramt Luzern an, daß das Baccaratspiel im Kursaal eingestellt werden müsse'. Der Vollzug dieser Verfügung fiel vorläufig dahin, indem das Kurhaus in Luzern am 15. September geschlossen wurde. Es erhob aber Herr B., Unternehmer und Direktor des Kursaals, gegen jene Anordnung Beschwerde und ersuchte um Sistirung, bezw. gänzliche Aufhebung der daherigen Untersuchung.

Nach Einsichtnahme des Berichtes des Departements wird der Regierung von Luzern mitgetheilt was folgt : Obwohl Art. 35 der Bundesverfassung nicht ausdrücklich von Hazardspielen spreche, sondern nur Spielbanken und Spielhäuser verbiete, und nach allgemeiner Annahme unter einer Spielbank ein Etablissement verstanden werde, in welchem der Unternehmer gegen jede Person spielt, welche daselbst ihr Glück versucht, glaube der Bundesrath immerhin nicht, daß jener Art. 35 auf Etablissemente dieser Art zu beschränken sei ; er gehe vielmehr von der Ansicht aus, es sei jedes öffentliche Etablissement zu schließen, in welchem das Spiel in großem Slyle betrieben werde, so daß es zu Betrügereien und öffentlichem Aergerniß Anlaß gebe und geeignet erscheine, Hab und Gut unkluger Personen zu gefährden.

Die Bundesbehörden ziehen daher bei Anwendung des Art. 35 der Bundesverfassung weniger die Rolle, welche der Unternehmer beim Spiele einnehme, und die Natur des Spieles in Betracht, als vielmehr die Größe der Spieleinsätze und die Gefahr der Spielenden, in kurzer Zeit erhebliche Beträge zu verlieren. Es frage sich deß-

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halb jeweilen vor Allem, wie hoch und in welchem Umfang gespielt werde.

Im vorliegenden Falle liege zwar, da der Kursaal in Luzern gegenwärtig geschlossen sei, kein Grund vor, einen speziellen Ke Schluß zu fassen. Immerhin erachte es der Bundesrath in seiner Pflicht, der Regierung zu empfehlen, auch in Zukunft über die Vorgänge in dem genannten Etablissement wachen zu lassen und daselbst diejenigen Spiele zu verbieten, welche eine gefährliche Ausdehnung gewinnen könnten.

In Nr. 238 der ,,Allgemeinen Schweizer Zeitung" vom 8. Oktober wurde in einer Korrespondenz aus Montreux darüber Beschwerde geführt, daß im dortigen Kursaal außer dem sogenannten Rößlispiel ein Kugelspiel, ,,Taroktt, betrieben werde, welches für die Börse der Spielenden gefahrlicher sei.

Auf Veranlaßung des eidg. Justiz- und Polizeidepartements ist von den Behörden des Kantons Waadt eine Untersuchung vorgenommen und hierauf das fragliche Kugelspiel (Baraque) aus den Säälen des Kurhauses entfernt worden Seither sei nicht mehr damit gespielt worden. Dagegen hat der Präfekt von Vivis im Rößlispiel, wie es während seiner Anwesenheit gespielt wurde, nichts Ungesetzliches und Gefährliches erblicken können.

Der Bundesrath hat von diesem Berichte Vormerkung genommen.

(Vom 1. November 1887.)

Der Bundesrath hat beschlossen, daß für Alkohol zur Herstellung pharmazeutischer Produkte keine Bewilligung zur ' relativen Denaturirung zu ertheilen sei; er hat vielmehr das Finanz- und Zolldepirtement angewiesen, 1) nur reinen, d. h. undenaturirten Alkohol für diesen Zweck abzugeben ; 2) für die auf den inländischen Erzeugnissen lastende Monopolgebühr bei der Ausfuhr im Sinne von Art. 5 des Gesetzes Rückvergütung zu leisten, und 3) alle spirituösen Erzeugnisse dieser Branche bei der Einfuhr mit der festen Monopolgebühr von Fr. 80 per q. zu belegen.

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Die nachstehenden Theilaehmer an der diesjährigen Sanitätsoffizierbildungsschule B a s e l sind vom Bundesrathe zu Offizieren ernannt wurden, und zwar :

Hr.

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Als O b e r l i e u t e n a n t s (Aerzte): Hagenbach, Karl, in Basel; Frey, Konrad, in Aarau ; Schultheß, Hermann, in Zürich ; Welti, Emil, in Fluntern bei Zürich; Kupfer, Fritz, in Interlaken; Schärer, Albrecht, in Langnau; Häberlin, Hermann, in Fluntern; Diethelm, Rudolf, in Lachen (Sehwyz); Schwander, Emil, in Wangen a./A. (Bern); Ullmann, Oskar, in Mammern (Thurgau); Lotz, Arnold, in Basel; Moser, Ernst, in Schaff hausen ; Jeanrichard, Charles-Henri, in Lode; Petitpierre, Léon, in Bern ; Schäublin, J. Jb., in Gelterkinden (Basel-Landschaft); Schmid, Oskar, in Wimmis (Bern); Dénériaz, Jules, in Sitten : Pflster, Anton, ia Tuggen (Schwyz) ; Jud, Karl, in Benken (Basel-Landschaft); Ulrich, Sebastian, in Möhlin (Aargau); Spiller, Ferdinand, in Mitlödi (Glarus); Pedotti, Friedrich, in Bellinzona; de Montmollin, Jb., in Neuenburg; Plüß, Gottfried, in Brittnau (Aargau).

Als L i e u t e n a n t s (Apotheker): Hr. Steiger, Emil, in Basel ; ,, Bommer, Albert, in Zürich.

Die Direktion der Schweiz. Nordostbahn hat mit Zuschrift vom 18. Oktober dem Bundesrathe einen Finanzausweis betreffend den Bau der Moratoriutnslinien mit dem Gesuche Übermacht, ihr seine Rückäußerung darüber zugehen zu lassen.

Der Bundesrath ist auf dieses Begehren aus folgenden Gründen zur Zeit nicht eingetreten.

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Nach Art. 13 des Eisenbahngesetzes erfolgt die Ansetzung der Frist für die Leistung des Finanzausweises in jedem einzelnen Falle durch die Bundesversammlung, und es steht dem Bundesrathe das Recht nicht zu, die Prüfung des Finanzausweises vorzunehmen, bevor die Grundlage dazu durch die Ertheilung einer Konzession oder durch eine Fristerstreckung von Seite der gesetzgebenden Behörde geschaffen ist. Von dieser verbindlichen Vorschrift darf im vorliegenden Falle um so weniger abgewichen werden, als Art. 3 des Bundesbeschlusses vom 14. Februar 1878 in Uebereinstimmuug mit der angerufenen gesetzlichen Bestimmung ausdrucklich verfügt, daß die Neufestsetzung der Ausweis- und Bautermine für die Moratoriumslinien un vorgreif lieh den gesetzlichen Befugnissen der Bundesversammlung für jede einzelne Linie zu geschehen habe.

Diesen Bestimmungen gemäß wird der Bundesrath seine Vorschläge, zunächst für die rechtsufrige Zürichseebahn, den beiden Räthen unterbreiten und den Finanzausweis erst zu prüfen in der Lage sein, wenn diese Behörde ihren Beschluß über die Fristerstreckung gefaßt haben wird.

Am 19. Oktober hat die Auswechslung der Ratifikationen der zwischen der Schweiz, Baden und Elsaß-Lothringen unterm 18. Mai 1887 abgeschlossenen Uebereinkunft über die Anwendung gleichartiger Bestimmungen für die Fischerei im Rhein und seinen Zuflüssen, einschließlich des Bodensees, stattgefunden.

Der Bank in Basel ist unter der nach Art. 12 b des Banknotengesetzes durch das Wechselportefeuille zu leistenden Garantie die Erhöhung der Etnissionssumme von 14 auf 16 Millionen Franken bewilligt worden.

(Vom 4. November 1887.)

Der Bank in Zürich wird die Bewilligung ertheilt, ihre Banknotenemission unter der nach Art. 12b des Banknotengesetzes durch das Wechselportefeuille zu leistenden Garantie von 8 auf 10 Millionen Franken zu erhöhen.

Der Bundesrath hat heute von 42 Verträgen über definitive Brennloose für die Brennjahre 1887/93 38 genehmigt.

237 Herr Major Dr. B o v e l, Instruktor I. Klasse der Sanitätstruppen, hat die von ihm nachgesuchte Entlassung von seiner Stelle vorn Bundesrathe erhalten, unter Verdankung der von ihm geleisteten Dienste.

Vom Bundesrathe sind gewählt worden : (am 1. November 1887) als Postkommis in Locle: Hr. Paul Tâcheron, Postaspirant, von Moudon (Waadt), in Weinfelden ; ,, ,, ,, Porrentruy: ,, Sébastien Rais, von Courtetelle (Bern), in Saignelégier (Bern); (am 4. November 1887) als Postkommis in Basel :

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Hr. Edmund Buser, von Thürnen (Basel-Landschaft), Postkommis in Liestal ; ,, Telegraphist in Fahrwangen : ,, Rudolf Müller, von Fahrwangen (Aargau), Posthalter daselbst; ,, Telegraphistin in Goldach : Frau Louise Tschirki-Fuchs, von Weißtannen-Rlels (St. Gallen), in Goldach.

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